Was Paulus den Kolossern noch sagen wollte …
Eine Auslegung zu Kolosser 4
Schlusswort und Segen (Kol 4,18)
Paulus ist am Ende seines Briefes an die Kolosser angekommen. Es bleibt ein persönlicher Gruß, eine Bitte und ein Wunsch, der zugleich eine Feststellung ist.
„Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Gedenkt meiner Fesseln. Die Gnade sei mit euch!“ (Kol 4,18).
Der Gruß des Paulus
Paulus beendet den Brief mit einem persönlichen und eigenhändigen Gruß. Er bekundet den Gläubigen in Kolossä seine Zuneigung, indem er sie sozusagen zu sich zieht und in den Arm nimmt. Mit Ausnahme des Galaterbriefes (vgl. Gal 6,11) hat Paulus seine Briefe sehr wahrscheinlich im Allgemeinen diktiert und von einem seiner Mitarbeiter schreiben lassen (vgl. Röm 16,22)1. Am Ende dieses Briefes griff Paulus nun selbst zur Feder. Eine Unterschrift am Ende eines Briefes, so wie wir es kennen, war in der damaligen Zeit eher ungewöhnlich. Der Absender gab sich gleich am Anfang in seinem Grußwort zu erkennen. Der Hinweis auf den „Gruß mit meiner Hand“ sollte den Kolossern die Echtheit des Briefes zeigen. Zugleich war er deutlicher Beweis der Zuneigung von Paulus zu den ihm unbekannten Empfängern. Sie konnten erkennen, dass der Apostel sie liebte.
Eine ähnliche Grußformel finden wir in 1. Korinther 16,21: „Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand“. In 2. Thessalonicher 3,17 schreibt er: „Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand, was das Zeichen in jedem Brief ist: so schreibe ich“. Es war damals schon notwendig, die Echtheit seiner Briefe zu bezeugen, denn gerade der 2. Thessalonicherbrief zeigt, dass seine Gegner sich nicht scheuten, in seinem Namen falsche Briefe an die Gläubigen zu schicken (2. Thess 2,2).
Gedenkt meiner Fesseln
Das Wort „Fessel“ oder „Kette“ wird im direkten und im übertragenen Sinn gebraucht. Wir lesen z.B. von dem „Band der Zunge“ (Mk 7,35) oder von einer „Fessel des Teufels“(Lk 13,16). An den meisten Stellen beschreibt es die Gefangenschaft von Paulus (vgl. z.B. Apg 20,23; 23,29; 26,31; Phil 1,7).
Paulus geht es hier nicht primär um das Gebet der Gläubigen, um aus der Gefangenschaft (der Fessel) befreit zu werden. Die Aufforderung, an seine Fesseln zu denken, unterstreicht vielmehr die Bitte, das zu beachten und zu befolgen, was er ihnen in dem Brief geschrieben hatte. Paulus wollte nicht so sehr das Mitleid der Kolosser erwecken, sondern er legt den besonderen Nachdruck auf den Inhalt seines Briefes. Die Aussage in Philemon 1,9 macht das klarer: „... so bitte ich doch vielmehr um der Liebe willen, da ich nun ein solcher bin wie Paulus, der Alte, jetzt aber auch ein Gefangener Christi Jesu“.
Ähnlich ist es in Epheser 4,1, wo Paulus die Gläubigen ermahnt und dieser Ermahnung durch die Erinnerung an seine Gefangenschaft besonderen Nachdruck verleiht. Die Umstände, in denen sich jemand befinden mag, haben durchaus einen Einfluss auf das, was er sagt und wie es aufgenommen wird. Die Kolosser sollten dabei nicht vergessen, warum Paulus ein Gefangener war. Es war wegen des „Geheimnisses des Christus“ (Eph 3,4; Kol 4,3) oder, anders formuliert: „für euch, die Nationen“. (Eph 3,1). Gleichzeitig sollten sie – wie die Epheser – durch die Drangsale von Paulus nicht mutlos werden. (Eph 3,13).
Die Gnade sei mit euch
Gnade ist unverdiente Zuwendung, die wir auf dieser Erde erfahren. Es wird hier nicht spezifiziert, ob es die Gnade des Herrn Jesus Christus oder die Gnade Gottes ist. Jedenfalls ist es göttliche und himmlische Gnade für Menschen auf dieser Erde. Sie rahmt das Leben des Christen ein. Durch Gnade sind wir gerettet (Vergangenheit). Gnade steht uns jeden Tag unseres Lebens zur Verfügung. Wir stehen in der Gnade und leben aus der Gnade (Gegenwart). Wir brauchen sie, um die Wahrheiten, die Paulus in diesem Brief vorstellt, täglich zu praktizieren. Schließlich hoffen wir auf die Gnade, die uns bei der Offenbarung des Herrn Jesus gebracht wird (Zukunft).
Wenn Paulus – regelmäßig am Anfang und am Ende seiner Briefe – Gnade wünscht, dann ist das kein formeller Schlusssatz und keine Floskel der Höflichkeit. Der Wunsch kommt vielmehr von Herzen und betrifft unser Empfinden und unsere Wertschätzung dieser göttlichen Gnade. Jeder Gläubige hat dieses Empfinden und diese Wertschätzung nötig. Göttliche Gnade ist für alle reich. Sie ist eine Quelle, die wir nie ausschöpfen können. Ihm sei die Herrlichkeit in alle Ewigkeit!
Fußnoten
- 1 Gerade die Ausnahme im Galaterbrief und der dort gegebene Hinweis auf die eigene Hand von Paulus hat die Vermutung aufkommen lassen, dass Paulus aufgrund eines Augenleidens nur mit großer Mühe selbst schreiben konnte. Das mag der Grund sein, warum er üblicherweise andere das aufschreiben ließ, was Gott zu schreiben veranlasste.