Das Buch des Propheten Jeremia
Kapitel 24
Gute und schlechte Feigen
Die Vision von zwei Körben Feigen
„Der HERR ließ mich sehen: Und siehe, zwei Körbe Feigen waren vor dem Tempel des HERRN aufgestellt (nachdem Nebukadrezar, der König von Babel, Jekonja, den Sohn Jojakims, den König von Juda, und die Fürsten von Juda und die Handwerker und die Schlosser aus Jerusalem weggeführt und sie nach Babel gebracht hatte). In dem einen Korb waren sehr gute Feigen, wie Frühfeigen; und in dem anderen Korb waren sehr schlechte Feigen, die vor Schlechtigkeit nicht gegessen werden konnten. Und der HERR sprach zu mir: Was siehst du, Jeremia? Und ich sprach: Feigen; die guten Feigen sind sehr gut und die schlechten sehr schlecht, so dass sie vor Schlechtigkeit nicht gegessen werden können“ (24,1–3).
Zu dem Zeitpunkt als Jeremia zum Propheten berufen wurde, hatte er die zwei Visionen des Mandelstabs und des siedenden Topfes bekommen (Jer 1). Später hatte Gott zu ihm gesprochen, indem er ihn die Arbeit des Töpfers sehen ließ (Jer 18). Dieses Mal lässt er ihn zwei Körbe Feigen sehen, die vor dem Tempel des HERRN aufgestellt waren. Es gefällt Gott, sich vertrauter Gegenständen zu bedienen, um in den Geist seines Dieners die Gedanken, die er ihm offenbaren wird, einzuprägen. Die Vision enthält nicht in sich selbst die Botschaft; es ist das Wort Gottes, durch welches sie mitgeteilt wird. Aber die Vision verleiht ihr den Nachdruck. Ein anderes Beispiel dafür finden wir bei Petrus in Apg 10,9–16.
Die zwei Feigenkörbe sind sehr unterschiedlich: der eine enthält sehr gute Feigen, der andere sehr schlechte.
Was bedeutet dieser Gegensatz? Die zwei Feigenkörbe stehen prophetisch für die gegensätzlichen Geschicke zweier Gruppen:
- die Israeliten, welche zusammen mit Jekonja nach Babylon in die Gefangenschaft weggeführt werden,
- diejenigen, welche im Land Juda mit Zedekia zurückgelassen werden, und schließlich die Gruppe Israeliten, die nach dessen Fall noch übrig bleibt.
Der Zustand der einen wie der anderen war anfangs nicht so unterschiedlich. Jekonja „tat, was böse war in den Augen des HERRN, nach allem was sein Vater (Jojakim) getan hatte“; Zedekia ebenso (2. Kön 24,9.19). Alle Bewohner Judas und Jerusalems, Große und Kleine, waren rebellisch (Jer 5,1.5.23). Sie werden gemeinsam unter dasselbe Gericht gestellt, aber das Eingreifen der Armeen Nebukadnezars hat sie in zwei Gruppen aufgeteilt: die Gefangenen und diejenigen, die im Land zurückgelassen worden sind.
Die Absicht Gottes und ihre Ausführung in Gnade
„Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: So spricht der HERR, der Gott Israels: Wie diese guten Feigen, so werde ich die Weggeführten von Juda, die ich aus diesem Ort in das Land der Chaldäer weggeschickt habe, ansehen zum Guten. Und ich werde mein Auge auf sie richten zum Guten und sie in dieses Land zurückbringen; und ich werde sie bauen und nicht abbrechen, und sie pflanzen und nicht ausreißen. Und ich will ihnen ein Herz geben, mich zu erkennen, dass ich der HERR bin; und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein; denn sie werden mit ihrem ganzen Herzen zu mir umkehren“ (24,4–7).
Der HERR zeigt jetzt Jeremia was er tun wird, um seine Verheißung zu erfüllen, Israel in seinem Land wieder aufzurichten und zu segnen.
Diejenigen, die nach Babylon deportiert worden sind, müssen die schmerzliche Zucht ertragen und akzeptieren, die der HERR auf sie legt. Sie werden durch die guten Feigen dargestellt. Er wird einige davon auswählen, um ihnen Gutes zu tun. Er wird sich an sie erinnern und sie dazu bringen, zu ihm zurückzukommen. Dann wird der HERR sie in das Land Israel zurückkehren lassen können, damit sie von neuem gebaut und gepflanzt werden. Nach 70 Jahren der Gefangenschaft wird Gott den Geist Kores‘, des Königs von Persien, erwecken, ebenso wie den Geist der Gefangenen von Juda und Benjamin, um das Haus des HERRN in Jerusalem zu bauen (Esra 1,5). Selbst in der babylonischen Gefangenschaft wird Jojakin durch Nebukadnezar verschont und wieder erhoben (Jer 52,31–34).
Außerdem zeigt die Erwähnung am Ende von Vers 6 – „und ich werde sie nicht ausreißen“ –, dass diese Prophetie unmittelbar den Überrest Israels im Blick hat, nämlich diejenigen, von denen der HERR erklärt: „Sie werden mit ihrem ganzen Herzen zu mir umkehren“ (V. 7).
Die Bestrafung der Aufständigen
„Und wie die schlechten Feigen, die vor Schlechtigkeit nicht gegessen werden können – ja, so spricht der HERR, so werde ich Zedekia machen, den König von Juda, und seine Fürsten und den Überrest von Jerusalem, die in diesem Land Übriggebliebenen und die im Land Ägypten Wohnenden. Und ich werde sie zur Misshandlung, zum Unglück hingeben allen Königreichen der Erde, zum Hohn und zum Sprichwort, zur Spottrede und zum Fluch an allen Orten, wohin ich sie vertreiben werde. Und ich werde das Schwert, den Hunger und die Pest unter sie senden, bis sie aufgerieben sind aus dem Land, das ich ihnen und ihren Vätern gegeben habe“ (24,8–10).
Diejenigen, die im Land bleiben, deren ganzer Wunsch es ist, den Chaldäern zu entkommen, und die sich nach Ägypten wenden, um dort Zuflucht zu finden, werden kein Gelingen haben. Sie werden durch die schlechten Feigen dargestellt. Dadurch, dass sie sich der Zucht des HERRN verweigern, werden sie sich strengeren Bestrafungen aussetzen, bis dass sie völlig zerstreut und zerstört sein werden. Der weitere Verlauf des Buches Jeremia zeigt uns, wie die Entronnenen nach Ägypten fliehen werden, um dort hören zu müssen, dass ihre Zerstörung fest beschlossen ist (Jer 44,11–14).
Das Ergebnis der Zucht 1
Die Wiederherstellung und Segnung der Weggeführten zeigt die Treue Gottes, seine Verheißung zu erfüllen. Er bedient sich dabei derer, die die Zucht Gottes nicht verachten, sondern sich von ihr aufwühlen lassen, um mit ganzem Herzen zu dem umzukehren, der sie geschlagen hat. Die Zerstreuung und Zerstörung der Übriggebliebenen machen deutlich, dass die Flucht aus der Bestrafung Gottes, die er benutzt, um zu korrigieren, zu einer noch schmerzhafteren Zucht führt, sogar zum Zerbruch (Spr 29,1).
Es ist Gott, der handelt, um ein Herz zur Wiederherstellung bereit zu machen. Er hat immer die letztendliche Erfüllung seiner Segensverheißungen im Blick. Dadurch ermutigt er den Glauben derjenigen, die sich seiner Zucht unterstellen, auch wenn diese Erfüllung noch fern ist.
Fußnoten
- 1 vgl. Heb 12,11