Die Psalm 52 bis 59 sind gekennzeichnet durch ermutigenden Zuspruch für solche, die sich als Gottesfürchtige unterlegen fühlen gegenüber den Boshaften, den Gottesleugnern und Verrätern, den Intrigen von Spionen und Gewalttätern. Zum Abschluss jedes Psalms wird deutlich, dass den Glaubenden der Beistand Gottes sicher ist, dass ihnen die Zukunft gehört und dass sie über alle bedrückenden Umstände und Feinde triumphieren werden. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube“ (1. Joh 5,4).
Psalm 52 spricht zu Beginn von einem gottlosen Menschen, der sich seiner Bosheit rühmt und den Betrug und die Lüge liebt. Die Überschrift des Psalms identifiziert ihn als Doeg, den Edomiter (1. Sam 21,8; 22,9f). Nach seinen vermessenen Worten zu urteilen, auch gemessen an dem Unheil, das dieser Gewaltmensch anrichtet, scheint er unüberwindlich wie Goliath und fast allmächtig wie der Antichrist zu sein. Dieser tyrannische, verbrecherische Menschentyp ist im Lauf der Menschheitsgeschichte ein wiederholt anzutreffendes sehr brauchbares Werkzeug in der Hand Satans gewesen. Durch einen skrupellosen Gewaltherrscher pflegt sich das Böse in erschreckender Weise zu entwickeln, und Satan hat Gelegenheit, durch dessen zerstörendes Treiben seinen Einfluss in dieser Welt rasch zu mehren. Von Herrschsucht getrieben, versteht es ein Machtbewusster, die Gutgläubigen irrezuführen und Viele durch allerlei Versprechungen auf seine Seite zu bringen, um sie als Werkzeuge zu benutzen. Die Arbeitsmittel des Skrupellosen sind Betrug, Verbrechen jeder Art, verführerische Propaganda und ein Machtmissbrauch, der vor nichts zurückschreckt. Das Verderben vieler Unschuldiger wird von langer Hand im Voraus geplant. Offene und versteckte Drohungen begleiten die Unternehmungen. Die Ziele sind identisch mit denen des Teufels, des Vaters der Lüge (Verse 3 bis 6). In dessen Auftrag sucht der Machthaber möglichst auch solche Menschen, die in den Besitz der Verheißungen Gottes kommen können, planmäßig zu vernichten. Für ihn hat das Böse den Vorrang vor dem Guten. Die Gottesfürchtigen verkennen nicht, dass ihnen seitens dieses Mannes und seiner Gefolgsleute große Gefahr droht. C.H. Spurgeon schrieb vor mehr als 100 Jahren zu diesen Versen: ‚Dem Teufel fehlt es auch heute nicht an Treibern, welche die Frommen am liebsten alle miteinander wie Schafe zur Schlachtbank hetzen würden‘. Seither hat sich die Welt nicht gebessert, man denke nur an Terrorismus, Christenverfolgung, Fanatismus und Extremismus.
Solche Feststellungen könnten die Gläubigen verzagt machen. Doch zu ihrer Ermutigung heißt es in Vers 3: „Die Güte Gottes währt den ganzen Tag“. Die Regierung Gottes behält immer die Oberhand über „den ganzen Tag“, das heißt über jeden Zeitraum, den Gott als Begrenzung für die Machtentfaltungen in dieser Welt festgesetzt hat. „Seine Erbarmungen sind nicht zu Ende“ (Klgl 3,22). Nach wie vor ist es Gott, der entscheidet und die Dinge lenkt. Er hat das letzte Wort, nicht aber Satan, der Feind. Gott lässt die vom Teufel angestrebte Weltherrschaft nicht zu; so lehrt es das Buch der Offenbarung. Der Vorsatz der Gnade steht fest: Gott will durch den Glauben an Christus noch viele Menschen erretten. Seinen Beschluss kann niemand durchkreuzen. In der bisherigen Geschichte der Menschheit hat Gott den übermächtig gewordenen einzelnen Herrschsüchtigen und der überhandnehmenden Macht von Weltreichen stets gewehrt. In Seiner Gnade wirkt Er nach wie vor durch Seinen Geist und Sein Wort. Seine Gerechtigkeit führt immer noch Gewalttaten, moralische Verderbtheit und Betrug der Bestrafung zu und sorgt dafür, dass sie ans Licht kommen. In Vers 7 wendet Er Sich an den skrupellosen Gewaltmenschen mit einer persönlich gehaltenen Strafandrohung: „Gott wird dich auch zerstören für immer; er wird dich fassen und herausreißen aus dem Zelt und entwurzeln aus dem Land der Lebendigen“ (Ps 10; 64,3–10; Jes 10,1–15; 47,1ff). Dieses Urteil hat Gott in der Vergangenheit über viele Machthaber gefällt und wahr gemacht, sobald das von Ihm bestimmte Maß des Bösen erreicht war. In Seiner Güte hat Er dem Übel Einhalt geboten und vielen Unterdrückten und Verfolgten die Freiheit wiedergegeben. Der siebte Vers kündigt es an und die Weltgeschichte bestätigt es, dass Er die genannten, alles verderbenden Entwicklungen nicht unendlich dulden wird.
Die glaubenden Gerechten, die jetzt oft unter einer Gewaltherrschaft zu leiden haben, entgehen den zukünftigen Gerichten Gottes über alles Verderben dieser Welt. Sie werden nach Abschluss dieses Zeitalters als letztlich Unbehelligte und für immer Gesegnete fortleben. Sie werden Zuschauer sein, wenn die angedrohte furchtbare Bestrafung über die selbstsicheren Gottlosen hereinbricht, denen früher einmal die Welt zu gehören schien (Verse 8 und 9; Ps 58,11.12; Spr 24,19.20; Jes 2,9–22). Solche, die um ihrer Machtausweitung willen viele Menschen durch Gewaltakte und Kriege in schreckliche Not und zu Tode brachten, werden die Wahrheit des Schriftwortes erfahren: „Niemand wird durch seine Ungerechtigkeit sein Leben befestigen“ (Hes 7,13b). Es ist daher nichts Ungewöhnliches, dass Machthaber sich insgeheim fürchten und ihre Existenz für gefährdet halten. Deswegen betreiben sie die Stärkung ihres Machtgebildes durch Gewaltanwendung und mittels der Verängstigung der Menschen. Nachdem Gott ihrem Treiben ein Ende gesetzt hat, atmen die Gerechten auf (Vers 10). Durch die Macht und die Gnade Gottes haben sie überlebt und blicken nun frei und gelöst auf die Schreckensherrschaft zurück (Vers 9). Durch Gottes Eingreifen zur Beseitigung der Frevler ist ihr Glaube an Seine Güte gerechtfertigt worden. Ihre Gottesfurcht und ihre Treue im Leiden werden belohnt. In Seiner Güte hat Gott über sie gewacht (Lk 12,4–7). Andererseits lässt das plötzliche, unerbittliche Gericht Gottes die Menschen, die Ihn nicht kennen, vor Seiner heiligen Majestät erschrecken.
Sowohl die Güte als auch höchste Majestät sind ein Ausdruck des heiligen Wesens Gottes. Indessen erweist Er Seine wunderbare Güte an denen, die Ihn lieben (Verse 10 und 11), und im Gegensatz dazu offenbart Er Seine Macht an denen, die Ihn im Hochmut verachten (Vers 7). Das stolze Selbstvertrauen und der Hochmut enden im Verderben. Wer aber an Ihn glaubt und Seiner Liebe vertraut, den wird Güte umgeben. „Du wirst den Gerechten segnen; HERR, mit Gunst wirst du ihn umgeben wie mit einem Schild“ (Ps 5,13; 32,10). Im Gegensatz zu denen, die dem Gericht verfallen, ist der Gerechte „wie ein grüner Olivenbaum im Haus Gottes“ (Vers 10), „wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen,... dessen Blatt nicht verwelkt“ (Ps 1,3), ein Bild des ewigen Lebens, das immer fröhlich gedeiht. „Die gepflanzt sind im Haus des HERRN, werden blühen in den Vorhöfen unseres Gottes“ (Ps 92,14). „Ich werde wohnen im Haus des HERRN auf immerdar“ (Ps 23,6). Der Psalmdichter hat allen Anlass zu immerwährendem Lob, weil Gott ihn den Reichtum Seiner Güte hat schmecken lassen und ihn durch alle Schwierigkeiten hindurch zum herrlichen Ziel geführt hat (Vers 11). Sein Vertrauen und Gottes treue Hilfe sind allen Gottesfürchtigen zu einem bleibenden Zeugnis geworden.