Das Kommen des Herrn, Israel und die Gemeinde
Die Wiederherstellung und der Segen Israels – gelehrt im Alten Testament (Fortsetzung)
Ich schlage vor, nun einmal ein paar besondere Merkmale der Herrschaft des Messias und der Herrlichkeit Israels herauszustellen und lasse auch hier wieder die Schrift für sich selbst sprechen.
1. Die Wiederherstellung findet unter einem neuen Bund statt: „Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde: nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, diesen meinen Bund, den sie gebrochen haben; und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt, spricht der HERR. Sondern dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr jeder seinen Nächsten und jeder seinen Bruder lehren und sprechen: ‚Erkennt den HERRN!‘, denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken“ (Jer 31,31–34).
Es werden drei Bündnisse erwähnt: das erste wurde mit Abraham geschlossen und war an keine Bedingung geknüpft, das zweite war ein zweiseitiges Bündnis und verhinderte die Erfüllung des ersten Bundes, da es von dem Gehorsam des Volkes abhängig war. Das dritte Bündnis wurde wieder mit Israel geschlossen und ihm liegt keine Bedingung zugrunde, es setzt das zweite Bündnis beiseite und ermöglicht so die Erfüllung des ersten Bundes. Aber obwohl die Bedingung des Bundes vom Sinai weggenommen wird, wird die nationale Wiederherstellung und Erfüllung des bedingungslosen Bundes mit Abraham erst stattfinden, wenn das ganze Volk Buße tut. Obwohl die Verheißung uneingeschränkt gegeben wurde, muss das Volk in einem passenden Zustand sein, damit sie erfüllt werden kann. Gott selbst wird bewirken, dass sie diesen Zustand erreichen. Anstatt dass Israel weiter das Gesetz aus eigener Kraft erfüllt, gibt Gott ihnen die Kraft, das Gesetz zu halten. Er macht einen Bund mit Juda und Israel, um ihre Herzen zuzurüsten, damit seine Verheißung gegenüber Abraham auf rechtmäßige Art und Weise erfüllt werden kann. Er braucht eine gerechte Nation und greift selbst ein, um sie zur Gerechtigkeit zu bringen.
Es ist offensichtlich, dass dieser Bund, der ein ewiger Bund ist, mit dem zurückgekehrten Überrest Israels in Verbindung steht, denn wir lesen: „Siehe, ich werde sie aus allen Ländern sammeln, wohin ich sie vertrieben haben werde in meinem Zorn und in meinem Grimm und in großer Entrüstung und ich werde sie an diesen Ort zurückbringen und sie in Sicherheit wohnen lassen. Und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein. Und ich werde ihnen ein Herz und einen Weg geben, damit sie mich fürchten alle Tage, ihnen und ihren Kindern nach ihnen zum Guten. Und ich werde einen ewigen Bund mit ihnen schließen, dass ich nicht von ihnen lassen werde, ihnen Gutes zu tun; und ich werde meine Furcht in ihr Herz legen, damit sie nicht von mir abweichen“ (Jer 32,37–40). In Jesaja heißt es ebenso: „Ich werde ihnen ihre Belohnung in Treue geben und einen ewigen Bund mit ihnen schließen. Und ihre Nachkommen werden bekannt werden unter den Nationen und ihre Sprösslinge inmitten der Völker: Alle, die sie sehen, werden sie erkennen, dass sie Nachkommen sind, die der Herr gesegnet hat“ (Jes 61,8.9). Und an anderer Stelle schreibt der gleiche Prophet erneut: „Und ein Erlöser wird kommen für Zion und für die, die in Jakob von der Übertretung umkehren, spricht der HERR. Und ich – dies ist mein Bund mit ihnen, spricht der HERR: Mein Geist, der auf dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, werden nicht aus deinem Mund weichen noch aus dem Mund deiner Nachkommen, noch aus dem Mund der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht der HERR, von nun an bis in Ewigkeit“ (Jes 59,20.21).
Hesekiel sagt das Gleiche und spricht von der Nation als ein Ganzes und von Juda und Israel als ihren beiden Kindern: „Doch will ich meines Bundes mit dir in den Tagen deiner Jugend gedenken und will dir einen ewigen Bund errichten. Und du wirst dich an deine Wege erinnern und dich schämen, wenn du deine Schwestern empfangen wirst, die größer sind als du, samt denen, die kleiner sind als du, und ich sie dir zu Töchtern geben werde, aber nicht infolge deines Bundes. Und ich werde meinen Bund mit dir errichten, und du wirst wissen, dass ich der HERR bin“ (Hes 16,60–62). Der am Sinai geschlossene Bund mit Israel konnte keine Wiederherstellung erreichen, aber Gott verheißt ihnen, einen ewigen Bund zu schließen, der mit einer nationalen Wiederherstellung und Anerkennung Gottes einhergehen wird. Einige Kapitel später sagt Er wieder: „Und ich werde einen Bund des Friedens mit ihnen schließen, ein ewiger Bund wird es mit ihnen sein; und ich werde sie einsetzen und sie vermehren und werde mein Heiligtum in ihre Mitte setzen in Ewigkeit. Und meine Wohnung wird über ihnen sein; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und die Nationen werden wissen, dass ich der HERR bin, der Israel heiligt, wenn mein Heiligtum in ihrer Mitte sein wird in Ewigkeit“ (Hes 37,26–28).
2. Wenn Gott sein Gesetz in die Herzen der Menschen legt, gibt Er ihnen gleichzeitig die Verheißung, seinen Geist über sie auszugießen. Jesaja sagt den nationalen Niedergang voraus „bis der Geist über uns ausgegossen wird aus der Höhe und die Wüste zum Baumgarten wird und der Baumgarten dem Wald gleichgeachtet wird“ (Jes 32,15). Damit ist nicht die Taufe mit dem Heiligen Geist an Pfingsten gemeint, sondern hier ist es das Ende des Verfalls von Jerusalem, dem ein 1000jähriger Segen folgt. Das finden wir auch in diesen Worten unseres Herrn: „Ich werde meinen Geist ausgießen auf deine Nachkommen und meinen Segen auf deine Sprösslinge“ (Jes 44,3).
Die beeindruckendste Prophezeiung über dieses nationale Ereignis finden wir jedoch im Buch Joel. Er spricht von der Wiederherstellung der Nation und fügt hinzu: „Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Greise werden Träume haben, eure Jünglinge werden Gesichte sehen. Und sogar über die Knechte und über die Mägde werde ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen. – Und ich werde Wunder geben im Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen; die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare. – Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des HERRN anrufen wird, wird errettet werden; denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem wird Errettung sein“ (Joel 3,1–5).
Diese Prophezeiung wurde nicht an Pfingsten erfüllt. Dass Petrus diese Verse an Pfingsten zitierte, war nicht auf die Erfüllung dieser Vorhersage bezogen, sondern sollte den spottenden Juden zeigen, dass diese wunderbare Macht und ihr Wirken nichts anderes war als das, was bereits ihre eigenen Propheten über die Wirkung des Geistes geschrieben hatten. Es gab keine Wunder im Himmel, kein Blut und Feuer auf der Erde und keine Rauchsäulen; der Apostel konnte demnach unmöglich die wirkliche Erfüllung meinen. Sowohl der Zusammenhang als auch die Prophezeiung selbst zeigen, dass die Verheißung erst mit der Wiederherstellung Israels erfüllt werden wird und dass hier kein Bezug zu der Taufe mit dem Heiligen Geist an Pfingsten besteht, obwohl in einigen Punkten eine derartige Verbindung möglich wäre.
Dass die Gabe des Geistes mit nationalem Segen und der Rückkehr in das Land verbunden ist, sehen wir auch in den Worten des Propheten Hesekiel: „Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut. Und ihr werdet in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe; und ihr werdet mein Volk, und ich werde euer Gott sein. Und ich werde euch befreien von allen euren Unreinheiten. Und ich werde das Getreide herbeirufen und es mehren und keine Hungersnot mehr auf euch bringen“ (Hes 36,27–29). Und an anderer Stelle: „Und sie werden wissen, dass ich, der HERR, ihr Gott bin, weil ich sie zu den Nationen weggeführt habe und sie wieder in ihr Land sammle und keinen mehr von ihnen dort zurücklasse. Und ich werde mein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen, wenn ich meinen Geist über das Haus Israel ausgegossen habe, spricht der Herr, HERR“ (Hes 39,28.29).
3. Das bringt uns schließlich zu den großen physischen Folgen des Reiches seiner Gerechtigkeit. Die Welt, in die der Mensch hinein geschaffen wurde, war ihm vollständig untergeordnet. Es gab weder Krankheit noch Tod und der Erdboden war über die Maßen fruchtbar. Die Sünde hat all das verdorben. Die Vorherrschaft des Menschen wurde erschüttert, Krankheit, Tod und Unfruchtbarkeit hielten Einzug. Seit dieser Zeit seufzt die Schöpfung und liegt in Geburtswehen. Mit dem Kreuz wurde jedoch eine gerechte Grundlage für Gott geschaffen „alle Dinge mit sich zu versöhnen“ (Kol 1,20) und bei der Offenbarung der Söhne Gottes wird „auch die Schöpfung selbst freigemacht werden ... von der Knechtschaft des Verderbens zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21). Diese Erlösung, die Aufhebung dessen, was durch die Sünde in die Welt kam, wird eindeutig von den alttestamentlichen Propheten vorhergesagt.
Der Fluch der Unfruchtbarkeit, obwohl er nach der Flut teilweise aufgehoben wurde, war weiterhin in hohem Maß spürbar, denn die reichen Ernten, die Israel verheißen waren, hingen von ihrem Gehorsam ab. Wie alle anderen Segnungen, die an eine Bedingung geknüpft waren, konnten sie auch diese aufgrund ihrer Untreue nicht empfangen. Dornen und Disteln wuchsen – die Früchte der Sünde. Wenn das Reich der Gerechtigkeit beginnt, werden „statt der Dornsträucher ... Zypressen aufschießen, und statt der Brennnesseln werden Myrten aufschießen. Und es wird dem HERRN zum Ruhm, zu einem ewigen Denkzeichen sein, das nicht ausgerottet wird“ (Jes 55,13). Und: „Ich werde die Wüste zum Wasserteich machen und das dürre Land zu Wasserquellen. Ich werde Zedern in die Wüste setzen, Akazien und Myrten und Olivenbäume, werde in die Steppe pflanzen Zypressen, Platanen und Buchsbäume miteinander; damit sie sehen und erkennen und zu Herzen nehmen und verstehen allesamt, dass die Hand des HERRN dies getan und der Heilige Israels es geschaffen hat“ (Jes 41,18–20), sowie: „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse“ (Jes 35,1).
Lange Zeit vorher, als der Herr Israel Zerstreuung, Buße, endgültige Rückkehr und reichen Segen vorhergesagt hatte, hatte Er gesagt: „Und der HERR, dein Gott, wird dir Überfluss geben bei allem Werk deiner Hand, an der Frucht deines Leibes und an der Frucht deines Viehs und an der Frucht deines Landes, zum Wohlergehen; denn der HERR wird sich wieder über dich freuen zum Guten, so wie er sich über deine Väter gefreut hat“ (5. Mo 30,9). Wenn in den Psalmen von der Herrschaft Christi gesprochen wird – „denn du wirst die Völker richten in Geradheit, und die Völkerschaften auf der Erde, du wirst sie leiten“ – ruft der Schreiber aus: „Die Völker werden dich preisen, o Gott; alle Völker werden dich preisen. Die Erde gibt ihren Ertrag; Gott, unser Gott, wird uns segnen“ (Ps 67,5–7).
Hesekiel sagt die Zeit voraus, da sie sagen werden: „Dieses Land da, das verwüstete, ist wie der Garten Eden geworden“ (Hes 36,35) und Amos spricht von den Tagen „da der Pflüger an den Schnitter und der Traubentreter an den Sämann reichen wird; und die Berge werden träufeln von Most, und alle Hügel werden zerfließen“ (Amos 9,13). Auch Joel prophezeit: „Freut euch in dem HERRN, eurem Gott! Denn er gibt euch den Frühregen nach rechtem Maß, und er lässt euch Regen herabkommen: Frühregen und Spätregen wie zuvor. Und die Tennen werden voll Getreide sein und die Fässer überfließen von Most und Öl. Und ich werde euch die Jahre erstatten, die die Heuschrecke, der Abfresser und der Vertilger und der Nager gefressen haben ... Und ihr werdet essen, essen und satt werden und werdet den Namen des HERRN, eures Gottes, preisen, der Wunderbares an euch getan hat. Und mein Volk soll nie mehr beschämt werden“ (Joel 2,23–26). In einem anderen Kapitel fügt er hinzu: „Und es wird geschehen, an jenem Tag werden die Berge von Most triefen und die Hügel von Milch fließen, und alle Bäche Judas werden von Wasser fließen; und eine Quelle wird aus dem Haus des HERRN hervorbrechen und das Tal Sittim bewässern“ (Joel 4,18).
Die wilden Tiere werden gezähmt und der Mensch erhält die Vormachtstellung. Dem Sohn des Menschen, dem zweiten Menschen, ist die ganze Natur unterworfen, „Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchzieht“ (Ps 8, 8.9). „Und der Wolf wird sich beim Lamm aufhalten, und der Leopard beim Böckchen lagern; und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Und Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen zusammen lagern; und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und der Säugling wird spielen am Loch der Otter, und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Viper“ (Jes 11,6–8).
Einige Kapitel weiter wird auf die wiederhergestellte Langlebigkeit Bezug genommen. Der Tod wird nur noch als Strafe für Sünde eintreten und das Lebensalter der Menschen wird auf die Dauer der Herrschaft Christi verlängert. „Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde; und an die früheren wird man sich nicht mehr erinnern, und sie werden nicht mehr in den Sinn kommen. Sondern freut euch und frohlockt auf ewig über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich verwandle Jerusalem in Frohlocken und sein Volk in Freude. Und ich werde über Jerusalem frohlocken und über mein Volk mich freuen; und die Stimme des Weinens und die Stimme des Wehgeschreis wird nicht mehr darin gehört werden. Und dort wird kein Säugling von einigen Tagen und kein Greis mehr sein, der seine Tage nicht erfüllte; denn der Jüngling wird als Hundertjähriger sterben und der Sünder als Hundertjähriger verflucht werden“ (Jes 65,17–20). Das ist weder der Himmel noch die neue Schöpfung, von der im Neuen Testament die Rede ist, denn an keinem der beiden Orte gibt es Sünde oder Tod; vielmehr wird Gott, bevor Er alles neu macht, wie in der Offenbarung vorhergesagt, den letzten Feind, den Tod, vernichten (Off 20,14). Das Alte Testament geht nie über diese Welt hinaus, denn diese ist sein Bereich und die Herrschaft Christi ist die teilweise Erfüllung dieser vollkommenen Versöhnung, der vollen Frucht dessen, was wir nur in dem neuen Himmel und der neuen Erde sehen, von der in der Offenbarung und im Petrusbrief die Rede ist. In dem neuen Himmel und der neuen Erde, von der Jesaja spricht, regiert die Gerechtigkeit. Sie richtet und unterdrückt die Sünde, schafft sie aber nicht völlig ab.
Obwohl Gottes Absichten hier nur teilweise erfüllt werden, verglichen mit der vollen Erfüllung, die im Neuen Testament offenbart wird, sind diese Resultate dennoch überaus segensreich und passend. Es stimmt, dass sie gewöhnlich nur als sinnbildliche Darstellung geistlicher Segnungen verstanden werden. Einige halten sie sogar für Gottes unwürdig, oder meinen, es sei physisch unmöglich, derartiges geschehen zu lassen. Sind die schlimmen Dinge, die dann eintreten werden, das Gericht Gottes für die Sünde? Sind das die besonderen Plagen, mit denen Er sein auserwähltes irdisches Volk für ihren Ungehorsam und ihre Auflehnung heimsucht? Wenn das so ist, dann hat der, der die Macht hat, derartiges über sie zu bringen, auch die Macht, es wieder wegzunehmen und wenn es seiner würdig war, derartiges über sie zu bringen, ist es auch seiner würdig, es wieder wegzunehmen. Wenn das eine seine gerechte Antwort auf Sünde ist, dann ist das andere seine gerechte Antwort auf das Kreuz. In Gottes Handeln mit der Erde waren irdische Katastrophen immer ein Zeichen dafür, dass Ihm etwas missfällt; irdische Segnungen hingegen galten als seine Anerkennung. Wir vergessen, dass das, was Philosophen den Lauf der Natur nennen, in Wahrheit eine Entartung der Natur ist, dass die seufzende Schöpfung von Gott mit dem Prädikat „sehr gut“ geschaffen wurde und dass der momentane Zustand der Herrschaft der Sünde unterliegt und nicht dem Plan des Schöpfers entspricht. Da das Lamm Gottes die Sünde der Welt getragen hat, kann Gott den Fluch auch wegnehmen und die verdorbene Schöpfung mit sich selbst versöhnen. Das wird in Vollkommenheit in der neuen Schöpfung stattfinden, teilweise jedoch in der königlichen Herrschaft und Segnung seines auserwählten Sohnes.
4. Neben der allgemeinen Beschreibung des Wohlstands und des Ruhmes Israels unter der Herrschaft des Messias, finden wir einige ausführlichere Einzelheiten der Merkmale ihres nationalen Staatswesens. Die letzten Kapitel des Propheten Hesekiel schildern minutiös den Tempelbau, die dargebrachten Opfer, die Ordnung der eingesetzten Priester, die Rückkehr der Herrlichkeit des Herrn in das Heiligtum, die Maße und Aufteilung der wiederaufgebauten Stadt, die Neuverteilung des Landes unter den Stämmen und eine Anzahl weiterer ähnlicher Punkte – alle vollkommen verständlich, wenn wir uns in der Auslegung an die Schrift halten, aber in höchstem Maß schwierig und unverständlich, wenn wir diese als sinnbildliche Beschreibung der Segnungen unter dem Christentum ansehen.
Es ist einfach, eine allgemeine Darstellung der Kirche in dem Bild eines Tempels, einer Stadt oder dem Volk Israel zu sehen und tatsächlich werden auch all diese Bilder im Neuen Testament für die Kirche gebraucht. In Hesekiel handelt es sich jedoch nicht um eine allgemeine Beschreibung eines Tempels. Jedes Detail wird mit einer architektonischen Präzision angeordnet, die für ein derartiges Sinnbild vollkommen unpassend wäre, für die Planung eines realen Gebäudes jedoch unerlässlich. Die Herrlichkeit des Herrn, die wir in den ersten Kapiteln des Buches Hesekiel sehen und die im zehnten Kapitel den Tempel und Jerusalem verlässt, wird nach langer Abwesenheit in das wieder aufgebaute Heiligtum kommen und dort wohnen. „Und siehe, die Herrlichkeit des Gottes Israels kam von Osten her; und ihr Rauschen war wie das Rauschen großer Wasser, und die Erde leuchtete von seiner Herrlichkeit. ... Und die Herrlichkeit des HERRN kam in das Haus, den Weg des Tores, das nach Osten gerichtet war. Und der Geist hob mich empor und brachte mich in den inneren Vorhof; und siehe, die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus“ (Hes 43,2–5). Seine Stimme gibt Anweisungen bezüglich des Altars, der Sünd- und Brandopfer in Verbindung mit seiner Reinigung (Verse 19–27). In dem folgenden Kapitel ordnet Er an, dass die Leviten, deren Väter dem Götzendienst verfallen waren, nicht zum Dienst herzutreten sollen, da „die Söhne Zadoks, die den Dienst meines Heiligtums versehen haben, als die Kinder Israel von mir abirrten, sie sollen mir nahen, um mir zu dienen, und sollen vor mir stehen, um mir das Fett und das Blut darzubringen“ (Hes 44,10–15). Der Herr bestimmt auch, welche Kleider diese Priester tragen sollen, wen sie heiraten dürfen, welche richterlichen Funktionen sie ausüben und welchen Teil der Opfergaben sie erhalten sollen. Wenn man hier Gottes Wort in seiner wörtlichen Bedeutung annimmt, ist es ganz einfach zu verstehen. Versucht man, diese Worte zu versinnbildlichen, gerät man in heillose Verwirrung.
Für einige mag es eine Schwierigkeit darstellen, dass wieder von Tieropfern die Rede ist. Aber ein Tieropfer an sich hatte keinen Wert als Opfer. Es war nur ein Bild des wahren Opfers und dieses Bild eignet sich sowohl zum Gedenken an das wahre Opfer als auch für dessen Vorschattung. Wir halten das Mahl des Herrn mit den Zeichen des hingegebenen Leibes und des vergossenen Blutes vor uns. In einem irdischen Gottesdienst haben die Zeichen mehr irdischen Charakter, und das tatsächliche Blutvergießen, das nicht als Erneuerung des Opfers geschieht, sondern in Erinnerung an das Opfer Jesu für Gott, ist der göttlich vorgegebene Weg, dieses Ereignis zu feiern. Aber das ist nicht der einzige Unterschied. Unser Bereich der Anbetung ist im Himmel, hinter dem Vorhang, wo Christus eingegangen ist, damit wir „Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum“ auf „dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch“ (Heb 10,19.20). Daher wäre es unangemessen, eine himmlischen Sache, sei es Tempel, Altar, Opfer oder Priester mit einem „Abbild“ darzustellen – tatsächlich würde dadurch der himmlische Charakter unserer Anbetung verleugnet. Wenn Gott aber sein Handeln mit der Erde wieder aufnimmt, wird auch der Gottesdienst wieder so sein, wie er früher in Israel sein sollte: ein „Abbild“ der himmlischen Anbetung. Es wird daher wieder eine heilige Stadt, einen heiligen Tempel, einen heiligen Altar, ein heiliges Opfer und eine heilige Priesterschaft geben – alles Abbilder himmlischer Dinge. Denn wenn Abbilder himmlischer Anbetung wiederhergestellt werden, müssen die Opfer auch wieder eingeführt werden, denn „es war nun nötig, dass die Abbilder der Dinge in den Himmeln hierdurch gereinigt wurden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Schlachtopfer als diese“ (Heb 9,23). Hier verläuft die Trennlinie nicht zwischen der Zeit vor dem Tod Christi und der Zeit danach, sondern es wird zwischen der Anbetung in himmlischen Örtern, die wir jetzt haben, und der Anbetung in einem irdischen Tempel, ein Symbol des himmlischen, unterschieden; eine Anbetung, die Israel in alten Zeiten hatte und die es in den Tagen, von denen der Prophet hier spricht, wieder haben wird. Der Hebräerbrief lehrt uns also den Grund, ja sogar die Notwendigkeit für das, was Hesekiel hier vorhersagt, und wenn wir den Unterschied zwischen himmlischer und irdischer Anbetung verstehen, wird es uns leichtfallen, die Schönheit und Bedeutung, die in der Rückkehr zu diesen Bildern liegt, zu begreifen.
Gewisse Feste werden also wieder eingeführt. „Im ersten Monat, am vierzehnten Tag des Monats, soll euch das Passah sein, ein Fest von sieben Tagen; Ungesäuertes soll gegessen werden“ (Hes 45,21) und „im siebten Monat, am fünfzehnten Tag des Monats, am Fest, soll er ebenso tun die sieben Tage“ (Vers 25). Das ist das Fest der Laubhütten. Früher wurde Israel das Gebot gegeben: „Dreimal im Jahr sollen alle deine Männlichen vor dem HERRN, deinem Gott, erscheinen an dem Ort, den er erwählen wird: am Fest der ungesäuerten Brote und am Fest der Wochen und am Fest der Laubhütten“ (5. Mo 16,16). Die gerade zitierten Stellen aus Hesekiel zeigen, dass zwei dieser drei großen Feste, das Fest der ungesäuerten Brote und das Fest der Laubhütten, erneuert werden. Das dritte Fest, das Fest der Wochen oder Pfingsten, wird jedoch weder hier noch an anderer Stelle erwähnt. Wenn Hesekiels Prophezeiung symbolisch für die Kirche gälte, wäre das nicht erwähnte Fest sicher das bedeutendste. Es war das Fest der Ernte, der Erstlinge aller Früchte und an diesem Tag (Pfingsten) sandte Gott den Heiligen Geist auf die Erde, um die Kirche als Erstling des Werkes Christi zu bilden. Das ist der Grund dafür, dass dieses Fest ausgelassen wurde. Die volle Bedeutung dieses wunderbaren Bildes ist in der Kirche erfüllt und tritt daher nach der Entrückung der Kirche in den gottesdienstlichen Einrichtungen der Menschen nicht mehr auf. Sacharja beschreibt noch ein weiteres Detail: „Und es wird geschehen, dass alle Übriggebliebenen von allen Nationen, die gegen Jerusalem gekommen sind, Jahr für Jahr hinaufziehen werden, um den König, den Herrn der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern“ (Sach 14,16). Sollte diese Anbetung nicht stattfinden, würde über das Land kein Regen kommen. Wie unpassend sind all diese präzisen und interessanten Details in Bezug auf die Kirche Gottes, in der Anwendung auf die Herrschaft des Messias über das wiederhergestellte Israel sind sie jedoch wunderbar zutreffend.
Hesekiel fährt fort, indem er die Abmessungen der Stadt und die verschiedenen Abteilungen beschreibt. In Offenbarung 21 finden wir die Kirche, die auch „die Braut, die Frau des Lammes“ genannt wird, im Bild einer Stadt beschrieben. Wenn man diese Ausführungen auch nur im Ansatz untersucht, wird man feststellen, dass hier kein Ort beschrieben wird, sondern dass es sich um eine rein symbolische Erweiterung der himmlischen Herrlichkeiten und Segnungen der Kirche handelt. Ihre quadratische Form, ihre Position, ihre Baustoffe, ihre Fundamente, ihre Tore und dass sie nicht als Wohnort der Kirche, sondern als die Kirche selbst bezeichnet wird, zeigt deutlich, dass diese überwältigende Vision nicht ein Einblick in den Himmel ist, sondern ein wunderbares Bild der moralischen Herrlichkeiten des Leibes Christi, der Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Vergleichen wir das einmal mit der im Buch Hesekiel beschriebenen Stadt. Diese ist groß, aber an die Abmessungen des Landes angepasst, prachtvoll, jedoch ohne den irdischen Glanz zu übertreffen; sie hat einen Tempel, während die andere Stadt keinen hat. In jedem Detail finden wir eher Gegensätze als Gemeinsamkeiten. Warum ist das so? Aus dem einfachen Grund, weil ganz unterschiedliche Dinge beschrieben werden. Das eine ist der Plan einer glanzvollen irdischen Stadt, das andere ein Bild von dem Teil der Erlösten in himmlischer Herrlichkeit. Auch Hesekiel macht Angaben über die Größe des Landes und die Verteilung unter die einzelnen Stämme. Von der Fläche her ist es nicht vergleichbar mit dem beschränkten Stück Land, das von den Israeliten damals eingenommen wurde, sondern entspricht viel eher der großen Verheißung gegenüber Abraham. Die Verteilung der Stämme über dieses große Gebiet unterscheidet sich vollkommen von der Aufteilung des Landes durch Josua und seine Helfer. Welche Bedeutung hat das alles in der Anwendung auf die Kirche? Nimmt man diese Ausführungen wörtlich, so wie jeder geistliche Israelit sie verstanden haben muss, ergeben sich keinerlei Verständnisprobleme, sondern man wird feststellen, dass hier ganz einfach interessante Einzelheiten der Segensperiode Israels geschildert werden, wenn das Volk von seinen Feinden erlöst, durch die Zuwendung des Herrn wiederhergestellt und die bisher unerfüllten Verheißungen Abrahams und Davids unter der Herrschaft des Messias genießen wird.