Betrachtungen über den Epheserbrief
Kapitel 4
Den alten Menschen ausgezogen – den Neuen angezogen
Vorrechte und Verpflichtungen
Mit Kapitel 4 beginnt der 2. Abschnitt dieses Briefes. Kapitel 4 – 6 können wir den praktischen Teil des Briefes nennen, während die ersten drei Kapitel den lehrmäßigen Teil bilden, welcher sich mit den ewigen Ratschlüssen Gottes und mit Seinen Wegen in bezug auf die Versammlung und der herrlichen Stellung beschäftigt, in die sie durch ihre Verbindung mit ihrem verherrlichten Haupt, unserem Herrn Jesum Christum, gebracht ist.
Von Anfang an war es der Vorsatz Gottes, des Vaters, arme Sünder, die an Seinen eingeborenen Sohn glauben, als Söhne zu Sich zu bringen. Aus solchen setzt sich die Versammlung, welche „der Leib Christi“ ist, zusammen. Christus erkaufte Sich die Versammlung mit Seinem kostbaren Blut, indem Er Sich für sie dahingab. Als Folge des vollbrachten Erlösungswerkes kam der Heilige Geist vom Himmel auf diese Erde herab, um Seelen zu dem alleinigen Heiland zu führen, und um jeden wahren Gläubigen der gegenwärtigen Haushaltung mit Christus, dem Haupt, zu vereinigen und so den ewigen Ratschluss Gottes zu erfüllen.
In den letzten drei Kapiteln, die – wie bemerkt – den praktischen Teil dieses Briefes bilden, redet der Apostel klar von der christlichen Verantwortlichkeit; denn seine Lehre sollte auch zu einem Wandel und, als dessen Folge, zu einem gottseligen Leben führen. Zuerst muss ein Verständnis von der hohen Berufung da sein; dann folgt der Wandel in Übereinstimmung mit dieser Berufung. Stellung kommt vor Verantwortlichkeit, Vorrechte vor Verpflichtungen. Der seiner hohen Berufung bewusste Gläubige wird auch fähig sein, seine Verpflichtung zu einem heiligen, Gott wohlgefälligen Leben zu verstehen. Wenn es ein lehrmäßiges Christentum gibt, so gibt es auch ein praktisches Christentum.
Wenn uns Gott zeigt, dass wir mit Christus in die himmlischen Örter versetzt sind, so sollte man auch an den Gläubigen sehen, dass sie über dem Niveau der Welt in einem geistlichen Zustand leben, der in Übereinstimmung mit ihrer himmlischen Stellung ist.
Der Heilige Geist zeigt uns in diesem letzten Teil des Briefes zwei wichtige Tatsachen:
- Den christlichen Wandel (Kap. 4, 1 – 6, 9).
- Den christlichen Kampf (Kap. 6, 10 – 20).
Würdig der Berufung wandeln
Vers 1: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid“
Aus der Ausdrucksweise des Apostels „Ich ermahne euch nun“, geht klar hervor, dass zwischen der lehrmäßigen Unterweisung in den vorhergehenden Kapiteln und der praktischen Belehrung in den letzten drei Kapiteln eine lebenswichtige Verbindung besteht. Wo es wahren Glauben gibt, da muss es auch gute Werke geben.
Dies ist nun schon das zweite Mal, dass sich der Apostel als „der Gefangene im Herrn“ vorstellt (vgl. Kap. 3, 1). Es war die römische Regierung, die ihn in Gewahrsam nahm, in Ketten legte und ihn schließlich dem Tod überlieferte. Gerade so hatte sie es mit seinem Herrn und Meister getan, Den sie überlieferte, auf dass Er gekreuzigt würde. Doch der Apostel rechnete es sich zur Ehre, ein „Gefangener Jesu Christi“, ein „Gesandter in Ketten“ zu sein (Kap. 6, 20).
Mit welcher Zartheit spricht hier der Apostel zu seinen Söhnen im Glauben in Ephesus. Er spricht zu ihnen nicht im Befehlston, sondern sagt zart und freundlich: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid“. Welch eine wunderbare Berufung! Es ist eine „Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3, 14); eine „heilige“ und eine „himmlische Berufung“ (2. Tim 1, 9 und Heb 3, 1) deren wir teilhaftig geworden sind. Gott hat uns in Gnaden „in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus“ berufen (1. Kor 1, 9). Er hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern, Er hat uns ewiges Leben gegeben und uns mit Seinem geliebten Sohn als das Haupt des Leibes verbunden.
Wir werden mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist, zu einem heiligen Tempel im Herrn. Wir sollten nun diesen gesegneten Vorrechten entsprechen und dieser hohen Berufung, mit welcher wir berufen worden sind, würdig wandeln!
Einander in Liebe ertragen
Vers 2: „... mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe“
Der Apostel beabsichtigt, ihnen über die außerordentliche Wichtigkeit des Bewahrens der Einheit des Geistes zu schreiben; und so bereitet er hier den Weg dazu, indem er sie ermahnt, in aller Demut und Sanftmut mit Langmut zu wandeln.
Lasst uns auf der Hut sein, dass diese Demut in jedem Aspekt unseres Lebens in Wahrheit die Haltung unserer Herzen sei, in dem wir nicht nur äußere Demut zeigen! Es muss die Haltung unseres Herzens sein! Der allergrößte Lehrer ermuntert uns, von Ihm zu lernen, denn Er ist „von Herzen demütig“.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Demut Christi, unseres Herrn, und unserer Demut. Er, der Gott, Seinem Vater, gleich ist und der in der Gestalt Gottes war, entäußerte Sich, und selbst als Mensch erniedrigte Er Sich noch und ward gehorsam bis zum Tod, „ja, zum Tod am Kreuz“. Er der Allmächtige, der Unendliche, erniedrigte Sich und kam auf diese verfluchte und sündige Erde herab, und nicht nur das; Er stieg auch in die unteren Teile der Erde (V. 9). Unsere Demut dagegen kann gar nicht soweit herabsteigen. Wir sind nur Staub; und das Bewusstsein hiervon sollte uns vor allem Stolz und jeder Ruhmsucht bewahren. Möge der Herr uns in einem Zustand wahrer Demut erhalten, denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jak 4, 6). Der Apostel hatte sich ausführlich mit unserer herrlichen Stellung beschäftigt und gezeigt, dass Gott in Seiner Gnade, Liebe und Barmherzigkeit uns hat „mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“. Nun aber ermahnt er uns, in aller Demut zu wandeln. Wir sollten uns unserer wunderbaren Stellung wegen nicht rühmen oder erheben, sondern sollten im Gegenteil die Schönheit dieser Stellung durch einen Christus gleichen Wandel in Demut offenbaren. Das also ist der erste Schritt auf dem Weg der Einheit.
„...und Sanftmut“. Welch ein wunderschönes Kennzeichen ist dies! Wie lieblich, wenn wir damit geschmückt sind! Es ist eine der wunderbaren Tugenden Christi, auf die der Apostel in seinem 2. Brief an die Korinther (Kap. 10, 1) hinweist: „Ich ... ermahne euch durch die Sanftmut und Milde des Christus“. Der Herr selbst lädt uns ein: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11, 28. 29).
Sanftmut bedeutet, dass wir die niederträchtigsten Beleidigungen ruhig und ohne Verdruss hinnehmen. Das tat der Herr Jesus, als Er hier auf Erden war, „der gescholten, nicht wiederschalt“. Wir sollten Ihn in Seiner Demut und Sanftmut, ja in jeder Seiner Tugenden nachahmen. Wer da sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist“ (1. Joh 2, 6). Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg der Einheit.
„... mit Langmut“. Der Apostel ermahnt auch in Kol 3,12 zur Langmut; er offenbarte sie in seinem eigenen Leben (vgl. 2. Kor 6, 6 und 2. Tim 3, 10).
Langmut bedeutet, dass wir nicht schnell ärgerlich werden, selbst wenn wir grundlos und ungerechtfertigt herausgefordert und beleidigt werden. Was für eine wunderbare Tugend ist Langmut. Sie vermehrt der Seele Frieden und Freude. Lasst uns ernstlicher dafür beten, dass uns der Herr mehr Weite des Herzens gebe! Dies also ist noch ein weiterer, gesegneter Schritt zu dem Weg der Einheit.
„... einander ertragend in Liebe“(vgl. auch Kol 3, 13). Wir sollten in der Tat darüber wachen, dass wir nicht gegen andere sündigen und sie beleidigen. Da wir selbst so leicht gegen unsere Brüder sündigen, sollten wir umso mehr auch ihre Sünden gegen uns ertragen. Wenn die Liebe vermehrt in unserem Herzen wirksam ist, werden wir durch Gottes Gnade fähig sein Sünden, Fehler und Vergehungen anderer gegen uns zu ertragen.
Der Apostel Petrus ermahnt die Gläubigen, besonnen und nüchtern zum Gebet zu sein. Aber er fügt auch hinzu: „Vor allen habt untereinander eine inbrünstige Liebe, denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden“ (1. Pet 4, 8). All diese Ermahnungen, die uns der Heilige Geist gibt, sind, unbedingt nötig, um die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens zu bewahren.
Das Bewahren der Einheit
Vers 3: „... euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“
Es sollte ganz klar sein, dass der Apostel uns nicht dazu ermahnt, die Einheit des Leibes zu bewahren, denn dies ist ein göttliches Werk. Gott begann dies Werk am Tag der Pfingsten, als der Heilige Geist vom Himmel herniederkam, um alle wahrhaft Gläubigen mit dem Herrn Jesus Christus, dem Haupt, als zu einem Leib zu verbinden. „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“ (1. Kor 12, 13).
Trotz all der Spaltungen und Trennungen, die unglücklicherweise die Christenheit zerrissen haben, bilden alle wahren Christen, in welcher christlichen Benennung und Gruppe sie sich auch aufhalten mögen, den einen Leib des Christus.
Der Apostel ermahnt uns hier, dass wir uns befleißigen, unser Äußerstes zu tun, die „Einheit des Geistes“ zu bewahren. Jeder Gläubige aus irgendeiner Gruppe, aus irgendeinem christlichen Kreis ist mein Bruder und gleich mir ein Glied am Leib Christi. Ich bin schuldig, ihn zu lieben und mit ihm auf dieser Basis zu verkehren.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass uns der Apostel nicht auffordert, diese Einheit zu machen oder zu bauen, sondern sie zu bewahren; denn gemacht ist diese Einheit bereits durch den Heiligen Geist. Wenn jeder Gläubige erlauben würde, dass der Heilige Geist ungehindert in seinem Herzen wirken könnte, so würde diese Einheit in warmherziger, ungeheuchelter Liebe gegen alle wahren Gläubigen ohne jede Ausnahme offenbar werden. Es würde die Schönheit und Herrlichkeit dieser Einheit in all unseren Handlungen mit allen Kindern Gottes gesehen werden.
Das Band des Friedens
„In dem Band des Friedens“. Hier ist nicht von dem Frieden die Rede, den Gott in unsere Seelen gibt und der unsere Herzen und unseren Sinn bewahrt in Christus Jesus, sondern von dem Frieden, der unsere Herzen mit allen geliebten Kindern Gottes verbindet.
Es ist möglich, dass es Gläubige gibt, die bezüglich der göttlichen Wahrheiten nur ein geringes Verständnis besitzen, und wir tun gut, wenn wir ihnen mit aller Demut und Sanftmut die gesunden, göttlichen Grundsätze verstehen helfen. Doch das Wichtige hier, wozu uns der Apostel ermahnt, ist, dass wir uns wirklich befleißigen, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens.
Auf der anderen Seite ist es wichtig zu bemerken, dass „die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“ nicht bedeutet, einen Menschen in die Gemeinschaft der Gläubigen aufzunehmen, wenn sein praktisches Leben oder sein lehrmäßiger Standpunkt nicht gesund ist. Es ist äußerst gefährlich, so etwas unter dem Vorwand der Liebe oder mit dem Gedanken zu tun, wir würden nun die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahren. Denn das Erweisen von Liebe auf Kosten der Wahrheit oder der Herrlichkeit Gottes ist keine wahre christliche Liebe. Würden wir unserem Herrn Jesus Christus und Seinen Anrechten gegenüber wahrhaftig und in unserer Liebe zu Ihm aufrichtig sein, wenn wir einem Menschen, der nicht einen guten, christlichen Wandel in praktischer Heiligkeit führt, erlaubten, anwesend zu sein und Gemeinschaft mit den Gläubigen zu haben? Oder wenn wir eine Person zuließen, die zwar behauptet, ein wahrer Christ zu sein, die aber durch böse Lehre verwirrt ist und den Namen Christi, unseres Herrn und Meisters, entehrt?
Oh, Heilige Gottes, wacht auf! Bewacht sorgfältig die Tore! Denn wir leben in den letzten Tagen, den Tagen der Übungen und des Verfalls, in denen „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ schon wirksam ist, um der großen Drangsalszeit und der Aufnahme des Antichristen den Weg zu bereiten.
Die heutige Theologie leugnet die Inspiration der Heiligen Schrift in gewissen Teilen oder in ihrer Gesamtheit. Sie leugnet die Gottheit der Person Jesus Christus, unseres Herrn; leugnet, dass Sein Tod am Kreuz ein Sühnungstod war. Sie hält noch an weiteren gottlosen Lehren fest. Und all diese bösen Lehren sind in die Mitte der sogenannten Christenheit eingedrungen! Daher sollten sich alle, die Christus lieben, von diesen Vertretern der modernen Theologie abwenden, auch wenn dieselben von sich behaupten, dass sie Christen seien.
Johannes, der Apostel der Liebe, gibt uns die ernste Warnung, solche falschen Lehrer nicht aufzunehmen, noch irgendetwas mit ihnen zu tun zu haben. „Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf, und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken“ (2. Joh V. 9–11).
Der Herr Jesus Christus hat Seine Kirche auf jenes wahre Bekenntnis des Petrus gebaut, welches der Vater ihm offenbart hatte, als er sagte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Wer daher nicht den Herrn Jesus Christus als den Sohn des lebendigen Gottes bekennt und nicht an Ihn als an eine göttliche Person noch an den Wert Seines Erlösungswerkes glaubt, gehört ganz offenbar nicht zu der Kirche Christi und ist kein wahrer Christ, selbst wenn er eine Säule oder ein Lehrer in einer der größten christlichen Benennungen ist.
Es steht folglich denjenigen, die den Herrn Jesus lieben, nicht an, mit solchen Leuten irgendeine persönliche oder korporative Gemeinschaft zu haben.
Zur gleichen Zeit jedoch sollen wir die Einheit des Geistes mit all denen bewahren, die den Herrn Jesus lieben in Aufrichtigkeit – wir sind gehalten, sie zu lieben und sie aufzunehmen. Möge uns der Herr in Seiner Gnade bewahren, eine neutrale Stellung gegenüber dem Bösen einzunehmen oder irgendeine Gemeinschaft mit solchen zu haben, die den Namen unseres hochgelobten Herrn entweder durch ihr Verhalten oder durch ihre modernen, sündigen Grundsätze verunehren.
Mögen wir aber auch auf der anderen Seite vor einem engen und sektiererischen Geist bewahrt bleiben! Lasst uns alle Kinder Gottes lieben, auch diejenigen, die weniger Verständnis und Einsicht bezüglich ihrer Vorrechte und Verantwortlichkeiten in Christus Jesus haben.
„Den Schwachen im Glauben aber nehmt auf, doch nicht zur Entscheidung strittiger Überlegungen“. „Wir aber, die Starken, sind schuldig, die Schwachheiten der Schwachen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen. Jeder von uns gefalle dem Nächsten zum Guten, zur Erbauung.“ „Deshalb nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat, zu Gottes Herrlichkeit“ (Röm 14, 1; 15, 1–2. 7).
Sieben Charakterzüge der Einheit
Vers 4: „Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung“
Der Apostel zeigt uns in diesem Vers und in den beiden nächsten Versen sieben Charakterzüge der Einheit.
In Vers 4 haben wir drei Charakterzüge, welche sich mit dem ersten Teil der Einheit befassen. In Vers 5 haben wir dann den zweiten Teil, welcher auch aus drei weiteren Charakterzügen dieser Einheit besteht. In Vers 6 haben wir schließlich den dritten Teil, welcher die sieben Charakterzüge vervollständigt.
„Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung“ (V. 4). Dies ist der erste Kreis, in den niemand außer den wahrhaft Gläubigen, die wiedergeboren sind und mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt worden sind, eintreten kann. Der eine Leib setzt sich aus all denen zusammen, die im kostbaren Blut Christi gewaschen und Sein Eigentum geworden sind, indem sie durch den Heiligen Geist mit Ihm vereinigt worden und Glieder Seines Leibes geworden sind. „Denn ebenso, wie wir in einem Leib viele Glieder haben...‚ so sind wir, die Vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander“ (Röm 12, 4. 5).
„...ein Geist“ – der Heilige Geist, durch den wir zu einem Leib getauft worden und somit Glieder des Leibes Christi geworden sind; „denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ (1. Kor 12, 13).
„Wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung“. Alle wahren Gläubigen haben diese eine Hoffnung der Wiederkehr unseres Herrn Jesus Christus, um dann für immer bei Ihm und Ihm gleich zu sein, „denn wir werden ihn sehen, wie er ist“. Der Apostel bezog sich schon im 1. Kapitel unseres Briefes (V. 18) auf die Hoffnung unserer Berufung, dort sagt er: „Welches die Hoffnung seiner Berufung ist“, d.h. es ist Gott, der beruft, und Er ist auch die „Hoffnung unserer Berufung“, weil wir die Berufenen sind.
Vers 5: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“
Dieser Vers enthält den zweiten Teil oder den zweiten Kreis dieser Einheit; und dieser Kreis ist größer als der erste. Er schließt nicht notwendigerweise nur wahre Gläubige, sondern auch jene ein, die wohl den Glauben an Christum bekennen und getauft sind, ohne selbst wahrhaft wiedergeboren zu sein.
„Ein Herr“ – Der Herr Jesus Christus, ist der ewige Sohn Gottes. Der wahre Gläubige wird Befriedigung für seine Seele darin finden, Ihn als Herrn und Meister anzuerkennen und im Herzensgehorsam gegen Ihn voranzugehen, Seinen Willen als „gut und vollkommen“ annehmend.
Christus ist unser Heiland, ja, mehr noch, Er ist unser Herr und Meister. Gerade die Verwirklichung Seines Herrschaftsanspruches über uns und all die Seinigen ist der mächtigste Ansporn, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens. Jedoch ist die Nennung des Titels „Herr“ auch von jenen übernommen worden, die Ihn bekennen ohne wiedergeboren zu sein. Auf solche Menschen beziehen sich die Worte des Herrn in Mt 7, 21–23: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt, und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben, und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen erklären: Ich habe euch niemals gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter!“
Der Tag wird all jene offenbar machen, die die Herrschaft Christi anerkannt haben. In der Tat, wie gefährlich und furchtbar für alle diejenigen, die Christus bekennen, aber nicht wahre Christen sind. Die Zeit wird kommen, da „jede Zunge bekennen wird, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“ (Phil 2, 11). Auch die Verlorenen und Satan und seine Dämonen werden es bekennen müssen, wenn sie gezwungen sein werden, sich Seinem Urteilsspruch zu beugen, der sie für ewig in den Feuersee verbannen wird.
„Ein Glaube“ – Der einzige Weg, auf dem man ewiges Leben erlangen und auf den Boden der Gnade gelangen kann, ist, einfach an den Herrn Jesus Christus zu glauben. Wir waren einst geistlich tot, aber als wir an den Herrn Jesus glaubten, wurden wir aus dem Tod ins Leben versetzt, d.h. wir empfingen ewiges Leben. Aber hier bedeutet „ein Glaube“ den christlichen Glauben, den „allgemeinen Glauben“ der bekennenden Christenheit im Unterschied zum jüdischen Glauben und dem (Aber-)Glauben der götzendienerischen Heiden.
„Eine Taufe“ – nun dies bezieht sich nicht auf die Taufe des Heiligen Geistes; denn dies ist, was wir in dem vorhergehenden Vers in dem Ausdruck „ein Geist“, dem Heiligen Geist, fanden. Was hier gemeint ist, ist die Taufe mit Wasser in dem Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – die christliche Taufe im Unterschied zu der Taufe Johannes des Täufers und den Taufen oder Waschungen der Juden (vgl. Apg 2,38; 10,48 mit Mt 3,6; Heb 6,2).
In Apostelgeschichte 8, 13 lesen wir, dass Philippus Simon, den Zauberer, taufte, als dieser den Glauben an Christum bekannte, aber es wurde bald offenbar, dass er überhaupt kein Gläubiger war.
Ein noch größerer Kreis
Vers 6: „...ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in uns allen“
Wir kommen nun zu dem dritten Kreis in dieser Einheit – einem noch weit größerem als den vorherigen. Es ist das Vorrecht der wahren Gläubigen, Gott als ihren Gott und Vater zu kennen, und wenngleich sie in dieser Kenntnis Frieden und wahre Befriedigung ihres Herzens finden, so sehen wir hier andererseits Gott als den Eigentümer und Herrn, Der ein Anrecht an alle Menschen, an Seine Geschöpfe hat.
In der Tat, Er ist der Gott aller Menschen, „der Gott der Geister alles Fleisches“ (4. Mose 27, 16). Er ist sowohl der Gott derer, die Ihn kennen und an Ihn glauben, als auch der Gott derer, die Ihn nicht kennen, sondern zahllose Götzen anbeten. „...dass kein Gott ist, als nur einer. Denn wenn es nämlich solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf der Erde, (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt), so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn“ (1. Kor 8, 4b – 6).
Wir glauben an „einen Gott“, und nicht an mehrere, wie es die Heiden tun; wir glauben an „einen Gott und Vater aller“ in dem Sinne, dass Er der Urheber und Schöpfer aller ist.
Diese Wahrheit kannten die Juden in der Haushaltung des Gesetzes nicht, denn sie dachten, dass Gott nur für sie, nicht aber für die ganze Menschheit da wäre; auch kannten sie Ihn nicht als den Vater in dem gesegneten Sinn, wie Ihn die neutestamentlich Gläubigen kennen. „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8, 15+16). Gott, der Vater, der ein Gott und Vater „aller“ ist (denn Er erschuf sie alle), ist besorgt um all Seine Geschöpfe, selbst wenn sie Ihn verleugnen. „Damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5, 45).
Er ist es, der „selbst allen Leben und Odem und alles gibt“. „Denn wir sind auch sein Geschlecht“ (Apg 17, 28). („Wir sind auch sein Geschlecht“ bedeutet nicht, dass alle Menschen Seine Kinder wären, d.h. von oben geboren, oder wiedergeboren wären, sondern dass sie alle Seine Geschöpfe und aus Seiner Hand hervorgegangen sind, und dass Er Sich um sie bekümmert und und sich für sie interessiert).
Und wie Er der Gott und Vater aller ist, so ist Er auch „über allen und durch alle“. Mit anderen Worten, Er ist der rechtmäßige Eigentümer und Herr aller Schöpfung, die durch Ihn ins Dasein gerufen wurde und durch Ihn auch weiter fortbesteht. „Und in uns allen“ – dies ist das alleinige Vorrecht der wahren Gläubigen; denn wenn Gott der ein Gott und Vater aller ist, der über allen ist, dann ist Er auch in allen wahren Gläubigen, Seinen Kindern. Deshalb sagt der Apostel hier nicht „in allen“, sondern „in uns allen“. So sehen wir klar den großen Unterschied zwischen dem Handeln Gottes mit der Welt im ganzen und Seinem Handeln mit Seinen Kindern. „In uns allen“ – Er ist nicht nur über uns und durch uns in dem Sinne Seiner Allgegenwart wie in der ganzen Schöpfung, sondern Er ist auch in uns in einer ganz persönlichen Weise. Oh, wie wunderbar!
So sehen wir in unserer Betrachtung dieser siebenfältigen Einheit den dreieinigen Gott für uns und in uns am Werk, damit die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahrt werden möge. In Vers 4 sehen wir den Heiligen Geist, den „einen Geist“, in Vers 5 den Herrn Jesus, den „einen Herrn“, und in Vers 6 Gott, den Vater – den „einen Vater“.
Geistliche Gaben
Vers 7: „Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maß der Gabe des Christus“
Der Heilige Geist beschäftigt sich in diesem Abschnitt mit dem Gegenstand der geistlichen Gaben, die der verherrlichte und erhobene Christus Seiner Versammlung zu ihrer Auferbauung und Förderung gegeben hat. Obgleich dieser Gegenstand erst nach den erklärenden und ermahnenden Worten bezüglich der Wichtigkeit des Bewahrens der Einheit des Geistes in dem Band des Friedens aufgegriffen wird, sei zuvor noch einmal darauf hingewiesen, dass, so wichtig diese Gaben sind, wir ihren Wert verlieren, wenn wir nicht die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahren. Was ist noch der Wert der Gaben, was der Wert selbst des höchsten Dienstes, wenn nicht die Liebe unter den Gliedern des einen Leibes wirksam ist? (Lies 1. Kor 13).
Der Apostel spricht zuerst von den Gaben, die allen Gläubigen gegeben sind. Zur gleichen Zeit gibt es jedoch auch besondere Gaben, die er in den folgenden Versen erwähnt. Schon am natürlichen Leib hat jedes Glied seine bestimmte Funktion und Verrichtung. Jedes einzelne von ihnen hat seinen Platz und hat dementsprechend seine Arbeit zu verrichten zum Wohl all der anderen Glieder des Leibes. In der gleichen Weise hat jedes Glied am Leib Christi seinen von Gott gegebenen Platz und Dienst, – seine Gabe, die es zum Nutzen und Wohl der anderen Glieder gebrauchen sollte.
„Denn ebenso wie wir in einem Leib viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Tätigkeit haben, so sind wir, die Vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander. Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade: es sei Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Maß des Glaubens“ (Röm 12, 4–6).
Alle diese Gaben sind der Gnade gemäß gegeben, „jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maß der Gabe des Christus“. Nun, Christus, das verherrlichte Haupt, hat in Seiner Gnade jedem einzelnen Glied Seines Leibes eine bestimmte Gabe oder Fähigkeit verliehen, damit dieselbe zum Guten des Leibes benutzt werde.
Wenn der Apostel sagt „nach dem Maß der Gabe des Christus“, so bedeutet dies, dass der Herr Jesus jedem Gläubigen eine Gabe gegeben hat, und zwar nach dem Maß oder gemäß der Fähigkeit, die Er für ihn vorgesehen hat. „Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen an dem Leib, wie es ihm gefallen hat“ (1. Kor 12, 18).
Christus als das Haupt ist die Quelle aller Gaben, die Er Seiner Versammlung verliehen hat.
Vers 8: „Darum sagt er: Hinaufgestiegen in die Höhe, hat er die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben“
Der Apostel Paulus zitiert hier die Worte des 68. Psalms, wo wir in Vers 18 lesen: „Du bist aufgefahren in die Höhe, du hast die Gefangenschaft gefangen geführt; du hast Gaben empfangen im Menschen, und selbst für Widerspenstige, damit Jehova, Gott, eine Wohnung habe“. Der Apostel bezieht die Worte Davids auf Christus, auf Seinen Sieg über den Tod und über den, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel. (Heb 2, 14).
Seit dem Augenblick Seiner Rückkehr zu Seines Vaters Haus hat Er nicht aufgehört, den Seinen Gaben und Talente zu geben. Das ist auch, was der Apostel Petrus verstand, als er am Tag der Pfingsten über den Herrn Jesus sagte: „Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dies ausgegossen, was ihr seht und hört“ (Apg 2, 33). So ist denn die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes die erste Gabe, die der Herr Seiner Versammlung gab, nachdem Er gen Himmel gefahren war.
Christus, der erhöhte Mensch
Vers 9+10: „Das aber: Er ist hinaufgestiegen, was ist es anderes, als dass er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte“
Die Siege, die der Herr dem David und anderen Helden des Alten Testaments gegeben hatte, waren wahrlich große und wunderbare Siege. Doch der Sieg Christi ist der größte, wunderbarste und herrlichste aller Siege, Ihm sei alle Ehre. Nachdem Er über die Sünde gesiegt, und Tod und Satan überwunden hatte ist Er durch göttliche Herrlichkeit auferstanden und in den Himmel aufgefahren in Glanz und Majestät. Von dort teilt er Beute und Segen aus an die, welche gefangen waren in den Klauen des Feindes. Er, der Herr Jesus, ist der Stärkere, Er hat den Starken besiegt und die Gefangenen befreit, indem er die Riegel und Bande zerschlug, mit denen der Feind sie gefesselt hatte. Der Name unseres hochgelobten Herrn sei ewig dafür verherrlicht und gepriesen.
Beachten wir dies: Der, der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, ist Der, welcher in die unteren Teile der Erde hinabgestiegen ist. Wie sehr wir auch über seine Erniedrigung nachsinnen mögen, die ganze Tiefe dieser Erniedrigung können wir nicht ergründen. Der, der Gott gleich ist machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.
Der Fürst des Lebens starb einen schmachvollen Tod des Hohns und der Verwerfung. Er trug unser Gericht – Er trug unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz. Ja, er stieg hinab in die unteren Teile der Erde – d.h. dass er begraben wurde in einem Grab und dort sind auch unsere Sünden begraben in alle Ewigkeit. Welch eine Erniedrigung!
Wenn wir dann aber unseren Blick zum Himmel richten, werden wir ebenso nicht die Erhabenheit dieser Erhöhung ermessen können, mit der Gott ihn erhöht hat – eine Erhöhung, die Christus erfahren hat als Mensch. Er ist der einzige Mensch, der aus den Toten auferweckt wurde, der verherrlicht und erhoben wurde über alle Himmel. „Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist“. Wenn ich Ihn so dort im Glauben betrachte habe ich die Gewissheit, dass ich in Ihm vor Gott angenommen bin in der Annehmlichkeit, in der Er vor seinem Vater ist. Er stieg hinauf über alle Himmel „auf dass er alles erfüllte“. Gibt es eine größere Fülle als die, dass wir in ihm völlig und ewig angenommen sind? Und dass Gott uns „in ihm sieht als heilig und tadellos vor ihm in Liebe?“ Ja, gibt es eine größere Fülle als die, dass Gott uns jetzt liebt mit der Liebe, mit der Er Seinen geliebten Sohn liebt (Joh 17,23)? Der Herr Jesus wurde unserer Übertretungen wegen dahingegeben und zu unserer Rechtfertigung auferweckt. Die Tatsache, dass Er jetzt dort über alle Himmel ist, ist der größte Beweis unserer Rechtfertigung und unserer Annahme vor Gott.
Haben wir wirklich diese gesegnete Wahrheit erfasst, dass der, welcher über alle Himmel hinaufgestiegen ist, ein Mensch ist wie wir, außer der Sünde? Er ist verherrlicht auf dem Thron Gottes und obwohl jetzt im Himmel, vermag er als Mensch Mitleid zu haben mit uns in unseren Leiden, Versuchungen und Nöten. „Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe“ (Heb 4,14–16). Mögen wir zu Ihm kommen in allen Umständen des Lebens und Ihm alles sagen. Sein feinfühlendes Herz ist uns voller Mitgefühl und Zärtlichkeit zugewandt und seine Hand ist ausgestreckt zu rechtzeitiger Hilfe.
Apostel und Propheten
Vers 11: „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer“
Christus ist das verherrlichte und erhobene Haupt im Himmel; Er allein hat Macht und Autorität, diese verschiedenen Gaben zu geben wem Er will.
Die beiden ersten Gaben – Apostel und Propheten – sind grundlegender Art. Der Herr gab sie zur Aufrichtung und Gründung Seiner Kirche. Es ist ein großer Fehler, wenn jemand denkt, es gäbe auch heutzutage noch Apostel und Propheten außer denen, die der Herr zu Anfang erweckte, oder es gäbe noch Männer mit aus Nachfolge abgeleiteter, apostolischer Macht.
Der Herr Jesus erwählte Sich in den Tagen Seines Fleisches zwölf Jünger, die Er auch Apostel nannte (Lk 6, 13). Ihr Dienst geschah zu jener Zeit noch nicht zur Aufrichtung der Kirche sondern er blieb vorerst auf die verlorenen Schafe des Hauses Israel beschränkt (Mt 10, 5. 6). Nach vollbrachtem Erlösungswerk und nach Seiner Auferweckung aus den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, gab der Herr Jesus diesen Aposteln einen neuen Dienst – die einzigartige Gabe, Apostel zur Verkündigung des Evangeliums gegenüber der ganzen Schöpfung zu sein.
Ihre neue Sendung war einmal abhängig von der Himmelfahrt des Herrn und zum anderen von der Herniedersendung des Heiligen Geistes, der sie erfüllte und ihnen zur Ausübung ihres neuen Dienstes Kraft verlieh. Es war, wenn wir so sagen dürfen, ein grundlegender Dienst, „aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Jesus Christus selbst Eckstein ist“ (Eph 2, 20). „... und andere als Propheten“. Zu Anfang des Zeugnisses erweckte Gott Männer, die zwar nicht Apostel, wohl aber Gefäße der Inspiration waren, z.B. Markus, Lukas, Agabus, und andere waren Propheten (Apg 21, 10. 11).
Die inspirierten Schriften des Neuen Testaments waren zur Zeit der Gründung der Versammlung noch nicht vollständig vorhanden; und so erweckte Gott Propheten, um durch sie Seine Gedanken in bezug auf besondere Bedürfnisse und Fragen in gegebenen Situationen zu offenbaren. Das ist, was in 1. Kor 14, 30 gemeint ist – dass, wenn einer der Gläubigen zur Auferbauung seiner Mitgeschwister reden und es geschehen würde, dass „einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung wird“, der erste schweigen sollte. Offenbarung bedeutet also hier göttliche Inspiration zur Leitung der Versammlung in irgendeiner gegebenen Situation oder zur Feststellung irgendeines göttlichen Grundsatzes.
Nach Vollendung der heiligen, inspirierten Schriften besteht nicht länger die Notwendigkeit neuer Offenbarungen. Daher ist alles, was heutzutage vorgibt, eine neue Offenbarung zu sein, in Wirklichkeit nichts anderes als eine Leugnung der Vollständigkeit und Vollkommenheit der göttlich inspirierten Schriften, in denen alles Nötige zur Leitung der Gläubigen sowohl in ihrem persönlichen als auch ihrem gemeinschaftlichen Weg geoffenbart ist.
Der Anspruch, neue Offenbarungen zu besitzen, gibt dem Teufel, welcher ein Lügner und der Vater der Lüge ist, Gelegenheit, Seelen zu verführen. Es besteht kein Zweifel, dass Gott von Zeit zu Zeit begabte Männer erweckte, deren Dienst dem der Propheten ähnlich war, indem sie der Mund Gottes waren – jedoch nicht, um neue Offenbarungen zu bringen, sondern um irgendwelche göttlichen, in der Schrift enthaltenen Wahrheiten, die vielleicht über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten waren, neu ans Licht zu bringen und zu bekräftigen.
Eine dieser völlig verlorengegangenen Wahrheiten war z.b. die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben ohne Werke. Während vieler Jahrhunderte hatte der Feind diese Wahrheit vor den Augen und dem Verständnis der Christen zu verbergen gewusst, bis Gott Luther erweckte, den er zur Erleuchtung von Millionen von Menschen benutzte, damit sie diese wunderbare, göttliche Wahrheit verstünden – „der Gerechte wird aus Glauben leben“.
Dasselbe sehen wir bezüglich der gesegneten Wahrheit der Wiederkunft des Herrn als der Hoffnung der Kirche. Diese Wahrheit war während vieler Jahrhunderte der Kirche völlig unbekannt und entglitten. Doch vor nicht allzu langer Zeit erweckte Gott begabte Männer, die, obgleich nicht Propheten in dem Sinne unseres Verses, einen Dienst hatten, der dem der Propheten vor alters ähnelte, indem der Herr sie benutzte, diese kostbare Wahrheit neu zu beleben und ihr Licht auf viele Kinder Gottes fallen zu lassen, sodass ihre Herzen mit wunderbarer Freude erfüllt und sie selbst zu praktischer Absonderung von allem, was nicht von Gott war, geführt wurden.
Wo finden wir bei den christlichen Kommentatoren des dunklen Mittelalters die gesegnete Wahrheit von der himmlischen Berufung und Stellung der Versammlung als dem Leib Christi? Wo finden wir Schriften, die uns klar die Hoffnung der Versammlung zeigen – das Kommen Christi zur Aufnahme Seiner Heiligen, damit sie für ewig bei Ihm seien und Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen?
Diese und viele andere Wahrheiten waren über lange Zeitabschnitte selbst wahren Christen verborgen und unbekannt, bis der Herr in seiner Gnade geheiligte Männer erweckte und ihnen gab, diese herrlichen Wahrheiten aus der Schrift neu bekannt zu machen.
Doch es gibt auch heute noch die Gabe der Weissagung, obgleich ebenfalls nicht in dem Sinn des Hervorbringens neuer Offenbarungen; diese Gabe der Weissagung ist somit verschieden von den Propheten, die der Herr zusammen mit den Aposteln zur Gründung der Versammlung benutzte. Der prophetische Dienst unserer Tage besteht darin, die Heilige Schrift unter der Leitung des Heiligen Geistes allen Gläubigen zu öffnen „zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung“ (1. Kor 14, 3). Diese Propheten sind allezeit in der Kirche vorhanden und werden es auch so lange sein, wie die Kirche hier in der Welt bleiben wird, d.h. bis der Herr kommt.
Evangelisten „... und andere als Evangelisten“.
Was für eine wunderbare Gabe! Der Dienst eines Evangelisten bringt die frohe Botschaft der Gnade vor eine sündige und sterbende Welt, und Gott wirkt dadurch zur Errettung verlorener Seelen. So ist der Dienst eines Evangelisten nicht auf den Bereich der Versammlung beschränkt, wo die Hirten und Lehrer dienen; sondern sein Arbeitsfeld ist die ganze weite Welt, nichtsdestoweniger ist der Dienst des Evangelisten ein großer Segen für die Versammlung, weil er verlorene Seelen zu Christus und folglich zu der Versammlung der Gläubigen führt.
Nun ist es von äußerster Wichtigkeit zu verstehen, dass eine Versammlung, die sich nicht um die Verkündigung des Evangeliums bemüht, eine schwache Versammlung ist und einen sehr niedrigen geistlichen Zustand offenbart. Es ist dann unmöglich, dass es ein Wachstum und ein zahlenmäßiges Zunehmen derer geben könnte, die dem Herrn nachfolgen. Wie jemand bemerkt hat, „diejenige örtliche Versammlung, die aufhört, das Evangelium zu verkündigen, zimmert an ihrem eigenen Sarg“. Dieses traurige Ergebnis der Vernachlässigung des Evangeliums ist leider in manchen örtlichen Versammlungen zutage getreten.
Diese Gabe des Evangelisten ist durchaus nicht nur irgendwelchen besonderen Kreisen von Gläubigen vorbehalten. Der auferstandene Herr hat sie vielmehr der ganzen Versammlung gegeben. Es gibt auch Christen, die meinen, dass der Dienst des Evangelisten von geringerer Bedeutung und niedrigerer Rangordnung sei als der Dienst des Hirten oder Lehrers; doch solche Gedanken entbehren jeder Grundlage. Der Apostel Paulus war ein Evangelist, ebenso Timotheus und vor allem der Herr Jesus selbst, der durch die Dörfer und Städte ging, indem Er das Reich Gottes predigte und lehrte.
Der Evangelist ist ein Mann, dessen Herz der Herr mit tiefer Liebe zu verlorenen Seelen erfüllt hat, und der in heiligem Eifer nur das eine Verlangen hat, Seelen zu Jesu zu führen. Oh, dass der Herr die Herzen vieler der Seinigen mit einer tiefen Liebe zu den Verlorenen erfüllte und sie durch den Geist mit Kraft ausrüstete, hinauszugehen und den Verlorenen die gesegnete Botschaft zu verkündigen! „Dann spricht er zu seinen Jüngern: Die Ernte zwar ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende“ (Mt 9, 37. 38).
Hirten und Lehrer „... und andere als Hirten und Lehrer“.
Wenn es das Werk des Evangelisten ist, verlorenen Sündern das Evangelium zu verkündigen, so ist der Hirte dadurch ausgezeichnet, dass sein Herz voll Mitgefühl und Sorge ist um den Frieden und die Wohlfahrt der Herde Christi. Der Evangelist sucht wandernde und in der Wildnis dieser Welt umherirrende Seelen und bringt sie an den Ort des Schutzes und des Friedens, dorthin, wo die Herde Christi ist. Der Hirte weidet sie auf den grünen Auen des Wortes Gottes. Er ist mit jedem Einzelnen von ihnen beschäftigt und sucht die Schwachen zu stärken, die Besorgten zu trösten, die Leidenden und durch Versuchungen Geübten zu ermuntern, die Niedergefallenen aufzurichten, die Kranken und die Sterbenden zu besuchen.
Als der Herr Jesus Christus, dieser große Hirte der Schafe, von den Toten auferstanden war, begegnete Er Petrus und mit ihm den anderen Jüngern am See von Tiberias und fragte ihn dreimal: „Liebst du mich?“ Die Antwort war, „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe“. Dann sprach der Herr zu ihm: „Weide meine Lämmlein“, „Hüte meine Schafe“, „Weide meine Schafe“. So war also Petrus nicht allein Apostel sondern auch Hirte. Was für ein kostbarer Dienst! Es ist eine Gabe, die nicht durch Unterweisungen von Universitäten, nicht durch theologische Seminare erlangt werden kann, sondern es ist der Herr Selbst, der dem Hirten ein Herz voll mitleidiger Liebe für die Schafe schenkt.
„... und Lehrer“; wir müssen nun den Unterschied zwischen dem Hirten und dem Lehrer beachten.
Der Hirte ist ein Mann, dem der Herr geistliches Unterscheidungsvermögen gegeben hat, um die Herde Christi zu weiden und für jeden einzelnen von ihnen in den verschiedenen Umständen besorgt zu sein; wohingegen der Lehrer jemand ist, dem der Herr ein tiefes Verständnis Seines Wortes und die Fähigkeit gegeben hat, es den Gläubigen zu erklären.
In 1. Kor 12, 8 lesen wir: „Denn dem einem wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist“.
Wir können wohl sagen, dass der Dienst des Hirten durch das Wort „Weisheit“ gekennzeichnet ist – Weisheit, um die Herde Christi zu weiden und ihnen in ihren Problemen und in all ihren Umständen zu helfen. Der Dienst des Lehrers ist durch das Wort „Erkenntnis“ gekennzeichnet, denn er ist fähig, das Wort der Wahrheit zu erklären und mit Klarheit auszulegen, damit die Gläubigen es verstehen und durch dasselbe erbaut werden.
Der Herr kann auch ein und derselben Person zu gleicher Zeit beide Gaben geben, die des Hirten und die des Lehrers.
Dies sind also die unentbehrlichen und kostbaren Gaben der Versammlung Gottes, die so lange fortdauern, wie die Versammlung auf dieser Erde bleibt. Sie unterscheiden sich von einigen anderen, in 1. Kor 12 und 14 erwähnten Gaben, die in ihrem Charakter vorübergehender Art und zur Bestätigung der Verkündigung des Evangeliums notwendig waren, als Gott das Judentum beiseite setzte und die Versammlung gegründet wurde. „Sie aber gingen aus und predigten überall, wobei der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen“ (Mk 16, 20; vgl. auch Heb 2, 3–4).
Zur Vollendung der Heiligen
Vers 12: „... zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“
Der Apostel zeigt hier, dass der Herr die geistlichen Gaben der Apostel, Propheten, Hirten und Lehrer zur „Vollendung der Heiligen“ gab, zu ihrem Wachstum und zu ihrer geistlichen Reife.
Das ist der Wille des Herrn für die Heiligen. Wenn auch die Apostel und Propheten, die die Grundlage der Kirche legten, nicht mehr bei uns sind, so haben wir doch im Neuen Testament ihre Schriften, in welchen wir eine Allgenügsame Offenbarung der Kirche Christi und ihres Charakters bis zum Ende ihres Zeugnisses hier auf Erden finden. Der Herr Jesus Christus, das Haupt des Leibes, hat die Versammlung geliebt und Sich Selbst für sie dahingegeben. Nun nährt und pflegt Er die Glieder Seines Leibes durch die geistlichen Gaben, die Er Seiner Versammlung zu ihrer Auferbauung geschenkt hat.
Zu der Fülle des Christus
Vers 13: „... bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus“
Niemand anders als allein der Herr Jesus Christus selbst ist hier der Gegenstand des Apostels. Gottes Absicht in der Verleihung geistlicher Gaben ist, dass die Gläubigen auferbaut werden und in geistlicher Hinsicht wachsen und zunehmen, um Christus selbst als ihren einzigen Gegenstand, als alleiniges Ziel zu haben.
Es ist in der Tat wunderbar, dass wir die Tatsache der uns im Tod unseres Herrn geschenkten Erlösung kennen. Was aber Gott mehr als irgendetwas anderes wünscht, ist, dass wir geistliche Fortschritte machen und mehr und mehr wachsen mögen in der Erkenntnis Seines Sohnes.
Der Glaube an das Versöhnungswerk Christi am Kreuz ist eine äußerste Notwendigkeit für die Seele; aber wie viel kostbarer ist es, wenn sich der Glaube dorthin erheben kann, wo der Herr Jesus, der gesegnete Sohn Gottes Selbst, jetzt ist. Wie unschätzbar auch unser Vorrecht, dass wir alle zur Einheit des Glaubens gelangen und völliger in all das eingehen sollen, was Christus betrifft, Seine Herrlichkeiten und die Einzigartigkeit Seiner Stellung, ja, dass wir wachsen sollen in der Erkenntnis des Sohnes Gottes!
„... zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus“. Nun, mit dem Wort „erwachsen“ ist völlige Reife gemeint, indem wir den Herrn Jesus erfahrungsmäßig kennen. Er sollte der einzige Zweck unseres Lebens sein und uns alles bedeuten. Er sollte der Gegenstand, das Ziel und die Freude unseres Herzens sein.
Vollkommen werden wir diesen wunderbaren und glücklichen Zustand erst in der Herrlichkeit erreichen, wenn der Herr Jesus kommen und uns heimholen wird, wenn wir Ihn sehen werden, „wie er ist“ und wir Ihm gleich sein werden.
Doch schon jetzt wirkt der Heilige Geist in uns, damit wir zu Ihm hin wachsen, während wir Ihn erwarten.
Wachsen und Festhalten
Vers 14+15: „... damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre, die da kommt durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum; sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe, lasst uns heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus“
Es ist gut, den Unterschied zwischen dem „erwachsenen Mann“, dem „vollen Wuchs“ in dem vorhergegangenen Vers und den „Unmündigen“ hier im 14. Vers zu beachten, die „hin und hergeworfen und umhergetrieben werden von jedem Wind der Lehre“. Die Absicht Gottes in der Verleihung geistlicher Gaben, ist das Wachstum der Gläubigen in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus. Er will nicht, dass wir Kindlein bleiben, die keine Beständigkeit und Standfestigkeit besitzen und so umhergetrieben werden von jedem Wind der Lehre, „die da kommt durch die Betrügereien der Menschen, durch ihre Verschlagenheit, zu listig ersonnenem Irrtum“.
Wir leben in den letzten Tagen, den „schweren Zeiten“, in denen falsche Lehrer zunehmen werden, die jede List benutzen, um Kinder Gottes, die im Glauben Säuglinge geblieben sind, zu verführen und abzuziehen.
Möge daher jeder Gläubige vor den falschen Ansichten dieser bösen Lehrer auf der Hut sein und sich nicht von solchen, wie den „Zeugen Jehovas“ und vielen anderen Irrlehren unserer Tage, irgendwie verführen lassen. Das wichtigste Mittel zur Bewahrung vor den Betrügereien und Irrtümern der Menschen ist das Lesen und Studieren des Wortes Gottes unter Gebet und unterwürfiger Abhängigkeit, denn es ist die „lautere Milch“.
Wahrheit und Liebe
„Die Wahrheit festhaltend in Liebe“. Mit diesem Ausdruck ist gemeint, dass wir nicht Kindlein bleiben, sondern im Gegenteil in dem Verständnis der göttlichen Wahrheit wachsen und über dieselbe freimütig reden sollen in einem Geist der Liebe, Es ist sehr wichtig, die göttliche Wahrheit treu festzuhalten und sie mit Mut und Treue zu verkündigen. Doch es ist gleich wichtig, dass wir dies in einem Geist der Liebe tun, und dass wir nicht einen Geist der Überlegenheit, ja der Überheblichkeit offenbaren und uns besser dünken als andere, die vielleicht nicht dasselbe Maß an Verständnis der Wahrheit haben, wie es Gott uns geschenkt hat. Es ist nicht irgendeine Leistung oder Tugend unsererseits, wenn wir mehr Licht haben. „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber auch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1. Kor 4, 7).
„Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts“ (1. Kor 13, 2). Wir sehen diese zwei Dinge „Wahrheit und Liebe“ in vollkommener Harmonie in unserem Herrn Jesus Christus, der das „wahrhaftige Licht“ war (Joh 1, 9). Er offenbarte in vollkommener Weise die Wahrheit und war doch zu gleicher Zeit die Wahrheit selbst (Joh 14, 6). Er war auch die personifizierte Liebe, denn „größere Liebe hat niemand, als diese, dass jemand sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh 15, 13).
Wenn wir also gehalten sind, die geoffenbarte Wahrheit des Wortes Gottes festzuhalten und sie furchtlos und mit heiliger Kühnheit zu verkündigen, so sind wir ebenso gehalten, sanftmütig zu sein und die gesunde Lehre mit der Sanftmut der Liebe zu zieren. „Die Wahrheit festhaltend in Liebe, lasst uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus“. Dies nun ist der Wille Gottes bezüglich aller Seiner Kinder. Er wünscht, dass wir alle heranwachsen, und zwar in allen Dingen, in allen Einzelheiten unseres täglichen Lebens. Dieses „Heranwachsen“ wird uns zur Übereinstimmung mit unserem Herrn Jesum, unserem verherrlichten Haupt, führen und dahin leiten, Seine Vollkommenheiten in unserem täglichen Leben zu offenbaren.
Die Wirksamkeit der einzelnen Glieder
Vers 16: „... aus dem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maß jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“
Das hier dargestellte Bild ist dem menschlichen Körper mit seinen einzelnen Gliedern entnommen. Wie jedes Glied und Gelenk, wie jeder Teil des menschlichen Körpers seine ihm eigene Aufgabe zum Funktionieren des Ganzen zu erfüllen hat, ebenso ist auch die Versammlung, der Leib Christi, ein lebendiger Organismus.
Wenn jedes Glied des Leibes Christi seine ihm zugedachte Aufgabe nach dem Maß der Fähigkeit vollführt, die jedem Teil verliehen ist, so wird ein Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe. Der Herr Jesus Christus, das Haupt des Leibes, leitet und führt; Er gibt auch die zur Durchführung der Aufgabe erforderliche Kraft. Möge der Herr einem jeden von uns mehr Verständnis über unsere persönliche Verantwortlichkeit als Glieder des Leibes Christi geben, um zu dem Wachstum des Leibes und zur Auferbauung der übrigen Glieder in Liebe beizutragen!
Nicht mehr wandeln wie die Nationen
Vers 17: „Dies nun sage und bezeuge ich im Herrn, dass ihr fortan nicht wandelt, wie auch die Nationen wandeln, in Eitelkeit ihres Sinnes“
Der Apostel Paulus bezeugt den Gläubigen ernstlich, dass sie nicht mehr wandeln sollten wie die Nationen, aus deren Mitte sie kamen. Er stellt ihnen deshalb den Herrn Jesus vor Augen, an den sie geglaubt hatten und in welchem sie gesegnet worden waren mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern.
„Ich bezeuge im Herrn“. Wir Gläubige, die zu Gliedern Seines Leibes gemacht worden sind, stehen unter der Herrschaft des allmächtigen Herrn, und es wäre daher ungeziemend, wenn unser Wandel der gleiche wäre wie der der Ungläubigen. Die Gläubigen in Ephesus hatten zu den götzendienerischen Heiden gehört, aber sie hatten sich von ihren Götzen zu Gott bekehrt und Jesum Christum als ihren Heiland und Herrn angenommen. Der Apostel warnt sie daher vor einem Zurückfallen in das Leben und die Gewohnheiten der Nationen in Verbindung mit deren unreinem Götzendienst. Sie hatten nichts mehr mit ihnen gemein.
Die Ungläubigen wandeln in Sünde und Unreinheit, indem sie von Satan in der Eitelkeit ihres Sinnes versklavt sind, „Und weil sie es nicht für gut befanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie hingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun was sich nicht geziemt“ (Röm 1, 28). Was der Apostel den Gläubigen zu Ephesus sagt, sagt der Heilige Geist auch uns heute.
Vers 18: „...verfinstert am Verstand, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens“
„Verfinstert am Verstand“, oder wie es in Römer 1, 21 heißt „ihr unverständiges Herz wurde verfinstert“; sie haben nicht einmal einen Schimmer göttlichen Lichts. Das ist der Zustand all der sündigen, elenden Menschen, die weit von Gott entfernt sind. Sie sind dem Leben Gottes entfremdet, d.h. sie haben kein göttliches Leben. „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht“ (1. Joh 5, 12). Ihr Verstand ist verfinstert, und sie sind dem Leben Gottes durch die Unwissenheit, die in ihnen ist, entfremdet wegen der Blindheit oder Verhärtung ihres Herzens.
Als der Herr Jesus dem Saulus auf seinem Wege nach Damaskus erschien, sandte Er ihn zu den Nationen, „um ihre Augen aufzutun, damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind“ (Apg 26, 18).
Vers 19: „... die, da sie alle Empfindlichkeit verloren, sich selbst der Ausschweifung hingegeben haben, alle Unreinheit mit Gier auszuüben“
Gott hat zur Unterscheidung zwischen gut und böse das Gewissen in den Menschen gelegt, aber diese Heiden waren, fern von Gott, tief in die Sünde, ja auf den tiefsten Boden gesunken, auf den überhaupt ein Mensch gelangen kann. Sie hatten alle ihre Empfindungen verloren, ihre Gewissen waren verhärtet, sie taten Böses ohne sich darum zu sorgen. Sie tranken das Böse wie Wasser und fühlten nicht den geringsten Kummer bei der Ausübung dieser Sünden. „Welche, da sie alle Empfindlichkeit verloren, sich Selbst der Ausschweifung hingegeben haben, alle Unreinheit mit Gier auszuüben“.
Wie groß ist doch die Gnade Gottes! Denn dies war vormals der abstoßende Zustand der Heiligen in Ephesus gewesen, ehe sie an den Herrn Jesus geglaubt hatten. Ja, der allmächtige Heiland ruft die schlechtesten, verworfensten Sünder, um im Glauben zu Ihm zu kommen, um von ihrem elenden Zustand errettet zu werden und ewiges Leben zu empfangen. Sie waren nun eine neue Schöpfung geworden, „das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden“. Welch ein Heiland! Gepriesen sei für immer Sein anbetungswürdiger Name!
Christus, unser Lehrer
Vers 20+21: „Ihr aber habt den Christus nicht also gelernt, wenn ihr wirklich ihn gehört habt und in ihm gelehrt worden seid, wie die Wahrheit in dem Jesus ist“
Das göttliche Hilfsmittel, das uns allein davor bewahren kann zu tun, was die Nationen tun, ist Jesus Christus. Er ist nicht nur durch Seinen Tod am Kreuz unser Erretter von Gericht und ewiger Verdammnis, sondern Sein Leben, das Er als Mensch auf dieser Erde lebte, und Sein Leben als der von den Toten Auferstandene und als der zur Rechten des Vaters Verherrlichte, ist das Muster und Vorbild des wahren christlichen Lebens.
Er ist der alleinige Lehrmeister, der seinesgleichen nicht hat. Er ist aber auch in Sich Selbst der überragende Gegenstand der Lektion, die wir alle zu lernen haben – „ihr habt den Christus... gelernt“. „Den Christus... lernen“ kann man nur in Gemeinschaft und im Umgang mit Ihm, indem man Seine Vollkommenheiten betrachtet. „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3, 18).
„... den Christus gelernt“, „... ihr habt ihn gehört“. Der Heilige Geist verbindet uns hier mit Christus in einer ganz direkten Weise. Während uns der Apostel Johannes mitteilt, was er selbst und andere Apostel von Christus gehört hatten, damit auch wir Gemeinschaft mit ihnen hätten über das, was sie von Ihm gehört hatten, und unsere Freude völlig wäre, so haben wir hier noch mehr.
„... ihr habt ihn gehört“, nicht nur „von ihm gehört“. Dies ist das Vorrecht der Seinigen: Wir haben den Christus gelernt, und wir haben Ihn gleichsam ein jeder persönlich gehört. Wie Er Selbst gesagt hat: „Die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen... sie werden meine Stimme hören ... meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir“ (Joh 10, 4. 27).
„Ihr habt ihn gehört und seid in ihm gelehrt worden, wie die Wahrheit in dem Jesus ist“. Die absolute Wahrheit ist in Christum Selbst, außerhalb von Ihm gibt es keine Wahrheit. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“.
Wenn wir also die Wahrheit in bezug auf den Menschen kennen lernen möchten, so werden wir sie nie in Adam, dem ersten Menschen finden, der in seiner Verantwortlichkeit vor Gott fehlte, sondern wir finden die ganze Wahrheit in dem vollkommenen Menschen – dem zweiten Menschen – der vollkommen den Gedanken Gottes entsprochen hat. Wenn wir die Wahrheit in bezug auf Gott kennen lernen möchten, so werden wir sie nie in irgendeiner anderen Person oder irgendwo anders finden, als nur in Christus. Er allein kann sagen, „Ich und der Vater sind eins“, und „wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“. (Joh 10, 30; 14, 9). Wenn wir die Gedanken Gottes über die Sünde erfahren möchten, so werden wir sie nicht kennenlernen als nur in dem Kreuz Christi. Da sehen wir unseren gesegneten Heiland unseren Platz einnehmen, und dort sehen wir, welche Strafe in den Augen Gottes die Sünde verdient hat.
„Die Wahrheit ist in dem Jesus“. Es ist so, als nähme uns der droben verherrlichte Christus bei der Hand und führte uns zu Sich Selbst als Dem, der hier auf Erden lebte, damit wir lernen möchten, so zu wandeln, wie Er gewandelt hat. Es ist völlig klar, dass Jesus der Christus ist, und Christus der Jesus; doch der Heilige Geist stellt uns diese zwei Namen nicht ohne besonderem Grund in diesem Vers vor. Zuerst beschäftigt uns der Heilige Geist mit dem Namen „Christus“, „ihr habt den Christus nicht also gelernt“. Er leitet uns somit zu dem Verständnis, dass alle Segnungen und Vorrechte uns in einem auferstandenen und verherrlichten Christus geschenkt sind. Dann nennt uns der Heilige Geist Seinen Namen „Jesus“ – den Namen, den Er als wandelnd über diese Erde hienieden trug, und zeigt uns damit, was unser Wandel und Verhalten in Nachahmung des vollkommenen Vorbildes Jesu sein sollte. „Wer da sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist“ (1. Joh 2, 6).
Den alten Menschen abgelegt
Vers 22: „... dass ihr, was den früheren Lebenswandel betrifft, abgelegt habt den alten Menschen, der nach den betrügerischen Begierden verdorben wird“
Doch, so wird jemand fragen, wie kann ich wandeln, wie Christus gewandelt hat, als Er in dieser Welt war, da ich doch weiß, dass ich von Adam eine gefallene und verderbte Natur geerbt habe?
Die Wahrheit, wie sie in dem Jesus ist, ist, dass wir, was unseren früheren Lebenswandel betrifft, den alten Menschen, der nach den betrügerischen Begierden verdorben ist, abgelegt haben. Das bedeutet nicht eine Verbesserung oder ein „Zusammenflicken“ des alten Menschen, von dem überhaupt nichts Gutes erwartet werden kann. Das göttliche Hilfsmittel ist, dass ich als Glaubender all das Verhalten und Betragen, all die Ausflüsse des verderbten alten Menschen abgelegt und ausgezogen habe.
Der alte Mensch liebt nichts anderes als nur Verderben und böse Lust; er liebt weder Gerechtigkeit noch Heiligkeit, denn er hat keine Kraft und kann Gott nicht wohlgefallen, indem er irgendetwas Gutes oder Heiliges tun könnte. „Weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht“ (Röm 8, 7).
Der Herr Jesus verlangt auch gar nicht vom alten Menschen, dass er sein verderbtes Tun ablege. In der Tat ist jeder Versuch des alten Menschen, seine Taten und Wege und Begierden irgendwie abzulegen, um Gott zu gefallen, dasselbe, als wenn man neuen Wein in alte Schläuche täte. „Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, und er selbst wird verschüttet werden, und die Schläuche werden verderben; sondern neuen Wein füllt man in neue Schläuche, und beide bleiben zusammen erhalten. Und niemand will, wenn er alten getrunken hat, neuen, denn er spricht: Der alte ist besser“ (Lk 5, 37–39).
Der Zustand des nicht erneuerten Herzens ist dieser: Es zieht den verderbten alten Menschen und seine betrügerischen zeitlichen Vergnügungen einem Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit vor.
Der Ausdruck „indem ihr den alten Menschen abgelegt habt“ bedeutet, dass wir unseren Glaubensblick auf das Kreuz Christi gerichtet haben, wo unser alter Mensch in der Person Christi, unseres Stellvertreters, an das Kreuz genagelt und gekreuzigt wurde, indem Er „für uns zur Sünde gemacht wurde“. Es geht hier nicht um etwas, was wir noch tun müssten, sondern um etwas, was Gott schon getan hat, als Christus für uns gekreuzigt wurde. „Da wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“. „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus“ (Röm 6, 6+11).
Nun ist es von äußerster Wichtigkeit zu verstehen, dass mit Ablegen des alten Menschen nicht gemeint ist, dass in uns hinfort keine Neigung mehr wäre zu sündigen, denn diese Annahme, so sagt der Apostel Johannes, ist betrügerisch und nicht die Wahrheit. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“. „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns“ (1. Joh 1, 8+10). So finden wir es auch im Kolosserbrief. Nachdem der Apostel Paulus den Gläubigen gesagt hat, dass „ihr mit Christus gestorben seid“ und „ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kap. 2, 20; 3, 3), fährt er doch fort und fügt die Worte hinzu: „Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind“ (3, 5).
Die Bedeutung der Tatsache, dass wir mit Christus gestorben sind, oder dass wir den alten Menschen ausgezogen haben, ist also nicht die, dass wir schon einen Zustand der Vollkommenheit erreicht hätten; ja der große Apostel Paulus sagte in bezug auf sich selbst: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eines aber tue ich: Vergessend was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3, 12–14).
Es ist wohl nötig hinzuzufügen, dass, wenn wir sagen, dass wir noch nicht einen Zustand der Vollkommenheit erreicht haben, wir nicht im geringsten die Notwendigkeit eines Wandels und Lebens in praktischer Heiligkeit abzuschwächen gedenken. Wir blicken auf den Heiligen, Der uns berufen hat, heilig zu sein in allem Wandel (1. Pet 1, 15–16).
Noch einmal sei auf die Worte des Apostels Johannes hingewiesen: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“. „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“ (1. Joh 1, 8; 2, 1. 2).
Der neue Mensch
Vers 23+24: „...aber erneuert werdet in dem Geist eurer Gesinnung, und angezogen habt den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“
Nach dem Ablegen des alten Menschen und seines verderbten Wesens kommt nun der Apostel auf die Erneuerung in dem Geist unserer Gesinnung zu sprechen.
Als wir Christus angenommen hatten, wurden wir von neuem geboren, und dies gibt uns eine ganz neue Art zu denken. Nun ist es nötig, dass unser erneuerter Geist genährt und gestärkt wird, damit unsere Gesinnung durch seine Wünsche und sein heiliges Begehren gekennzeichnet sei. Geradeso, wie wir für unseren Leib Sorge tragen, dass er durch Aufnahme guter Nahrung in einem guten Zustand bleibt und genährt, erneuert und gestärkt wird, so sollte auch unser reiner Geist durch „die reine Milch des Wortes Gottes“ beständig genährt, erfrischt und erneuert werden. Wir werden nie einen fleißigen und geistlichen Christen finden, der nicht ein tiefes Verlangen nach dem Wort Gottes hätte und sich beständig daran freut und davon zehrt, der nicht in inniger Gemeinschaft mit dem Herrn lebt, indem er auch seinen Mitgeschwistern gegenüber brüderliche Liebe offenbart.
„Und angezogen habt den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“. Ohne Zweifel geschah grundsätzlich das Anziehen des neuen Menschen bei unserer Wiedergeburt, als wir Christus als unseren Heiland annahmen.
Hier jedoch ist von einem praktischen, erfahrungsmäßigen Anziehen des neuen Menschen die Rede, was sich in einer Darstellung des neuen Menschen, des neuen Lebens vor allen Menschen kundgibt. Dieser neue Mensch ist „nach Gott geschaffen in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“.
Die erste Schöpfung wurde durch die Sünde befleckt und ist nicht mehr in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes; die neue Schöpfung jedoch ist „nach Gott“. Dieser neue Mensch nun wird in praktischer Weise in zweifacher Hinsicht gesehen, in Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Die Gerechtigkeit offenbart sich in des Christen Umgang mit allen Menschen, die Heiligkeit in unserem gottseligen Wandel vor dem Herrn. Die Gerechtigkeit wird von außen in unserem Wandel vor den Menschen in jeder Einzelheit unseres Lebens gesehen, die Heiligkeit ist mehr eine innere Sache in unserem Herzen vor Gott. Wenn wir also eine neue Schöpfung in dem Herrn geworden sind, so sollten wir auch ein neues Betragen, eine neue Art des Benehmens angezogen haben, das sich deutlich von dem alten Menschen mit seinen verdorbenen Lüsten unterscheidet.
Es sollte hinfort das ernste Verlangen jedes Gläubigen zum Herrn sein, „uns zu geben, dass wir... ohne Furcht ihm dienen mögen in Frömmigkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage“ (Lk 1, 74. 75).
Wahrheit reden
Vers 25: „Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander“
Ist es für einen Gläubigen, der den alten Menschen abgelegt und den neuen Menschen angezogen hat, geziemend, unredlich und unwahr in seinen Werken und Worten zu sein?
Die Anlage zum Lügen gehört zu der alten, verderbten Natur und ist für den Ungläubigen geradezu charakteristisch, deren Teil in dem See ist, „der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der zweite Tod ist“ (Off 21, 8). „Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Mörder und die Götzendiener, und jeder, der die Lüge liebt und tut“ (Off 22, 15).
Alle diejenigen, die die Wahrheit kennen wie sie in dem Jesus ist, sollten die Lüge endgültig abgelegt haben und allezeit Wahrheit reden und so den Herrn Jesus nachahmen, bei dem jedes Wort eine genaue Offenbarung dessen war, was Er in Sich Selbst tatsächlich war! „Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du? Jesus sprach zu ihnen: Durchaus das, was ich auch zu euch rede“ (Joh 8, 25). Eines Menschen Worte reflektieren genau, was er in sich selbst ist.
„Denn wir sind Glieder voneinander“, Glieder eines Leibes. Wenn also jemand zu seinem Nächsten nicht die Wahrheit redet, der, wie er selbst ein Glied des einen Leibes ist, so betrügt er nicht nur seinen Bruder, sondern in der Tat sich selbst. Ist es wohl denkbar, dass ein Glied unseres physischen Leibes etwas zum Schaden eines anderen Gliedes tun könnte? Denn was dem einen Glied schadet, schadet auch den übrigen Gliedern, und was dem einen Glied nützt, nützt allen Gliedern. So ist es auch in dem Leib Christi. Daher nützt jedes Glied, das die Wahrheit zu einem anderen Glied spricht nicht nur jenem einen Glied im Besonderen, sondern auch sich selber.
Möge das Begehren des Psalmisten vor alters auch das unsrige sein: „Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, Jehova, mein Fels und mein Erlöser!“ (Ps 19, 14).
Der Zorn eines Gläubigen
Vers 26 + 27: „Zürnt, und sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn, und gebt nicht Raum dem Teufel“
Über diese Worte besteht bei vielen Gläubigen Unklarheit und Verwirrung; denn sie meinen, dass Zorn immer etwas Böses und daher für den Gläubigen nicht geziemend sei. Doch diese Ansicht trifft nicht in jeder Hinsicht zu und wir glauben, dass manchmal das Fehlen von Zorn Sünde ist, und eines Gläubigen, der Christus liebt und für Seine Ehre eifert, unwürdig ist. Es ist natürlich wichtig, über den wahren Beweggrund zu unserem Zorn zu wachen. Denn wenn uns etwas erzürnt, weil es unsere eigene persönliche Ehre verletzt, so ist dies nicht ein heiliger Zorn, vielmehr müssen wir gerade hier die Worte des Apostels Jakobus anwenden: „Denn eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit“ (Jak 1, 20).
Gottgemäßen Zorn dagegen sehen wir bei dem Herrn Jesus, wenn wir von Ihm lesen: „Und er blickte auf sie ringsum mit Zorn, betrübt über die Verstocktheit ihres Herzens“ (Mk 3, 5).
Der Herr zürnte bei verschiedenen Gelegenheiten, aber nie sündigte Er in Seinem Zorn. Er zürnte als Er sah, dass man das Haus Seines Vaters zu einem Kaufhaus machte. „Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus“ (Joh 2, 13–16). Er sprach auch die ernsten „Wehe“ über die heuchlerischen Schriftgelehrten und Pharisäer aus, denn sie verschlangen die Häuser der Witwen und hielten zum Schein lange Gebete (siehe Mt 23, 15 ff).
Wenn ich etwas sehe oder höre, was die herrliche Person des Herrn Jesus lästert und beleidigt, und ich bleibe dabei ungerührt, mein Geist bleibt unerregt, so bin ich bestimmt nicht in dem Zustand, in dem ich als wahrer Christ sein sollte, der seinen Herrn liebt und für die Ehre und Verherrlichung Christi besorgt ist und Seine Ehre wertschätzt. Das Fehlen von Zorn würde in solch einem Fall einen ernsten Mangel an Wertschätzung der Herrlichkeit und Ehre unseres teuren und anbetungswürdigen Herrn offenbaren.
Nun ist dies eine sehr wichtige Sache, weil manche denken, dass das im Widerspruch zur Liebe steht. Aber diese Auffassung hat keine schriftgemäße Grundlage; wahre Liebe eifert für die Wahrheit, und verharmlost nicht das Böse. Es heißt von der Liebe in 1. Kor 13, 6: „Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit“. Es ist ungeziemend, Liebe auf Kosten der Wahrheit Gottes und Christi zu üben, das wäre keine wahre Liebe, sondern Heuchelei.
Es gibt jedoch eine Gefahr, der wir alle gar leicht erliegen, und das ist Zorn in Verbindung mit Sünde. Deswegen warnt uns hier der Heilige Geist, „zürnt, und sündigt nicht“. Das göttliche Schutzmittel gegen diese Art Sünde ist, dass wir um der Herrlichkeit Gottes willen zürnen und dass dies in der Gegenwart Gottes geschieht. Das ist die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Darum sagt hier der Apostel: „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn“; denn wenn solch ein Zorn oder Ärger in der Seele verbleibt, ist er nicht von Gott.
Wenn die Sonne untergeht, bin ich entweder in einem Zustand vollkommenen Friedens und glücklicher Gemeinschaft mit dem Herrn, oder ich bin in einem Zustand des Zorns und nicht im Genuss der Gemeinschaft mit Ihm. Ich sollte nicht eher schlafen gehen, bis ich meinem Bruder, über den ich zornig war, meine Sünde bekannt habe und dann vor dem Herrn meine Knie gebeugt habe, um auch vor Ihm meine Sünde zu bekennen. Tun wir dies nicht, geben wir dem Teufel Raum. Wenn wir Groll in unserem Herzen und in unserer Gesinnung behalten, geben wir dem Feinde Gelegenheit, in unser Leben einzutreten.
Seien wir daher wachsam und sorgfältig auf der Hut, denn dieser böse Feind sucht die Kontrolle über unser Leben zu gewinnen und uns unsere geistliche Freude und die liebliche Gemeinschaft mit unserem Herrn und Meister zu rauben. Wir sollten allezeit in unserem Leben suchen zu vergeben „damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden; denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt“ (2. Kor 2, 11).
Nicht mehr stehlen, sondern das Gute wirken
Vers 28: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, damit er dem Dürftigen etwas mitzuteilen habe“
Die Gläubigen in Ephesus waren vor ihrer Bekehrung Götzenanbeter gewesen, ohne jede Erkenntnis Gottes. Ihr Weg war ein Weg der Bosheit und der Sünde gewesen, und selbst nach ihrer Annahme des Herrn Jesus Christus im Glauben mochten sie geneigt sein, diese Sünde des Stehlens zu begehen. Dass sich doch kein Christ einbildet, er wäre zu irgendeiner Zeit nicht in Gefahr, in diese Sünde zu fallen! Solch hohe Meinung von sich zu haben zeigt, dass man sich selbst nicht kennt und sich wenig auf die göttliche Gnade stützt. Doch möchten wir festhalten, dass das, was der Heilige Geist den Gläubigen von Ephesus sagt, Er auch uns und allen Heiligen zu allen Zeiten sagt! Wie kostbar ist diese Ermahnung der Gnade! – „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr“. Das ist die liebliche Sprache der Gnade; und wie steht sie im Gegensatz zu den Strafandrohungen des Gesetzes (2. Mose 21, 16; 22, 1–3)!
Es gibt verschiedene Arten des Diebstahls. Da ist zum Beispiel der Angestellte oder Arbeiter, der bei seiner Arbeit seinem Arbeitgeber Zeit stiehlt; oder jemand, der einem anderen seinen Ruf und Namen raubt. Wie viele Gläubige gibt es auch, die Gott berauben und Ihm von ihrem Geld und Vermögen, das Gott ihnen anvertraut hat, das vorenthalten, was Ihm zukommt! „Darf ein Mensch Gott berauben, dass ihr mich beraubt? Und ihr sprecht: Worin haben wir dich beraubt? In dem Zehnten und in dem Hebopfer. Mit dem Fluch seid ihr verflucht, und doch beraubt ihr mich, ihr, die ganze Nation!“ (Mal 3, 8. 9). Die Gnade, die in den Gläubigen des Neuen Testaments wirkt, würde ihn dahin leiten, reichlicher und freigebiger dem Herrn zu geben, als es das Alte Testament verlangte (vgl. 2. Kor 8, 3–5).
„... sondern arbeite ... mitzuteilen habe“. Es genügt nicht, dass der Gläubige ehrlich ist und nicht stiehlt; sondern hier haben wir den noch schöneren Gedanken, dass er arbeiten und mit seinen Händen das Gute wirken soll, damit er das gesegnete Vorrecht hätte, dem Bedürftigen mitzuteilen. Erstaunliche, wunderbare Gnade Gottes! Die beiden Hände, die zu stehlen gewohnt waren, sind in Hände umgewandelt, die geheiligt und geweiht sind, dem Bedürftigen zu geben.
„Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor 5, 17). Onesimus war ein Knecht und ein Dieb, aber als ihn die Gnade Gottes errettet hatte, wurde er zu einem „treuen und geliebten Bruder“ (Kol 4, 9).
Einer der begüterten Knechte Gottes sagte einmal; „Ich würde, wenn ich auch nicht die Rechte eines anderen stehlen würde, zwar gemäß der Gerechtigkeit wandeln, die in dem Gesetz ist; aber ich würde nicht gemäß den Grundsätzen der Gnade und wahrer Heiligkeit leben, wenn ich nicht mit Anderen all das Gute teilen würde, das Gott mir gewährt hat“.
Die Freude des Gebens ist weit kostbarer als die des Empfangens. „Wer aber irgend irdischen Besitz hat und sieht seinen Bruder Mangel leiden und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?“(1. Joh 3, 17).
Erinnern wir uns allezeit der Worte des gesegneten Apostels: „Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.“ (Heb 13, 16).
Unsere Unterhaltungen
Vers 29: „Kein faules Wort gehe aus eurem Mund hervor, sondern was irgend gut ist zur notwendigen Erbauung, damit es den Hörenden Gnade darreiche“
Der Apostel wechselt den Gegenstand der Betrachtung, indem er nicht länger von guten Werken und vom Geben redet, sondern vielmehr vor der Gefahr böser Worte warnt. Anstatt „fauler Worte“ sollten Worte der Gnade in unserem Munde sein, gesunde Worte, „damit es den Hörenden Gnade darreiche“. Das Wort Gottes gibt dieser wichtigen Angelegenheit einen hervorragenden Platz.
Die Worte, die von unseren Lippen kommen, sind ein getreuer Spiegel des Zustands unserer Herzen, „denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12, 34).
Der Apostel Jakobus beschäftigt sich ausführlich mit der „Zunge“ und sagt: „Wenn jemand nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln“ (Jak 3, 2).
Wie wunderbar ist es, bei einem Gläubigen zu weilen, dessen Herz überläuft und dessen Mund Worte der Gnade spricht, welche die Zuhörer erbauen! Doch auf der anderen Seite, was für ein Schaden und Verderben wird angerichtet, wenn sich „Schändlichkeit, albernes Geschwätz und Witzelei“ bei uns befindet – Dinge, „die sich nicht geziemen“. So lasst uns auf uns Acht geben, dass keine verderbte Rede aus unserem Mund kommt, vielleicht Worte der Kritik oder gehässige Bemerkungen über andere. „Tu von dir die Verkehrtheit des Mundes, und die Verdrehtheit der Lippen entferne von dir“ (Spr 4, 24). „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt, so dass ihr wisst, wie ihr jedem einzelnen antworten sollt“ (Kol 4, 6). Salz ist gut und hat durchaus seinen Wert, obgleich es das Böse nicht gut macht, sondern vielmehr der Verderbnis entgegenwirkt, indem es das Gute vor Fäulnis bewahrt. Es ist die Wahrheit, welche die Seele in Heiligkeit erhält. Ist also Salz in unseren Herzen und Seelen, so werden unsere Worte rein und gesund und unsere Rede derart sein, dass sie den Frieden mit anderen fördert. So hat der Herr Jesus gesagt: „Habt Salz in euch selbst und seid in Frieden untereinander“ (Mk 9,50).
Wir sollten nur dann reden, wenn es „gut ist zur notwendigen Erbauung“. Nun, reine Worte kommen nur aus einem reinen Herzen. „Es wallt mein Herz von gutem Worte“ (Ps 45, 2). „Aus demselben Mund geht Segen und Fluch hervor. Dies, meine Brüder, sollte nicht so sein. Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere?“ (Jak 3, 10. 11). Es ist gefährlich zu denken, Worte kosten nichts. Lies doch, was Jakobus über die von der Zunge verursachten Übel schreibt (Kap. 3) und vergiss nicht, dass wir deswegen getadelt werden.
Wir sollten bedenken, dass bei der Menge der Worte Übertretung nicht fehlt. Ach, dass doch unsere Rede anderen zur Erbauung diente!
Den Heiligen Geist betrüben
Vers 30: „Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, durch den ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung“
Der Heilige Geist ist die göttliche Person, die am Tag der Pfingsten vom Himmel herniederkam, nachdem der Herr Jesus das Werk der Erlösung durch Seinen Tod am Kreuz vollbracht hatte und, durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt, gen Himmel gefahren und Sich zur Rechten Seines Vaters gesetzt hatte.
Der Heilige Geist ist nicht nur eine Empfindung, oder ein Gefühl, oder lediglich eine Kraft. Er ist, gleich dem Vater und dem Sohn, eine göttliche Person. Er redet, Er sendet Arbeiter zur Verkündigung des Evangeliums aus (Apg 13, 2. 4), und Er überführt die Welt von der Sünde (Joh 16, 8). Er tröstet und erquickt die Gläubigen, indem Er von den Dingen Christi nimmt und sie ihnen gibt. Er ermutigt und leitet sie (Joh 16, 13–15; Röm 8, 14). Aber Er wird auch betrübt, wenn die Kinder Gottes nicht in Heiligkeit wandeln, da Er der Heilige Geist ist. Er wohnt in jedem wahren Gläubigen, und Er nimmt Kenntnis von jedem Wort, das wir reden, Er kennt jeden Gedanken, der in uns emporsteigt, Er sieht alles, was wir tun. Deshalb also ermahnt uns der Apostel „und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes“.
Nun, das bedeutet nicht, dass, wenn wir den Heiligen Geist betrüben, Er uns verlassen würde, denn Er wohnt in dem Gläubigen für immer, wie der Herr Jesus gesagt hat: „und er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit“ (Joh 14, 16).
Dies ist das gesegnete Vorrecht der Gläubigen des Neuen Testaments. David betete vor alters: „... den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir“ (Ps 51, 13). In der gegenwärtigen Haushaltung der Gnade ist jedoch solch ein Gebet fehl am Platz, denn der wahre Christ ist durch den Heiligen Geist auf den Tag der Erlösung versiegelt.
Der Heilige Geist wohnt in dem wahren Gläubigen. Er wird ihn nie lassen noch verlassen, aber Er ist betrübt, wenn wir nicht entsprechend dem Wort Gottes in Heiligkeit wandeln. Das ist dann auch der Grund, warum so viele ihrer Freude und Glückseligkeit, die aus der kostbaren Gemeinschaft mit dem Herrn hervorfließen, beraubt sind.
Wenn wir in Heiligkeit und Treue gegenüber dem Herrn vorangehen, dann erfüllt der Heilige Geist unsere Herzen mit Freude und nimmt von dem, was Christus gehört, und gibt es uns. In dem 1. Kapitel dieses Briefes hatte der Apostel gesagt: „... in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit“ (Kap. 1, 13–14). Hier nun kommt der Apostel erneut auf diese gesegnete Wahrheit zurück, dass wir durch den Heiligen Geist „auf den Tag der Erlösung“ versiegelt worden sind.
Hier ist nicht wie in Kapitel 1, 7 von der Erlösung der Seele, der Vergebung der Sünden die Rede, sondern von der Erlösung unseres Leibes bei der Ankunft des Herrn Jesus Christus zur Heimholung Seiner Braut. „... der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Phil 3, 21). Wenn der Herr Jesus kommt, wird Er jeden wahren Gläubigen mit Sich nehmen, kein einziger wird hier bleiben; denn jeder wahre Christ ist ein Glied des einen Leibes; und es ist gänzlich unmöglich, dass der Leib in der Herrlichkeit wäre und ihm eins seiner Glieder, und wäre es das schwächste oder geringste, fehlte.
Die verkehrte und die gute Gesinnung
Vers 31: „Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan, samt aller Bosheit“
Der Apostel warnt uns hier vor gewissen Sünden, die, gäben wir ihnen Raum, den in uns wohnenden Heiligen Geist betrüben würden. Er legt den Finger zuerst auf ein Übel, das gewöhnlich tief im Herzen sitzt: „Alle Bitterkeit“.
Nun, Bitterkeit ist das Gegenteil von Süßigkeit; und wenn sich diese Bitterkeit in dem Herzen eines Menschen findet, raubt sie ihm die innere Freude und den süßen Frieden und macht sein Herz düster und elend. Bitterkeit ist eines der charakteristischen Übel der Ungläubigen, deren Mund voll Bitterkeit ist, und der Apostel Jakobus warnt uns vor bitterem Neid und Streitsucht in unseren Herzen (Jak 3,11–15).
Dann fährt der Apostel Paulus fort, uns vor jenen Sünden zu warnen, die aus dieser Bitterkeit des Herzens hervorfließen: Wut, Zorn, Geschrei, Lästerung und Bosheit.
Ja, meine geliebten Brüder, wir sollten all diese Dinge aus unserem Herzen hinwegtun. Es sei darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir nicht durch die Macht des Heiligen Geistes von diesen Sünden befreit werden, kein wahres christliches Leben führen können. So lasst uns denn darüber wachen, dass diese bösen Dinge nicht in uns oder in unserer Mitte gefunden werden. Dies jedoch ist nur möglich, wenn wir uns auf die Gnade und Hilfe Gottes stützen.
Vers 32: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, gleichwie auch Gott in Christus euch vergeben hat“
Wahres Christentum befreit uns nicht nur von diesen Sünden, die den Heiligen Geist betrüben, sondern befähigt uns, die kostbaren Tugenden Christi in unserem Leben zu offenbaren, indem wir unseres Herrn und Meisters Güte und Milde in unserem Verkehr miteinander nachahmen.
Wenn wir vergeben möchten, sollten wir stets den göttlichen Maßstab des Vergebens vor uns haben: „gleichwie auch Gott in Christus euch vergeben hat“. Gibt es irgend jemanden, der so gegen mich gesündigt hat, wie ich gegen Gott gesündigt habe? Wenn aber Gott mir um Christi Willen und auf Grund Seines Werkes am Kreuz alle meine Sünden vergeben hat, so sollte ich auch in gleicher Weise meinem Bruder vergeben.
Vielleicht denkst du, dass der, der gegen dich gesündigt hat, es wirklich nicht verdient hat, dass ihm vergeben werde. Doch lass mich fragen, hast du die göttliche Vergebung verdient? Es ist ganz und gar unmöglich, dass sich irgendjemand so tief gegen dich versündigt hat, wie du dich gegen Gott versündigt hast. Und Gott hat uns also geliebt und alle unsere Sünden vergeben! Dies ist der göttliche Maßstab, dies das Vorbild, dem wir beim Vergeben folgen sollen. Er kann uns keinen anderen, keinen niedrigeren Maßstab geben als Sich Selbst. „Oh, Herr Jesus, schenke es uns in Deiner Gnade, Dich tiefer und inniger kennen zu lernen, von Dir zu lernen und mehr Dir gleich zu sein! Amen“.