Gottes Gericht ist gerecht
Eine Auslegung des Propheten Nahum

Kapitel 1: Gottes Gerechtigkeit im Zorn und die Ankündigung des Gerichts

Das erste Kapitel beschreibt wichtige Grundsätze der Regierung Gottes mit den Feinden des Volkes Gottes. Wir lernen die Majestät und Allmacht Gottes kennen. Er ist ein eifernder und rächender Gott. Das ist ein sehr ernster Gedanke. Gottes Geduld und Langmut sind groß. Dennoch kommt der Tag, an dem klar wird, dass Er mit dem Bösen keine Nachsicht haben kann. Das Gericht über Ninive war fest beschlossen und wurde ausgeführt. Das war schrecklich für diejenigen, die es traf und zugleich tröstlich für diejenigen, die unter diesem Feind litten.

Es fällt beim Lesen auf, dass Gott sich gerade im ersten Kapitel sehr oft „Herr“ (Jahwe) nennt (insgesamt zehnmal). Der Name „Gott“ (El) kommt jedoch nur einmal vor. Der Titel „Herr“ steht besonders mit dem irdischen Volk Gottes in Verbindung, der Name „El“ mit seiner Allmacht. Jahwe ist der Bundesgott Israels, der sich nicht verändert und zu seinen Zusagen steht. Obwohl es um das Gericht über eine heidnische Stadt und Nation geht und die Größe Gottes deutlich sichtbar wird, erkennen wir deutlich, wie Gott seine Ansprache speziell an sein eigenes Volk richtet, um ihm Mut zu machen.

Impuls für unser Glaubensleben: Als Christen kennen wir Gott als unseren Vater in dem Herrn Jesus. Das geht weit über das hinaus, was das Volk Israel kannte. Gleichwohl ist Gott auch für uns die unveränderliche Konstante in unserem Leben: „Denn ich, der Herr, ich verändere mich nicht“ (Mal 3,6). Er ist der Fels der Ewigkeiten, auf den wir unser Vertrauen setzen können. Das Neue Testament bestätigt, dass Jesus Christus derselbe ist, „gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8).

Einleitung (Vers 1)

Vers 1: Ausspruch über Ninive. Das Buch des Gesichtes Nahums, des Elkoschiters.

Der erste Satz enthält das Thema des Buches, der zweite spricht über den Verfasser. Ein „Ausspruch“ (Orakel) ist eine wichtige Botschaft Gottes, die hier Gericht ankündigt. Das Wort wird in anderen Übersetzungen mit „Last“ wiedergegeben, weil es eine Botschaft ist, die als eine schwere Last zu verstehen ist. Der Ausdruck kommt in den Propheten öfter vor, besonders bei Jesaja, der von dem Gericht über Babel, Moab, Damaskus, Ägypten, Tyrus und andere Völker spricht (vgl. Jes 13,1; 14,28; 15,1; 17,1; 19,1; 21,11.13; 22,1; 23,1; 30,6). Hier geht es um einen Gerichts-Ausspruch (eine Gerichtsankündigung) über Ninive und das assyrische Reich. Das ist das Thema der kompletten Weissagung Nahums. Für den Propheten war das nicht unbedingt eine Last, sondern vielmehr für diejenigen, die betraft werden sollten.

Der Ausspruch und das Gericht kamen von Gott. Nahum war der Botschafter dieser Ankündigung. Wie Gott ihm diese Botschaft übermittelt hat, wissen wir nicht. Es war jedenfalls ein „Gesicht“ (eine Vision). Damit ist etwas gemeint, das man im Geist sieht (vgl. Jes 1,1; Obad 1,1; Mich 1,1; Sach 1,8).

Das Thema Nahums scheint auf den ersten Blick sehr eingegrenzt zu sein, und in der direkten Bedeutung ist das in der Tat so. Dennoch öffnet sich gleichzeitig eine große Weite, denn was damals für Ninive galt und sich bald erfüllen sollte, zeigt in einer prophetischen Schau das Gericht über alle Nationen, die Gott in der Zukunft benutzen wird, um sein irdisches Volk zu strafen. Die Nationen werden zwar Werkzeuge in Gottes Hand sein. Von Assur z. B. wird in Jesaja 10,5 ausdrücklich gesagt, dass es die „Rute“ des Zornes Gottes und der „Stock“ seines Grimmes ist. Allerdings verderben und empören die Nationen sich gegen Ihn, so dass sie selbst das Gericht treffen wird. So war es damals mit Assyrien. So wird es in Zukunft wieder sein. Das Gericht über Ninive beschreibt letztlich das Gericht über alle Nationen am Ende der Zeit. Sie rechnen nicht mit Gott. Sie erheben sich in Bosheit, Gewalt, Unreinigkeit und Götzenkult. Jede Macht – sei sie politisch, religiös oder wirtschaftlich – wird zu einem Ende kommen.1

Die Stadt Ninive steht hier in einem gewissen Sinn als Synonym für das gesamte assyrische Reich. Im weiteren Verlauf des Propheten werden wir das öfter finden. Es muss jeweils dem Zusammenhang entnommen werden, ob konkret die Stadt oder das gesamte Reich gemeint ist2.

Gottes gerechte Regierung (Vers 2–3a)

Vers 2: Ein eifernder und rächender Gott ist der Herr, ein Rächer ist der Herr und voll von Grimm; der Herr übt Rache an seinen Widersachern und trägt seinen Feinden nach.

Dieser Vers legt die Grundlage für die gesamte Weissagung Nahums. Alles, was folgt, basiert auf dieser Offenbarung des gerechten Zorns Gottes, den Er zugunsten seines Volkes an seinen Feinden erweisen würde. In der Zukunft wird das ebenso sein. Gott zeigt uns hier etwas von den Prinzipien seiner Regierung. Manche Ausleger sehen hier eine grundsätzliche Offenbarung des Wesens Gottes. Ohne Frage gibt Gott etwas von sich zu erkennen. Wir lernen zuerst seine Heiligkeit und Gerechtigkeit kennen und dann seine Güte. Dennoch ist es nicht das eigentliche Wesen Gottes, das hier beschrieben wird. H. Rossier bemerkt dazu folgendes: „Es geht hier weder um das eigentliche Wesen des ewig Seienden, der Licht und Liebe ist, noch um das, worin Er sich erfreut, denn Er ist der selige Gott (1. Tim 1,11). Seine Wesenszüge bleiben ewig wahr und ändern sich nicht. Es geht hier vielmehr darum, wie Er sich in seiner Regierung offenbart. Wenn Er diese Prinzipien seiner Regierung bereits im Blick auf sein auserwähltes Volk angewandt hatte, wird Er es nicht ebenso im Blick auf die Nationen tun, Er, der Schöpfer und der souveräne Herrscher der Menschen“3?

Gott ist gerecht, wenn Er für sein Volk eifert und Rache an seinen Widersachern nimmt. Es entspricht der gerechten Regierung Gottes: „... wenn es denn bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten, und euch, die ihr bedrängt werdet, Ruhe mit uns zu geben bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her, mit den Engeln seiner Macht“ (2. Thes 1,6.7). Das wird den Gläubigen der Haushaltung der Gnade gesagt. Dennoch gilt es unabhängig von der Zeit, in der die Gläubigen leben.

Es folgt eine dreifache Beschreibung der Gerechtigkeit Gottes im Gericht:

  1. Gott ist ein eifernder Gott: Für viele Bibelleser klingt das auf den ersten Blick etwas seltsam, weil wir Eifer häufig als negative Eigenschaft empfinden. Oft ist das in der Tat so. In der Bibel finden wird jedoch häufig den Eifer Gottes. Von dem Herrn Jesus wird gesagt, dass der Eifer um das Haus Gottes ihn verzehrte (Joh 2,17; Ps 69,10). Von Gott wird es im Alten Testament sehr häufig gesagt. In 2. Mose 34,14 heißt es sogar: „... denn der Herr, dessen Name Eiferer ist, ist ein eifernder Gott“ (vgl. weiter z. B. 5. Mo 4,24; 5,9; 6,15; Jos 24,19; Hes 5,13; Sach 1,14). Zum ersten Mal finden wir diese Eigenschaft Gottes in 2. Mose 20,5. Dort wird sie mit den Götzen in Verbindung gebracht: „Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und an der vierten Generation derer, die mich hassen“. Es ist völlig klar, dass Gott seinen Platz nicht mit Götzen teilen kann. Römer 1,20–23 zeigt, dass die Nationen Gott zur Seite geschoben und „ersetzt“ haben. Gerade deshalb trifft sie das Gericht. Bei Ninive war das nicht anders. Ihr Götzendienst provozierte Gott und forderte seine Eifersucht heraus. Gott kann niemanden neben sich dulden.
  2. Gott ist ein rächender Gott: Weil Er heilig ist und Sünde nicht sehen kann, muss Er alles rächen, was seiner Heiligkeit entgegensteht und sein Volk abhält, Ihm allein zu dienen. Deshalb ist Er ein rächender Gott und übt die Rache tatsächlich aus. Wer sich Ihm widersetzt, bekommt es mit Ihm zu tun: „Mein ist die Rache und die Vergeltung für die Zeit, da ihr Fuß wanken wird; denn nahe ist der Tag ihres Verderbens, und was ihnen bevorsteht, eilt herbei“ (5. Mo 32,35) „Wenn ich mein blitzendes Schwert geschärft habe und meine Hand zum Gericht greift, so werde ich Rache erstatten meinen Feinden und Vergeltung geben meinen Hassern“ (5. Mo 32,41). Bis heute gilt der Grundsatz: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). Wer Gottes Volk antastet, bekommt die Rache Gottes zu spüren.
  3. Gott ist voll Grimm: Sein Grimm (oder Zorn) richtet sich gegen alle, die sich Ihm widersetzen und seine Gnade missachten. Grimm bedeutet hier wörtlich: „heiß sein“. Das beschreibt den glühenden Grimm und die Intensität seiner Empfindungen. Das Bild des Feuers wird im Verlauf des Kapitels aufgegriffen. Jesaja schreibt: „Sein Zorn brennt, und der aufsteigende Rauch ist gewaltig; seine Lippen sind voll Grimm, und seine Zunge ist wie ein verzehrendes Feuer“ (Jes 30,27).

Diese drei Punkte machen großen Eindruck auf jeden, der sie liest. Gott hat solche Empfindungen und teilt sie uns auf verständliche Weise mit. Es wäre falsch, zu sagen, dass Gott keine „Empfindungen“ hat und dass es nur so scheint, als sei Er so, wie es hier beschrieben wird. Gott wird uns in der Bibel als eine Person vorgestellt, die Empfindungen hat, die wir in etwa nachvollziehen können (ohne dass wir dadurch Gott erklären könnten). So wie Gott Empfindungen der Liebe und Zuneigung hat, hat Er ebenso diese Empfindungen der Eifersucht, Rache und des Grimmes.

Bibelkritiker behaupten gern, dass ein zorniger und rächender Gott menschlichen Vorstellungen entspricht und dass ein solcher Gott nichts anderes sei als die Götzen vieler Menschen. Dem ist nicht so. Das Neue Testament macht klar, dass Gott Licht und Liebe ist. Es ist sträflich, nur die Seite der Liebe zu betonen. Beides ist wahr. Gott will die Menschen zu sich ziehen, doch wer Ihn ablehnt, bekommt es mit seinem Zorn zu tun. Römer 1,18 spricht ausdrücklich von dem Zorn Gottes, der vom Himmel her offenbart wird „über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen“. Das Evangelium spricht nicht nur von der Liebe Gottes, sondern vor allem von seiner Gerechtigkeit.

Der Zorn Gottes wird einmal kommen. Wenn die Bibel Gerichtsszenen beschreibt, kann man sie nicht als „diskriminierende Ergebnisse falscher apokalyptischer Lehren der Juden“ bezeichnen4. Wenn Gott nicht ein Gott des Zorns wäre, wäre Er kein Gott des Lichts und der Heiligkeit. Diese Seite dürfen wir nicht verschweigen. Gott kann niemals zulassen, dass Böses für immer ungestraft bleibt.

Gott spricht von „seinen Feinden“ und „seinen Widersachen“, obwohl sie sich vordergründig gegen sein Volk wandten. Was jedoch seinem Volk angetan wird, wird Ihm angetan. Gott macht die Sache seines Volkes zu seiner eigenen Sache. Wir werden das im Verlauf der Betrachtung mehrmals sehen.

Vers 3a: Der Herr ist langsam zum Zorn und groß an Kraft, und er hält keineswegs für schuldlos den Schuldigen.

Es folgen drei weitere wichtige Prinzipien der Regierung Gottes:

  1. Gott ist langsam zum Zorn: Diese Aussage finden wir wiederholt im Alten Testament, zum ersten Mal bei der Gesetzgebung: „Und der Herr ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit“ (2. Mo 34,6; vgl. weiter 4. Mo 14,18; Neh 9,17; Ps 86,15; 103,8; 145,8; Joel 2,13). Diese Tatsache war es übrigens, die Jona so sehr verdrossen hatte (Jona 4,2) und die Ninive damals vor dem Gericht rettete. Gerade dieses Beispiel macht klar, dass Gott den Sünder nicht sofort richtet. Kein Mensch kann Gott so herausfordern, dass Er nicht langsam zum Zorn wäre. Gott bestimmt den Zeitpunkt, an dem Er das Gericht bringt. Ninive hatte das erfahren.
    Die Tatsache, dass Gott langsam zum Zorn ist, zeigt seine Langmut und Geduld. Gott kann warten. Er schaut zu und lässt das Böse sich entwickeln. Er hält das Gericht manchmal lange zurück. So handelt Er mit den Menschen – die Nationen und Feinde seines Volkes eingeschlossen. Wir freuen uns über die Langmut Gottes uns gegenüber, doch sie gilt grundsätzlich allen Menschen. Das sollten wir nicht vergessen. So wie die Langmut Gottes in den Tagen Noahs „harrte“ (1. Pet 3,20), tut sie es immer noch. „Der Herr zögert die Verheißung nicht hinaus, wie es einige für ein Hinauszögern halten, sondern er ist langmütig euch gegenüber, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen“ (2. Pet 3,9).
  2. Gott ist groß an Kraft: Geduld und Langmut können bei Menschen manchmal ein Zeichen von Schwäche und Unentschlossenheit sein. Nicht so bei Gott. Obwohl Er langsam zum Zorn ist, ist Er zugleich groß an Kraft. Er ist der „Erhabene an Kraft“ (Hiob 37,23), und wenn seine Geduld und Langmut erschöpft sind, handelt Er in Kraft. Kraft spricht hier einerseits von Tatkraft und Energie, andererseits von Ausdauer. Gott ist in der Tat in der Lage, jede Aufgabe – sei sie noch so groß – zu bewältigen. Durch den Propheten Jesaja lässt Er seinem Volk sagen: „Ist meine Hand etwa zu kurz zur Erlösung? Oder ist in mir keine Kraft, um zu erretten? Siehe, durch mein Schelten trockne ich das Meer aus, mache Ströme zu einer Wüste. Ihre Fische stinken, weil kein Wasser da ist, und sie sterben vor Durst“ (Jes 50,2). Im Gericht wie in der Rettung erkennen wir, wie groß Gottes Kraft ist.
  3. Gott hält den Schuldigen nicht für schuldlos: Ein weltliches Gericht mag sich irren und so etwas tun. Gott nicht. Jeder Irrtum ist ausgeschlossen. Der Schuldige wird nicht ohne Grund schuldig gesprochen. Gerade dieser Punkt macht klar, dass es hier um die Regierung Gottes mit dieser Welt geht. Niemand kann dem gerechten Richter entkommen. Das nimmt nichts von seinem Handeln in Gnade weg, indem Gott den rechtfertigt, der an seinen Sohn glaubt (Röm 3,26), denn dazu hat Gott eine gerechte Grundlage – das Werk seines Sohnes am Kreuz.
    Gott hatte seinem irdischen Volk gesagt: „ ... der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt – aber keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen –, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und an der vierten Generation (2. Mo 34,7; vgl. 4. Mo 14,18). Die Niniviten würden Gott bald als Richter erleben und Er würde sie nicht behandeln, als wenn sie schuldlos wären. J.N. Darby schreibt: „Gott kann niemals und nirgendwo die Sünde unbeachtet lassen, als ob sie nicht vorhanden wäre, oder als ob es sich um eine gleichgültige Sache handelte.“5

Impuls für unser Glaubensleben: Zorn und Abscheu des Bösen gehören ebenso zum Wesen Gottes wie Langmut und Geduld. Als Christen sollten wir solche Empfindungen kennen und teilen. Es gibt einen „heiligen Zorn“, den unser Herr uns vorgelebt hat (Mk 3,5; Joh 2,14–17). Gleichzeitig sollten wir langsam darin sein, Menschen zu verurteilen. Das hat der Herr uns ebenfalls vorgelebt. Gott zeigt Gnade und Geduld – selbst in der Mitte des Bösen. W. Kelly schreibt: „Es gibt nichts Feineres, das in Wahrheit von Gott kommt, als diese Offenbarung der Gnade in Geduld.“6

Die Größe und Majestät Gottes im Gericht (Verse 3b-6)

Vers 3b: Der Herr – im Sturmwind und im Gewitter ist sein Weg, und Gewölk ist der Staub seiner Füße.

Es ist für jeden Beobachter beeindruckend, wenn Wetterwolken aufziehen, und Sturmwind und Gewitter toben. Das zeigt einerseits die ganze Macht Gottes in der Natur und andererseits die ganze Machtlosigkeit des Menschen. Was Menschen mit viel Mühe aufgebaut haben, kann durch Unwetter in kurzer Zeit völlig zerstört werden (denken wir nur an die Zerstörungsmacht eines Tsunami, dem sich nichts und niemand widersetzen kann). Hiob klagt, dass Gott ihn „zermalmt durch ein Sturmwetter“ (Hiob 9,17). In Bildern spricht Gott von seiner Kraft, gegen die wir Menschen machtlos sind. Siehe, der Herr hat einen Starken und Mächtigen wie ein Hagelwetter, wie ein verderbender Sturmwind; wie ein Wetter gewaltiger, überflutender Wasser reißt er mit Macht zu Boden“ (Jes 28,2). „Von dem Herrn der Heerscharen wird sie heimgesucht werden mit Donner und mit Erdbeben und großem Getöse – Sturmwind und Gewitter und eine Flamme verzehrenden Feuers (Jes 29,6). „Die Stimme deines Donners war im Wirbelwind, Blitze erleuchteten den Erdkreis; es zitterte und bebte die Erde“ (Ps 77,19, vgl. weiter Ps 83,16; 107,25; 148,8)

Das Gewölk spricht ebenfalls von der Allmacht und Gewalt Gottes (Joel 2,2; Zeph 1,15). Der Staub spricht hingegen von der Niedrigkeit des Menschen. Wir sind von Staub gemacht und kehren zum Staub zurück (1. Mo 3,19). Der Kontrast zwischen Gewölk und Staub ist augenscheinlich. Wir sind nichts, und Gott ist mächtig groß.

Impuls für unser Glaubensleben: Gott verliert nie die Übersicht und die Orientierung. Wenn wir uns in schwierigen Umständen befinden, passiert uns das schnell. Vergessen wir nicht, dass Gott Stürme und Gewitter zulässt und manchmal sogar bewirkt. Einerseits ist Gott weit über Sturm und Gewitter erhaben. Seinen Thron beeinflussen sie nicht. Andererseits weiß Gott in jedem Unwetter einen Weg. Sein Fuß wankt nicht. Wo wir keinen Weg mehr sehen, hat Er doch einen.

Vers 4: Er schilt das Meer und legt es trocken, und alle Flüsse lässt er versiegen; Basan und Karmel verwelken, und es verwelkt die Blüte des Libanon.

Gottes große Macht wird nun weiter in gut verständlichen Bildern beschrieben:

a) Das Meer und die Flüsse

Das gewaltige und wogende Meer kann kein Mensch kontrollieren. Wenn es sich erhebt, sind Menschen völlig machtlos. Doch Gott hat Gewalt darüber. Der Herr Jesus hat das Meer „gescholten“ (bedroht) und es schwieg (Mk 4,39; Lk 8,24). Das löste bei seinen Jüngern Fragen aus. Ihnen war klar, dass nur Gott so etwas tun konnte (Ps 65,8). Das Meer lässt uns an das wogende Völkermeer denken, das nur Gott kontrollieren kann (Jes 17,12). Hier scheint es vor allem eine Anspielung auf das zu sein, was am roten Meer geschah, als das Meer nicht nur zur Ruhe gebracht, sondern trockengelegt wurde (2. Mo 14,21). „Bist du es nicht, der das Meer, die Wasser der großen Flut, trockengelegt, der die Tiefen des Meeres zu einem Weg gemacht hat, damit die Erlösten hindurchzögen“ (Jes 51,10)?

Gleiches gilt für die Flüsse. Der Prediger sagt: „Alle Flüsse laufen in das Meer, und das Meer wird nicht voll; an den Ort, wohin die Flüsse laufen, dorthin laufen sie immer wieder“ (Pred 1,7). Das ist der Kreislauf der Natur, den nur Gott ohne Probleme unterbrechen kann, wenn Er es will. Israel hatte das am Jordan erfahren (Jos 3,16). Dort war es nur ein Fluss, hier spricht Gott von allen Flüssen. Sie alle versiegen, wenn Er es will.

Wenn wir an die Zukunft denken, wir Gott erneut eingreifen und dem Toben der Feinde – symbolisiert in den Wellen des Meeres – ein Ende machen. „Und er wird durchs Meer der Angst ziehen und die Wellen im Meer schlagen, und alle Tiefen des Stromes werden versiegen; und der Stolz Assyriens wird niedergeworfen werden, und weichen wird das Zepter Ägyptens“ (Sach 10,11)

b) Basan, Karmel und der Libanon

Alle drei Gebiete waren für ihre große Fruchtbarkeit bekannt (vgl. z.B. Hld 4,15; 7,6; Ps 68,16; Jes 35,2; Hes 31,16; 39,18). Basan7 lag südlich vom See Genezareth in Galiläa (vermutlich in der Nähe der Heimat Nahums). Der Karmel8 lag in der Nähe der heutigen Stadt Haifa und der Libanon9 im Norden des Landes. Doch wenn Gott es will, verwelken solche fruchtbaren Gebiete. Gott hatte das mehrfach bewiesen, wenn große Dürreperioden über das Land kamen (1. Kön 17 und 18). „Ich schaue, und siehe, der Karmel ist eine Wüste; und alle seine Städte sind niedergerissen vor dem Herrn, vor der Glut seines Zorns“ (Jer 4,26). „Es trauert, es schmachtet das Land; der Libanon steht beschämt da, er verdorrt; Saron ist wie eine Steppe geworden, und Basan und Karmel schütteln ihr Laub ab“ (Jes 33,9). Ein solches „Verwelken“ geschieht durch große Trockenheit und Hitze. Diese Hitze ist wiederum ein Bild des Gerichtes, das Gott bringt – besonders in der kommenden Drangsal.

Vers 5: Vor ihm erbeben die Berge und zerfließen die Hügel, und vor seinem Angesicht erhebt sich die Erde und der Erdkreis und alle, die darauf wohnen.

Gott kontrolliert alle Naturereignisse, seien es die der Meere und Flüsse, der fruchtbaren Gebiete oder der Berge und Hügel. Wenn Berge sich erheben, denken wir an Erdbeben, wenn Hügel zerfließen, an große Erdrutsche. Solche Naturkatastrophen haben die Menschen zu jeder Zeit erschüttert. Doch die Berge und Hügel stehen hier gleichzeitig als Symbol irdischer Reiche und Mächte, die sich vor Gott ergeben müssen. Gott erniedrigt den menschlichen Stolz bis in den Staub. „Verkrieche dich in die Felsen und verbirg dich im Staub vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät“ (Jes 2,10)!

Berge sprechen ebenso von Stabilität und Dauerhaftigkeit. Gott allein kann sie aufheben und versetzen. So war es am Sinai, wo der ganze Berg rauchte und bebte, als der Herr auf ihn herabstieg (2. Mo 19,18). „Und die Berge zerschmelzen unter ihm, und die Täler spalten sich wie das Wachs vor dem Feuer, wie Wasser, ausgegossen am Abhang“ (Micha 1,4). Vor dieser Macht werden einmal alle Menschen erbeten und erzittern. Damals war es in Assyrien so, und in der Zukunft wird es wieder so sein. Hiob sagte schon von Ihm: „Der Berge versetzt, ehe sie es merken, er, der sie umkehrt in seinem Zorn; der die Erde erbeben lässt von ihrer Stelle, und ihre Säulen erzittern“ (Hiob 9,5.6). Der Schreiber des Hebräerbriefes erinnert daran, dass ganz am Ende nicht nur die Erde beben wird, sondern sogar der Himmel (Heb 12,26).

„Vor seinem Angesicht“ bedeutet in Gottes Gegenwart. Assyrien war damals eine gewaltige Weltmacht, doch in der Gegenwart Gottes war sie nicht mehr als ein winziges Sandkorn am Strand des Meeres.

Verse 6: Wer kann vor seinem Grimm bestehen, und wer standhalten bei der Glut seines Zorns? Sein Grimm ergießt sich wie Feuer, und die Felsen werden von ihm zerrissen.

Gott verwendet nun ein Stilmittel, das wir wiederholt in den prophetischen Büchern finden. Er stellt Fragen, deren Antworten auf der Hand liegen. Für Fragesteller und Adressaten war völlig klar, was gemeint ist. Niemand kann vor dem Grimm Gottes bestehen. Niemand kann vor der Glut seines Zornes standhalten. Das war eine Warnung für Ninive und Assyrien und zugleich ein Trost für das Volk Gottes.

Wenn Gott seinem Grimm freien Lauf lässt, und sein Zorn brennt, dann gibt es kein Halten. Niemand kann bestehen. Niemand kann standhalten. Grimm bedeutet hier, dass jemand vor Wut schäumt, so wie Wasser aufschäumt. Warum stellt Gott diese Fragen, wenn die Antwort auf der Hand liegt? Er möchte zum Nachdenken anregen. Damals und in der Zukunft sollte und soll sein irdisches Volk nachdenken, heute sein himmlisches Volk. Zugleich findet sich in dieser Frage eine Antwort auf die freche und lästerliche Frage des assyrischen Rabsaken an die Juden aus 2. Könige 18,35: „Welche sind es unter allen Göttern der Länder, die ihr Land aus meiner Hand errettet haben, dass der Herr Jerusalem aus meiner Hand erretten sollte?“ Das letzte Wort hat immer Gott.

Die Bildersprache ist für jeden Leser gut verständlich. Feuer brennt und verzehrt alles, wenn es einmal entfacht ist. So wird der Grimm Gottes seine Feinde vernichten. Doch nicht nur das. Gott zerreißt Felsen, wie Menschen Papier zerreißen. Als Elia an den Berg Gottes, den Horeb gekommen war, hatte er das erlebt: „Und siehe, der Herr ging vorüber, und ein Wind, groß und stark, zerriss die Berge und zerschmetterte die Felsen vor dem Herrn her“ (1. Kön 19,11).

Impuls für unser Glaubensleben: Unser Gott ist groß. Er steht über allen Naturgewalten und über allen Menschen. Nichts und niemand kann sich ihm widersetzen. „Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns? ... Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? ... Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus? Drangsal oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? ... Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,31–39). Gott wird in allem das letzte Wort behalten.

Trost und Zusicherung für Gottes Volk (Vers 7)

Vers 7: Der Herr ist gütig, er ist eine Festung am Tag der Drangsal; und er kennt die, die zu ihm Zuflucht nehmen.

Dieser Vers gleich einer herrlichen Blume mitten in einem Dornenfeld oder einer Oase in der Wüste. Gott hat seine Größe und Macht beschrieben. Er hat von dem Gericht über die Feinde gesprochen. Dennoch vergisst Er nicht, sein Volk zu trösten.

a) Gott ist gütig

Der Herr ist nicht nur wahrhaftig und gerecht. Das ist Er ohne jede Frage. Doch Gott ist zugleich gütig. Das haben Gläubige im Alten wie im Neuen Testament geschmeckt (Ps 34,9; 1. Pet 2,3). Diese Aussage beschreibt, was Gott für die Seinen ist, und zwar besonders am Tag der Bedrängnis. Die Güte steht hier dem Zorn und Grimm Gottes gegenüber. Trotz des berechtigten Zorns über die Bösen ist Er mit den Seinen gütig. Das galt damals für die bedrängten Juden in Jerusalem. Das gilt für den Überrest kommender Tage. Und es gilt für uns heute. Wir erinnern uns daran, dass Männer Gottes oft gesagt haben: „Seine Güte währt ewig“. Psalm 136 ist ein eindrückliches Beispiel davon. Gott ist nicht nur gut (1. Chr 16,34; Jer 33,11; Lk 18,19), sondern Er zeigt sein Güte – und das, obwohl wir sie nicht verdient hatten.

Die Güte Gottes zeigt sich hier daran, dass Er seinem Volk Gutes tut. Doch nicht nur das. Generell gilt, dass Gott den Menschen gegenüber gütig ist. Das hatten gerade die Bewohner von Ninive in den Tagen Jonas deutlich erlebt. Gott ist immer noch gütig. Seine Güte und Menschenliebe ist in der Person des Herrn Jesus erschienen (Tit 3,4). Seine Güte leitet die Menschen zur Buße (Röm 2,4).

b) Gott ist eine Festung am Tag der Drangsal

Am Tag der Drangsal zeigt sich die Güte Gottes besonders darin, dass Er eine „Festung“ ist. Eine „Festung“ ist ein sicherer Zufluchtsort. Sein Grimm gegen die Feinde ist groß, und Er lässt ihm freien Lauf. Dennoch weiß Gott einen Unterschied zu machen. Wenn sich das Böse offenbart und das Gericht Gottes kommt, bleibt wahr, dass Er selbst eine sichere Zuflucht für den ist, der auf Ihn vertraut.

Diese Aussage ist für jeden Glaubenden eine große Ermunterung. Das wird ganz besonders in der Zukunft so sein, wenn der glaubende Überrest der Juden in großer Bedrängnis sein und durch die Drangsalszeit gehen wird (Jer 30,7; Dan 12,1). Viele Psalmen sprechen davon (und sie geben zugleich etwas von den Empfindungen jedes Gläubigen zu jener Zeit wieder). Hier einige Beispiele:

  • „Und der Herr wird eine hohe Festung für den Unterdrückten sein, eine hohe Festung in Zeiten der Drangsal“ (Ps 9,10).
  • „Der Herr ist mein Fels und meine Burg und mein Retter; mein Gott, mein Schutz, zu ihm werde ich Zuflucht nehmen, mein Schild und das Horn meines Heils, meine hohe Festung“ (Ps 18,3).
  • „Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unglücks, er wird mich verbergen im Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen“ (Ps 27,5).
  • „Aber die Rettung der Gerechten ist von dem Herrn, der ihre Stärke ist zur Zeit der Bedrängnis; und der Herr wird ihnen helfen und sie erretten; er wird sie erretten von den Gottlosen und ihnen Rettung verschaffen, denn sie nehmen Zuflucht zu ihm“ (Ps 37,39.40).
  • „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen“ (Ps 46,2).
  • „Der Herr der Heerscharen ist mit uns, eine hohe Festung ist uns der Gott Jakobs“ (Ps 46,8.12).
  • „Ich aber will singen von deiner Stärke und am Morgen jubelnd preisen deine Güte; denn du bist mir eine hohe Festung gewesen und eine Zuflucht am Tag meiner Bedrängnis“ (Ps 59,17).
  • „Doch der Herr ist meine hohe Festung, und mein Gott der Fels meiner Zuflucht“ (Ps 94,22).
  • „Meine Güte und meine Burg, meine hohe Festung und mein Erretter; mein Schild und der, bei dem ich Zuflucht suche, der mir mein Volk unterwirft“ (Ps 144,2).

c) Gott kennt diejenigen, die zu ihm Zuflucht nehmen.

Es ist ein glückliches Teil, dass Menschen in der Lage sind, Gott zu kennen. Doch wie gut, dass Er uns ebenfalls kennt (Gal 4,9). Der Herr Jesus sagt selbst: „Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen“ (Joh 10,14). Darin liegt echter Trost. Gott kennt nicht nur unser Gebilde, dass wir Staub sind (Ps 103,14). Er kennt nicht nur unsere Wege und Handlungen (Hiob 23,10; 34,25) und die „Geheimnisse unseres Herzens“ (Ps 44,22), sondern Er kennt uns selbst. In dieser Erkenntnis macht Er wiederum einen Unterschied zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen (2. Tim 2,19) – und das besonders, wenn wir in Not sind. Er enttäuscht uns nicht.

Das Wort Zuflucht (oder Feste) bedeutet auch Kraft oder Stärke (so übersetzt in Psalm 27,1; 37,39; 43,2). Gemeint ist ein sicherer und fester Ort. Das glaubten die Assyrer von Ninive. Dennoch war es ein Trugschluss. Es sollte sich sehr bald als falsch erweisen. Ihre Sicherheit war zeitlich begrenzt und steht im Gegensatz zu der Geborgenheit, die bei Gott zu finden ist. Hierin liegt Trost für das Volk Gottes. Was Menschen sicher erscheinen mag, ist immer unsicher. Echte Zuflucht gibt es nur bei Gott. Mose sagt am Ende seines Lebens zum Volk Gottes: „Deine Zuflucht ist der Gott der Urzeit, und unter dir sind ewige Arme“ (5. Mo 33,27). David schreibt – ebenfalls am Ende seines Lebens. „Gott ist mein Fels, bei ihm werde ich Zuflucht suchen, mein Schild und das Horn meines Heils, meine hohe Festung und meine Zuflucht. Mein Retter, von Gewalttat wirst du mich retten“ (2. Sam 22,3)!

Diese Aussage war eine besondere Ermunterung für die Juden damals, ihrem Gott tatsächlich zu vertrauen und zu gehorchen, d.h. dieser Aufforderung Folge zu leisten. Wir freuen uns ebenfalls über diese Zusage und denken gleichzeitig an die Bedeutung dieser Worte für den bedrängten Überrest der Juden kommender Tage. Diese prophetische Komponente ist unübersehbar.

Impuls für unser Glaubensleben: Wir lernen, dass der Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen gerade in Krisensituationen besonders sichtbar wird. Der Ungläubige hat keinen Halt im Elend. „Die Augen der Gottlosen werden verschmachten; und jede Zuflucht ist ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist das Aushauchen der Seele“ (Hiob 11,20). Der Gläubige hingegen wird in der Not durch Gott getröstet. Er weiß, dass Gott ihn kennt und hat bei seinem Gott einen sicheren Zufluchtsort. Diesen Ort wollen wir mehr aufsuchen.

Das Gericht über Ninive wird angekündigt (Verse 8–12a)

Vers 8: Und mit einer überschwemmenden Flut wird er Ninives Stätte völlig zerstören, und Finsternis wird seine Feinde verfolgen.

a) Völlige Zerstörung Ninives

Gott wendet sich jetzt dem Gericht zu, das Er über Ninive bringen will. Er kündigt es an, ohne sich direkt an Ninive zu wenden. Die Juden hören, was Gott sagt. Es ist in erster Linie eine Trostbotschaft für sie.

Die Assyrer hatten im Lauf ihrer Geschichte viele Nationen besiegt und unterworfen. Für viele Feinde glichen sie einer „überschwemmenden Flut“. Sie hatten viele Städte völlig zerstört und ihre Feinde verfolgt und getötet. Doch nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem das göttliche Gericht sie selbst treffen würde. Gott benutzte dazu die Meder und Babylonier, doch sie waren nichts als Werkzeuge in seiner Hand. Ninive sollte vollständig zerstört werden. Das assyrische Reich würde zu einem Ende kommen.

Die „überschwemmende Flut“ kann symbolisch und buchstäblich verstanden werden. Symbolisch bezieht sie sich auf die Invasion der feindlichen Soldaten (so z. B. in Jes 8,7.8; Dan 9,26 u.a.), die Ninive überschwemmt haben. Buchstäblich bezieht sie sich auf die Wasserfluten, die, als die Flüsse Ninives über die Ufer traten, die Stadt überschwemmten. Sie ermöglichten es den Angreifern überhaupt erst, die Stadt zu überwinden. Das kann man anhand der Ausgrabungen in Ninive nachweisen. Es gab eine große Wasserflut, die einen Teil der als unüberwindlich geltenden Mauern weggeschwemmt hat.

Bedenken wir, dass diese Aussage gemacht wurde, als die Macht Assyriens ihren Höhepunkt erreicht hatte. Niemand hätte im Traum an ein Ende dieser Macht gedacht. Menschlich war es unvorstellbar – für Gott jedoch kein Hindernis.

Impuls für unser Glaubensleben: Wir lernen, dass unserem Gott nichts unmöglich ist: „Ach, Herr, Herr! Siehe, du hast die Himmel und die Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgestreckten Arm: Kein Ding ist dir unmöglich“ (Jer 32,17). Wir sollten unserem Gott Großes zutrauen!

b) Finsternis wird seine Feinde verfolgen

Das lässt uns zum einen daran denken, dass Finsternis da ist, wo Gott abwesend ist. Finsternis spricht von Menschen ohne Gott. Die „äußerste Finsternis“ (Mt 8,12) ist ein schrecklicher Ort. Finsternis spricht deshalb vom ewigen Gericht und ewiger Verdammnis. Dieses ewige Gericht wird das Teil der Feinde Gottes sein.

Zum anderen scheint der Zusammenhang zu zeigen, dass es sich um einen bildhaften Ausdruck handelt, der uns erneut die Allmacht und Größe Gottes zeigt. Es war eigentlich unmöglich, in der Finsternis einen Feind zu verfolgen. Normalerweise wurde damals bei Tageslicht (vom frühen Morgen bis zum Abend) gekämpft. Bei Dunkelheit war es schwierig, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Doch Gott hört selbst bei Dunkelheit nicht auf, seine Feinde zu verfolgen und zu töten. Sie werden ihm nicht entkommen, mag es noch so dunkel sein.

Im Blick auf die noch zukünftige Zeit zeigt dieser Vers, dass Gott einmal alle feindlichen Mächte völlig zerstören wird. Gott wird sie zunächst benutzen, um sein Volk zu züchtigen. Doch weil sie sich gegen Ihn erheben, werden sie selbst von Ihm gerichtet werden. Ihr Teil wird die ewige Finsternis sein.

Vers 9: Was ersinnt ihr gegen den Herrn? Er wird völlig zerstören; die Drangsal wird sich nicht zweimal erheben.

Es stellt sich die Frage, wer hier angesprochen wird. Einige Ausleger denken an Assyrien, andere an Israel bzw. Juda. Zunächst scheint die Frage tatsächlich an die Assyrer gerichtet zu sein. Doch vielleicht können wir den Gedanken erweitern und generell an die Widersacher Judas denken. Die Frage erinnert an die Frage des Psalmdichters: „Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften? Die Könige der Erde treten auf, und die Fürsten beraten miteinander gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten“ (Ps 2,1.2)10.

Es fällt auf, dass sich die Pläne gegen Gottes Volk wenden. Dennoch sagt Gott: „Was ersinnt ihr gegen den Herrn“? Jeder Angriff gegen das Volk Gottes ist ein Angriff gegen Gott selbst. Deshalb müssen solche Pläne sicher scheitern. Man kann gegen den Herrn ersinnen, was man will. Es wird nicht dauerhaft zielführend sein. Kurzfristig mag sich ein Erfolg einstellen. Langfristig sicher nicht. Sanherib hatte das erlebt, als er Jerusalem angreifen wollte (2. Kön 18). Es war eine große Bedrohung und Drangsal für Juda. Ein zweiter Angriff war zwar geplant, doch es hat ihn nicht gegeben. Gott hat diesen Plan vereitelt.

Das Wort „Drangsal“ erinnert erneut deutlich an das, was noch kommen wird, die „große Drangsal“ für Jakob (Jer 30,7; Mt 24,21). Sie wird alles andere in den Schatten stellen. Diese zukünftige Drangsal wird in der Tat „einmalig“ sein. Sie wird sich nicht noch einmal erheben.

Impuls für unser Glaubensleben: Es ist ein großer Trost für uns, dass die Pläne der Widersacher Gottes – die uns prüfen mögen – kurzfristig zwar Erfolg haben können, auf Dauer jedoch immer zum Scheitern verurteilt sind. Gott macht die „Pläne der Listigen zunichte, und ihre Hände führen das Ausgeklügelte nicht aus“ (Hiob 5,12).

Vers 10: Denn wären sie auch wie Dornen verflochten und von ihrem edlen Wein berauscht, sie sollen völlig verzehrt werden wie dürre Stoppeln.

Wieder spricht Gott in der dritten Person von den Feinden und sein Volk hört zu. Er vergleicht die Bewohner Ninives zunächst mit verflochtenen Dornen. Das kann symbolisch ein Hinweis auf ihre Gottlosigkeit sein (Hes 2,6). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die Aussage auf die buchstäbliche Verwirrung der Niniviten beim Angriff auf ihre Stadt bezieht. Sie waren wie Dornen, d.h. so ineinander verflochten, dass sie nicht entrinnen konnten. Der Angriff der Feinde löste völlige Verwirrung unter den Bewohnern der Stadt aus. Micha 7,4 sagt über die Juden: „Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste schlimmer als eine Dornenhecke. – Der Tag deiner Wächter, deine Heimsuchung, ist gekommen; dann wird ihre Verwirrung da sein“. Jesaja schreibt über Assyrien: „Und das Licht Israels wird zum Feuer werden und sein Heiliger zur Flamme, die seine Dornen und seine Disteln in Brand setzen und verzehren wird an einem Tag“ (Jes 10,17).

Hinzu kommt, dass sie vom edlen Wein berauscht waren. Die Niniviten lebten sehr dekadent. Obwohl die Feinde vor den Toren der Stadt waren, gaben sie sich dem Wein hin. Das erinnert an das Ende des babylonischen Reiches, als Belsazar ein rauschendes Fest feierte, obwohl die Stadt durch feindliche Truppen bedroht war (Dan 5). Es bewahrheitet sich, was Gott durch Hosea sagen lässt: „Hurerei, Wein und Most nehmen den Verstand weg“ (Hos 4,11). Das ist eine ernste Warnung für jeden Menschen. Bei der Zerstörung Ninives hat sich das erfüllt. Das Gericht kam, während ein großer Teil der Bevölkerung betrunken war. Die Verwirrung war dadurch umso größer.

„Sie sollen völlig verzehrt werden wie dürre Stoppeln“. Dünne Stoppeln werden vom Feuer ohne jedes Problem und in kurzer Zeit verzehrt. Verflochtene Dornen kann man kaum durchdringen, doch für das Feuer sind sie kein Problem. So waren die Niniviten völlig verwirrt und durcheinandergebracht, als ihre Stadt angegriffen wurde. Das Gericht ereilte sie mit hoher Geschwindigkeit, so wie dürre Stoppeln verbrennen. Über Babylon wurde gesagt: „Siehe, sie sind wie Stoppeln geworden, Feuer hat sie verbrannt! Vor der Gewalt der Flamme konnten sie ihr Leben nicht retten“ (Jes 47,14). So ergeht es allen Feindes des Volkes Gottes – damals und in der Zukunft.

Vers 11: Von dir ist ausgegangen, der Böses ersann gegen den Herrn, ein nichtswürdiger Ratgeber.

Es war Nimrod, der zuerst nach Assur ging und Ninive gründete (1. Mo 10,10.11). Er bewies einen Charakter der Gewalt und Arroganz. Beides hat seither viele Könige von Assyrien gekennzeichnet. Ihr Hochmut richtete sich gegen Gott. Das war damals so, und das wird in der Zukunft so sein. „Gegen den Herrn“ – das wird sich speziell am Ende der Zeit bestätigen, wenn sich alle Mächte der Bosheit und Feindschaft auf Christus konzentrieren werden. Sehr deutlich sehen wir das in Daniel 8,23–25, wo der kommende König des Nordens in seinem frevelhaften Tun beschrieben wird. Dabei ist der Kontrast zu dem wahren König – dem Messias – unübersehbar und bemerkenswert.

Ausleger haben unterschiedliche Gedanken geäußert, wer hier konkret geschichtlich gemeint ist. Eine Reihe geschätzter Bibellehrer denkt an Sanherib (andere an seinen Rabsaken – 2. Kön 18). J.N. Darby schreibt: „Es ist für mich unzweifelhaft, dass der Einfall Sanheribs Anlass zu dieser Weissagung gegeben hat; augenscheinlich geht sie jedoch weit über jenes Ereignis hinaus, und das Gericht, von dem die Rede ist, ist ein Endgericht. Wir haben hier wiederum ein Beispiel davon, was wir schon so häufig bei den Propheten beobachten konnten, dass nämlich ein Gericht von beschränkterem Umfang dem Volk Gottes zur Warnung oder Ermunterung dient, während es gleichzeitig den Vorläufer eines noch zukünftigen Gerichts darstellt, in dem das Tun Gottes in seinem ganzen Umfang zum Ausdruck kommen wird“.11

Der Ratgeber hat Böses (oder Heilloses und Ruchloses) ersonnen. Zugleich war er ein nichtswürdiger Ratgeber. Das bedeutet, dass er ein Ratgeber Belials war. Das zeigt den satanischen Einfluss, der hinter allen Angriffen auf das Volk Gottes steht. Wieder richtet sich der Plan vordergründig gegen Juda, doch in Wirklichkeit geht es um den Herrn selbst. In der Zukunft wird es nicht anders sein. Der Teufel selbst wird die Regenten in der Zeit des Endes satanisch inspirieren (Off 13,2.4).

Impuls für unser Glaubensleben: Wir lernen, dass jeder Angriff gegen das Volk Gottes ein Angriff gegen Gott und unseren Herrn selbst ist. Als Saulus die Gläubigen verfolgte, fragte Gott ihn: „Saul, Saul, was verfolgst du mich“ (Apg 9,4). Der Herr Jesus ist so eng mit uns verbunden, dass Er jedes Leid, das uns angetan wird, zu seinem eigenen Leid macht.

Vers 12a: So spricht der Herr: Wenn sie auch unversehrt und noch so zahlreich sind, sie sollen doch weggemäht werden; und er wird dahin sein.

Diese Aussage macht völlig klar, dass Nahum nicht in der Zeit nach der Zerstörung Ninives geweissagt haben kann, sondern vorher. Zum Zeitpunkt seines Ausspruchs war Ninive unversehrt und die Assyrer waren ein zahlreiches Volk. Niemand wagte es, diese Nation anzugreifen, so dass sie sich praktisch ungehindert vermehren konnten. Darauf waren sie sehr stolz.

Gott kündigt an, dass sich das ändern würde. Er leitet das Urteil mit den Worten ein: „So spricht der Herr“. Diese Aussage findet sich sehr häufig im Alten Testament, besonders in den Propheten. Nahum gebraucht sie nur an dieser Stelle. Gott will damit bekräftigen, dass das Urteil unumstößlich ist und ganz sicher ausgeführt wird. Was nach menschlichem Ermessen völlig unmöglich schien, war für Gott ein Kleines. Er würde Assyrien „wegmähen“ und sie würden „dahin sein“. Das spricht davon, dass das Gericht erstens schnell vollzogen wurde und dass es zweitens gründlich und vollständig war. Beides hat sich im Jahr 612 v. Chr. erfüllt. Assyrien ist plötzlich und vollständig von der Bildfläche verschwunden. In den Augen Gottes waren sie nichts anderes als Gras, das man mäht.

Es gibt neben der historischen Erfüllung eine noch in der Zukunft liegende Erfüllung. In der Zeit des Endes wird es mächtige Gegner des Volkes Gottes geben. Sie werden das Schicksal Ninives und Assyriens teilen. Sie werden erstens plötzlich und unvermittelt und zweitens vollständig durch den Herrn Jesus selbst vernichtet werden.

Befreiung für das Volk Gottes (Verse 12b.13)

Vers 12b: Und habe ich dich auch niedergebeugt, ich werde dich nicht mehr niederbeugen;

Jetzt wendet Gott sich direkt an sein Volk und spricht es an. Es litt unter der akuten Bedrohung der Assyrer. Doch Gott spricht hier nicht von dem, was die Assyrer dem Volk angetan hatten und wofür Er sie bestrafen würde. Wir lernen hier, dass Gott selbst der Handelnde ist. Er hatte sein Volk niedergebeugt, d.h., Er hatte es gedemütigt. Das war nötig, weil sich das Volk von ihm abgewandt hatte. Doch Er würde es nicht noch einmal tun. Gott würde es den Assyrern nicht noch einmal gestatten, sein Volk zu bedrohen.

Einige Ausleger denken bei diesem Vers an die Belagerung Jerusalems in den Tagen Hiskias. Es ist jedoch gut denkbar, dass sich die Weissagung vordergründig besonders auf Manasse, den gottlosen König von Juda bezieht, in dessen Regierungszeit Nahum sehr wahrscheinlich Bote Gottes war.

Manasses Regierungszeit teilt sich in zwei Teile. In der ersten Periode war er ein sehr gottloser König, der furchtbaren Götzenkult betrieb (2. Chr 33,1–9). In dieser Zeit ist Manasse ein Bild der Herrschaft des Antichristen in seinem Götzendienst und seiner Erhebung gegen Gott. Gott ließ die Assyrer kommen, und sie nahmen Manasse fest. Gott benutzte die Assyrer als Zuchtrute. „Da ließ der Herr die Heerobersten des Königs von Assyrien über sie kommen; und sie nahmen Manasse gefangen und banden ihn mit ehernen Fesseln und führten ihn nach Babel“ (2. Chr 33,11). Gott sorgte dafür, dass er zurückkam, weil er sich demütigte. Er wird dann in seiner zweiten Regierungsphase ein Bild des kommenden Überrestes, der Gnade in Gottes Augen findet (2. Chr 33,12.13). Propheten hatten ihn vorher gewarnt, den Herrn nicht zu verlassen (2. Kön 21,10–15), doch er hatte nicht gehört. Jetzt wird er durch Nahum ermuntert, dass er nicht noch einmal niedergebeugt, sondern dass einmal die Befreiung kommen würde (Vers 13).

Dennoch weisen die Worte „nicht mehr“ deutlich darauf hin, dass es nicht nur um eine kurzfristige Erfüllung in der Regierungszeit Manasses gehen würde, sondern um eine noch zukünftige Erfüllung in der Zeit des Endes. Zwar haben die Assyrer damals Juda nie mehr bedrängt. Dennoch hat das Volk wiederholt Drangsal gehabt. Wir denken nur an die Deportation durch die Babylonier und die Not, in die Jerusalem dadurch gekommen ist. Ganz am Ende der Tage wird es deutlich schlimmer werden. Jerusalem wird einmal von Gott selbst zu „einem Laststein für alle Völker“ gemacht werden. „Alle Nationen der Erde werden sich gegen es versammeln“ (Sach 12,3). Das wird alles, was die Juden in ihrer Geschichte an Not und Elend getroffen hat, bei weitem übertreffen. Gott wird seine Hand darin haben. Er wird sein Volk niederbeugen. Doch diese Bedrückung wird ein Ende haben. Die Weissagungen Hoseas und Jesajas werden sich erfüllen: „Kommt und lasst uns zu dem Herrn umkehren; denn er hat zerrissen und wird uns heilen, er hat geschlagen und wird uns verbinden“ (Hos 6,1). „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems, und ruft ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des Herrn Zweifaches empfangen hat für alle ihre Sünden“ (Jes 40,1.2)

Vers 13: ...sondern ich werde nun sein Joch von dir zerbrechen und deine Fesseln zerreißen.

Gott nimmt zwei Bilder, um die Befreiung seines Volkes zu beschreiben. Das erste Bild ist das eines Joches (oder einer Jochstange), das schwer auf einem Tier lastet und wovon es sich selbst nicht befreien kann. Gott ist es, der dieses harte Joch zerbricht. Das zweite Bild ist das einer Kette, mit der ein Gefangener gebunden ist und sich nicht frei bewegen kann. Wie das Tier kann der Sklave sich nicht selbst befreien. Er braucht jemand, der die Kette zerreißt.

Viele Jahre lang hatten die Juden damals unter der assyrischen Bedrückung gelitten. Terror, Bedrohung, Besetzung und Angst waren ihr Teil. Sie waren tributpflichtig. Jesaja beschreibt diese konkrete Situation zur Zeit Hiskias wie folgt: „Und ihre Bewohner (d.h. die Bewohner Jerusalems) waren machtlos, sie wurden bestürzt und beschämt; sie waren wie Kraut des Feldes und grünes Gras, wie Gras der Dächer und wie ein Getreidefeld, ehe es aufschießt“ (Jes 37,27). In der Zukunft wird es noch einmal so sein. Nur wird das Joch noch härter, und die Fesseln werden noch einschneidender sein. Doch Gott selbst wird sie zerbrechen und zerreißen. Dann wird wahre Freiheit das Teil des Volkes Gottes sein. „Und ich werde dich befreien aus der Hand der Bösen und dich erlösen aus der Faust der Gewalttätigen“ (Jer 15,21). „ ... dass ich Assyrien in meinem Land zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde. Und so wird sein Joch von ihnen weichen, und seine Last wird weichen von ihrer Schulter“ (Jes 14,25).

Impuls für unser Glaubensleben: Wir lernen, dass unsere Verlegenheiten Gottes Gelegenheiten sind. Was uns unmöglich erscheint, bringt Gott zustande. Unsere Grenzen sind für Gott kein Hindernis. Er kann jeder Bedrückung und Bedrohung ein Ende machen. Das „wann“ und das „wie“ überlassen wir gerne Ihm.

Das Ende Ninives (Vers 14)

Vers 14: Und über dich hat der Herr geboten, dass von deinem Namen nicht mehr gesät werden soll; aus dem Haus deines Gottes werde ich das geschnitzte und das gegossene Bild ausrotten; ich werde dir ein Grab machen, denn verächtlich bist du.

Das Ende Ninives wird nun von Gott selbst angekündigt. Ninive (bzw. Assyrien) wird direkt angesprochen. Dennoch geschieht diese Ansprache vor den Ohren des Volkes Gottes. Er will damit sein Volk ermuntern und ermutigen. Das Gericht über die Feinde ist ein ausdrückliches Gebot Gottes. Das bekräftigt, dass dieses Gericht tatsächlich so eintreffen wird, wie es angekündigt wurde. Ninive war – wie schlussendlich alles, was auf dieser Erde geschieht – Teil des Plans und Ratschlusses Gottes. Gottes Ratschluss und Gebot werden immer Realität. Daran kann es keinen Zweifel geben. „... der ich von Anfang an das Ende verkünde und von alters her, was noch nicht geschehen ist; der ich spreche: Mein Ratschluss soll zustande kommen ...“ (Jes 46,10). Niemand kann sich dem Gebot Gottes letztlich widersetzen.

Das Gebot Gottes über das Ende Ninives umfasst drei Punkte.

  1. Von seinem Namen sollte nicht mehr gesät werden: Das bedeutet nicht, dass von Ninive oder Assyrien nicht mehr gesprochen und dass ihr Name nicht mehr in den Mund genommen werden sollte. Die Assyrer sind als Weltmacht in der Tat in die Geschichtsbücher eingegangen. Ihre Könige sind bekannt. Gemeint ist, dass es keine Nachkommenschaft geben würde. Alle Bewohner Ninives und besonders deren König würden keine überlebenden Nachkommen haben, die ihren Namen tragen würden. Das galt damals als eine besondere Schande. Der Name großer Könige und Regenten sollte in ihren Nachkommen fortgesetzt werden.
  2. Gott wird aus dem Haus der Götter Assyriens das geschnitzte und das gegossene Bild ausrotten: Das bedeutet, dass der Götzenkult der Assyrer zu Ende kommen wird. Dass es geschnitzte und gegossene Bilder waren, deutet auf die Vielzahl der Götter Assyriens hin. Die Assyrer hatten wiederholt die Götzen besiegter Feinde vernichtet und ausgerottet. Das galt als besondere Schande. Damit wollten die Sieger die Überlegenheit ihrer eigenen Götter über die anderen demonstrativ zeigen. Als Ninive zerstört wurde, waren es vor allem die Meder, die diese Weissagung erfüllten12. Gott macht hier deutlich, dass Er „der Gott der Götter“ (5. Mo 10,17; Jos 22,22; Ps 136,2) ist. Nichts ist mit Ihm zu vergleichen. Die Götter Assyriens waren letztlich tote Materie. Gott allein ist „der lebendige Gott“ (Jos 3,10; Jer 10,10).
  3. Gott wird Assyrien ein Grab machen: Das Grab spricht vom Tod. Man kann das wörtlich auf das Gericht im Jahr 612 v. Chr. beziehen, als Ninive dem Erdboden gleich gemacht wurde, und die Einwohner starben. Es spricht von dem Ende dieses gewaltigen Reiches, das über viele Jahrhunderte die Länder des Nahen Ostens dominiert hatte. „Dort ist Assur und seine ganze Schar; rings um ihn her ihre Gräber. Sie alle sind erschlagen, durchs Schwert Gefallene. Seine Gräber sind in der tiefsten Grube gemacht, und seine Schar ist rings um sein Grab. Sie alle sind erschlagen, durchs Schwert gefallen, die Schrecken verbreiteten im Land der Lebendigen“ (Hes 32,22.23). Prophetisch wird sich das erfüllen, wenn Gott alle Feinde Israels vernichten wird, um sein Reich zu gründen. „Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört und dessen Herrschaft keinem anderen Volk überlassen werden wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber in Ewigkeit bestehen“ (Dan 2,44).

Alle drei Punkte sprechen letztlich von Verachtung und Geringschätzung. „Denn verächtlich bist du“. Verächtlich zu sein bedeutet, nichtswürdig oder gering zu sein. So sah Gott diese gewaltige Macht. Assyrien war am Ende nicht mehr, als ein „Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale“ (Jes 40,15). Den Feinden am Ende der Zeit wird es nicht anders ergehen. Sie werden ein für alle Mal von der Bildfläche verschwinden, weil sie in den Augen Gottes ebenfalls verächtlich sind. In Kapitel 3,6 kommt Gott noch einmal auf diesen Punkt zurück: „Und ich werde Unrat auf dich werfen und dich verächtlich machen und dich zur Schau stellen“. Das geht noch ein Stück weiter. Assyrien war nicht nur in Gottes Augen verächtlich, sondern Er würde dies öffentlich demonstrieren. Es ist ein unumstößlicher Beschluss Gottes, dass „alle Vornehmen der Erde“ einmal verächtlich gemacht werden (Jes 23,9).

Impuls für unser Glaubensleben: Wir lernen, dass Gottes Ratschluss unumstößlich ist. Es gibt nichts und niemand auf dieser Erde, der Gottes Pläne durchkreuzen könnte. Wenn Er gebietet, wird es geschehen. Das gilt für seinen Plan mit dieser Erde. Das gilt für seinen Plan mit jedem einzelnen von uns. „Der Herr der Heerscharen hat geschworen und gesprochen: Ja, wie ich es zuvor bedacht habe, so geschieht es; und wie ich es beschlossen habe, so wird es zustande kommen“ (Jes 14,24)

Fußnoten

  • 1 Das gilt insbesondere für eine andere Stadt, die wie Ninive „große Stadt“ genannt wird, nämlich das „große Babylon“. Gemeint ist das, was am Ende, nach der Entrückung der Gläubigen, von der abgefallenen Christenheit übrigbleibt. Offenbarung 18 beschreibt das Gericht dieser Stadt. Es gibt eine Reihe von Parallelen zu dem Gericht über Ninive. Wie das Gericht über Ninive schnell und endgültig kam, so wird es mit dieser Stadt ebenfalls sein (Off 18,10.16.17.19).
  • 2 Wir finden das im Alten Testament häufiger, dass eine Stadt, die bekannt war, als Synonym für ein ganzes Land oder Reich stand. Das prominenteste Beispiel ist Jerusalem, das manchmal für Juda oder ganz Israel steht und manchmal nur die Stadt meint.
  • 3 H. Rossier, Le Livre du Prophète Nahum
  • 4 Zitiert nach A.C. Gaebelein, The Prophet Nahum
  • 5 J.N. Darby; The Prophet Nahum, in: Synopsis of the Books of the Bible
  • 6 W. Kelly, The Prophet Nahum, in: The Minor Prophets
  • 7 Basan ist ein relativ großes Gebiet im Ostens des Jordan. Im Süden grenzte es an Gilead und im Norden an den Hermon. Die Eichen Basans stehen symbolisch für große Stärke und Erhabenheit, die Gott einmal in seinem Gericht niederwerfen wird (Jes 2,13; Sach 11,2).
  • 8 Karmel bedeutet „der Park“ oder „fruchtbarer Ort“. Es handelt sich um ein 19 km langes Bergmassiv, das vom Tal Jisreel in Galiläa in nordwestlicher Richtung hin zum Mittelmeer verläuft. Dort bildet es ein beachtliches Kap, das einzige in Israel.
  • 9 Der Libanon ist eine Gebirgskette im Norden von Israel. Vermutlich aufgrund seiner häufig mit Schnee bedeckten Gipfel, bedeutet der Name „weiß“. Er besteht aus zwei Gebirgsketten und einer über 10 km breiten fruchtbaren Ebene, die zwischen den Gebirgsketten liegt. Dieses Tal wird z. B. in Josua 11,17 erwähnt. Der Libanon war neben seinen Zedern für guten Wein bekannt (Hos 14,8). Darüber hinaus wuchsen dort Oliven, Feigen und Maulbeeren.
  • 10 Dieser Vers wird in Apostelgeschichte 4,25.26 zitiert und auf das Toben der Feinde gegen Christus angewandt, als diese Ihn umgebracht haben.
  • 11 J.N. Darby; The Prophet Nahum, in: Synopsis of the Books of the Bible
  • 12 Die Babylonier hatten eher die Angewohnheit, die Götzen der besiegten Feinde in ihr eigenes Land zu bringen. Wir sehen das bei der Deportation der Juden, als die Geräte des Tempels nicht vernichtet, sondern nach Babel gebracht wurden (vgl. Dan 1,2).
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