Das Buch des Propheten Jeremia
Kapitel 14
Meine Augen rinnen von Tränen
Eine Zeit großer Dürre
„Das Wort des HERRN, das an Jeremia erging bezüglich der Dürre. Juda trauert, und seine Tore schmachten, liegen in Trauer am Boden, und Jerusalems Klagegeschrei steigt empor. Und seine Vornehmen schicken seine Geringen nach Wasser; sie kommen zu den Zisternen, finden kein Wasser, sie kommen leer zurück mit ihren Gefäßen; sie sind beschämt und mit Scham bedeckt und verhüllen ihr Haupt. Wegen des Erdbodens, der bestürzt ist, weil kein Regen im Land war, sind die Ackerbauern beschämt, verhüllen ihr Haupt. Ja, auch die Hirschkuh auf dem Feld, sie gebiert und verlässt ihre Jungen; denn kein Gras ist da. Und die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen, schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen schmachten hin, denn kein Kraut ist da.“ (Jer 14,1–6)
Dieses Kapitel beginnt mit einer bewegenden Beschreibung der anhaltenden Trockenheit, die das Land heimsucht. Durch die Vornehmen gesandt, begeben sich die Geringen zu den Zisternen; aber vergeblich, denn es gibt kein Wasser mehr (siehe Jer 2,13). Beschämt und bestürzt trauern sowohl Ackerbauern als auch Edle. Diese Not wird in der ganzen Schöpfung empfunden. Die Hirschkuh, bekannt für ihre Fürsorge gegenüber ihren Jungen, kommt dahin ihr Neugeborenes zu verlassen, weil kein Gras da ist (Joel 1,20).
Bekenntnis und Zuversicht
„Wenn unsere Ungerechtigkeiten gegen uns zeugen, HERR, so handle um deines Namens willen; denn unsere Abtrünnigkeiten sind zahlreich, gegen dich haben wir gesündigt. Du Hoffnung Israels, sein Retter in der Zeit der Bedrängnis, warum willst du sein wie ein Fremder im Land und wie ein Wanderer, der zum Übernachten eingekehrt ist? Warum willst du sein wie ein bestürzter Mann, wie ein Held, der nicht zu retten vermag? Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und wir sind nach deinem Namen genannt; verlass uns nicht!“ (Jer 14,7–9)
Jeremia verbindet sich mit dem Volk und erkennt seine Sünde an: „Wir haben gegen dich gesündigt“; er drängt den Herrn dazu, um seines Namens willen zu handeln, zugunsten seines Volkes (V. 7; 20). Gott ist seine Zuversicht. Er ist die Hoffnung Israels und derjenige, der es aus der Bedrängnis errettet. Könnte er auf seiner eigenen Erde wie ein Wanderer sein, der wenig Interesse an dem Ort hat, wo er die Nacht verbringen wird? Er kennt die Zuneigung und die Treue Gottes und in voller Zuversicht ruft er aus: „Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und wir sind nach deinem Namen genannt; verlass uns nicht!“ (V. 9).
Die Zeit der Heilung ist vorbei
„So spricht der HERR zu diesem Volk: So haben sie geliebt umherzuschweifen, sie hielten ihre Füße nicht zurück; und der HERR hat kein Wohlgefallen an ihnen; nun wird er sich an ihre Ungerechtigkeiten erinnern und ihre Sünden heimsuchen. Und der HERR sprach zu mir: Bitte nicht für dieses Volk zum Guten. Wenn sie fasten, werde ich nicht auf ihr Flehen hören; und wenn sie Brandopfer und Speisopfer opfern, werde ich kein Wohlgefallen an ihnen haben; sondern ich werde sie durch Schwert und durch Hunger und durch Pest vernichten.“ (Jer 14,10–12)
In seiner Antwort richtet sich Gott an dieses Volk, welches Gefallen daran hat, Fremde aufzusuchen und ihnen nachzugehen (Jer 2,23.25). Wenn er sein Volk bisher nicht aufgegeben hat und ihr Erretter und ihre Hoffnung bleibt, ist er es sich jetzt schuldig ihre Sünden zu vergelten; seine Heiligkeit fordert es. Es ist sehr ernst, ihn wiederholt zu Jeremia sagen zu hören: „Bitte nicht für dieses Volk zum Guten.“ (V. 11; Jer 7,16; Jer 11,14). Das Neue Testament spricht auch von einer Sünde zum Tod, die durch einen Bruder begangen wird. Und in diesem Fall ist nicht mehr die Zeit, für ihn zu beten (1. Joh 5,16). Der Geist der Gnade ist gekränkt und die Zucht verachtet worden, sodass nun der Tod des Körpers eintreten wird.
Die Umkehr Judas war nur Schein und ihre vielen Opfer nichts als eine Lüge (Jer 3,10). Der Herr wird nicht auf ihr Schreien hören. Sie werden durch diese drei Plagen vernichtet, die oft zusammen in der Schrift erwähnt werden: das Schwert, die Hungersnot und die Pest (3. Mo 26,25.26; 2. Chr 20,9; Hes 14,21; Off 6,8).
Die falschen Propheten
„Und ich sprach: Ach, Herr, HERR! Siehe, die Propheten sprechen zu ihnen: Ihr werdet kein Schwert sehen, und Hunger wird euch nicht treffen, sondern ich werde euch einen sicheren Frieden geben an diesem Ort. Und der HERR sprach zu mir: Die Propheten weissagen Lüge in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt und ihnen nichts geboten und nicht zu ihnen geredet; sie weissagen euch Lügengesicht und Wahrsagerei und Nichtigkeit und Trug ihres Herzens. Darum, so spricht der HERR über die Propheten, die in meinem Namen weissagen, und ich habe sie doch nicht gesandt, und die da sprechen: Weder Schwert noch Hunger wird in diesem Land sein –: Diese Propheten sollen durch Schwert und durch Hunger aufgerieben werden. Und das Volk, dem sie weissagen, soll wegen des Hungers und des Schwertes hingeworfen liegen auf den Straßen von Jerusalem; und niemand wird sie begraben, sie, ihre Frauen und ihre Söhne und ihre Töchter; und ich werde ihre Bosheit über sie ausschütten. Und du sollst dieses Wort zu ihnen sprechen: Nacht und Tag rinnen meine Augen von Tränen und hören nicht auf; denn die Jungfrau, die Tochter meines Volkes, ist mit großer Zerschmetterung, mit einem sehr schmerzhaften Schlag zerschmettert. Wenn ich aufs Feld hinausgehe, siehe da, vom Schwert Erschlagene; und wenn ich in die Stadt komme, siehe da, vor Hunger Verschmachtende. Denn sowohl Propheten als Priester ziehen im Land umher und wissen keinen Rat. Hast du Juda ganz und gar verworfen? Oder verabscheut deine Seele Zion? Warum hast du uns geschlagen, dass keine Heilung für uns ist? Man hofft auf Frieden, und da ist nichts Gutes, und auf die Zeit der Heilung, und siehe da, Schrecken.“ (Jer 14,13–19)
Jeremia fährt fort für das Volk einzutreten. Sind sie nicht durch die täuschenden Weissagungen der falschen Propheten – die ihnen versichert haben, dass sie nichts zu fürchten hätten, weder durch Schwert noch durch Hungersnot – verführt worden? Sie sind selbst so weit gegangen einen „sicheren Frieden“ zu versprechen (V. 13). Genauso treten die falschen Lehrer in unseren Tagen auf. All diese Weissagungen gründeten sich doch nur auf Lügengesichte (Jer 23,25.26). Der HERR hatte sie nicht gesandt, er sprach nicht durch sie; und wer auf sie hörte, machte sich schuldig. Sie würden bald durch dieses Schwert und durch diese Hungersnot, die sie lächerlich machten, vernichtet werden. Das Volk, schnell dabei wohlklingende Botschaften anzunehmen, würde mit ihnen das Gericht teilen.
Der Prophet konnte nichts weiter tun, als im Blick auf die Stadt bitterlich zu weinen: „Tochter meines Volkes… mit großer Zerschmetterung, mit einem sehr schmerzhaften Schlag zerschmettert“ (V. 17; Jer 8,18; Jer 9,1; Jer 13,17). Haben nicht auch wir es auf dem Herzen über den Verfall der Kirche zu weinen – im Blick auf alles, was Gott der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut hat?
Die Sprache des Glaubens
„HERR, wir kennen unsere Gottlosigkeit, die Ungerechtigkeit unserer Väter; denn wir haben gegen dich gesündigt. Verschmähe uns nicht um deines Namens willen, entehre nicht den Thron deiner Herrlichkeit; gedenke, brich nicht deinen Bund mit uns! Gibt es unter den Nichtigkeiten der Nationen Regenspender, oder kann der Himmel Regengüsse geben? Bist du es nicht, HERR, unser Gott? Und wir hoffen auf dich; denn du hast dies alles gemacht.“ (Jer 14,20–22)
Trotzdem richtet der unermüdliche Jeremia im Anschluss an das Bekenntnis in den Versen 7 bis 9 einen leidenschaftlichen Appell an Gott. „HERR, wir kennen unsere Gottlosigkeit…, denn wir haben gegen dich gesündigt. Verschmähe uns nicht um deines Namens willen, entehre nicht den Thron deiner Herrlichkeit“ (V. 20.21). Das ist die Sprache des Glaubens, die, indem sie die Sünde gegen Gott anerkennt, nicht aus den Augen verliert, dass der Name Gottes und seine Herrlichkeit mit seinem Volk verbunden sind. Dieser Glaube, der mit Gott rechnet, leuchtet hervor, was auch immer geschieht: „Und wir hoffen auf dich“ (V. 22).