Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis
Psalm 40
Wie in den beiden vorhergehenden Psalmen beschäftigt sich der Sprecher hier unter anderem mit der Sünde – allerdings in einem anderen Charakter. Er nimmt die vorliegenden Ungerechtigkeiten, auf die Gottes heiliges Auge fällt, als Verschuldung wahr und macht sich eins damit, als beträfen sie seine Person (Vers 13), obgleich er selbst sich nichts hatte zuschulden kommen lassen und sich von der Sünde konsequent fernhielt (Verse 5 und 9 bis11). Er hat sich selbst uneingeschränkt unter die Last des Bösen gestellt, das andere verübt haben. Wenn der Sohn Davids, Jesus Christus, (denn Christus, der Messias, wird hier prophetisch vorgestellt) in Psalm 40 als Einzelperson vor Gott stehen würde, dann hätte Er gar nichts zu bekennen und zu verantworten gehabt. Aber der Messias sollte nach Gottes Ratschluss alle erlösen, die Ihn als Herrn und Heiland anerkennen, damit sie in Wahrheit Sein Volk würden. Er musste ihre Erlösung von ihrer eigenen Schuld und ihre Befreiung aus dem Machtbereich des Bösen bewirken, damit sie, für immer mit Ihm verbunden, als Gereinigte in Seiner heiligen Nähe wohnen können. Um der Gerechtigkeit Gottes willen musste Er das Sühnopfer stellen, um ihre Sünde zu sühnen und um sie aus dem Verlorensein in die Freiheit und zum Frieden mit Gott zu führen. Sein Herabkommen auf diese Erde und Seine Aufgabe als Retter und Heiland des irdischen und des himmlischen Volkes Gottes wird im Evangelium nach Lk 1,68–79; 4,18f beschrieben (vergl. Ps 111,9; Röm 1,2–4). Ein vollkommener, mächtiger Erlöser konnte nur direkt vom Himmel kommen. Auf welche Weise Er vom Himmel herabkam und der im Alten Testament verheißene Sohn Davids wurde, liest man in den Evangelien des Neuen Testaments.
Das persönliche Verhältnis des ewigen Sohnes Gottes zu Seinem Vater im Himmel erfuhr durch Sein Herabkommen im Fleisch als Sohn Davids keine Änderung, es besteht immerfort in ewiger Unveränderlichkeit zwischen Ihm, dem verheißenen Messias als Mensch auf der Erde, und Gott, dem Vater. In diesem Psalm spricht Er immer als ein gläubiger Mensch, der in vollkommener Reinheit und ununterbrochener Abhängigkeit von Gott Seinen irdischen Weg als Sohn Davids geht. Schon im Alten Bund gründete sich die Verheißung ewigen Lebens auf den Glauben: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Im vorliegenden Psalm hören wir von dem Glauben Jesu und von Seiner vollkommenen Gerechtigkeit, die Er den Menschen durch Wort und Tat vorstellte (Verse 10 und 11). Sein Herz und Sinn waren von dem Gesetz und dem Willen Gottes völlig eingenommen (Vers 9), so dass Er in vollendeter Frömmigkeit das Gott Wohlgefällige tat und redete. „Heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern“ ging Er Seinen Glaubensweg. So wurde Jesus der Anfänger und Urheber des Glaubens, und dadurch hat Er für die Glaubenden den „neuen und lebendigen Weg“ zu Gott gebahnt (Heb 10,20). Er hat in jeder Einzelheit dem im vorliegenden Psalm vorgezeichneten Bild Seiner Person, aber auch allen übrigen Vorankündigungen über den Messias und Erlöser entsprochen. Den heiligen Ansprüchen Gottes ist Er in jeder Hinsicht gerecht geworden. Dem Glaubenden wird es daher nicht schwer, auf Jesus Christus, den wahren Sohn Davids, als Retter und Erlöser zu vertrauen.
Auf Seinem Weg unter den Menschen wurde Christus bis zum Äußersten erprobt. Es erwies sich, dass Sein Glaube fest blieb, dass Sein Herz an der rechten Ausrichtung unverändert festhielt und dass keinerlei Eigenwille vorhanden war. An dieser Haltung des Gehorsams und der Liebe wurde Seine ununterbrochene innige Verbindung mit Seinem Gott im Himmel offenbar. Als Er in Todesgefahr kam, schrie Er zu Gott um Hilfe (Vers 2) und wusste im Glauben, dass Er „ihn aus dem Tod zu erretten vermochte“ (Heb 5,7). Er opferte Sich Selbst und unterzog Sich dem Tod (Heb 9,12.14.26.28). Denn es gab keinen anderen Weg zur Rettung der sündig und schuldig gewordenen Menschen. Die Gerechtigkeit und die Heiligkeit Gottes forderten Genugtuung durch ein ihnen entsprechendes heiliges Opfer, damit die Begnadigung von Sündern auf den Glauben hin eine vollkommene Grundlage erhielt durch den am Kreuz für sie Gestorbenen. „Den hat Gott auferweckt, nachdem er die Wehen des Todes aufgelöst hatte, wie es denn nicht möglich war, dass er von ihm festgehalten wurde“ (Apg 2,24). Die Offenbarungen der Heiligen Schrift betreffs des Opfers für die Sünde und die Tilgung der Schuld stellen die Unterwerfung Christi unter den Willen Gottes in ein herrliches Licht. In freiwilligem Gehorsam und aus Liebe unternahm Er dieses überaus schwere Werk.
Jesus ist durch Gott aus dem Tod heraufgeführt worden, so dass die „Grube des Verderbens“ nicht das Ende Seines Weges bedeutete (Vers 3a). Wer in einen bodenlosen Sumpf von schmutzigem Schlamm geworfen ist, hat einen furchtbaren Tod zu erwarten; die Begleitumstände sind denkbar schrecklich (Vers 3). Nur der Wunder tuende Gott vermag aus derart hoffnungsloser Lage zu retten. Tatsächlich und auf direkte Weise kam der Herr Jesus, der Reine und Heilige, bei Seinem Tod in enge Berührung mit dem tiefsten Verderben, das vergleichbar ist mit einer unfassbaren Anhäufung von schmutzigem, schauderhaftem Schlamm, und das war die ekelhafte Unreinheit der Sünde, von der Jesus sich mit schärfster Ablehnung stets ferngehalten hatte. Nicht eine einzige der Sünden hatte Er selbst zu verantworten oder zu vertreten. Aber Er war mit Wissen und Willen bis in diesen Opfertod hinabgestiegen, um solche im Gericht am Kreuz und in Seinem Tode zu vertreten, die das Verderben verschuldet hatten und den Tod als die Strafe für ihre Sünde verdienten.
Der Hilferuf Jesu, „ihn aus dem Tod zu erretten“ (Vers 14 und Heb 5,7), wurde erhört, weil Er der einzige Mensch war und ist, der in Sich Selbst und in allem Verhalten völlig rein und heilig war. Gott nahm Ihn um Seiner Frömmigkeit willen aus dem Tod und „aus dem Gericht“ heraus (Jes 53,8f; Apg 8,33) und stellte die Füße Jesu auf einen Felsen (Vers 3b; Ps 21,5f; Jes 53,12; Eph 4,9.10). Auf die Tatsache der Auferstehung Jesu gründet sich die Gewissheit der Auferstehung derer, die an Ihn und Sein stellvertretendes Leiden im Gericht und Tod glauben. Indem Gott Ihn aus den Toten auferweckte und Jesus auferstand, wurde die Macht des Todes bezwungen. Dieser Sieg ist für Ihn und für die Erlösten der Anlass für ein neues Lied zum Lob Gottes (Ps 22,23f; 69,31; Off 5,9); es rühmt den Sieg des Auferstehungslebens über den Tod, der die Folge der Sünde ist, und verherrlicht die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes (Vers 4). Darüber hinaus rühmt es Gottes Gerechtigkeit, denn sie ließ den einzigen vollkommen Gerechten nicht im Tod zurück, den Menschen Jesus, „der keine Sünde tat“ (1. Pet 2,22), sondern Gott in Seinem ganzen Leben verherrlichte. Seither haben viele Menschen, die bereit waren, sich als Sünder vor Gott zu beugen, im Glauben an die Erlösung auf Ihn als ihren Erlöser geblickt, „hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Vers 4b; Heb 12,2). Dass jemand gefürchtet wird und Ihm gleichzeitig vertraut wird, ist recht ungewöhnlich. Dennoch gehört hier beides zueinander, denn zunächst muss man die Heiligkeit Gottes fürchten gelernt haben und Seine Gerechtigkeit richtig einzuschätzen wissen, um danach auch die Größe Seiner Liebe und Gnade würdigen zu können und dem Erlösungswerk Christi völlig zu vertrauen.
Als das Erlösungswerk Jesu Christi geschah, wurde ein in jeder Hinsicht vollkommener Mensch gekreuzigt, der am dritten Tag aus den Toten auferstand und zum Gegenstand des Glaubens vieler geworden ist. Durch dieses einmalige Geschehen wurde ein nicht zu übersehendes „Mahnmal“ errichtet. Die Menschheit ist aufgerufen, angesichts dessen nachdenklich zu werden und zur Besinnung zu kommen. Vers 5 nennt den glückselig, der zu denen zählt, die darin die Hand Gottes erkennen und dem Evangelium der Herrlichkeit glauben. Gott hat in Christus Jesus und Seinem Werk ein Fundament des Vertrauens geschaffen, dem nichts Vergleichbares gegenüberzustellen ist. In Christus hat der Ihm Vertrauende den Weg des Lebens bis in Ewigkeit gefunden. In Ihm besitzt er die Erlösung von Tod und Sünde. Christus wurde dem an Ihn Glaubenden zur Wahrheit und Weisheit und zur Erneuerung der Gesinnung. Durch Christus hat er Frieden mit Gott und ein herrliches Ziel. Er wird das Unheilige und die Gottlosigkeit, auch die Täuschungen und Irreführungen aller Art zunehmend klar erkennen und sie zu meiden wissen. Die dazu nötige Einsicht und Kraft rührt aus der Gemeinschaft mit seinem Retter Jesus Christus her. Auch nimmt der Glaubende nun Gottes Wundertaten in zurückliegenden Zeitläufen wahr und erkennt immer deutlicher die Höhen und Tiefen Seiner Gedanken und die Größe Seiner Werke (Vers 6; Ps 92,5–7; 104,24; 105,5; 139,17f). Mit Dankbarkeit genießt der Gerettete Gottes Liebe und Fürsorge (1. Chr 16,9–12).
Kann die Darbringung von Schlacht- und Speisopfern (Vers 7) die Opfernden vor Gott angenehm machen oder von Sünden reinigen und in Seine Nähe bringen? Können Schlachtopfer von Tieren zwischen dem heiligen Gott und den Sündern vermitteln? – Die Heilige Schrift antwortet mit der Feststellung, dass die damaligen Einrichtungen mit ihren Priestern und Opfern nicht genügen, um die genannten Ziele zu erreichen. Der Brief an die Hebräer spricht in den Kapiteln 7 bis 10 über das Priestertum des Alten Testaments (Heb 7,11), über den alten Bund (Heb 8,7–13) und über das Heiligtum mit seinen Einrichtungen (Heb 9,1–10.24). Dabei nimmt er Stellung zu dem Wert der Tieropfer mit ihrer Asche und ihrem Blut (Heb 9,12.13.25; 10,1). Die Schlussfolgerung aus dem Inhalt der genannten Verse lautet: „Da ist eine Abschaffung des vorhergehenden Gebots seiner Schwachheit und Nutzlosigkeit wegen“ (Heb 7,18). Es bedurfte eines besseren Bundes, nämlich einer neuen, vollkommenen Beziehung zwischen Gott und dem Anbeter. Ein neuer, lebendiger Weg musste gebahnt werden, der nicht vor dem Vorhang zum Heiligsten haltmachte, sondern in den Himmel selbst, ins Heiligtum droben, direkt zu Gott selbst führte (Heb 10,19.20). Dieser neue Bund brachte auch „die Einführung einer besseren Hoffnung, durch die wir Gott nahen“ (Heb 7,19). Doch um dies zu erreichen, musste ein vollkommen reines, heiliges, fleckenloses Opfer gefunden werden. Dieses Opfer musste ein vollkommen reiner, heiliger Mensch bringen, der mit Wissen und Willen für Sünder in den Tod ging und sein eigenes Blut zur Sühnung fremder Schuld vergoss (Heb 7,27; 9,12). Denn die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes musste unverändert darauf bestehen, dass „ohne Blutvergießung keine Vergebung“ erfolgt (Heb 9,22). Durch die Sünde ist der Tod in die Welt gekommen und zu allen Menschen durchgedrungen (Röm 5,12), und „der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23).
Nach Gottes Ratschluss sollten sündige Menschen durch ein stellvertretendes Opfer gereinigt und geheiligt werden (1. Kor 6,11; Eph 1,4–7), und dies unter der Voraussetzung, dass sie ihre Sünden bekannt haben und an den Namen des Sohnes Gottes als den Erlöser glauben. Gott wünscht geheiligte Anbeter, die Ihn für immer in Geist und Wahrheit anbeten (Joh 4,23.24). Damit die Herrlichkeit der Gnade und Liebe Gottes zu verlorenen Sündern ans Licht treten konnte, war es notwendig, dass sich Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit gegenüber der Sünde offenbarte. Durch Christi Werk und den Sieg Jesu über die Macht des Todes hat sich die Macht Gottes als die größere erwiesen gegenüber der schrecklichen Gewalt der Sünde und des Todes. Die Offenbarung Seiner Herrlichkeit hat in den Ergebnissen des Werkes am Kreuz einen wunderbaren Höhepunkt erreicht, er wird beschrieben als der „Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“ (2. Kor 4,6). Christus ist auf diese Erde gekommen, damit alle Ziele der Beschlüsse Gottes erreicht werden. Das Licht, das seitdem zur Verherrlichung Gottes ausstrahlt, ist unübertrefflich, und der Segen des ewigen Heils für die an Ihn glaubenden Menschen ist unendlich groß (Off 5,5.9.12–14).
In dem Brief an die Heb 10,5.6, führt der Heilige Geist den siebten Vers dieses Psalms an, um auf die Einzigartigkeit der Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes hinzuweisen. Gezeugt wurde Jesus Christus durch den Heiligen Geist, die „Kraft des Höchsten“; diese Kraft ist mit nichts anderem in der Menschheitsgeschichte und im Handeln Gottes mit dieser Erde zu vergleichen. Dadurch war ein menschlicher Leib in diese Welt gekommen, der dem Heiligen Geist zum Tempel, zur Wohnung und zum vollkommenen Werkzeug sein konnte. Noch niemals ist jemand auf eigenen Wunsch hin in diese Welt gekommen. Doch der ewige Sohn Gottes vermochte dies, und Er war aus eigenem Entschluss dazu bereit. In Vers 8 sagt Er: „Ich komme...“. Sein freiwilliges Herabkommen und Seine Opferbereitschaft bedeuteten, dass Er die unzulänglichen Opfer des Alten Bundes mitsamt ihren Mängeln ersetzte. Er ließ sich dazu einen irdischen Leib bereiten und ging daraufhin den Weg eines gläubigen, leidenden und demütigen Menschen. Mit der Schwachheit und der täglichen Not des Menschen machte Er Sich eins. Doch der Tiefpunkt Seiner Erniedrigung war erreicht, als Er zuletzt Selbst als Opfer für die Sünden starb (Verse 7 bis 9; Heb 10,5–10). Ans Kreuz geheftet, trat Er, unter den Schlägen des Gerichts Gottes über die Sünde, mit Leib und Seele stellvertretend für alle ein, die an Ihn glauben (Mk 10,45). Als Mensch und als Knecht Gottes unterwarf Er Sich in vollkommenem Gehorsam allem, was die Heilige Schrift im Alten Testament über Seinen Weg, Seine Person und Sein Opfer vorhergesagt hatte. Sein Leib war Ihm sozusagen zum Gehorchen bereitet worden (Verse 7 bis 9). Schritt für Schritt ging Er den vorgeschriebenen Weg bis zur Tilgung der Sünde und sagte dazu: „Denn ich bin vom Himmel hernieder gekommen, nicht um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38). Er hatte die Aufgabe übernommen, den ganzen Willen Gottes auszuführen. Kein anderer außer Jesus allein kann das von sich selbst sagen, was Er hier in Vers 9 als prophetische Vorhersage äußert: „Dein Gesetz ist im Innern meines Herzens“. Die Heiligkeit und der Wille Gottes, die ganze Herrlichkeit des Wesens Gottes, erfüllte Sein Herz hier auf der Erde. Dies haben alle als Zeugen gesehen und miterlebt, die Ihn mit aufgeschlossenem Herzen begleiteten. Ihn betrachtend, schauten sie ins Licht und nahmen die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes wahr; sie vernahmen aus Seinem Mund die Fülle der göttlichen Wahrheit. In Seinen Worten und Werken sahen sie die Liebe Gottes und die gnädigen Wirkungen der Macht des Schöpfers.
Die Güte und die Wahrheit Gottes (Vers 11b) konnten in ihrer göttlichen Fülle durch keinen anderen Menschen so vollkommen verkündet werden wie durch den wahren Sohn Davids, den Herrn Jesus, denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit (Kol 2,9). Er ist das Wort Gottes in Person. Durch Ihn ist die Gnade und die Wahrheit geworden. Das, was sich in Ihm auf der Erde offenbarte, war der Ausdruck dessen, was Er in der ewigen Wohnstätte des Himmels in Seiner eigenen Natur immer war und ist. Er als eingeborener Sohn konnte den Vater und Seinen Namen kundmachen wie kein anderer es vermocht hätte (Joh 1,1.17f; Ps 22,23). Er ist „der treue und wahrhaftige Zeuge“ (Off 3,14), der Frieden, Errettung und Licht verkündigte (Apg 10,36; 26,23; Eph 2,17; Heb 2,3). In Seiner Person kam die Gnade Gottes herab auf diese Erde. Nachdem die Verse 7 bis 11 die einzigartigen Merkmale Seiner herrlichen Person vorgestellt haben und festgestellt ist, dass Er die ganze Fülle der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes darstellt, folgen anschließend mehrere Bitten des leidenden Christus und Messias (Verse 12 bis 14). In großer Not, angesichts der Menge der Ungerechtigkeiten und der furchtbaren Umstände, die Sein Herz in Bedrängnis versetzten und Ihn niederzuwerfen drohten, bittet Er Gott, dass Er Ihn durch Seine Güte und Wahrheit behüten und Seine Erbarmungen nicht zurückhalten möge.
Überdies kam eine für uns unfassbar hohe Sündenstrafe auf Ihn zu. Es war die Strafe für eine unermesslich große Schuld, die nicht von Ihm Selbst, sondern von denen aufgehäuft worden ist, die Er als Erlöser und Sündenträger im Strafgericht Gottes vertreten wollte. Beim Erleiden der furchtbaren Strafe erreichte Ihn die Menge aller ihrer Sünden. Indem Er sie insgesamt und im Einzelnen als Seine eigenen Ungerechtigkeiten auf Sich nahm, wurde Er von ihnen erfasst, so dass Er sagte: „Sie haben mich erreicht, dass ich nicht sehen kann“ (Vers 13a). Dies brachte Ihn in unsägliche Not, die Seine Seele verwundete und zerschlug (Jes 53,5.10). Die schreckliche Sündenlast wurde von Ihm empfunden wie ein qualvolles Dunkel. Er war wie ein Wehrloser im Rachen des Löwen (Ps 22,22a) und wie vom eigenen Herzen verlassen (Vers 13b). Aber Sein Glaube an die Hilfe Gottes blieb unbeirrt standhaft, trotz der Gerichtsschläge, die Er wie vernichtende Schwertschläge empfand (Vers 14; Ps 22,20.21; Sach 13,7).
Es muss eine schreckliche Erfahrung für den Herrn Jesus gewesen sein, dass es Ihm, dem vollkommen Gerechten, vor den Augen der Zuschauer so erging, wie es die hasserfüllten Gegner verdient gehabt hätten, die zu Recht „beschämt und mit Scham bedeckt werden“ (Vers 15). Sie hatten an Seinem nach ihrer Meinung verdienten Unglück und Leiden Gefallen und glaubten, Ihn vernichtet zu haben. Indessen wird sie wegen ihrer Ungerechtigkeit das Strafgericht Gottes treffen (Vers 16). Ihn aber würde der höchste Richter retten, weil Sein ganzes Leben zur Verherrlichung Gottes war, insbesondere durch Seinen Opfergang für andere. Es entsprach der göttlichen Gerechtigkeit, wenn Gott Ihn um der stellvertretend übernommenen Sünden willen strafte. Genauso gerecht war es, wenn Gott Ihn nach dem vollbrachten Sühnungswerk aus dem Tod wiederbrachte. Doch auch um des unüberwindlichen Glaubens Jesu willen und um Seines gerechten Lebensweges willen wurde Er auferweckt (Apg 2,24–28). Der Gehorsam Jesu, Seine Liebe zu verlorenen Sündern, Sein fester Glaube und der darauf folgende Leidensweg haben ein herrliches Ergebnis: Alle, die in Wahrheit Gott suchen und die Rettung durch den Erlöser Jesus Christus lieben, sind für immer glücklich gemacht und werden sich ewig ihres Heils erfreuen (Vers 17). Sie sind aufgrund ihres Glaubens durch den wahren Sohn Davids und Sein für sie geschehenes Opfer errettet und von aller Schuld befreit. Darum loben sie in Ewigkeit den Namen des HERRN. Stellvertretend für alle wahrhaft Glaubenden hat Christus die schwere Last des Gerichts Gottes über die Sünde auf Sich genommen. Er wurde deshalb hier auf der Erde „elend und arm“ (Vers 18). Gleich diesen Elenden suchte Er rettende Hilfe bei Seinem Gott und wusste, dass Er Ihn gerade in den schwersten Stunden nicht aus den Augen lassen und Seinen Glauben nicht beschämen werde (Jes 50,7–9). Als Mensch war Er Sich bewusst, dass Er völlig auf Gottes Eingreifen angewiesen war. An dem, was er litt, lernte er den Gehorsam. Durch Sein Ausharren in tiefster Erniedrigung „ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden“ (Heb 5,8.9). Der Herr Jesus hat als Verkünder der Heiligkeit und Gerechtigkeit, der Gnade und der göttlichen Wahrheit in Vollkommenheit die Sache Gottes vertreten. Genauso vollkommen wird Er das Weltgericht bis zur völligen Verherrlichung Gottes ausführen. Als Stellvertreter in der Rechtssache der bußfertigen Sünder hat Er ihre Erlösung bewirkt. Er hat das hierzu von Gott Beschlossene bis zur Vollendung durchlitten. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat Er das Größte und Schwerste auf Sich genommen: Er, der ewige Sohn Gottes, machte Sich zu nichts, „indem er Knechtsgestalt annahm“ und „sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7.8).