Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis
Psalm 5
Der Psalm befasst sich mit üblen Zuständen in dem Land, das Gott in vergangener Zeit als Sein besonderes Eigentum bezeichnet und worin Er ein „Haus“ und einen „heiligen Tempel“ hat (Vers 8). Dort darf „das Böse nicht weilen“ (Vers 5b; s.a. 2. Mo 19,5.6; Jos 22,19). Solche, die Übles vorhaben und sich durch böse Taten kennzeichnen, sollten sich dort nicht einnisten können. Da Gott als „König“ und Gebieter (Vers 3) über dieses Land solchen Zuständen nicht gleichgültig gegenüberstehen kann, erflehen die Gottesfürchtigen, „die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten“ (Mt 5,6), Seinen Beistand in der Erwartung, dass Er mit Macht eingreift und die Bösen ‚wegstößt‘ und ‚büßen lässt‘ (Vers 11). Auch heute darf Gottes geistliches Volk im Glauben auf Seine Zustimmung und Hilfe rechnen, wenn es darum geht, Unheiliges, Lug und Trug und andere zerrüttende Kräfte aus ihrer Mitte zu entfernen. Dem Gottesfürchtigen ist es ein besonderes Anliegen, in Gottes Haus ungestört anbeten und in Ehrfurcht in Seinem Tempel verweilen zu können. Wird ihm dieses genommen, so gerät er in ähnlich große innere Not wie der Dichter dieses Psalms. Wie ernst ein solcher Fall in der heutigen Zeit des Christentums zu nehmen ist und wie ernst Gott Selbst derartige Verstöße nimmt, bezeugt ein schwerwiegendes Wort im Neuen Testament: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1. Kor 3,17).
David bat den HERRN, auf sein Seufzen zu hören, und schrie um Hilfe zu dem, der Macht über alle Dinge hat, auch angesichts der vorliegenden üblen Zustände, die Gott Unehre bereiteten (Verse 2 und 3). Konnte Gott da, wo Er doch der Hausherr war, Bosheit und ein Vorherrschen des Falschen dulden? David war sicher, dass Gott nicht dazu schweigen würde. Am frühen Morgen, ehe die Tagesereignisse auf die Gedanken Einfluss nehmen können, nahm David sich Zeit für das Gebet. Er richtete seine Gedanken und seine Worte zu Gott empor, um in Gemeinschaft mit Ihm zu sein und Ihm seine Sorgen vorzutragen (Vers 4; Spr 8,17; Kol 4,2). Er kannte den Heiligen Israels (Jes 1,4b) und wartete nun mit Ausharren auf Seine Antwort. David rechnete damit, dass Gottes Heiligkeit den Bösen und das Böse vertilgen werde (Verse 5 bis7; Ps 1,5; Hab 1,13). Die in den Versen 6 und 7, auch 10 und 11 genannten Bösen haben unterschiedlich verdorbene Charaktereigenschaften, die zum irdischen Reich Gottes ebenso wenig passen wie zum himmlischen (Ps 101; Off 21,8.27). Sie sind zum Heiligtum und zur Nähe Gottes nicht zugelassen, weil sie ein Abscheu für Gott sind (Spr 6,16–19 und Spr 15,9). Sie fallen der richtenden Regierungsgewalt Gottes anheim, nicht nur wegen ihrer Feindseligkeit den Gottesfürchtigen gegenüber, sondern auch aufgrund ihrer Übertretungen und ihrer Widerspenstigkeit gegen Gott (Vers 11). David hatte nicht vor, sich an ihnen zu rächen. Denn das Gericht war Gottes Sache; es ging um Seine Ehre und um die Reinheit Seines Tempels. Denn „deinem Haus geziemt Heiligkeit“ (Ps 93,5). Es lag David sehr am Herzen, dass die Heiligkeit des Gottesdienstes und alles dessen, was damit in Verbindung steht, gewahrt blieb. Wenn die Bösen und die Unheiligen die Oberhand gewinnen würden, dann würde Gott geschmäht, und viele würden durch ihre Täuschungen verführt werden. Darum betete David: „Lass sie büßen“ (Verse 10 und 11). Der Zorn und die Strafe Gottes sollten offenbar besonders die Heuchler und ihre Verstellungskünste treffen, die ihre heillose Verdorbenheit auf diese Art zu verdecken suchten (Verse 7 und 10; Röm 3,13). Die Heuchelei ist ein arglistiger, hässlicher und gefährlicher Angriff auf die Wahrheit.
Im Gegensatz zu ihnen sucht der Gottesfürchtige in Aufrichtigkeit die heilige Nähe seines Gottes, um sich vor Ihm in Anbetung und in Ehrfurcht niederzubeugen. Nur der ist als Anbeter vor Gott wohlgefällig, der mit heiligem Ernst auf moralische Reinheit achtet (3. Mo 10,3 und 3. Mo 20,8.26; 1. Pet 1,15–17). Zum wahren Gottesdienst ist die Zugehörigkeit zum Volk Gottes für sich allein nicht hinreichend, denn die genannten Verhaltensregeln sind unverzichtbare Merkmale eines Anbeters und eine Voraussetzung für eine wahre, geistliche Anbetung. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Anbeter nur durch die große Güte Gottes das Vorrecht hat, ins Haus Gottes einzutreten, um Ihm zu dienen (Vers 8; Ps 65,5). David dachte nicht daran, sich selbst Verdienste zuzuschreiben, obwohl er die Nähe Gottes sehr schätzte und einen angemessenen Abstand zu den Gottlosen einhielt. Die rechte Absonderung von Unheiligem wollte er auch in Zukunft wahren und betonte dies mit den beiden Worten „Ich aber“. Das ist ein Ausdruck, den die Heilige Schrift oftmals gebraucht, um die im Vergleich zu seiner Umgebung auffallend anders geartete Haltung des Gottesfürchtigen herauszustellen.
Gott leitete David auf gutem und rechtem Weg und bekannte sich zu ihm (Vers 9; Ps 25,4f und 27,11). Daran konnten selbst die Feinde erkennen, dass David das gute Teil erwählt hatte, und dies für alle Zeiten und für eine ewige Zukunft. Auf dem Gott gemäßen „Weg der Gerechten“ (Ps 1,6) gewährt die göttliche Gerechtigkeit den Frommen Hilfe, Schutz und Segen (Verse 9, 12 und 13). David liebte den Namen Gottes, darum hielt er sich an Seine Anweisungen und ging den Weg, den Gott für ihn vorgesehen hatte und auf gütige Weise ebnete. Durch seine Glaubenserfahrungen ermutigt, werden sich andere mit ihm freuen, die ihre Zuflucht zu Gott genommen haben und Ihn lieben (Vers 12). Gott wird sie beschirmen, so dass sie im Glauben nicht wankend werden (Vers 13; Ps 26,1). Gemeinsam werden sie dem Herrn ein neues Lied singen (Ps 96,1.2). „Wer im Schutz des Höchsten sitzt, wird bleiben im Schatten des Allmächtigen“ (Ps 91,1). Der Gottesfürchtige bleibt immer umgeben von der Gnade Gottes und genießt Seine Liebe. In Ewigkeit werden Jubel und Dank dafür nicht verstummen, dass der HERR ihn auf diesen Weg gebracht und darauf bewahrt hat.