Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis
Psalm 136
Gottes Güte gibt den Gottesfürchtigen Anlass, Ihn jetzt und in alle Ewigkeit zu preisen. Seine Gnade hat sich ihnen zugeneigt und erweist sich im Leben der Gläubigen als überaus groß und weitreichend. Der HERR hat die Gottesfürchtigen dazu auserwählt, dass sie Seine Gnade rühmen. Sie selbst haben zu ihrer Erwählung nichts beigetragen, sie haben vor dem HERRN keine Verdienste vorzuweisen. Alles, was ihnen gewährt wurde, ist ausschließlich Seiner Güte und Gnade zuzuschreiben. Dass Er der allein gute Gott ist, findet in Seiner Güte einen praktischen Ausdruck (Vers 1; Ps 106,1; 107,1). Mit Dank für die vielen Beweise Seiner Liebe wird die Güte dessen gerühmt, der der Gott der Götter und der Herr der Herren ist (Verse 1–3). Seine Macht verbürgt Seinen Frommen ein ewiges Wohl und Heil unter Seinem Schutz. Von Ihm haben sie als Geschöpfe ihr irdisches Leben bekommen, dazu auch alle erforderlichen Lebensbedingungen. Aber noch weit größer ist das Wunder ihrer Erlösung, die Befreiung von der Sünde und dem Tod; es übertrifft bei weitem die göttlichen Wundertaten, die ständig und überall in der Schöpfung zu deren Erhaltung geschehen (Vers 4; 1. Chr 16,12; Ps 72,18; 86,10). Jeden einzelnen Seiner Frommen hat Er unter den ewigen Schutz Seiner Güte gestellt, so dass keiner von ihnen von den Strafgerichten behelligt werden wird, welche die gegenwärtige Welt treffen werden. Durch Seine Güte sind die Glaubenden vom ewigen Verderben errettet und bleiben bewahrt, um ewigen Segen zu empfangen.
Dieser Psalm lehnt sich dem Inhalt nach an den vorhergehenden Psalm an. Einige Versteile stimmen mit Ps 135,8–12 fast wörtlich überein. Jeder der 26 Verse stellt Gottes Güte heraus. Von Vers 5 an werden Beispiele Seines gütigen Handelns in der Schöpfung vorgestellt. Beginnend mit Vers 10 wird über Sein gnädiges Handeln mit Seinem Volk Israel berichtet. In allem Wirken Gottes offenbaren sich die Weisheit Seiner Vorsehung und Seine Allmacht, sei es bei der Erschaffung dieser Welt oder bei der Erlösung Israels. Bei allem, was vor sich geht, hat Gott das Gedeihen der Schöpfung im Auge, insbesondere aber das Wohl Seines Volkes. Nur Er vermag zur Rettung der Seinen übernatürliche Mittel einzusetzen. Göttlich große, einmalige Wunder stehen am Anfang alles Geschaffenen. Und dabei offenbarte sich, dass Gott ohne Zuhilfenahme von bereits Vorhandenem völlig Neues entstehen lassen kann. Er hat beim Erschaffen der Welt keine unerklärlichen Zufälle zu Hilfe nehmen müssen. Doch an die angebliche Schöpferkraft des Zufalls glauben viele Menschen lieber als an den Schöpfergott. Mit göttlicher Einsicht hat Er dem Geschaffenen die Zeitpunkte der Entstehung und der Auflösung festgesetzt, und für die Zeit des Bestehens der Dinge hat Er Vorsorge getroffen (Ps 104,10–18; Spr 3,19.20; Jer 10,12). In Seiner Güte hat Er die Erde für den Aufenthalt von Menschen vorbereitet, indem Er bewohnbares Festland schuf (Verse 5 und 6; Ps 24,1.2; Jes 42,5). Sonne und Mond gehören zu den Zeichen zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren (1. Mo 1,14), wobei die Sonne zum Werden, Wachsen und Vergehen entscheidend beiträgt. Ohne die stetige Zufuhr des erforderlichen Maßes an Sonnenenergie ist kein Leben möglich. Auf das pünktliche, genau abgestimmte Funktionieren dieses mit göttlicher Weisheit erschaffenen und gelenkten Systems ist jedes Menschenleben angewiesen. Alle sind von Seiner Güte abhängig (Vers 7 bis 9; Ps 8,4:19,5f). Was so sinnreich gestaltet ist und so zuverlässig arbeitet, kann nicht das Ergebnis von Zufällen sein. Die dem Wohl des Menschen und alles Lebens dienende Wirkkraft der Sonne lässt deutlich die gütige Hand Gottes erkennen (Vers 8; Ps 74,16.17; Jer 31,35). Seine Güte hat nicht versäumt, die als Abwechslung notwendige Ruhepause während der Nacht zu schaffen, wobei der Mond und die Sterne hervortreten. Seine Güte lässt die Menschen nicht im Finstern und in der Kälte wohnen und gibt sie nicht der Erschöpfung preis. Neben dem für den Körper Notwendigen ist das Sonnenlicht auch dem Wohlbefinden der Seele des Menschen zuträglich.
Die Verse 10 bis 16 erinnern daran, auf welch gütige Weise Gott Seine Schöpfermacht eingesetzt hat, um das Volk Israel aus der Sklaverei herauszuführen. „Mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm“ (Vers 12) lenkte Er das ganze Geschehen des Auszugs aus Ägypten, um Sein Volk vor der Übermacht der Feinde zu retten und weitere unüberwindliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Seine machtvoll durchgreifende Hilfe bewies dem Volk, das ängstlich auf die bedrohlichen Umstände blickte, dass Seine göttliche Fürsorge es bei jedem Schritt begleitete. Wenn es erforderlich war, wurden tödliche Gefahren in einen Triumph der Macht Seiner Güte verwandelt. Schien die Lage ausweglos, dann bahnte die Güte Dessen, der allen Kräften der Natur gebietet, den Weg und ließ Israel trockenen Fußes das Schilfmeer durchqueren. In jeder neu auftretenden Notlage konnte Israel sich auf Seine Güte verlassen; sie war immer in göttlich vollkommenem Maß für sie vorhanden. Für die Ägypter und den Pharao dagegen gab es keine Gnade. Die Erstgeborenen der Ägypter starben ohne Ausnahme durch einen furchtbaren Gerichtsschlag, und das ganze feindliche Heer kam in den Fluten des Schilfmeeres um (Vers 15; 2. Mo 15,1ff; Jer 32,20–22). Als Israel durch die Wüste zu ziehen hatte, musste es erfahren, dass es weiterhin von der hilfreichen Hand Gottes abhängig war. Das Volk war der Sonnenglut, der Dürre und dem Wassermangel ausgesetzt und hatte giftige Tiere und Angreifer zu fürchten. Die eigenen Kräfte und Mittel reichten bei weitem nicht aus, um zu überleben (5. Mo 8,15–18; Neh 9,19). Doch der Plan Gottes stand fest, ihnen nach dem Abschluss der Reise Gutes zu tun, wenn Israel das verheißene Land Kanaan erreicht hatte. Auf dem oft beschwerlichen Lebensweg der Kinder Gottes wiederholt sich diese Erfahrung bis in unsere Zeit. Erst nachdem sie das Ziel ihrer Laufbahn erreicht haben und die Leidenszeit für immer hinter ihnen liegt, werden sie die ewige Glückseligkeit bei dem Herrn genießen, „denn seine Güte währt ewig“ (Vers 16). Hätten sie die Schwierigkeiten, verbunden mit Angst und vielen Sorgen, in ihrem Leben nicht kennengelernt, dann wüssten sie nicht, was Seine Gnade und Güte in Wirklichkeit bedeuten. Sie hätten keinen Begriff davon bekommen, wie gering und schwach der Mensch ist im Vergleich zu den vielen lebensbedrohenden Umständen. Am Ziel zur ewigen Ruhe gebracht, verstehen die Gottesfürchtigen Seine Fügungen und rühmen Seine Liebe.
Wie die Schwierigkeiten der Wüste Gott nicht daran hindern konnten, Sein Volk am Leben zu erhalten, so konnten auch die scheinbar mächtigen Könige, die sich Israel entgegenstellten, die göttlichen Pläne nicht vereiteln (Verse 17 bis 22). Nach Gottes Beschluss fielen die hier und in Ps 135,10f genannten Völker und Könige wegen ihrer Sünden der Enteignung und Unterwerfung anheim. Der allmächtige Gott ist es, der seit jeher den Nationen der Erde ihren Besitz und ihre Grenzen zuweist (5. Mo 32,8; Apg 17,26). Das Land der unter Strafe gestellten Völker hatte Er dem Volk Israel als Erbteil zugesprochen, auch als besonderen Beweis der Güte „seinem Knecht Israel“ gegenüber (Vers 22; Ps 135,10–12). So gab das Gericht über die Gottlosen den Raum frei für die Segnung Seines Volkes. Ähnliches wird sich zugunsten Israels bei dem noch zukünftigen Abschluss unseres Zeitalters durch die Gerichtsschläge Gottes wiederholen (Jes 25,10; 54,15–17). Daraufhin wird Israel zu hohem Ansehen gelangen und eine hervorragende Stellung unter den Völkern der Erde einnehmen (Jes 61,6–9; 62,12; Zeph 3,19). Hinfort wird das irdische Volk Gottes nur aus Dienern Gottes bestehen (Jes 65,9.13), die Ihm willig gehorchen und Ihm alle Ehre zukommen lassen.
Die Verse 23 und 24 erinnern daran, dass Gott Seine Güte vorzugsweise denen zuwendet, die geringgeschätzt werden, und dies trifft in Vers 23 auf Israel zu, das von den Ägyptern geknechtet war und misshandelt wurde (Ps 113,7; 2. Mo 3,7; 5. Mo 7,7; 10,15; 1. Kor 1,27–29 in Bezug auf uns). Die Erlösung aus schlimmer Lage hatte Israel zu einem selbstständigen Volk gemacht. Zu ihrer Rettung konnten sie außer einem willigen Gehorsam dem HERRN gegenüber nichts beitragen. Offenkundig hatten sie ihre Existenz als Nation allein der Güte Gottes zu verdanken. Mit göttlicher Macht war Er gegen ihre Bedränger vorgegangen, damit die Israeliten in den Genuss Seiner Gnade kamen (Verse 23 und 24; Ps 106,8–11; 44–46). Indem Er Sich ihrer annahm, offenbarte sich Seine Liebe zu ihnen, und in Seiner Vorgehensweise trat bei jedem einzelnen Schritt Seine Weisheit ans Licht. So lernten sie die Treue des HERRN, ihres Bundesgottes, kennen. Abschließend macht Vers 25 noch einmal darauf aufmerksam, dass alle Geschöpfe der Erde von der Güte des Schöpfers leben. Alle haben teil an Seiner Güte und sind von ihr abhängig, daher schulden sie Ihm Dank und Ehrerbietung (Ps 104,27f; 145,16; Mt 5,45; Apg 14,17). ‚Wenn das Ende einer Gnadenerweisung nicht der Anfang einer neuen wäre, dann wäre es schnell um uns alle geschehen‘ (Phil. Henry, gest. 1696). Wie die 5000 Männer zur Zeit des Herrn Jesus auf Seine Worte hin durch die wunderbare Vermehrung des wenigen Vorhandenen ausreichend ernährt wurden, so empfangen bis heute alle Geschöpfe aus Seiner gütigen Hand das Notwendige zum Leben (Lk 9,13–17). Was auch immer die Menschen genießen und was ihnen in irgendeiner Weise zugutekommt, hat die gleiche Quelle, nämlich die Güte Gottes. Darum sollte der Geber alles Guten jederzeit unser ganzes Vertrauen besitzen (Lk 12,28ff). Dafür gebühren dem Gott des Himmels immerfort Dank und Ehre.