Was Paulus den Kolossern noch sagen wollte …
Eine Auslegung zu Kolosser 4

Grüße von sechs Mitarbeitern und Brüdern (Kol 4,10-14)

Es folgen nun Grüße von Freunden und Mitarbeitern, die den Kolossern entweder persönlich bekannt waren oder deren Namen sie zumindest kannten. Paulus sendet Grüße von sechs Brüdern. Drei kamen aus den Heiden, drei aus den Juden. Zählt man Timotheus mit seiner jüdischen Mutter und seinem griechischen Vater noch dazu, waren es mindestens sieben Brüder, die bei ihm in Rom waren.

Die Grüße sind mehr als höfliche Floskeln oder eine Sache der Form. Wer Grüße ausrichten lässt, zeigt damit, dass es eine innere Beziehung gibt, die man schätzt. Das Wort „grüßen“ bedeutete ursprünglich „jemanden an sich ziehen“. Das Wort kann sich darauf beziehen, dass man jemand willkommen heißt oder sich verabschiedet. Man könnte es auch mit „umarmen“ übersetzen. Es zeigt etwas von der Herzlichkeit, die in dieser Handlung liegt.

H. Smith schreibt: „Die Grüße, mit denen der Brief schließt, stellen ein schönes Bild christlicher Liebe, eines gegenseitigen Interesses an den jeweiligen Umständen und eine zarte Fürsorge für das geistliche Wohlergehen des Volkes Gottes dar. Dieses herzliche Miteinander gab es im christlichen Bereich in den Tagen, bevor die Versammlung in ihrem praktischen Zustand als ein gemeinsamer Zeuge ruiniert wurde und das Volk Gottes durch Trennungen und Zersplitterungen gekennzeichnet wurde“1.

„Es grüßt euch Aristarchus, mein Mitgefangener, und Markus, der Neffe des Barnabas, dessentwegen ihr Befehle erhalten habt (wenn er zu euch kommt, so nehmt ihn auf)“ (Kol 4,10).

Aristarchus, mein Mitgefangener

Aristarchus wird in der Bibel mehrfach erwähnt (Apg 19,29; 20,4; 27,2; Kol 4,10; Phm 1,24). Er war ein gebürtiger Jude (Vers 11) und kaum aus Thessalonich (Apg 20,4). Er hatte früh gelernt, was es bedeutete, für seinen Herrn und das Zeugnis zu leiden (Apg 19,29). Wann genau und unter welchen Umständen er sich Paulus angeschlossen hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls reiste er mit Paulus zusammen nach Jerusalem, um dort Hilfe zu bringen. Später begleitete er Paulus nach Rom und erlebte eine stürmische Überfahrt dorthin (Apg 27).

Jetzt befand er sich mit Paulus in der Gefangenschaft in Rom. Es wird nicht gesagt, ob er die Gefangenschaft freiwillig teilte oder ob er ebenfalls zwangsweise inhaftiert worden war. Das Wort „Mit-Gefangener“ ist ein zusammengesetztes Wort, das noch in Römer 16,7 und Philemon 1,23 vorkommt (vgl. auch Lk 4,18, wo das Substantiv „Gefangener“ allein vorkommt). Es bezieht sich wohl besonders auf einen Kriegsgefangenen. Es ist klar, dass das im übertragenen Sinn zu verstehen ist. Der Grund der Haft war der Kampf um die Wahrheit des Evangeliums und vor allem der Wahrheit um die Versammlung Gottes (Eph 6,19–20).

Aristarchus gehört zu den zahlreichen Gläubigen, die nicht durch einen besonderen Dienst auffallen. Dennoch war er ein stiller und treuer Begleiter des Apostels, der ihm in einer schweren Zeit beigestanden hat. In Philemon 1,24 nennt er ihn seinen Mitarbeiter. Was für Menschen unauffällig bleibt, hat oft in den Augen des Herrn einen besonderen Wert.

Markus, der Neffe des Barnabas

Gemeint ist Johannes Markus, den wir als den unnützen Knecht kennen. Seine Geschichte wird uns vor allen Dingen in der Apostelgeschichte nachgezeichnet. Er wuchs im Haus einer gläubigen Mutter auf, in deren Haus sich die Gläubigen versammelten (Apg 12,5.12). Später reiste er mit Barnabas und Paulus und lernte so den Dienst für den Herrn kennen (Apg 12,25). Er hatte sich nicht selbst empfohlen oder aufgedrängt, sondern war von den beiden ausgewählt worden. Schon bald stellte sich heraus, dass ihm der Dienst zu schwer war. Er kehrte um (Apg 13,13). Er ging nicht in die Welt zurück, sondern verließ Paulus und Barnabas und den Dienst für den Herrn (vgl. Lk 9,62).

Später war er die Ursache für die Erbitterung und Trennung von Paulus und Barnabas (Apg 15,39). Es scheint so zu sein, als ob Paulus damals die richtige Einsicht und Weitsicht hatte. Dennoch war diese Erbitterung nicht gut und Paulus mag darunter gelitten haben. Er nahm nun Silas mit sich, während Barnabas mit Markus reiste. Danach hören wir über mehr als zehn Jahre lang nichts mehr von Markus, bis er hier nun plötzlich wieder auftaucht und die Kolosser aufgefordert werden, ihn aufzunehmen.

Wir können daraus nur den Rückschluss ziehen, dass es bei Markus eine echte Wiederherstellung gegeben hatte. In Philemon 1,24 nennt Paulus ihn neben anderen seinen Mitarbeiter. In 2. Timotheus 4,11 wird er noch einmal erwähnt und da sagt Paulus ausdrücklich, dass er ihm nützlich zum Dienst ist. Kurze Zeit später schreibt dieser Mann das Markus-Evangelium – das Evangelium des vollkommenen Dieners und Propheten. Das zeigt, dass die Wiederherstellung gründlich und nachhaltig war. Petrus bezeichnet ihn in 1. Petrus 5,13 als „seinen Sohn“. Die beiden müssen also ein sehr gutes Verhältnis gehabt haben.

Der große Gedanke ist also hier der von der Wiederherstellung im Dienst. Paulus zeigt, wie edelmütig und groß wahre Bruderliebe ist. „Markus ist ein Beispiel dafür, wie die Kraft Gottes uns in dem Punkt am stärksten machen kann, in dem wir anfangs am schwächsten waren“2. Markus hatte das Vertrauen von Paulus zurückgewonnen, das er einst verloren hatte. Paulus unterstützt seinen Dienst und freut sich darüber. Das gibt Hoffnung, wenn wir selbst im Dienst versagt haben oder andere sehen, auf die das zutrifft.

Markus wird hier ein Neffe (oder Cousin) von Barnabas genannt. Dieser Hinweis fehlt in der Apostelgeschichte. Es ist gut möglich, dass Familienbande der Grund dafür waren, dass Barnabas ihn mitnehmen wollte. Wenn es so war, dann war es nicht vom Heiligen Geist gewirkt. Wir lernen daraus, dass es besser ist, wenn wir verwandtschaftliche oder freundschaftliche Bindungen im Werk des Herrn keine allzu große Rolle spielen lassen. Besonders familiäre Beziehungen haben häufig zu Streit und Entfremdung unter Brüdern und in Versammlungen geführt. Die Tatsache, dass Paulus Barnabas hier und in 1. Korinther 9,6 nennt, zeigt jedoch auch, dass die Erbitterung zwischen den beiden Dienern des Herrn der Vergangenheit angehörte.

Die meisten Ausleger weisen darauf hin, dass Paulus nicht sagt, welche Befehle das waren, die er hier erwähnt. Offensichtlich war es für einen öffentlichen Brief nicht geeignet, weiter darüber zu reden. Die Kolosser wussten, was gemeint war. Paulus wusste zu unterscheiden, was er öffentlich machte und was nicht. Der Satz kann allerdings so verstanden werden, dass der Befehl das ist, was er gerade jetzt über Markus sagt, dass sie ihn nämlich aufnehmen sollten. In diesem Fall müsste man lesen: „... Markus, über den ihr hier Anweisungen bekommt“. Das scheint nahe zu liegen, obwohl andere Ausleger darauf hinweisen, die Zeitform gestatte diese Lesart nicht.

Wichtiger ist, dass die Gläubigen aufgefordert wurden, ihn aufzunehmen. Die Erinnerung an seine Vergangenheit und seine Untreue würde wohl kaum dazu angetan sein, ihn herzlich aufzunehmen. Sie hätten wohl eher dazu beigetragen, ihm gegenüber kritisch zu sein. Doch gerade das will Paulus verhindern. Wahre Liebe vergibt und vergisst. Das Wort „aufnehmen“ bedeutet in der direkten Bedeutung, dass man jemand die offenen Hände hinhält. Es beschreibt ein freudiges Aufnehmen und nicht, was man unter Zwang oder aus Höflichkeit tut. Wir lernen, dass es bei Gott immer eine zweite Chance gibt. Wir sollten ebenfalls solche offenen Hände für solche haben, die Gott (im Dienst und sonst) wiederhergestellt hat.

„Und Jesus, genannt Justus, die aus der Beschneidung sind. Diese allein sind Mitarbeiter am Reich Gottes, die mir ein Trost gewesen sind“ (Kol 4,11).

Jesus, genannt Justus

Erneut nennt Paulus einen der uns wenig bekannten Mitarbeiter. Er wird an keiner anderen Stelle genannt als nur hier3. Jesus (oder Josua) war ein gebräuchlicher Name unter den Juden. Er erinnerte die Eltern, die ihre Kinder so nannten daran, dass der Herr Rettung ist. Jesus trug einen Doppelnamen, was unter den Juden nicht ganz unüblich war. Der erste Name wurde bei der Geburt gegeben und später wurde ein zweiter Name – in der Regel mit religiösem Charakter – hinzugefügt4.

Die aus der Beschneidung sind

Das bedeutet nicht, dass sie einer bestimmen religiösen Partei angehörten, sondern dass sie von Geburt Juden – und eben keine Heiden – waren. Die Beschneidung war ein äußeres Zeichen, dass man zum irdischen Volk Gottes gehört. Gott selbst hatte Abraham dieses äußere Zeichen gegeben, obwohl Er damit immer die innere Wirklichkeit im Auge hatte. In Kolosser 2 hatte Paulus erklärt, was die Beschneidung heute für uns bedeutet und dass wir sie geistlich im Blick auf das Todesurteil über die alte Natur (das Fleisch) zu verstehen haben. Der Vers macht klar, dass Paulus sowohl Mitarbeiter mit jüdischem als auch mit heidnischem Hintergrund hatte. Für ihn machte das keinen Unterschied. In Christus waren diese Unterschiede belanglos.

Mitarbeiter am Reich Gottes

Ein Mitarbeiter zu sein bedeutet, für Synergieeffekte zu sorgen. In dem griechischen Wort steckt tatsächlich das Wort „Synergie“. Wenn zwei Personen zusammen arbeiten, schaffen sie mehr, als wenn beide es getrennt tun. Das Wort kommt mehrmals in den Briefen vor. Priska und Aquila waren solche Mitarbeiter (Röm 16,3). Ebenso Urbanus (Röm 16,9), Timotheus (Röm 16,21; 1 Thess 3,2), Epaphroditus (Phil 2,25), Titus (2. Kor 8,23), Philemon (Phm 1,1) Markus, Aristarchus, Demas und Lukas (Phm 1,24). Es ist gut, wenn Geschwister Hand in Hand arbeiten und auf diese Weise mögliche Synergieeffekte nutzen.

In 2. Korinther 1,24 spricht Paulus von solchen, die „Mitarbeiter an eurer Freude“ sind. Johannes schreibt, dass wir Mitarbeiter der Wahrheit werden sollen (3. Joh 1,8). Hier geht es um Mitarbeiter am Reich Gottes. Das ist erneut eine besondere Ehrenbekundung. Es ist eine Sache, nach dem Reich Gottes zu trachten (Mt 6,33). Es ist eine andere Sache, an diesem Reich mitzuarbeiten. Offensichtlich bezieht sich das auf die gegenwärtige Phase des Reiches Gottes und nicht auf die zukünftige Zeit des Reiches Gottes, wo es im Tausendjährigen Reich sichtbar und herrlich auf dieser Erde bestehen wird.

Das Reich Gottes besteht jetzt nicht in äußeren Dingen, sondern wird durch Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist gekennzeichnet (Röm 14,17). Es ist das „Königreich“ Gottes. So muss das Wort eigentlich übersetzt werden. Jetzt ist die Zeit, wo der Herr dieses Reiches abgelehnt worden ist (Lk 19,14). Als seine Knechte teilen wir einerseits diese Ablehnung und zeugen von Ihm. Andererseits offenbaren wir heute schon die Merkmale des kommenden Reiches, nämlich Gerechtigkeit, Frieden und Freude.

Wir erkennen besonders aus der Apostelgeschichte, wie das Thema „Reich Gottes“ neben den Themen „Evangelium“ und „Ratschluss Gottes“ ein Kernanliegen von Paulus war (Apg 20,25; 28.23. 31). Ein „Mitarbeiter“ am Reich Gottes zu sein bedeutet, mit dazu beizutragen, dass viele Menschen dahin gebracht werden, Jesus Christus nicht nur als Heiland, sondern als Herrn ihres Lebens anzuerkennen, seine Ablehnung zu teilen und diese herrlichen Merkmale des kommenden Reiches heute schon zu verwirklichen.

Es bleibt offen, was Paulus damit meint, dass es „diese allein Mitarbeiter am Reich Gottes sind“. Vielleicht ist es ein Hinweis darauf, dass es sonst in Rom keine gläubigen Judenchristen gab, die sich für dieses Reich Gottes interessierten. Die ursprüngliche Erwartungshaltung der Juden war ja eine ganze andere Form des Reiches als diejenige, die es jetzt hatte.

Trost für Paulus

Paulus ist im Lauf seines Lebens vielen Menschen ein Trost gewesen. Doch hier spricht er über den Trost, den er selbst empfangen hatte. Die genannten Brüder waren nicht nur Mitarbeiter am Reich Gottes, sondern eine Ermunterung für Paulus. Trost ist häufig etwas Beidseitiges. Einmal können wir Trost geben. Ein anderes Mal benötigen wir ihn selbst. Jedenfalls brauchen auch herausragende Diener des Herrn Zuspruch und Gebet. Sie sind keine „Übermenschen“.

Das für „Trost“ gebrauchte Wort kommt nur hier vor. Es ist ein medizinischer Ausdruck, der sich in seiner direkten Bedeutung auf die Linderung von Schmerzen bezieht. Man kann deshalb mit „Erleichterung“, „Beruhigung“ oder „Beschwichtigung“. übersetzen. Trost nimmt etwas weg (den Schmerz) und fügt etwas hinzu (Erleichterung).

„Es grüßt euch Epaphras, der von euch ist, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, damit ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes steht“ (Kol 4,12).

Epaphras, ein Knecht Christi Jesu

Epaphras war den Kolossern gut bekannt. Paulus hatte ihn schon in Kapitel 1,7 erwähnt. „... so wie ihr gelernt habt von Epaphras, unserem geliebten Mitknecht, der ein treuer Diener des Christus für euch ist“. In Philemon 1,23 kommt sein Name noch einmal vor. Dort ist er Paulus „Mitgefangener in Christus Jesus“. Epaphras vereinigte zwei wichtige Dinge in sich, die unbedingt zusammengehören. Er war ein Knecht und ein Diener und zugleich ein intensiver Beter. Man kann ihn – wie Paulus – als einen betenden Prediger bezeichnen.

Epaphras war entweder in Kolossä geboren oder er lebte nur dort. Er war „von euch“. Die Kolosser kannten ihn und konnten beurteilen, was Paulus über ihn sagte. Es ist gut, wenn die Geschwister einer örtlichen Versammlung die Diener und Knechte kennen, die „von ihnen“ sind. Das gilt – in unserer Zeit besonders – auch für solche, die häufig außerhalb des eigenen Ortes ihren Dienst tun.

Das Wort „Knecht“ ist hier wieder „Sklave“ und zeigt an, wem er diente. Allerdings wird es hier nicht mit dem „Herrn“ verbunden, sondern mit „Christus Jesus“. Wir dienen dem Herrn, der alle Autorität hat. Zugleich dienen wir dem, der jetzt zur Rechten Gottes hoch erhoben ist (Christus), aber einmal selbst als Mensch in Niedrigkeit auf der Erde gelebt und Gott gedient hat (Jesus). Der Ausdruck „Knecht Christi Jesu“ wird von Paulus sonst nur noch für sich selbst und für Timotheus gebraucht. Es war eine besondere Ehre, dass Paulus Epaphras hier so nennt. Man kann daraus den vorsichtigen Rückschluss ziehen, das Epaphras einen besonderen Dienst in Verbindung mit dem Evangelium getan hat.

Epaphras, ein Beter

Das betont Paulus hier ganz besonders. Paulus gibt uns wichtige Einzelheiten:

  1. Erstens hat Epaphras nicht dann und wann für die Kolosser gebetet, sondern es war „allezeit“, d.h. es war ein beständiges Ringen im Gebet. Das beschreibt die Dauerhaftigkeit des Gebets. Er tat es allezeit, d.h. immer wieder. Er „verharrte“ tatsächlich im Gebet.
  2. Zweitens war es ein „Ringen“ im Gebet. Das Wort beschreibt einen Kampf und zeigt die Intensität des Gebets für die Gläubigen. Das Wort bedeutet eigentlich sich um einen Preis zu bewerben. Es beschreibt einen Waffenkampf und einen Wettkampf (z.B. Joh 18,36; 1. Kor 9,25), wird aber häufig im übertragenen Sinn gebraucht (z.B. Lk 13,24; 1. Tim 6,12; 2. Tim 4,7). In Kolosser 1,29 hatte Paulus das Wort schon einmal gebraucht und davon gesprochen, dass er sich bemühte, indem er ringend kämpfte.
  3. Drittens war es ein Gebet „für euch“. Epaphras hatte eine klare Zielgruppe vor Augen. Es ist denkbar, dass Epaphras jeden Einzelnen der Gläubigen im Gebet vor Gott gebracht hat. Wir lernen daraus, wie wichtig das Gebet für die Geschwister der örtlichen Versammlung ist, in der wir unsere Heimat haben. Hätten wir nur mehr Beter von dem Format eines Epaphras.
  4. Viertens lernen wir etwas über den Inhalt seines Gebets. Er war konkret und stand in Übereinstimmung mit dem, was Paulus für die Kolosser betete (vgl. Kol 1,10). Paulus muss ihn mehrfach beten gehört haben, sonst hätte er so etwas nicht schreiben können. Vielleicht haben die beiden sogar gemeinsam für die Kolosser gebetet. Eine solche Gebetsgemeinschaft ist besonders segensreich.

Das Gebet hatte geistliche Inhalte. Epaphras betete nicht für das äußere Wohlergehen und die Gesundheit der Kolosser (was ihm sicher ein Anliegen war). Er konzentrierte sich auf die geistliche Gesundheit seiner Glaubensgeschwister. Drei Details werden genannt:

  1. Die Kolosser sollen in dem Willen Gottes stehen: „Stehen“ bedeutet „seinen Stand zu haben“ oder „festzustehen“. Der Ausdruck bedeutet Standfestigkeit im Glaubensleben und Glaubenskampf. Er beschreibt eigentlich einen Zustand, in dem sich jemand befindet. Wir sollen nicht nur dann und wann in dem Willen Gottes feststehen, sondern es soll immer der Fall sein. Diese Standfestigkeit brauchten sie, um vor dem Irrtum bewahrt zu bleiben und nicht eine Beute des Feindes zu werden. Gerade das war eine Gefahr bei den Kolossern. Die Epheser werden darauf hingewiesen, dass sie nicht von jedem „Wind der Lehre“ hin- und hergetrieben werden sollten. Es ist Standfestigkeit in dem offenbarten Willen Gottes und nicht in unserer eigenen Meinung.
  2. Die Kolosser sollen vollkommen sein: Das Wort „vollkommen“ bedeutet hier „erwachsen zu sein“ und spricht von geistlicher Reife. Das geistliche Wachstum und die Reife der Kolosser lagen Paulus und Epaphras besonders am Herzen. Geistlich gereift sind Gläubige, die mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt sind (Kol 1,9; 2,19) und die von dem Willen Gottes überzeugt sind.
  3. Die Kolosser sollten „völlig überzeugt“ sein: Von etwas überzeugt zu sein bedeutet, davon voll oder erfüllt zu sein. Das Wort hat die Grundbedeutung, dass etwas Unfertiges auf das volle Maß gebracht wird. Es geht also um Gewissheit. In Kapitel 1,9 sollten die Kolosser mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt sein. Die Philosophie konnte ihnen eine solche Gewissheit und Überzeugung nicht vermitteln. Wir sollen bei dem bleiben, wovon wir völlig überzeugt sind (2 Tim 3,14). Epaphras und Paulus waren nur dann zufrieden, wenn die Gläubigen geistlich erwachsen waren.

„Denn ich gebe ihm Zeugnis, dass er viel Mühe hat um euch und die in Laodizea und die in Hierapolis“ (Kol 4,13).

Das Zeugnis von Paulus

Paulus identifiziert sich mit dem Dienst von Epaphras und stellt ihm ein Zeugnis aus. „Ich gebe ihm Zeugnis“ bedeutet, dass er es bezeugt. Wir finden das bei Paulus nicht sehr oft. In Römer 10,2 wird dasselbe Wort benutzt. „Denn ich gebe ihnen Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben“. Gleiches gilt für die Gläubigen in Mazedonien: „Denn nach Vermögen, ich bezeuge es, und über Vermögen waren sie von sich aus willig“ (2. Kor 8,3). Offensichtlich lag es Paulus am Herzen, dass die Kolosser wussten, wie sehr er den Dienst ihres Mitbruders schätzte.

Epaphras war nicht nur ein Prediger und ein Beter, sondern jemand, der sich engagierte und handelte. Er hatte Mühe (oder Eifer) um seine Glaubensgeschwister. Das Wort kommt selten vor und bedeutet „Schmerz“ oder „Kummer“ oder sogar „Qual“ (vgl. Offb 16,10.11; 21,4). Zum einen kann damit eine Arbeit gemeint sein, in der man alles gibt und sich vollständig verausgabt, um sie zu erfüllen. Zum anderen kann man an die inneren Empfindungen denken, die Epaphras für die Gläubigen hatte und in denen er mit Paulus übereinstimmte. „Das Wort beschreibt hier den geistlich gesinnten und ernsthaften Charakter dieses Dieners Gottes und die Wertschätzung in den Gottes Augen im Blick auf das anhaltende Gebet und die hingebende Arbeit für das Volk Gottes“5.

Laodizea und Hierapolis

Epaphras lag nicht nur das Wohl der Gläubigen seiner eigenen Heimatversammlung am Herzen, sondern er dachte ebenso an die Nachbarversammlungen. Laodizea ist den meisten Bibellesern aus den sogenannten „Sendschreiben“ (Rundbrief) aus Offenbarung 3 bekannt. Neben dieser Stelle wird die Stadt nur noch im Kolosserbrief erwähnt (Kap 2,1; 4,15.16). Sie war deutlich größer als Kolossä und auch reicher und bekannter. Laodizea lag an der gleichen Hauptstraße wie Kolossä und zwar einige Kilometer westlich. Verkehrstechnisch lag die Stadt an der Kreuzung von wichtigen Fernstraßen.

Hierapolis wird nur in unserem Vers erwähnt. Die Stadt lag wenige Kilometer nördlich von Laodizea und nordwestlich von Kolossä. Alle drei Städte lagen also in unmittelbarer Nachbarschaft. Offensichtlich gab es unter den Geschwistern gute Kontakte. An allen drei Orten tat Epaphras eine gute geistliche Arbeit. Einige Ausleger nehmen an, dass sie durch seine Arbeit überhaupt einen Anfang genommen hatten.

Paulus lag das Wohl der Gläubigen in Laodizea sehr am Herzen, obwohl er sie ebenso wenig kannte, wie die in Kolossä. „Denn ich will, dass ihr wisst, welch großen Kampf ich habe um euch und die in Laodizea und so viele mein Angesicht im Fleisch nicht gesehen haben“ (Kol 2,1). Epaphras wird damit mit Paulus auf eine Linie gestellt. Wie berechtigt diese Sorge war, wird uns klar, wenn wir den etwa 35 Jahre später geschriebenen Brief an die Laodizeer in Offenbarung 3 lesen, wo der Herr Jesus sehr deutliche Worte über geistliche Lauheit und Arroganz findet und nur noch an der Tür steht und anklopft.

Die Sorge des Epaphras

Es fällt auf, dass Paulus die Beziehung von Epaphras zu den Gläubigen in der Region um Kolossä mit drei Worten beschreibt. Erstens sagt er, dass Epaphras „von euch“ ist. Das zeigt seine Herkunft an. Er wurde damit identifiziert, dass er aus Kolossä war. Zweitens erinnert er sie, dass Epaphras etwas „für euch“ tut, nämlich das Gebet und den Dienst. Drittens wird von seiner Sorge „um euch“ gesagt. Das spricht von der Fürsorge und Liebe, die dieser Diener des Herrn für die Gläubigen hatte.

„Es grüßt euch Lukas, der geliebte Arzt, und Demas“ (Kol 4,14).

Lukas war einer der treuen Reisebegleiter von Paulus. Er war ein gebürtiger Grieche6. Wann und unter welchen Umständen er sich bekehrt hat, wissen wir nicht. Als Bruder und Mitarbeiter teilte er die geistliche Arbeit des Apostels. Als Arzt war er ihm in medizinischer Hinsicht eine Hilfe. Wir wissen, dass Paulus wohl ein körperliches Leiden hatte (einen Dorn für das Fleisch, 2. Kor 12,7), das der Herr ihm nicht weggenommen hatte. Stattdessen stellte Er ihm einen Arzt zur Seite, der tatsächlich bis zum Ende seines Lebens bei ihm war. Lukas hat sich in seiner Arbeit bewährt und zwar im Dienst für den Herrn und in seinem Beruf. Solche Leute kann Gott gebrauchen. In Philemon 1,24 nennt Paulus ihn seinen „Mitarbeiter“. Er war kein Einzelkämpfer und scheint sich nichts auf seine Stellung als Arzt eingebildet zu haben. Im Dienst für den Herrn war er ein Diener unter Dienern.

Paulus nennt ihn den „geliebten Arzt“. Ohne Frage war Lukas ein „vom Herrn geliebter Bruder“. Dennoch scheint das hier nicht der Gedanke zu sein. Es geht vielmehr um die besondere Wertschätzung, die Paulus für diesen Bruder hatte – und das ganz unabhängig davon, dass Paulus jenen Bruder in Christus liebte. Der Grund der Liebe von Paulus war nicht die Tatsache, dass Lukas Arzt war, sondern dass er in ihm einen Freund und Vertrauten hatte.

Am Ende seines Lebens schreibt Paulus an Timotheus: „Lukas ist allein bei mir“ (2. Tim 4,11). Lukas hatte in Zeiten von Niedergang und Verfall ausgeharrt und Standvermögen gezeigt. Es ist verhältnismäßig leicht in Tagen von Sonnenschein und angenehmen Umständen zu arbeiten und wenn es regnet und stürmt, verlassen viele das Arbeitsfeld. Nicht so Lukas. Für ihn galt: „Der Freund liebt zu aller Zeit, und als Bruder für die Bedrängnis wird er geboren“ (Spr 17,17).

Demas7

Es ist auffallend, dass nur der Name genannt wird. In Philemon 1,24 nennt Paulus ihn allerdings noch „seinen Mitarbeiter“. Die Tatsache, dass Paulus hier nicht mehr sagt, fällt natürlich auf und veranlasst einige Ausleger zu vermuten, dass Paulus bereits geahnt hat, dass dieser Diener keine gute Entwicklung nehmen würde. Diese Vermutung ist in der Tat naheliegend. Dennoch sollten wir vorsichtig sein. In dem letzten Brief, den Paulus geschrieben hat, finden wir Demas wieder. Paulus schreibt: „denn Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen“ (2. Tim 4,10). Das war etwa fünf Jahre später.

Demas war jedenfalls aus anderem Holz geschnitzt als Lukas. Irgendwann änderten sich die Prioritäten. Es heißt nicht, dass er den Herrn verlassen hat, sondern Paulus. Die Tatsache, dass er den jetzigen Zeitlauf liebte, macht allerdings klar, dass er auch den Dienst aufgegeben haben muss, denn niemand kann zwei Herren dienen (Lk 16,13).

Interessant ist der Vergleich zwischen Markus und Demas. Beide nahmen eine unterschiedliche Entwicklung. Markus begann als Diener, verließ dann den Dienst, wurde wiederhergestellt und war am Ende ein nützlicher Diener. Seine Entwicklung ging zum Ende hin aufwärts. Bei Demas war es anders. Seine geistliche Entwicklung war zum Ende hin nicht positiv. Er verließ den Apostel und gewann den jetzigen Zeitlauf lieb. Wir wollen uns die Frage stellen, welche Entwicklung unser geistliches Leben bisher genommen hat.

Fußnoten

  • 1 H. Smith: The Letter to the Colossians
  • 2 F.B. Hole: The Letter to the Colossians
  • 3 In Apostelgeschichte 1,23 und 18,7 kommt der Name Justus ebenfalls vor. Es handelt sich jedoch um eine andere Person.
  • 4 Es gibt Ausleger die vermuten, dass man ihm den Beinamen Justus gab, weil sie es als nicht passend fanden, dass er denselben Namen trug wie der Sohn Gottes. Für die Vermutung gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt.
  • 5 W. E. Vine: Colossians in: The Collected Writings of W.E. Vine, Volume 2
  • 6 Lukas ist der einzige Schreiber im Neuen Testament, der nicht jüdischer Abstammung war. Er hat das nach ihm benannte Evangelium und die Apostelgeschichte verfasst.
  • 7 Demas ist vermutlich die Kurzform von Demetrius. Das bringt einige Ausleger zu der Annahme, es sei derjenige, der in Apostelgeschichte 19 Paulus widerstanden hat und der auch im 3. Johannesbrief (Vers 12) erwähnt wird. Es gibt keinen Grund, der diese Annahme stützt.
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