Eine Fülle von Herrlichkeiten Christi
... dargestellt vom Himmel her
Die Schöpfung als Zeugnis göttlicher Herrlichkeit
Geschöpfe können die Herrlichkeit Gottes nicht unmittelbar anschauen, denn Gott bewohnt ein unzugängliches Licht (1. Tim 6,16). Wenn Menschen schon nicht das helle Licht der Sonne im direkten Anblick ertragen können, wie viel weniger dann den Lichtglanz der Herrlichkeit dessen, der sie erschuf. Auch Engel sind nicht in der Lage, mit unbedecktem Angesicht in der Gegenwart Gottes zu erscheinen (vgl. Jes 6,2).
Wie wunderbar, dass Johannes im Blick auf den Sohn Gottes schreiben kann: „Niemand [das heißt kein Geschöpf, weder Mensch noch Engel] hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1,18). Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15), die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens (Heb 1,3). In Ihm allein werden göttliche Herrlichkeiten in vollkommener Weise sichtbar, denn Gott offenbart sich in Seinem Sohn (1. Tim 3,16).
Im Alten Testament waren diese Wahrheiten noch verborgen; dennoch finden wir auch dort schon Zeugnisse göttlicher Herrlichkeit, die Seine Weisheit und Allmacht kundwerden lassen. In Psalm 19 wird uns die Größe Gottes in Seiner Schöpfung vorgestellt. Dieses Zeugnis Seiner Herrlichkeit erstreckt sich bis in die heutige Zeit und ist deshalb unserer besonderen Beachtung wert.
Die Herrlichkeit Gottes in Psalm 19
Der Psalmdichter beginnt mit den Worten: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk“ (Ps 19,2). Dieses Zeugnis der Herrlichkeit Gottes ist umfassend. Denken wir nur an die unzählbaren Sterne, die Gott in die Ausdehnung des Weltalls gesetzt hat. Das Bestreben des Menschen war es von jeher, dieses Sternenheer zu zählen. Doch schon Galileo Galilei, der als erster Mensch die Sterne mit einem Fernrohr beobachtete, musste feststellen, dass die Menge der Sterne nicht gezählt werden konnte – je weiter er in den Himmel schaute, umso mehr Sterne entdeckte er. Dieser Befund hat sich bis heute nicht verändert, obwohl moderne Teleskope weitaus größer und genauer sind als das Instrument von Galilei und sogar um die Erde kreisen, um den Sternenhimmel ungestört beobachten zu können (der Einband dieses Buches zeigt ein Bild des Hubble-Telekopes von der gewaltigen Sternenformation Doradus).
Gott hat diese unzählbare Menge erschaffen, um Seine Herrlichkeit in der Schöpfung zu offenbaren. Er beließ es nicht bei einigen wenigen Sternen, sondern Er erschuf eine gewaltige Ansammlung, die der Mensch nicht zählen kann. Doch „Gott zählt die Zahl der Sterne, nennt sie alle mit Namen“ (Ps 147,4).
Dieses gewaltige Zeugnis der Herrlichkeit Gottes in Seiner Schöpfung hat drei besondere Kennzeichen, die im weiteren Verlauf von Psalm 19 vorgestellt werden: Es ist ein ununterbrochenes Zeugnis („Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde“, V. 3), ein unmissverständliches Zeugnis („Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme“, V. 4) und ein unbeschränktes Zeugnis („Ihre Messschnur geht aus über die ganze Erde“, V. 5) – es ist, zusammenfassend gesagt, ein universelles Zeugnis.
Das Zeugnis des Evangeliums
Im Neuen Testament wird dieser universelle Charakter des Zeugnisses Gottes in Seiner Schöpfung auf die weltweite Wirkungsweise des Evangeliums übertragen. Der Apostel Paulus zitiert hierzu in Römer 10,18 den 5. Vers aus Psalm 19.
So sorgte Gott dafür, dass im Anfang der Verkündigung des Evangeliums einer aus jeder Linie der Nachkommenschaft Noahs (von seinen Söhnen Sem, Ham und Japhet) der guten Botschaft glaubte. Dadurch wurde deutlich, dass das Evangelium zu allen Menschen durchdringt: In Apostelgeschichte 8 ist es der Kämmerer, ein Äthiopier und damit ein Sohn Hams, der sich aufgrund der Verkündigung des Evangeliums bekehrte; in Apostelgeschichte 9 Paulus, ein Hebräer und damit ein Nachkomme Sems (Sem ist der Vorfahre der Söhne Hebers, der Hebräer, vgl. 1. Mo 10,21); dann sehen wir noch in Apostelgeschichte 10, wie der römische Hauptmann Kornelius, der von Japhet abstammte, zum Glauben kam.
Ist dies nicht auch ein gewaltiges Zeugnis von der herrlichen Größe und Weisheit Gottes, die wir neben Seiner Schöpfer-Herrlichkeit bewundernd betrachten dürfen?
Zum Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes
Bevor wir nun mit der Betrachtung verschiedener Herrlichkeiten Christi beginnen wollen, ist zu bedenken, dass dies mit einem außerordentlichen Vorrecht verbunden ist, denn kein Mensch ist in der Lage Seine absolute Herrlichkeit anzuschauen (Joh 1,18; 1. Joh 4,12). Wie schon anfänglich erwähnt bewohnt Gott ein unzugängliches Licht (1. Tim 6,16) und ist daher für das menschliche Auge unsichtbar. Schon in der Schöpfung wird uns dies veranschaulicht, denn auch das von einer Lichtquelle ausgehende natürliche Licht ist an sich nicht sichtbar. Wir sehen nur das, was durch das Licht beleuchtet wird, nicht aber das Licht selbst. So wäre auch das Licht Gottes verborgen geblieben, wenn Christus es nicht in vollkommener Weise sichtbar gemacht hätte. An Ihn, dem „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), wird das unsichtbare Licht göttlicher Natur erkennbar.
Die Natur des Lichts ...
Dieses Bild nun spiegelt die Herrlichkeit Gottes in ihrer ganzen Vielfalt wider; das Licht verbreitet nicht nur Helligkeit, sondern entfaltet ein herrliches Spektrum göttlicher Eigenschaften: Heiligkeit, Gerechtigkeit, Reinheit, Wahrheit – alles dies sind Merkmale des göttlichen Wesens, die durch den Sohn sichtbar werden. Auch das natürliche Licht enthält ja diese Vielfalt. Zunächst einmal verbreitet es Helligkeit, doch es setzt sich aus einem Spektrum der verschiedensten Farben zusammen, die sich wie im Regenbogen nebeneinander auffächern, wenn das Licht gebrochen wird.
So deuten schon einige Merkmale des Lichts direkt auf den hin, der die Quelle des Lichts ist!
... im Vergleich zum Wesen Gottes
Kein Geschöpf vermag jedoch dieses strahlende Licht göttlicher Herrlichkeit ohne weiteres in voller Stärke zu ertragen – daher bedecken selbst Engel ihre Angesichter mit ihren Flügeln (Jes 6,2), und auch Moses musste damals aus der Gegenwart Gottes kommend sein leuchtendes Angesicht bedecken, weil die Israeliten den bloßen Widerschein dieser Herrlichkeit nicht ertragen konnten. Aber im Sohn Gottes können wir das Licht mit „aufgedecktem Angesicht“ erblicken! Wie ist das möglich? Weil es in Ihm als einem Menschen sichtbar wird!
Einerseits kann nur durch einen Menschen das Licht Gottes den Menschen zugänglich gemacht werden. Andererseits aber kann nur Gott selbst den Lichtglanz Seiner eigenen Herrlichkeit hinreichend offenbaren. Somit ist nur der Sohn in der Lage, das Licht Gottes umfassend darzustellen, denn Er ist Gott und Mensch in einer Person. Nur Er verkörpert diese beiden notwendigen, aber so grundverschiedenen Wesenszüge zugleich. Er hat nie aufgehört, Gott zu sein, obwohl Er Mensch wurde und Er wird nie aufhören, Mensch zu sein, obwohl Er Gott ist.
Licht und Finsternis
Vor dem Hintergrund dieser wunderbaren Eigenschaften des Lichts tritt ein weiteres Merkmal deutlich hervor – die Unvereinbarkeit von Licht und Finsternis. Dieser Gegensatz wird schon durch das Handeln Gottes im Anfang Seiner Schöpfung deutlich: Nachdem Gott durch Sein Wort Licht hervorgerufen hatte, trennte Er es unverzüglich von der Finsternis (1. Mo 1,4). Da Finsternis nichts anderes ist als das völlige Fehlen von Licht, lässt sich kein Zustand erzeugen, der beides zugleich umfasst. Es gibt keinen Raum, der gleichzeitig erleuchtet und finster ist. Licht hat keine „Gemeinschaft“ mit Finsternis (2. Kor 6,14).
Dennoch versucht Satan, in moralischer Hinsicht aus der Finsternis heraus das Licht zu imitieren. Es gehört zu seinen Listen, das Tun und Reden Gottes nachzuahmen, um so die Menschen zu verführen. Er täuscht vor, Licht zu haben, obwohl er selbst in der Finsternis ist. Dadurch verblendet er den Sinn – bildlich „die Augen“ – der Menschen (2. Kor 4,4; 1. Joh 2,11) – nicht etwa durch überhelles Licht, sondern durch absolute Finsternis, denn es heißt, dass „die Finsternis die Augen verblendet hat“ (1. Joh 2,11). Unser Gott dagegen ist Licht und gar keine Finsternis ist in Ihm. Was für ein Gegensatz!
Wie dankbar können wir dafür sein, dass Gott „in unsere Herzen geleuchtet hat“! So ist „die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“, die wir „im Angesicht Christi“ sehen, in unseren Herzen zu einem „Lichtglanz“ geworden (2. Kor 4,6). In Christus wird das Licht Gottes und der Abglanz Seiner Herrlichkeit niemals aufhören zu leuchten. Das Angesicht Moses hörte auf zu strahlen, nicht aber das Angesicht Christi! Es wird auf ewig ein wunderbares Licht widerspiegeln – die Herrlichkeit Gottes.
Das Bild des unsichtbaren Gottes
Es ist also ein unschätzbares Vorrecht, göttliche Herrlichkeiten in Christus, dem Bild des unsichtbaren Gottes, erblicken zu können. Abgesehen von den verschiedenen Herrlichkeiten, die so zur Darstellung kommen, beinhaltet dieser Titel des Herrn an sich schon wunderbare Herrlichkeiten Seiner Person.
Wenn man den Ausdruck „Bild des unsichtbaren Gottes“ liest, könnte man sich fragen: Wie lässt sich denn etwas Unsichtbares abbilden? Durch ein Bild lassen sich doch nur sichtbare Dinge darstellen, jedoch nichts Unsichtbares. Wie kann es demnach ein Bild des unsichtbaren Gottes geben? Was für Menschen nicht nachzuvollziehen ist, kommt in der Person des Herrn Jesus in wunderbarer Weise zum Ausdruck! Das wollen wir ein wenig näher betrachten.
Zuweilen hebt die Heilige Schrift bestimmte Eigenschaften der Person Christi hervor, die auf den ersten Blick aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit nicht miteinander vereinbar erscheinen. Aber gerade dann handelt es sich um eine ganz besondere Mitteilung über Ihn – denken wir nur daran, dass Er Gott und Mensch in einer Person ist! Ähnliche Kontraste finden wir auch im Hebräerbrief, wo Christus als Priester und zugleich als Opfer gezeigt wird – so in Kapitel 9,11–15, wo es heißt, dass Er „als Hoherpriester gekommen“ ist „mit seinem eigenem Blut“. Hier grenzen zwei an sich verschiedene Bilder aneinander und bilden so eine Einheit. Auch in Johannes 10 haben wir ein Mehrfach-Bild: Er ist „der gute Hirte“, der rechtmäßig „durch die Tür“ eingeht und nicht woanders hinübersteigt, und wiederum ist Er „die Tür der Schafe“, durch die jemand gehen muss, wenn er errettet werden will. Solche Kontraste sind ein eindrucksvolles Mittel der Heiligen Schrift, Christus in Seiner unfassbaren Größe und Herrlichkeit vorzustellen. So verhält es sich auch mit dem Titel „Bild des unsichtbaren Gottes“.
Der Herr Jesus ist nun dadurch das Bild des unsichtbaren Gottes geworden, dass Er als Mensch Gott dargestellt hat. Er konnte sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). Christus ist Mensch geworden, um Gott den Menschen zu offenbaren. Dabei ist es von größter Bedeutung, dass Christus nicht nur für einen gewissen Zeitraum die Gestalt eines Menschen annahm, sondern dass Er als Sohn Gottes zugleich für immer der verherrlichte Mensch im Himmel bleiben wird, so dass wir in Ihm den Vater sehen werden. So wird Christus auch als verherrlichter Mensch das Bild Gottes bleiben, das Er schon hier als Mensch auf der Erde dargestellt hat.
Diese Darstellung geschah damals auf wunderbare und sehr vielfältige Weise. Schon in den alltäglichen Umständen Seines Lebens ist dies zu beobachten. So rief der Herr einst die Kinder zu sich und nahm sie auf Seine Arme – ein liebliches Bild des Erbarmens Gottes, der sich den Geringen zuwendet, um ihnen Heil und Segen zu bringen. Welch ein eindrucksvolles Bild des unsichtbaren Gottes!
Bei der Taufe des Herrn traten sogar für einen Augenblick alle drei Personen der Gottheit bei Ihm in Erscheinung, als der Heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf den Sohn hernieder fuhr und die Stimme des Vaters aus dem Himmel gehört werden konnte (Lk 3,21.22) – eine ganz einmalige Ausdrucksform des Bildes Gottes, das der Herr als Mensch hier auf der Erde darstellte!
Der Zusammenhang von Kolosser 1,15 zeigt klar, dass der Titel „Bild des unsichtbaren Gottes“ mit der Menschheit des Herrn Jesus in Verbindung steht, denn der ganze Vers stellt den Herrn als Mensch vor. Dort werden zwei Titel Seiner Person aufgeführt, die sich beide auf Seine Menschheit beziehen, jedoch aus einer unterschiedlichen Blickrichtung heraus: „Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung“. Als das Bild des unsichtbaren Gottes ist der Herr Jesus Mensch hinsichtlich Gottes und Seiner Darstellung, wohingegen der Titel „Erstgeborener aller Schöpfung“ Sein Menschsein in Bezug auf die Schöpfung andeutet.
Ist es nicht wunderbar zu sehen, wie hier die verschiedenen Herrlichkeiten Christi unmittelbar zusammenhängen und wie die einzelnen Farben eines Spektrums ineinander übergehen?
Wir haben Christus als das Bild des unsichtbaren Gottes betrachtet, der die Herrlichkeit Gottes als Mensch offenbar macht und werden dabei gleichzeitig zu einem weiteren Aspekt Seiner Herrlichkeit geführt, denn Kolosser 1,15 macht deutlich, dass Er als solcher auch der „Erstgeborene aller Schöpfung“ ist.
Eingeborener Sohn und Erstgeborener
In Anlehnung an Kol 1,15 wollen wir nun vom „Bild des unsichtbaren Gottes“ auf die Herrlichkeiten Christi als „Erstgeborenen“ übergehen. Dabei ist es von großem Nutzen, den Herrn gleichzeitig auch als „Eingeborenen“ vorzustellen, denn beide Titel haben durchaus eine unterschiedliche Bedeutung, obwohl sie sich im Wortlaut ähnlich sind.
Der eingeborene Sohn
Der Ausdruck „eingeborener Sohn“ wird im Neuen Testament fünfmal auf den Herrn Jesus bezogen. Dabei wird der Herr nur in den Schriften des Johannes als eingeborener Sohn bezeichnet – viermal im Johannes-Evangelium (Joh 1,14.18; Joh 3,16.18) und einmal im ersten Johannesbrief (1. Joh 4,9). Doch warum schreibt im Neuen Testament nur Johannes von dem eingeborenen Sohn? Offensichtlich deshalb, weil dieser Apostel den Herrn vornehmlich als den Sohn Gottes vorstellt. Und tatsächlich finden wir in dem Titel „eingeborener Sohn“ Seine ewige Gottheit angedeutet, wohingegen uns die Bezeichnung „Erstgeborener“ auf den absoluten Vorrang des Herrn als Mensch gegenüber allem Geschaffenen hinweist (Kol 1,15).
Durch den Titel „eingeborener Sohn“ wird die Einzigartigkeit Seiner Person hervorgehoben und damit auf Seine ewige Gottheit Bezug genommen. Als eingeborener Sohn ist Er der einzige Seiner Art, der mit keinem anderen verglichen werden kann, weil der Ursprung Seiner Sohnschaft mit der ewigen Existenz Gottes einhergeht. Es ist also eine persönliche Herrlichkeit des Herrn Jesus, die mit keinem anderen Wesen in Verbindung gebracht werden kann.
Der Erstgeborene
Als Erstgeborener dagegen wird der Herr in Beziehung zu allem Geschaffenen gesehen (Kol 1,15) und damit auch zu den Menschen. In diese Beziehung ist Er dadurch eingetreten, dass Er in der Fülle der Zeit wahrer Mensch wurde – ohne Selbst ein Geschöpf zu sein. Der ewige Sohn wurde Mensch, damit Menschen Kinder Gottes werden konnten! Unter ihnen ist Er in einem besonderen Sinn der Erstgeborene, denn sie sind Seine Brüder und Miterben (Röm 8,17.29). Hier erstrahlt Seine Herrlichkeit in Verbindung mit vielen anderen „Söhnen“, zu denen auch wir gehören dürfen! Der Titel „Erstgeborener“ hebt somit mehr die offizielle Seite Seiner Herrlichkeit hervor, während sich Seine Herrlichkeit als „Eingeborener“ unabhängig von allem Geschaffenen darstellt.
Der Titel „Erstgeborener“ bezeichnet einen Rang und nicht eine zeitliche Abfolge. In Psalm 89 wird dieser Zusammenhang sehr deutlich gemacht. Dort heißt es über David, den jüngsten Sohn Isais: „So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten der Könige der Erde“ (Ps 89,21.28). Das Vorrecht des Erstgeborenen geht somit weit über die uns geläufige, zeitlich bedingte Auswirkung hinaus, wenn es in dem vollkommenen Menschen seinen absoluten Ausdruck findet!
Das Vorrecht des Höchsten, das also den Herrn Jesus als Erstgeborenen auszeichnet, kommt ebenfalls an fünf Stellen im Neuen Testament in unterschiedlichem Zusammenhang zum Ausdruck. Aber darauf wollen wir erst später etwas genauer eingehen.
Eingeborener und Erstgeborener zugleich ...
Beide Ausdrücke an sich werfen somit schon ein helles Licht auf die Herrlichkeiten Christi. Besonders wird aber die Schönheit Seiner Person dadurch offenbar, dass diese beiden Wesensarten gleichzeitig in Ihm zum Ausdruck kommen – Er ist Gott und Mensch in einer Person. Davon gibt die Heilige Schrift wiederholt Zeugnis.
... angedeutet im Alten Testament
Schon im Alten Testament finden wir, dass beide Titel direkt mit Christus, dem Messias, in Verbindung gebracht werden. An einer Stelle geschieht dies sogar in nur einem einzigen Vers! Gott benutzte hierzu den Propheten Sacharja, um auf die Tatsache hinzuweisen, dass Sein Sohn sowohl der Erstgeborene als auch der Eingeborene ist: „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn [Eingeborenen] und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt“ (Sach 12,10). Könnte im Alten Testament die Einheit von Gott und Mensch in der Person Christi als Ein- und Erstgeborener eindrucksvoller angedeutet werden?
... dargestellt im Neuen Testament
Ein anderes Beispiel dafür ist in der Struktur des Johannes-Evangeliums zu finden. Hierbei ist es bemerkenswert, dass gerade in diesem Evangelium, das den Herrn als den Sohn Gottes vorstellt, das Gleichgewicht der Darstellung von Gott und Mensch in Seiner Person besonders deutlich ist. Johannes deutet am häufigsten von allen vier Evangelisten darauf hin, dass der eingeborene Sohn Gottes auch der vollkommene Sohn des Menschen ist! Wir wollen dies auszugsweise etwas näher betrachten.
Schon im ersten Kapitel finden wir die paarweise Darstellung dieser beiden Wesenszüge des Herrn: In Johannes 1 wird über das Wort, das von Anfang an war und selbst Gott ist, gesagt, dass es Fleisch wurde und so als Mensch die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater offenbarte (Joh 1,1.14). Im 3. Kapitel sehen wir dann, wie der Herr von Sich als dem Sohn des Menschen spricht (V. 13.14), um unmittelbar danach auf Sich als den eingeborenen Sohn Gottes Bezug zu nehmen (V. 18). So finden wir auch im fünften Kapitel den Sohn Gottes (V. 25) direkt in Verbindung mit dem Sohn des Menschen erwähnt (V. 27).
Gleiches gilt auch für die Kapitel 11 und 12. Dort tritt der Herr am Grab des Lazarus als der eingeborene Sohn Gottes in Erscheinung, der allein Leben zu geben vermag (Kap. 11). Im Anschluss daran finden wir, dass Er als Sohn des Menschen im Begriff steht, Sein eigenes Leben zu lassen. Er ist das wahre Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt (Kap. 12). Wunderbarer Heiland, der als Sohn des Menschen (Erstgeborener) Sein eigenes Leben lässt und als Sohn Gottes (Eingeborener) ewiges Leben gibt! Beides finden wir auch in Johannes 10 wieder: Der gute Hirte ist dadurch gekennzeichnet, dass Er Sein Leben für die Schafe lässt (V. 17) und ihnen ewiges Leben gibt (V. 28). Das ist unser Heiland!
Wie bedeutsam ist doch die ausgewogene Darstellung Seiner Person als Eingeborener und Erstgeborener, als Gott und Mensch, die sich nicht nur durch das gesamte Johannes-Evangelium hinzieht!
Fünfmal „Erstgeborener“
Der Erstgeborene wird auch an fünf Stellen im Neuen Testament im Hinblick auf den Herrn Jesus erwähnt, jedoch nur einmal von Johannes (Off 1,5). Die Zusammenstellung dieser fünf Erwähnungen ist sehr aufschlussreich, denn dadurch wird deutlich, dass der Herr als Mensch in fünffacher Hinsicht den Vorrang hat, dass Er als Erstgeborener der Höchste ist (Ps 89,28).
Wenden wir uns kurz diesen fünf Stellen zu, um die unterschiedlichen Aspekte der Vorherrschaft des Herrn Jesus als Mensch deutlich zu machen. Beginnend mit Kolosser 1 zeigt sich Seine Vorrangstellung als Erstgeborener in Bezug auf alles Erschaffene, auf alle irdischen und himmlischen Dinge, die aus Seiner Hand hervorgegangen sind: Er ist der „Erstgeborene aller Schöpfung“ (Kol 1,15). Der Schöpfer Selbst nimmt hier als Mensch den höchsten Platz in Seiner eigenen Schöpfung ein!
Die beiden nächsten Stellen sind sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, aber sie unterscheiden sich dennoch deutlich voneinander. Als „Erstgeborener der Toten“ (Off 1,5) hat Er Vorrang vor allen, die durch den Tod gegangen sind. In diesem Bereich hielt unser Heiland sich nach vollbrachtem Werk bis zum dritten Tag auf – ja, Er „war tot“ (Off 1,18)! Aber auch da hat Er Seine Vorrangstellung nicht verloren. Doch der, der starb, ist auch wieder lebendig geworden (Off 2,8) und hat als „Erstgeborener aus den Toten“ (Kol 1,18) Vorrang vor allen, die von den Toten auferstehen werden! Hier denken wir gern daran, dass Er ja auch in zeitlicher Abfolge der „Erstling der Entschlafenen“ ist. Mit Seiner Wiederkehr aus den Toten hat die erste Auferstehung begonnen.
Die Herrlichkeit Seiner Person als Erstgeborener wird besonders dadurch offenbar, dass Er als Mensch geboren, gestorben und auferstanden ist. Dies wird unmittelbar durch die Titel „Erstgeborener aller Schöpfung“, „Erstgeborener der Toten“ und „Erstgeborener aus den Toten“ verdeutlicht. Wiederum sehen wir, wie vielfältig die Herrlichkeiten des Herrn sind. Aber wie tief musste sich der Sohn des Menschen dazu erniedrigen!
Zu den beiden Stellen aus Kolosser 1 sei noch eine weitere Anmerkung hinzugefügt. Als „Erstgeborener aller Schöpfung“ hat Christus den höchsten Platz innerhalb Seiner Schöpfung und ist somit das Haupt über alles (Kol 1,15.17; Eph 1,22), während Er als „Erstgeborener aus den Toten“ das Haupt des Leibes, nämlich der Versammlung, geworden ist (Kol 1,18). Diese beiden Eigenschaften des Herrn als Erstgeborener – hinsichtlich der ganzen Schöpfung und der Versammlung – werden also in Kolosser 1 zusammengestellt und bilden die Grundlage für den weiteren Verlauf dieses Kapitels, denn dort werden die Versöhnung durch Christus und der Dienst des Apostels Paulus jeweils vor dem Hintergrund dieser beiden Aspekte angesprochen: Zuerst wird die Versöhnung hinsichtlich aller Dinge der Schöpfung (V. 20) und dann hinsichtlich der jetzt zur Versammlung gehörenden Kolosser (V. 22) aufgezeigt; ebenso bezieht sich auch der Dienst des Apostels Paulus sowohl auf die ganze Schöpfung (V. 23) als auch auf die Versammlung (V. 24.25). Die Basis dafür ist in beiden Fällen die Vorrangstellung des erstgeborenen Sohnes als Haupt über die ganze Schöpfung und als Haupt der Versammlung. Welch eine Tragweite liegt doch darin!
Die vierte Stelle über den Erstgeborenen finden wir dann in Hebräer 1 vorgestellt. Dort ist in Vers 6 die Rede vom Erstgeborenen, der wiederum (erneut) in den Erdkreis eingeführt werden soll. Dies wird vor der Aufrichtung des 1000jährigen Friedensreiches durch den Herrn Jesus stattfinden. In diesem Reich wird Er allein regieren und dann auch sichtbar den Platz des Höchsten, des Erstgeborenen, auf der Erde einnehmen. Der Vater Selbst wird Ihm diese Ehrung zuteilwerden lassen.
Aber der Herr Jesus wird auch „Erstgeborener unter vielen Brüdern“ genannt (Röm 8,29). Ist es nicht ein bewegender Gedanke, dass wir gleichsam den Rahmen bilden, der diese Herrlichkeit unseres Heilandes hervorhebt?
Was für ein Reichtum an Herrlichkeiten tut sich vor uns auf, wenn wir solche Mitteilungen des Wortes Gottes auf unsere Herzen einwirken lassen! Wie unfassbar groß ist unser Heiland!
Das Haupt über alles
In Verbindung mit der Herrlichkeit des Herrn Jesus als Erstgeborener haben wir uns gerade an Seine zweifache Vorrangstellung als „Haupt des Leibes, der Versammlung“ (Kol 1,18) und als „Haupt über alles“ (Eph 1,22) erinnert. Im Folgenden soll der Titel „Haupt über alles“, der mit der Oberherrschaft Christi über alle Dinge verbunden ist, noch etwas näher beleuchtet werden.
In der heutigen Zeit sehen wir Ihm noch nicht alles unterworfen, obgleich Er schon, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, den Platz zur Rechten Gottes als verherrlichter Mensch eingenommen hat (vgl. Heb 2,7.8). Doch auf der Erde folgt die Welt noch ihrem Fürsten, sie ist Gott ungehorsam und lehnt Christus als Herrn ab. Dabei macht Satan sich jede Gelegenheit zunutze, um seinen verderblichen Einfluss auf die Menschen geltend zu machen, denn er weiß, dass er nur wenig Zeit hat.
Daher ist der Gedanke an die zukünftige Herrschaft Christi als „Haupt über alles“ mit großer Zuversicht verbunden. Auch dürfen wir hierbei wieder mit der Herrlichkeit Seiner Person beschäftigt sein, denn die Oberhoheit Christi geht nicht allein mit Seiner ewigen Gottheit, sondern auch mit Seiner vollkommenen Menschheit einher.
Die Oberherrschaft Christi als Gott und Mensch
Im Hinblick auf die ewige Gottheit Christi beruht Seine Vorherrschaft darauf, dass Er als Schöpfer „vor allen“ ist (Kol 1,17). Diese Stellung ist Ihm von jeher zueigen, während Ihm die Vorangstellung als Mensch zuteil geworden ist: Der Vater hat Ihm als Mensch alles in die Hände gegeben (Joh 13,3) und den auferstandenen Christus von Nazareth „sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht“ und Ihn zum Richter über die Welt bestimmt (Apg 2,36; 17,31).
Demnach wird Er nicht allein als Schöpfer-Gott, sondern auch als vollkommener Mensch die Oberherrschaft über alle Dinge antreten, von denen die irdischen Dinge von Beginn an bereits der Herrschaft des Menschen unterstellt waren (vgl. 1. Mo 1,28). Jedoch wurde schon der erste Mensch seiner Verantwortung nicht gerecht und fiel in Sünde, sodass der göttliche Vorsatz nun im Hinblick auf den zweiten Menschen Christus Jesus zum Ausdruck kommt – und zwar in einem weit höheren Maß, das nicht mehr allein auf die Erde begrenzt ist, sondern darüber hinaus auch alle himmlischen Dinge einschließt, denn das Geheimnis des Willens Gottes war es, „alles unter ein Haupt zusammenzubringen, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist“ (Eph 1,9.10).
Somit ist die Oberhoheit des Herrn Jesus nach Kolosser 1 vor allem mit Seiner Herrlichkeit als Schöpfer, gemäß Hebräer 1 in erster Linie mit Seiner Stellung als Sohn und laut Epheser 1 mit dem Ratschluss Gottes in Bezug auf Christus verbunden.
Die prophetische Bedeutung von Psalm 8
Schon im Alten Testament kommt durch Psalm 8 in prophetischer Weise zum Ausdruck, dass Christus auch als Mensch über allem stehen wird: „... Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn (den Sohn des Menschen) gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt“ (Ps 8,6.7). Die darauf folgende Aufzählung rein irdischer Dinge macht aber deutlich, dass in Psalm 8 der universelle Aspekt der Oberherrschaft Christi noch nicht offenbart werden konnte.
Auch in den Tagen Seines Fleisches gab Christus diese Oberherrschaft eher in verborgener Weise zu erkennen, zum Beispiel in den Zeichen und Wundern, die Er vollbrachte.
Doch einst wird Christus Seine Herrschaft uneingeschränkt und öffentlich in Macht und Herrlichkeit antreten (vgl. Off 11,15-17). Darüber gibt das Neue Testament ausgehend von Psalm 8 einen weiterführenden Einblick: Dreimal wird die Aussage „alles hast du unter seine Füße gestellt“ (Ps 8,7) im Neuen Testament zitiert, um auf der Grundlage der prophetischen Worte des Psalmisten die Wahrheit über die Vorrangstellung Christi als Mensch im Einzelnen zu entfalten.
Ein dreifaches Zitat
Beginnend mit dem bereits erwähnten Zitat von Psalm 8,7 im zweiten Kapitel des Hebräerbriefs wird die weiterführende Anwendung der alttestamentlichen Prophetie dadurch deutlich, dass die öffentlich ausgeübte Oberherrschaft Christi als noch zukünftig dargestellt wird: „... Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen“ (Heb 2,8). Diese zeitliche Einordnung ist in den prophetischen Worten aus Psalm 8 noch nicht enthalten.
Auch in 1. Korinther 15 wird dieser Psalmvers angeführt. Dort wird zusätzlich zu Hebräer 2 deutlich, dass die noch zukünftige Herrschaft Christi – nach der Auferstehung der Entschlafenen – mit einem Reich auf der Erde in Verbindung stehen wird (vgl. 1. Kor 15,20-28). Schließlich wird auch in Epheser 1 auf Psalm 8,7 Bezug genommen: „... und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist“ (Eph 1,22). Hierbei wird weiterführend gezeigt, dass Christus als Haupt über alles schon jetzt eingesetzt und mit der Versammlung als Seinem Leib untrennbar verbunden ist, auch wenn dies erst beim zukünftigen Antritt Seiner Herrschaft sichtbar werden wird. Auch dieser Aspekt war im Alten Testament noch nicht offenbart.
Welch ein Vorrecht, dass wir mit Christus, dem Haupt über alles, schon jetzt untrennbar verbunden sind!
Wie groß bist Du
Wenn wir über die Person des Herrn Jesus nachdenken, begegnet uns eine solche Vielfalt von Herrlichkeiten, dass wir nur stückweise etwas von Seiner wunderbaren Größe erfassen können. Als menschliche Geschöpfe haben wir nicht die Fähigkeit, alles, was an Herrlichkeit in Ihm zu finden ist, gleichzeitig und umfassend vor Augen zu haben. Deshalb ist es umso wertvoller, dass wir Abschnitte im Wort Gottes finden, die uns genau diesen Weitblick auf Seine Person in nachvollziehbarer Weise geben! Gottes Wort ist darin einzigartig, dass es uns durch den Heiligen Geist solche Zusammenhänge göttlicher Herrlichkeiten verständlich macht. So will Gott uns schon jetzt, solange wir noch auf der Erde sind, einen nachhaltigen Eindruck Seiner Größe geben.
In Kolosser 1 haben wir einen solchen Abschnitt vor uns. Wir finden dort nicht nur die soeben betrachteten Herrlichkeiten Christi als „Bild des unsichtbaren Gottes“, als „Erstgeborenen“ und als „Haupt über alles“, sondern in diesem Kapitel zeigt sich auch die Größe des Herrn Jesus vor dem Hintergrund der Erschaffung aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge durch Ihn in dreifacher Weise: Man findet hier eine wunderbare Zusammenfassung von verschiedenen Herrlichkeiten der Person Christi, die in Seiner Schöpfung bezüglich der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zum Ausdruck kommen (Kol 1,16.17.20). Es ist geradezu ein Panorama von Herrlichkeiten, das sich durch die Zeiten bis hin in die Zukunft erstreckt. Bei diesem Ausblick auf Seine Person wollen wir für einen Moment innehalten.
Schöpfer aller Dinge
Blicken wir in die Vergangenheit zurück, so zeigt uns Kolosser 1 die Herrlichkeit des Herrn als Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge (Kol 1,16). Dabei bezeugt schon das Sichtbare, das wir in der Schöpfung täglich wahrnehmen können, in eindrucksvoller Weise die unfassbare Größe des Schöpfers.
Nehmen wir als Beispiel hierfür die Sonne, das Zentrum unseres Planetensystems. Wenn schon die Leuchtkraft der Sonne für das menschliche Auge nicht zu ertragen ist, wie außerordentlich groß muss erst dann die Herrlichkeit ihres Schöpfers sein! Doch wie erzeugt die Sonne diese gewaltige Helligkeit? Wie hat der Schöpfer das gemacht? Es ist bekannt, dass die Sonne ihre Masse in Strahlungsenergie umsetzt. Die Sonne verliert also an Masse, damit sie so hell leuchten kann. Und zwar werden jede Sekunde etwa 4 Millionen Tonnen der Sonnenmasse in Strahlungsenergie umgesetzt! Allein schon dieser Zahlenwert übersteigt unser Vorstellungsvermögen bei weitem und zeigt uns, wie groß der Schöpfer ist und wie klein wir sind.
Darüber hinaus gibt es noch den unsichtbaren Bereich der Schöpfung, von denen wir absolut keine Vorstellung haben. In Kolosser 1,16 ist von Fürstentümern und Gewalten die Rede, von Hierarchien und Machtstrukturen in der für uns unsichtbaren Welt der Engel, die auch aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen ist.
Hier können wir nur noch bewundernd ausrufen: Herr, wie groß bist Du!
Erhalter aller Dinge
Richten wir jetzt unseren Blick in die gegenwärtige Zeit, denn auch hier zeigt sich die Größe unseres Herrn. Alles, was Er in vergangener Zeit erschuf, trägt Er heute durch „das Wort Seiner Macht“ (Kol 1,17; vgl. Heb 1,3). Die Naturgesetze, die dem ganzen Kosmos Stabilität verleihen, haben nur dadurch ihre Wirkung, dass der Herr sie aufrechterhält. Er ist heute der Erhalter von allem, was Er damals erschuf – auch das ist eine Herrlichkeit Seiner Person.
Versöhner aller Dinge
Der Schöpfer und Erhalter aller Dinge ist aber auch der Versöhner aller Dinge (Kol 1,20). Auch das ist von größter Tragweite. Der Herr wird einmal alle Dinge, die Er erschaffen hat und jetzt erhält, auch mit Gott versöhnen, d.h. sie in die Beziehung zu Gott setzen, die ihnen zukommt. Es war das Wohlgefallen „der ganzen Fülle“ (also Gottes, vgl. Kap. 2,9), in Ihm zu wohnen und diese Absicht durch Ihn zu verwirklichen – durch das Kreuz von Golgatha.
Wiederum aus Kolosser 1 lernen wir, dass die Versöhnung aller Dinge hinsichtlich der Versammlung, der neuen Schöpfung, schon in Erfüllung gegangen ist, denn auch für uns gilt, was den Kolossern gesagt wird (V. 21.22). Bezüglich der ersten Schöpfung aber ist die Versöhnung mit Gott noch zukünftig, die geordneten Beziehungen sind hier noch nicht hergestellt, denn noch seufzt die Schöpfung unter den Folgen der Sünde (Röm 8,22). Aber auch hierin wird sich einmal die Größe unseres Herrn erweisen, wenn Er auf der Grundlage Seines am Kreuz vergossenen Blutes alle Dinge wieder in göttlich geordnete Beziehungen stellen wird.
Dass sich die Versöhnung aller Dinge auf zukünftige Tage bezieht, ist auch im Alten Testament zu erkennen. Es zeigt sich so manches Mal, dass eine im Neuen Testament offenbarte Wahrheit durch die Bilder des Alten Testament erläutert wird. So wird auch hier am Beispiel des großen Versöhnungstages aus 3. Mose 16 der zukünftige Aspekt der in Kolosser 1 vorgestellten Versöhnung aller Dinge deutlich erkennbar.
An diesem Tag trat damals der Hohepriester Aaron mit dem Sühnungsblut in das Allerheiligste der Stiftshütte ein, um Sühnung für sich, für Sein Haus und für das ganze Volk Israel zu tun. Wegen der Übertretungen der Kinder Israel tat er auch Sühnung für den Altar, für das Heiligtum und schließlich für das ganze Zelt der Zusammenkunft, also gleichermaßen für alle Teile der Stiftshütte (3. Mo 16,20). Darin liegt eine Bedeutung als Vorbild auf die Versöhnung aller Dinge durch den Herrn Jesus, den „großen Hohenpriester“ (Heb 4,14). Der zukünftige Aspekt wird nun dadurch betont, dass dies alles erst wirksam wurde, nachdem Aaron aus dem Heiligtum zurückgekehrt war. Heute ist unser Hoherpriester noch nicht aus dem himmlischen Heiligtum zurückgekehrt, um alles mit sich zu versöhnen. Die Sühnung ist zwar geschehen „durch das Blut seines Kreuzes“, aber zunächst wird Er aus dem Himmel herabkommen, um uns, die Seinen, zu sich zu holen. Erst danach kann sich alles Weitere erfüllen, auch die Versöhnung aller Dinge.
Damals wartete das ganze Volk draußen vor dem Zelt auf diesen Augenblick, dass Aaron wieder aus dem Heiligtum herauskommen würde. Wir dagegen genießen heute ein weitaus größeres Vorrecht als Israel damals, denn wir haben jetzt schon Zugang in das Heiligtum. Wir können durch den „neuen und lebendigen Weg“, der durch das Kreuz von Golgatha für uns eröffnet wurde, „durch den Vorhang hin“ eintreten (Heb 10,20), um dort mit Ihm Gemeinschaft zu haben! Dieses wunderbare Vorrecht kannte das Volk Israel nicht, und auch Aaron durfte nur einmal im Jahr dort eintreten. Aber auch in 3. Mose 16 ist schon die Rede von Aaron und seinem Haus – was ein Vorbild auf die Gemeinschaft von Christus mit Seiner Versammlung ist!
Es ist doch wunderbar, dass wir mit unserem Herrn und Heiland, dem Schöpfer, Erhalter und Versöhner aller Dinge, eine derartige Gemeinschaft haben dürfen – mit dieser herrlichen Person, der wir immer wieder nur staunend zurufen können: „Wie groß bist DU!“.
Ein großer Hoherpriester
Die Größe des Herrn als Hoherpriester zeigt sich nicht nur im Hinblick auf die zukünftige Versöhnung aller Dinge.
So weist das Vorbild Aarons im Allerheiligsten der Stiftshütte auch auf gegenwärtige Aspekte der Herrlichkeit Christi als großer Priester im Himmel hin, basierend auf Seinem Sühnungswerk in den vergangenen Tagen Seines Fleisches. Dieser zeitübergreifende Zusammenhang wird im Hebräerbrief dargelegt, um die himmlischen Herrlichkeiten des Herrn als großer Hoherpriester hervorstrahlen zu lassen.
Der Brief an die Hebräer ist mit dem verherrlichten Christus im Himmel beschäftigt. Dabei werden Seine himmlischen Herrlichkeiten dadurch hervorgehoben, dass gezeigt wird, wie alles andere im Vergleich damit verblasst: Zunächst sind es die Engel (Kap. 1.2), die zurücktreten müssen, sobald Christus vorgestellt wird, denn zu keinem von ihnen hat Gott je gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten“ (Heb 1,13). Dieser Platz ist allein dem Sohn Gottes als verherrlichtem Menschen vorbehalten. Auch im Vergleich mit Mose ist Christus größerer Herrlichkeit für würdig erachtet worden, denn im Gegensatz zu Mose und der Stiftshütte ist Er als Sohn über das Haus Gottes gesetzt (Heb 3,3). Ebenso tritt auch Josua in den Hintergrund, der zwar das Volk Israel in das verheißene Land auf der Erde, aber nicht in die Ruhe einführte (Heb 4,8), die Christus einmal Seinem Volk verleihen wird. Auch Aaron als Hoherpriester hält dem Vergleich nicht stand, denn Christus, der „große Hohepriester“, ist „durch die Himmel“ gegangen (Heb 4,14), wovon Aaron am alljährlichen großen Versöhnungstag nur ein schwaches Vorbild sein konnte. Zudem war Aaron mit eigener „Schwachheit behaftet“ (Heb 5,2).
Die Bedeutung der Stiftshütte
Auf diese Weise stellt der Hebräerbrief den Herrn Jesus allein in den Mittelpunkt und beschäftigt uns mit Seinen himmlischen Herrlichkeiten. Christus wird dabei stets im Himmel gesehen, insbesondere im Hinblick auf Seinen Dienst als großer Priester über das Haus Gottes. Deshalb bezieht sich der Schreiber des Hebräerbriefs ausschließlich auf die Stiftshütte – der Tempel wird überhaupt nicht erwähnt, obwohl dieser zur damaligen Zeit im Gegensatz zur Stiftshütte noch existierte! Da aber die „Hütte“ an sich schon ein Abbild himmlischer Dinge ist (gemäß dem Muster, das Gott Mose sehen ließ; Heb 8,5), wird sie auch zur Beschreibung himmlischer Herrlichkeiten herangezogen. Der Tempel dagegen wird stets in Bezug auf irdische Verheißungen gesehen.
Dieser Bezug zur Stiftshütte wird im 9. Kapitel des Hebräerbriefs besonders deutlich: Dort wird bei der Beschreibung der Bundeslade im Allerheiligsten klar, dass sich der Schreiber auch hier nicht auf den Tempel bezieht, denn die aufgezählten Gegenstände in der Bundeslade (der Stab Aarons, der goldene Krug mit Manna und die beiden Gesetzestafeln) waren so nur im Allerheiligsten der Stiftshütte zu finden – im Tempel hingegen enthielt die Lade nur noch die beiden Gesetzestafeln (vgl. Heb 9,4 mit 1. Kön 8,9; 2. Chr 5,10).
Der Eintritt in das Heiligtum
Das Vorbild der Stiftshütte weist also auf das himmlische Heiligtum hin, in das Christus als Hoherpriester mit Seinem Sühnungsblut bereits eingegangen ist, so dass für uns eine ewige Erlösung besteht (Heb 9,12). Aaron durfte einst als Hoherpriester nur einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, ins Allerheiligste der Stiftshütte eintreten, und die Sühnung, die er „durch das Blut von Böcken und Kälbern“ bewirken konnte, hatte nur zeitlichen Charakter. Wir dagegen sind „geheiligt durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“, sind „auf immerdar vollkommen gemacht“, und für uns ist aufgrund der Vergebung unserer Sünden kein wiederholtes „Opfer für die Sünde“ mehr nötig (Heb 10,10.14-18).
Darum haben wir beständige Freimütigkeit zum Eintritt in das himmlische Heiligtum (Heb 10,19). Das Wort „immerdar“ in Vers 14 beschreibt nämlich nicht nur den Aspekt der ewigen Gültigkeit, sondern etwas, was ununterbrochen fortbesteht und nie auch nur für einen Augenblick unterbrochen werden könnte. Ebenso unumstößlich ist das Sitzen des Herrn Jesus zur Rechten Gottes! Hat Er nicht diesen Platz auch auf „immerdar“ eingenommen (V.12)?
Durch diesen Vergleich stellt uns Gottes Wort in eindrücklicher Weise vor Augen, dass wir auf der Grundlage einer unwandelbaren und damit vollkommenen Stellung mit Freimütigkeit in das Heiligtum eintreten können. Solch eine Freimütigkeit war für die Priester unter dem Alten Bund unvorstellbar. Hieran wird schon deutlich, dass die alttestamentlichen Vorbilder nur einen Schatten der zukünftigen Güter sind (Heb 10,1), die wir heute schon in geistlicher Hinsicht in Anspruch nehmen dürfen.
Auch die Herrlichkeiten Christi als Priester werden im Alten Testament nur andeutungsweise vorgebildet. Dabei reicht Aaron allein nicht aus, um gleichzeitig die persönliche, offizielle und moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus als Priester anzudeuten. Deshalb stellt uns Gottes Wort im Alten Testament drei unterschiedliche Priesterämter vor, um dieser dreifachen Herrlichkeit Ausdruck zu geben.
Die dreifache Herrlichkeit des großen Hohenpriesters
Zunächst weist Aaron auf die persönliche Herrlichkeit Christi hin, denn sein Dienst bestand darin, dass er in das Allerheiligste hineinging, um dort persönlich vor Gott zu erscheinen und Sühnung für das Volk zu tun. Melchisedek dagegen stellt mehr die offiziellen Herrlichkeiten des Priestertums Christi zukünftiger Tage dar. Dies wird im Vergleich mit Aaron besonders deutlich, denn Melchisedek ging nicht wie Aaron hinein, sondern kam als Priester Gottes heraus, um öffentlich und für jeden sichtbar in Erscheinung zu treten. Schon bei der ersten Erwähnung Melchisedeks erkennt man sein öffentliches Auftreten daran, dass er Brot und Wein herausbrachte (1. Mo 14,18). Darüber hinaus finden wir in Gottes Wort das Vorbild von Pinehas. Sein Priestertum mag zwar nicht so geläufig erscheinen wie das seines Großvaters Aaron, aber es deutet ebenfalls auf Christus selbst hin, wenn auch unter einem anderen Blickwinkel: Beide Vorbilder unterscheiden sich dahingehend, dass Aaron ohne eigenes Hinzutun von Gott zum Priesterdienst berufen wurde, während Pinehas sich dieses Amt erwarb, weil er in moralischer Hinsicht „für seinen Gott geeifert und für die Kinder Israel Sühnung getan hat“ (4. Mo 25,13) – hindeutend auf Christus, der durch Sein eigenes Blut in vollkommener Weise Sühnung für unsere Sünden bewirkt hat, „nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“ (1. Joh 2,2). Pinehas tat Sühnung für das ganze Volk Israel, Christus aber tat dies im Hinblick auf die ganze Welt!
Haben wir nicht einen großen Hohenpriester, der alle diese Vorbilder in sich selbst vereint und sie in vollkommener Weise darstellt?
Göttliche Harmonie
So werden verschiedene Herrlichkeiten Christi schon durch alttestamentliche Vorbilder umfassend angedeutet. Im Rahmen dieser Betrachtung wird sich dies noch des Öfteren zeigen. Dennoch steht der Sohn Gottes, der in solch vielfältiger Weise hervorgehoben wird, immer in wunderbarem Einklang mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist. Alle drei Personen bilden zusammen eine Einheit und sind absolut gleichwertig, obgleich die Darstellung göttlicher Herrlichkeit nur im Sohn zum Ausdruck kommt. Diese Harmonie innerhalb der dreieinen Gottheit ist eine weitere Ausdrucksform göttlicher Herrlichkeit, die wir neben den persönlichen Herrlichkeiten Christi ebenso betrachten dürfen.
Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind drei unterscheidbare Personen, die aber gemeinsam die dreieine Gottheit bilden. Dies ist eine grundlegende Wahrheit des christlichen Glaubens, die schon auf den ersten Blättern der Bibel angedeutet wird. Wir lesen dort bereits von Gesprächen zwischen den Personen der Gottheit: „Lasst uns Menschen machen“ (1. Mo 1,26) oder „lasst uns hernieder fahren“ (1. Mo 11,7).
Bereits schon der erste Vers der Bibel macht dies in erstaunlicher Weise deutlich: Dort wird „Gott“ im hebräischen Grundtext mit dem Plural „Elohim“ wiedergegeben. Während im Deutschen nur die beiden Formen „Einzahl“ und „Mehrzahl“ existieren, kennt die hebräische Sprache zusätzlich noch die Dualform, die Dinge in Paaren oder genau zwei Personen umfasst. Folglich werden hier durch den Plural „Elohim“ mehr als zwei Personen beschrieben. Ist dies nicht ein wunderbarer Hinweis auf die dreieine Gottheit? Bemerkenswerterweise wird diese differenzierte Betrachtungsweise im Hinblick auf das Handeln Gottes nicht mehr betont, denn das Wort „schuf“ aus 1. Mo 1,1 steht im Hebräischen in der Einzahl, obwohl es sich auf „Elohim“ in der Mehrzahl bezieht. So vereinen sich die Personen der Gottheit im Handeln und in der Ausübung des göttlichen Ratschlusses. Hierin finden wir eine wunderbare Darstellung göttlicher Harmonie.
Im Neuen Testament sind einmal kurzzeitig alle drei Personen gleichzeitig wahrnehmbar – eine einzigartige Erscheinung in der Heiligen Schrift. In Matthäus 3 finden wir diese bemerkenswerte Szene wiedergegeben, die weit über die Andeutungen des Alten Testamentes hinausgeht. Dort wird für einen Augenblick deutlich, dass es sich um drei unterscheidbare Personen der Gottheit handelt, die sich gleichzeitig offenbar machen: Bei der Taufe des Herrn Jesus war außer Ihm Selbst auch der Heilige Geist wahrzunehmen, der in Gestalt einer Taube auf Ihn hernieder fuhr, während gleichzeitig die Stimme des Vaters aus dem Himmel gehört werden konnte. Eine wunderbare Offenbarung Gottes!
Andere Stellen zeigen auch die Einheit aller drei göttlichen Personen dadurch auf, dass bezüglich bestimmter Dinge alle drei gemeinsam erwähnt werden. Ein Beispiel hierfür finden wir in Hebräer 9. Dort wird gesagt, dass Christus sich selbst durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert hat (V. 14). Hier steht im Besonderen die Kostbarkeit des Sühnungswerks von Golgatha im Mittelpunkt der dreieinen Gottheit. Was für eine göttliche Harmonie auch vor diesem ernsten Hintergrund!
Eine weitere Ausdrucksform der Einheit und Harmonie der göttlichen Personen finden wir darin, dass alle drei Personen zugleich einer bestimmten Charakterisierung oder Beschreibung zugeordnet werden. Wenn beispielsweise der Apostel Johannes in seinem ersten Brief von der Wahrheit spricht („Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht“; Kap 2,4), dann schließt er in dem Begriff „Wahrheit“ alle drei Personen der Gottheit ein. Das wird sehr deutlich, wenn wir weitere Stellen hinzuziehen, die jede Person für sich als „die Wahrheit“ bezeichnen (1. Joh 5,6 bezüglich des Heiligen Geistes, 1. Joh 5,20 im Hinblick auf Gott, den Vater, und Joh 14,6 bezüglich des Herrn Jesus).
Es ist sehr schön zu sehen, dass Gott in Seinem Wort auf solch unterschiedliche Weise ein derartiges Zeugnis Seiner Selbst niedergelegt hat!
Innerhalb dieser göttlichen Personen hat die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn aber auch für uns eine ganz besondere Bedeutung, insbesondere wenn es um das Sühnungswerk auf Golgatha geht. Denn die Heilige Schrift drückt an vielen Stellen, teilweise auch durch alttestamentliche Vorbilder (denken wir an Abraham und Isaak in 1. Mo 22), die innige Beziehung zwischen dem Vater und Seinem Sohn im Hinblick auf das Erlösungswerk aus und lässt uns so daran teilhaben.
„Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30), sagte der Herr Jesus, selbst als Er als Mensch auf der Erde war. An dieser absoluten Übereinstimmung von Vater und Sohn hat sich auch durch die Menschwerdung des Herrn nichts geändert, denn der Vater und der Sohn sind und bleiben wesensgleich – Gott selbst. Haben wir den Sohn vor unseren Blicken, so sehen wir auch gleichzeitig den Vater. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). Diese Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn geht so weit, dass sich eine Person in der anderen darstellt. Der Herr benutzt in Seinem Gebet zu Seinem Vater dazu den Ausdruck „du in mir und ich in dir“ (Joh 17,21). Diese Formulierung ist nicht einfach nur ein stilistisches Wortspiel, sondern sie drückt in besonderer Weise die innige und beidseitige Übereinstimmung innerhalb der Gottheit aus, die der Herr Jesus als Mensch offenbart hat.
Es ist sehr zu Herzen gehend, wenn wir diese göttliche Harmonie, anfangend von der Schöpfungstätigkeit Gottes („lasst uns Menschen machen“), bis hin zur Menschwerdung des Herrn Jesus anhand der betrachteten Stellen verfolgen und dabei feststellen, dass diese Übereinstimmung auf Golgatha ihren höchsten Ausdruck fand – gerade an dem Ort, wo Gott Selbst das Gericht über Christus brachte und Ihn verlassen musste! Aber gerade dort wurde, obwohl es paradox erscheint, die Übereinstimmung zwischen Gott, dem Vater und Gott, dem Sohn, in herrlichster Weise sichtbar. Wir dürfen das im Glauben anbetend erfassen!
Diese wunderbare Übereinstimmung zwischen dem Vater und Seinem Sohn muss auch den Apostel Johannes tief beeindruckt haben, denn er hebt sie in seinem ersten Brief auf ganz bemerkenswerte Weise hervor: An verschiedenen Stellen finden wir dort, dass er in Verbindung mit einem bestimmten Gegenstand unmerklich von dem Herrn Jesus auf den Vater übergeht und umgekehrt, als wären beide dieselbe Person. So beispielsweise im zweiten Kapitel: „Und nun Kinder, bleibt in Ihm, damit wir, wenn er (der Sohn) offenbart wird, Freimütigkeit haben und nicht beschämt werden bei seiner Ankunft. Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm (Gott, dem Vater) geboren ist“ (V. 28.29). Er beginnt mit dem Kommen des Herrn und endet im gleichen Satz bei Gott selbst. Im fünften Kapitel finden wir diese Besonderheit ein weiteres Mal: „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen (Gott, den Vater) erkennen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus“ (1. Joh 5,20). Auch hier geht Johannes beinahe unmerklich in einem Zug vom Vater auf den Sohn über.
Kann die göttliche Harmonie und Übereinstimmung zwischen dem Vater und dem Sohn eindrucksvoller vor unsere Herzen gestellt werden? Wie groß und herrlich ist unser Gott! Wie wunderbar und tiefgründig ist Sein Wort, das uns Ihn Selbst auf solch umfassende Weise offenbar macht!