Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis
Psalm 102
Vor der Betrachtung der einzelnen Verse des Psalms soll versucht werden, einige Aspekte des Inhalts zusammenfassend zu beschreiben. Die Überschrift stellt den Psalm als ein Gebet vor. Hier schüttet ein Gottesfürchtiger seine innere Not vor dem HERRN aus. Dem schweren Druck persönlichen Leidens droht der Betende fast zu erliegen. Er braucht dringend Hilfe: Der HERR möge Sein Angesicht nicht vor ihm verbergen und sich ihm zuneigen (Verse 1 bis 3; Ps 69,16–19). Der Psalm spricht von schwerer Bedrängnis, aber auch von echtem, wirksamem Trost. Er legt dar, wie ein schwer Geprüfter eine tiefe Erniedrigung erfährt und danach eine wunderbare Erhöhung. Es wird berichtet, dass der Glaubende den Tod vor Augen hat. Er sieht die bisher erwartete Erfüllung der göttlichen Verheißungen bereits dahinschwinden. Im weiteren Verlauf aber erlebt er, dass Gott sich ihm mit einer Fülle von Gnade zuwendet. Indessen bittet der Leidende nicht nur in eigener Sache um Hilfe, sondern verwendet sich vor Gott zugleich für andere seufzende „Kinder des Todes“ (Vers 21), dass Gott sie aus ihrer hoffnungslosen Lage erlösen möge. Auch fleht er um Erbarmen für Zion, das in Schutt und Trümmern daliegt. Bei allem hält der unter schwerem Druck stehende Beter an den Zusagen der Heiligen Schrift fest und beweist unerschütterlichen Glauben an seinen Gott. Weil Gott ewig lebt, kann das Volk Seiner Heiligen nicht untergehen; der HERR wird Zion wieder aufbauen. Er wird auf den Glauben Seiner Knechte antworten, weil ihre Herzen mit Seinen Zielen übereinstimmen. Gottes Barmherzigkeit kann das Seufzen Seiner Gefangenen nicht überhören. Sein Ruhm ist ein ewiger Ruhm und wird Ihm von Anbetern gebracht werden, die Ihm in tiefer Dankbarkeit verbunden sind; sie leben in Ewigkeit in Seiner Nähe und glücklichen Gemeinschaft mit Ihm.
Der wahre Glaube an den einen allmächtigen Gott vermag die Hoffnung auf das persönliche Erreichen des herrlichen Zieles auch dann festzuhalten, wenn die gegenwärtigen Umstände dem völlig zu widersprechen scheinen. Der Glaubende hebt den Blick über die Entfaltung des Bösen und den daraus folgenden Ruin hinweg zu der über allem stehenden Regierung Gottes, der allein die Mittel hat, das Böse ganz zu beseitigen und das Gute zur ewigen Herrschaft zu bringen. Das Vertrauen auf die göttliche Macht und Güte und auf den daraus folgenden Sieg des Guten lässt ihn beim Warten auf Gottes Eingreifen ausharren. Die Glaubensgewissheit ist für den Psalmdichter die entscheidende Hilfe bei dem Ertragen schwerster Belastungen. Er verschweigt nicht, dass die Nöte ihn niederwerfen und innerlich verletzen. In bewegenden Worten und Bildern beschreibt er Seine Empfindungen während der Leidenszeit mit ihren extremen Höhepunkten. Für die Gläubigen späterer Zeiten ist es tröstlich und stärkend, dass ihnen hier ein Glaubender voranging, der, von furchtbarem Leid geprüft, dennoch standhielt, die Hoffnung auf Gott nicht aufgab und dafür überaus reich belohnt wird. Dass Gott diesem leidenden treuen Gläubigen in seiner aussichtslosen Lage herrliche Zusagen macht, vermittelt Einblicke in die feste Absicht Gottes, den für ewig zu retten, der Ihm in Wahrheit vertraut und allein auf Ihn hofft.
In Kapitel 1,10–12 des Briefes an die Hebräer werden die Verse 26 bis 28 aus dem vorliegenden Psalm als eine Prophezeiung angeführt, die sich auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, bezieht. Dadurch wird klar herausgestellt, dass dieser Psalm speziell von dem Herrn Jesus und Seinen Leiden auf der Erde spricht. Ohne Zweifel hatte längst vor Seinem Dasein der Psalmist furchtbare Umstände im Gottvertrauen durchlebt und hatte, ergeben in Gottes Willen, die Verkürzung seines Lebensweges hingenommen (Verse 4.11.24). Er hatte den Eindruck, dass Gott ihn emporgehoben und dann hingeworfen hatte, „abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen“ (Jes 53,8). Diese Not, verbunden mit vollkommenen Empfindungen, musste der Herr Jesus in absoluter Wirklichkeit kennenlernen, als Er zum Tod verurteilt wurde und am Kreuz litt und starb. So ging die Weissagung des Propheten Daniel in Erfüllung, dass „der Messias weggetan (oder: ausgerottet) werden und nichts haben“ sollte (Dan 9,26). Daher besteht kein Zweifel, dass der Heilige Geist im vorliegenden Psalm die Empfindungen der Seele Jesu offenbart und voraussehend schildert. Er spricht hier als der Messias Israels, der dem sicheren Tod entgegensah. Von dem Volk und dessen Führung verworfen und verhöhnt, konnte Er damals Zion und Israel wegen ihres Unglaubens nicht befreien. Das damalige Jerusalem wird als eine verderbte Stadt beschrieben, „wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde“ (Off 11,8). „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind“ (Mt 23,37). Doch wenn Ihm auch zu diesem Zeitpunkt der Tod unausweichlich vor Augen stand, so würde mit Gewissheit der Tag kommen, an dem Er in Herrlichkeit wieder auf der Erde erscheint, um sich Israels zu erbarmen und Zion aufzubauen (Mt 23,39). Dann würde in Zion Sein Lob verkündet werden, und alle Völker würden Ihm dienen (Verse 14 bis 23). Bis jetzt ist der von Gott festgesetzte Zeitpunkt, Zion zu begnadigen, noch nicht gekommen und Christus ist, insgesamt gesehen, noch immer der von Israel und der Welt Verworfene (Jes 49,5–9; 59,20). Da inzwischen der Herr Jesus durch Seinen Tod am Kreuz das Sühnungswerk vollbracht hat, ist die Grundlage für die Begnadigung Israels gelegt und die dazu von Gott vorbestimmte Zeit rückt heran. In der Zukunft werden alle Völker den Herrn Jesus als Gott, den HERRN, anerkennen, der ewig Derselbe ist und alle Dinge geschaffen hat und erhält (Verse 16.17.28f). Als Mensch hat Er gelitten, als verherrlichter Mensch und als ewiger Sohn Gottes wird Er über alles herrschen.
Die Verse 2 bis 12 beschreiben die Not eines Hilfe suchenden Gottesfürchtigen. In diese Lage hat Sich der Herr Jesus als Mensch freiwillig begeben, als Er „sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7.8). Auch der Psalmdichter entzog sich zu seiner Zeit nicht dem ‚Tag der Bedrängnis' (Vers 3). Selbsthilfe kam für ihn ebenfalls nicht in Betracht, vielmehr überließ er sich der Hand Gottes und bat um Erhörung seines Gebets (Verse 2 und 3; Ps 17,1; 62,8; 69,16–19). Im Machtbereich der Herrschaft des Bösen verwirklichte sein Glaube die Nähe Gottes; er verließ sich ganz auf Gottes Barmherzigkeit und Macht und zugleich auf die Erhörung seines Flehens. Da die eigene Lebenskraft wie Rauch dahinschwand, war rasche Hilfe notwendig. Er erfuhr am eigenen Körper das Versiegen menschlicher Kraftreserven, sie verzehrten sich zusehends und ‚verglühten' unaufhaltsam wie ein erlöschendes Feuer (Vers 4). Damit verband sich seelische Not und hilflose Verlassenheit. Dies ließ ihn seufzen und nahm ihm den Mut weg. Quälende Gedanken wegen seines Zustandes belasteten ihn. Die äußeren Umstände ließen nicht auf irgendwelche Besserung hoffen, vergeblich hielt er Ausschau nach etwas Tröstendem. Unter den vielen gleichgültigen Menschen in der moralischen Nacht und Finsternis dieser Welt, die nicht erkennen, wohin die Menschheit treibt und dass sie in einer dunklen Wüstenei und in Ruinen leben (Verse 7 und 8; 1. Thes 5,6–8), war er wie ein einsam Wachender, der, belehrt durch die Heilige Schrift, von einer hohen Warte aus das schlimme Ende des Zeitlaufs kommen sah: „Ich wache und bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dach“. Martin Luther sagt hierzu: ‚Die Welt ist ein Haus, darin sie alle schlafen und eingeschlossen liegen. Ich allein aber bin außerhalb des Hauses, auf dem Dach, und auch doch nicht in der Welt. Die Welt habe ich unter mir, den Himmel über mir; also schwebe ich zwischen der Welt Leben und dem ewigen Leben einsam, aber im Glauben‘. Ein solches Erleben veranschaulicht auf eindrückliche Weise die Umstände, unter denen auch der Herr Jesus einst seufzte (Mk 3,5; 7,34; 8,12; 9,19; Jes 49,4ff). Vergeblich schaute der Herr nach verständnisvollen Freunden aus, die Seine Empfindungen teilten und mit Ihm seufzten und litten. Mit Trauer beklagte Er den Mangel an Mitgefühl: „Begreift ihr noch nicht und versteht auch nicht? Habt ihr euer Herz verhärtet? Augen habt ihr und seht nicht, und Ohren habt ihr und hört nicht?“ (Mk 8,17f). Das Leiden unter diesen traurigen Verhältnissen wurde auf böswillige Art noch vergrößert durch den Hohn der Feinde, deren Hass Sein Unglück voller Genugtuung begleitete (Vers 9; Ps 42,4.11; 69,20f). Wenn ein gläubiger Christ durch Leiden geprüft wird und harte Proben zu durchstehen hat, wird ihn der Gedanke trösten können, dass der Herr Jesus auf ungleich schwerere Weise gelitten hat. Doch ein noch tiefer gehender Trost ist es, dass er auch mit Christus verherrlicht werden wird (Röm 8,17).
Von Vers 10 an wenden sich die Gedanken des Psalmdichters mit Sorgen der eigenen Zukunft zu, denn von Asche als Brot und von Tränen kann ein Mensch nicht leben (Ps 42,4). Die Lage erscheint aussichtslos. Von Gottes Güte, durch die der Mensch lebt, ist zurzeit nichts wahrzunehmen. Weit eher bedeuten die Umstände Zorn und Grimm (Vers 11). Als Antwort auf sündige Zustände in dieser Welt ist der Zorn gerecht, er entspricht der Heiligkeit Gottes. Obwohl der Gottesfürchtige innerlich ganz auf der Seite Gottes steht, hat er dennoch unter den Übeln zu leiden, die durch Satan in diese Welt gekommen sind und unter Gottes Strafe stehen. Dabei ist ihm klar, dass den gerechten Maßnahmen der Regierung Gottes gegenüber dieser Welt der Vorrang vor den eigenen Wünschen gebührt, daher unterwirft er sich den Fügungen Gottes; Sein souveränes Handeln beanstandet er nicht, selbst wenn er es als hart empfindet: „Du hast mich emporgehoben und hast mich hingeworfen“ (Vers 11). Seine Tage waren gezählt. Sein Ende war abzusehen wie bei verdorrendem Gewächs. Je länger der Schatten sich dehnte, desto näher war die Finsternis der Nacht (Vers 12; Ps 90,6; 109,23). Dennoch zeigt sich der Psalmist nicht verbittert, sondern wirft im Gebet die Not und den Schmerz seines Körpers und seiner Seele auf Gott (Ps 55,23).
Um diese Folgen der Sünde, die den Menschen begegnen und sie belasten, mitzuerleben und sie zu erleiden, ist der ewige Sohn Gottes, der Herr Jesus, in diese Welt gekommen. Er wusste vorher um das, was Ihm bevorstand. Er war nicht gekommen, um zu richten, zu herrschen oder bedient zu werden, obwohl Ihm dies gebührte und zugestanden hätte. „Christus wird hier völlig als Mensch betrachtet... Die Leiden Christi, welche hier vor uns stehen, sind weit umfassender, als wenn sie nur aus der Hand der Menschen kämen... Wir haben hier Ihn selbst, Sein Abgeschnittensein als Mensch. Er ist in Bedrängnis; sein Herz ist verdorrt. Er gleicht dem Pelikan der Wüste, der Eule der Einöden. Seine Tage sind wie ein gestreckter Schatten. Er verdorrt wie Kraut“ (Darby). Seine Worte „du hast mich emporgehoben und hast mich hingeworfen“ (Vers 11) machen nur deutlich, wie hart dieses Seine Person getroffen hat. Er war als Messias angekündigt und gesandt worden, aber statt der Erfüllung dieser ehrenvollen Aufgabe blieb Ihm nur, klagend auszurufen: „Du hast mich hingeworfen“ und „Er hat meine Kraft gebeugt auf dem Weg, hat verkürzt meine Tage“ (Verse 11 und 24). Als der Herr Jesus „in Schwachheit gekreuzigt“ wurde, machte Er von der Ihm zur Verfügung stehenden Kraft keinen Gebrauch (2. Kor 13,4). Als Messias war Er weggetan und hatte nichts (Dan 9,26) und „Israel ist nicht gesammelt worden“ (Jes 49,5).
Trotz dieser betrübenden Tatsachen war der Herr Jesus nicht entmutigt. Ihn kennzeichnete in Seinem Leiden ein unerschütterlicher Glaube an den HERRN, der unveränderlich Derselbe ist, dessen Ratschlüsse immer zustande kommen, dessen Güte nicht von Seinem Volk weichen wird und dessen Friedensbund nicht wankt (Verse 13 und 14; Jes 54,10). Gott wird Seinen Knecht, den Er erwählt hat, nicht verlassen (Jes 42,1; 43,10). Nicht das für Seine Person Vorteilhafte, sondern der Wille Gottes sollen zur Durchführung kommen, damit die Ziele des göttlichen Ratschlusses erreicht werden. Durch die Verwerfung des Messias haben sich die Erbarmungen des HERRN gegenüber Israel verzögert. Aber dies hat die von Gott beabsichtigte Wirkung, dass in der Zwischenzeit viele Menschen aus allen Nationen für Christus und als Anbeter Gottes gewonnen werden. Wenn die Schar der wahren Christen vollzählig ist, „wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,25–32). Denn dann ist die bestimmte Zeit gekommen, „es zu begnadigen“. Dann wird der HERR aufstehen und wird Sich über Zion erbarmen (Vers 14; Ps 85,1–4; Lk 21,24). Dem Wirken der Mächte des Bösen ist eine gewisse Zeit eingeräumt (Lk 22,53). Aber Gott hat ihr Ende bereits beschlossen und wird die dafür festgesetzte Stunde wahrnehmen.
Der Glaube gottesfürchtiger Juden in der kommenden Endzeit sieht diesen Zeitpunkt herannahen. Sie werden die Überzeugung gewinnen, dass Gott in Kurzem die Verheißung des Verses 17: „Der HERR wird Zion aufbauen“, erfüllen und in Herrlichkeit erscheinen wird. Dies geschieht dann gleichzeitig zur Erhörung ihrer Gebete um die Wiederannahme und um die Rettung ihres Volkes aus der dann währenden großen Drangsalszeit (Vers 18; Ps 60,3–8; 80,15f; Klgl 5,21; Mt 24,29–33). Der prophezeite Wiederaufbau wird in Vers 17f dem Erbarmen und der fürsorglichen Liebe des HERRN zugeschrieben. Die zu Ihm Umgekehrten werden in Vers 15 anerkennend „Knechte“ des HERRN genannt. Sie haben sich Ihm unterworfen. Sie haben Gefallen an den Steinen des zerstörten Zion und werden Mitleid empfinden mit seinem Schutt. So beweisen sie ihren Glauben an den HERRN und Seine Verheißungen, zugleich auch ihre Liebe zu der Stadt, welche Gott liebt und erwählt hat (Vers 15; Ps 147,2; Klgl 2,6.15; 4,1f; Jes 49,16; 61,4; 64,10f; 66,10; Hes 36,10–12). Diese Gläubigen aus Israel bilden den Grundstock für „das künftige Geschlecht“, das „Volk, das erschaffen werden soll“, um Jah zu loben. Zu ihrer Stärkung im Glauben und als Zielsetzung für ihre Hoffnung sind die hier vorausgesagten Ereignisse aufgeschrieben worden (Verse 18 und 19; Ps 22,31f; 110,3; 118,24; Sach 13,9). Für alle Nationen der Erde werden die herrlichen Taten der Macht und Liebe des HERRN an Seinem irdischen Volk und Jerusalem zu einem beeindruckenden Zeugnis von der Größe Gottes werden. Um der offenbarten Herrlichkeit des HERRN willen werden die Nationen und ihre Herrscher Seinen Namen fürchten (Vers 16; Ps 97,5.6; 138,4–6; Jes 66,18). Sie alle stehen dann ständig unter dem überwältigenden Einfluss der sich offenbarenden Macht des HERRN. „Denn er hat herabgeblickt von der Höhe seines Heiligtums; der HERR hat herabgeschaut vom Himmel auf die Erde“ (Vers 20; 2. Mo 2,24f; 3,16). Die Bevölkerung der Erde wird dann wahrnehmen, dass Seine Gnade sich Seines Volkes angenommen und dessen Seufzen in Lobgesang verwandelt hat. Anstelle von Gefangenschaft und Tod schenkt Er ihnen Freiheit und Leben. Die wunderbare Wandlung, die Rettung Seines Volkes vor dem Untergang, auch das Überleben von Menschen überhaupt auf der Erde, alles dieses wird bewirkt durch das Erscheinen Jesu Christi in Herrlichkeit, durch Sein zweites Kommen als Messias Israels. Die Wahrheit des Wortes Gottes, Seine Macht und Gerechtigkeit als Richter und Seine Güte als Schöpfer sind dann vor allen Menschen offenkundig geworden. Das bringt die Völker dahin, Ihm zu dienen (Verse 21 bis 23; Ps 22,28; 146,6–10; Jes 2,2f und 60,1–3).
Die Gläubigen aus Israel werden in der kommenden Zeit des Endes als Erste Christus, den Messias, annehmen. Im Weiteren werden dann alle Völker den Gekreuzigten als den ewigen Sohn Gottes und HERRN anerkennen. Alle Reiche der Erde und die ganze Schöpfung liegen Ihm fortan zu Füßen (Heb 1 und 2). Er wird erkannt als der, der bei Seinem ersten Kommen als Messias „emporgehoben und hingeworfen“ wurde (Vers 11). Wenn Er zukünftig von neuem auf der Erde ist, dann jedoch in Herrlichkeit, wird für alle unbestreitbar sein, dass dieser Herrscher und Richter der Welt Jesus Christus, der Gekreuzigte ist. Er ist zugleich ewiger Gott und der Schöpfer (Verse 25 und 26; Kol 1,15–17). Er ist von Ewigkeit zu Ewigkeit Derselbe (Vers 28). Die Würde, die Rechte und Ansprüche als ewiger Gott und als der Anfang aller Dinge hat Er von Ewigkeit her, nicht erst seit Seinem ersten Kommen als Mensch oder seit dem zweiten Kommen in Herrlichkeit. Als Sohn Gottes trägt Er von Ewigkeit her den Namen Gott (Joh 1,1–3). Er muss als Gott anerkannt und verehrt werden, und Ihm muss Gehorsam geleistet werden. Darum wird Jesus Christus in dem Brief an die Hebräer, Kapitel 1,10–12, unter Wiedergabe der Worte dieses Psalms angesprochen: „Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände. Sie werden untergehen, du aber bleibst; und sie alle werden veralten wie ein Gewand, und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, und sie werden verwandelt werden. Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht vergehen“ (Verse 26 bis 28; Jes 43,10; Heb 13,8). Sein Wesen ist unwandelbar. Sein ewiges Sein ist durch Zählen von Jahren und Tagen nicht zu erfassen. Denn menschliche Vorstellungen und Maßstäbe sind auf Ihn nicht anwendbar. Seine Kraft und Macht ist unendlich groß. Sein Wille lenkt letztlich alles. Er setzt allem Geschaffenen den Anfang und das Ende (Jes 41,4; 48,12; Off 1,17.18). Er ist „der Heilige und Wahrhaftige, der den Schlüssel des David hat, der öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen“ (Off 3,7). Was Er geschaffen hat, kann Er jederzeit auflösen, ohne dass ein Rest übrigbleibt (2. Pet 3,7.10). Mit der Leichtigkeit, mit der man ein Kleidungsstück ablegt (Vers 27), vermag Er den Himmel und die Erde wegzunehmen (Off 20,11; 21,1). Und doch lässt Er Sich von Seinen Geschöpfen mit Hilfe der Offenbarungen erkennen, die in der Heiligen Schrift über Seine Person geschrieben stehen. Das Kundwerden Seiner herrlichen Person ist zum ewigen Leben und bleibenden Nutzen derer geschehen, die Ihn als den Gekreuzigten und ebenso als den ewigen Sohn Gottes erkennen (Jes 53,12; Joh 17,1–3; 1. Thes 1,9.10; 1. Joh 5,20). Die an Ihn Glaubenden lässt Er in Seiner Gegenwart wohnen; sie sind Sein besonderes Eigentum (Mal 3,17f). Ihnen und ihrer Wohnstätte schenkt Er ewigen Bestand (Vers 29). Der Herr Jesus sagt: „Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“ (Lk 21,33).