Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis
Psalm 3
Nachdem die beiden vorhergehenden Psalmen Grundlinien des Ratschlusses Gottes und Ziele des Glaubens behandelt haben, wendet sich der dritte Psalm den Nöten des Alltags zu. Vielerlei Gefahren und Feinde lauern am Weg des Gläubigen. David berichtet hier, wie er bei diesen Erfahrungen in festem Vertrauen Zuflucht zu seinem Gott nahm und trotz der vielen Bedränger (Verse 2.7.8) seelische Kraft und Ruhe für sein Herz fand. Die Angriffe der Feinde konzentrierten sich auf seine Person. Er fühlte sich von ihnen umzingelt und ausgespäht. Beobachter dieser Ereignisse hatten ihn schon aufgegeben, sie hielten ihn für verloren, in der Meinung, selbst von Gott habe er keine Hilfe mehr zu erwarten (Vers 3; Ps 71,10.11). Das war ihr übereinstimmendes Urteil. Stand er nun gegenüber der erdrückenden Übermacht der Gegner wirklich allein und verlassen da? Seine Gedanken wandte er nicht den vielleicht noch verbliebenen Hilfsmitteln zu, sondern er richtete den Blick auf Gott. In Seiner Gegenwart wurde seine Seele ruhig und fand neuen Mut. Das war und blieb sein innerer Standort, obgleich der äußere außerordentlich gefährdet war. In unerschütterlichem Vertrauen sah er seinen Gott zwischen sich und den Feinden stehen (Vers 4). Und mehr als das: „Um mich her“, so drückt er es aus, war zu seinem Schutz durch das Nahsein des HERRN ein „Schild“ aufgebaut; und das empfand sein Glaube mit Dankbarkeit (Ps 28,7 und 119,114; Spr 30,5).
„Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?“ (Röm 8,31). David nennt Gott hier „meine Herrlichkeit“ (Vers 4). Wenn jemand derart entwürdigt und verjagt wird wie David, dann ist das seelische Gleichgewicht in Gefahr und der Mut sinkt, man geht gebeugt daher. Auch ein Gottesfürchtiger fühlt sich niedergeworfen oder gar wie vernichtet, wenn er gedemütigt und verleumdet wird. Doch die erzieherische Absicht Gottes ist, dass der Gläubige sich der Schwachheit seines,irdenen Gefäßes' bewusst wird, „damit die Überfülle der Kraft sei Gottes und nicht aus uns“ (2. Kor 4,7). David wusste: „Auf Gott ruht mein Heil und meine Herrlichkeit“ (Ps 62,8), daher überließ er seinem Gott die Wiederherstellung von Ehre und Ansehen. Darin glich er dem Herrn Jesus, der nur die Ehre suchte, „die von Gott allein ist“ (Joh 5,44 und vgl. 8,50). Schon dem gläubigen Abraham war Gott ein verlässlicher Schutzschild gewesen (1. Mo 15,1). Und der Gott Abrahams ist es auch, der nach dem vollbrachten Werk am Kreuz „seinen Knecht Jesus verherrlicht“ (Apg 3,13) und „zum Führer und Heiland erhöht“ hat (Apg 5,31).
Davids Weg mit Gott war ein beständiges Zeugnis für die Allgegenwart des lebendigen Gottes. Rief David mit schwacher Menschenstimme zu Ihm, so war er sicher, dass Gott ihm antworten würde. Er zweifelte nicht daran, dass Gott zu seinen Gunsten einschritt (Ps 20). Gott wohnt auf „seinem heiligen Berg“ und ist doch zugleich bei dem bedrängten Beter (Vers 5). David war ebenso ruhig und sicher in den äußeren Angelegenheiten des Lebens, wie er im Innersten seiner Seele in friedevoller Übereinstimmung mit seinem Gott lebte. Er bestand die Prüfungen seines Glaubens gerade dadurch, dass es keine Zwiespältigkeit und nichts Widersprüchliches in seiner Haltung gab. Darin zeigt sich seine Aufrichtigkeit. So ruhig wie in früheren friedlichen Zeiten legte er sich jetzt in schwieriger Situation nieder und schlief. Kühn und getrost im Glauben, sah er sich gut aufgehoben in der Hand des Allmächtigen (Vers 6; Heb 13,6). Doch das war nicht sein Verdienst, sondern eine Wirkung der Gnade Gottes: „Der HERR ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten?“ (Ps 27,1 und vgl. 49,6; Jes 12,2). Die Unterstützung seines Gottes war weit mehr als hinreichend, selbst gegenüber feindlichen Zehntausenden aus dem Volk, die sich ringsum gegen ihn zusammengerottet hatten (Vers 7; 2. Sam 17,24; Spr 3,21–26). Nicht nur wegen seiner eigenen Rettung ruft er in Vers 8 Gott zum Handeln auf, sondern zum Beweis der göttlichen Macht den Feinden gegenüber und zur Bezeugung göttlicher Gerechtigkeit vor den Augen des ganzen Volkes (Ps 7,7 und 9,20). Was Gott tun würde, sollte Seinen Ruhm mehren und Seine gerechte Regierung gegenüber der Anmaßung des Bösen ans Licht stellen. Dass Gott in der Tat in eigener Sache handelte, wird im zweiten Teil des achten Verses betont herausgestellt: „du hast... geschlagen; ...du hast zerschmettert“. Gottes Eingreifen diente nicht etwa der Rache Davids an seinen Feinden, sondern gab Gelegenheit zum Erweis göttlicher Treue dem Glaubenden gegenüber. Die Feststellung in Vers 9 „Von dem HERRN ist die Rettung“ hat eine allgemeine, stets gültige Bedeutung. Zweifellos steht es in Seiner Macht, auch dann zu helfen, wenn alle menschlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. „Gott ist uns ein Gott der Rettungen“ (Ps 68,21), zugleich auch ein barmherziger Gott, der jedem Hilfe zusichert, der glaubend darum bittet und Seine Gnade in Anspruch nimmt. Es kennzeichnet die Gesinnung Davids, dass er bei seinem Hilferuf nicht nur an die eigene derzeitige Lage denkt, sondern Segen und Hilfe für das ganze Volk Gottes erbittet (Vers 9 mit Anmerkung). Auf solch eine edle Art Bitten vorzubringen, ist Gott wohlgefällig. Abschließend wird in Vers 9 bezeugt, dass Gott immer die Absicht verfolgt, Sein Eigentumsvolk zu segnen.