Das Buch des Propheten Jeremia

Kapitel 48

3. Moab

Das Gericht über die Städte Moabs

„Über Moab. So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Wehe über Nebo, denn es ist verwüstet! Zuschanden geworden, eingenommen ist Kirjataim; zuschanden geworden ist die hohe Festung und bestürzt. Moabs Ruhm ist dahin. In Hesbon hat man Böses gegen es ersonnen: „Kommt und lasst es uns ausrotten, dass es keine Nation mehr sei!“ auch du, Madmen, wirst vernichtet werden; das Schwert zieht hinter dir her. Horch! Ein Geschrei aus Horonaim: Verheerung und große Zertrümmerung! Moab ist zerschmettert, seine Geringen haben ein lautes Geschrei erhoben. Denn die Anhöhe von Luchit steigt man mit Weinen hinauf, mit Weinen; denn am Abhang von Horonaim hat man Angstgeschrei der Zertrümmerung gehört. Flieht, rettet euer Leben, und seid wie ein kahler Strauch in der Wüste! Denn weil du auf deine Werke und auf deine Schätze vertrautest, sollst auch du eingenommen werden; und Kamos wird in die Gefangenschaft ziehen, seine Priester und seine Fürsten allesamt. Und der Verwüster wird über jede Stadt kommen, und keine Stadt wird entkommen; und das Tal wird zugrunde gehen und die Ebene vernichtet werden, wie der HERR gesprochen hat. Gebt Moab Flügel, denn fliegend wird es wegziehen; und seine Städte werden zur Wüste werden, so dass niemand darin wohnt. Verflucht sei, wer das Werk des HERRN lässig treibt, und verflucht, wer sein Schwert vom Blut zurückhält! Sorglos war Moab von seiner Jugend an, und still lag es auf seinen Hefen und wurde nicht ausgeleert von Fass zu Fass, und in die Gefangenschaft ist es nie gezogen; daher ist ihm sein Geschmack geblieben und sein Geruch nicht verändert. Darum siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich Umfüller zu ihm senden werde, die es umfüllen und seine Fässer ausleeren und seine Krüge zerschmeißen werden. Und Moab wird sich über Kamos schämen, wie das Haus Israel sich geschämt hat über Bethel, ihre Zuversicht.“ (Jer 48,1–13)

Moab stammte von Lot ab (1. Mo 19,37) und hat sich Israel seit dem Auszug aus Ägypten beständig widersetzt (4. Mo 22). Sie haben sich mit den Scharen der Chaldäer, die gegen Juda gesandt waren, verbunden, um es zu zerstören (2. Kön 24,2).

Das Gericht über Moab beginnt mit einer Folge von Bösem, das jede seiner Städte treffen muss. „Keine Stadt wird entkommen“, trotz ihres Vertrauens in ihre Werke, ihre Schätze, ihre Soldaten und ihren Gott Kamos. Das Instrument der Zucht ist aufgefordert, sein Werk der Zerstörung auszuführen, ohne die Hand zurückzuziehen.

Moab war lange ungestört, kannte keine große Prüfung. Aber das hat nur dazu gedient, seinen Eigenwillen und seinen Hochmut zu stärken. Der Augenblick ist gekommen, dieser Sorglosigkeit ein Ende zu setzen und es von Fass zu Fass umzufüllen, um es so aus seinem Bett zu werfen. Diese mühsame Arbeit wird nicht ohne Frucht sein. Moab wird sich seiner Götzen schämen und sich ihrer entledigen, wie Israel sich angesichts der Götzenanbetung des Kalbs von Bethel geschämt hat. Das ist es, was den Abschluss des Kapitels vorbereitet, welcher die noch zukünftige Wiederherstellung Moabs ankündigt.

Wenn die Umstände gut sind (Gesundheit, Familie, Arbeit …), neigen wir dazu, diese Segnungen als eine natürliche Sache anzusehen. Selbst wenn wir Gott dafür danken (?), sollten wir nicht denken, dass dies ein Zeichen der Zustimmung Gottes sein muss. Wichtig ist, mit aufrichtigem Herzen vor Ihm zu gehen, Ihn unsere Herzensmotive erforschen und unsere Pläne bestimmen zu lassen. Achten wir darauf, nicht für uns selbst zu leben. was Gott uns schenkt (1. Tim 6,17), aber lernen wir, praktischerweise unser Vertrauen mehr in Ihn zu setzen als in Seine Wohltaten. Verstehen wir, dass es auch darum geht, die Lasten derer zu tragen, die in Not sind, und andere Teil haben zu lassen an dem, was Gott uns schenkt.

Wenn wir, anstatt ein Wohlfühl–Leben zu führen um egoistisch das Leben auszukosten, in wirklicher Sympathie an den Leiden anderer teilnehmen, können wir dadurch gut Unterweisungen empfangen, die wir so vielleicht nicht durch persönliche Prüfungen zu lernen brauchen. Auf jeden Fall ist Gott souverän und kann sehr tiefgehend den Glauben derer prüfen, die in vertrauter Gemeinschaft mit Ihm sind, um sie zu ihrem Vorteil zu segnen. „Vertraut auf ihn allezeit“ (Ps 62,9).

Schande und Verwüstung folgen der Arroganz und der Verachtung

„Wie sprecht ihr: Wir sind Helden und tapfere Männer zum Kampf? Moab ist verwüstet, und seine Städte hat man erstiegen, und die Auslese seiner Jünglinge ist zur Schlachtung hingestürzt, spricht der König, HERR der Heerscharen ist sein Name. Moabs Verderben steht nahe bevor, und sein Unglück eilt sehr. Beklagt es, alle, die ihr rings um es her wohnt, und alle, die ihr seinen Namen kennt! Sprecht: Wie ist zerbrochen das Zepter der Macht, der Stab der Majestät! Steige herab von der Herrlichkeit und wohne in dürrem Land, du Bewohnerin, Tochter Dibons; denn Moabs Verwüster ist gegen dich heraufgezogen, hat deine Festungen zerstört. Tritt an den Weg und schau, Bewohnerin von Aroer! Frage den Fliehenden und die Entronnenen, sprich: Was ist geschehen? Moab ist zuschanden geworden, denn es ist bestürzt. Heult und schreit, verkündet am Arnon, dass Moab verwüstet ist! Und das Gericht ist über das Land der Ebene gekommen, über Cholon und über Jahza und über Mephaat und über Dibon und über Nebo und über Beth-Diblataim und über Kirjataim und über Beth-Gamul und über Beth-Meon und über Kerijot und über Bozra und über alle Städte des Landes Moab, die fernen und die nahen. Das Horn Moabs ist abgehauen, und sein Arm ist zerschmettert, spricht der HERR. Berauscht es – denn gegen den HERRN hat es großgetan –, damit Moab sich wälzt in seinem Gespei und auch selbst zum Gelächter wird! Oder war dir Israel nicht zum Gelächter? Oder war es unter Dieben ertappt worden, dass du, sooft du von ihm sprachst, den Kopf schütteltest?“ (Jer 48,14–27)

Mit der Erinnerung an die hochmütigen Provokationen Moabs werden diejenigen, die sie gehört haben, dazu aufgefordert seinen Fall anzuerkennen und zu trauern. „Moab ist zuschanden geworden … Moab ist verwüstet.“ Je größer die Pracht und die Selbstgefälligkeit, umso tiefer der Sturz und die Schande (Spr 18,12). Es ist kein Gericht, welches auf einen Teil des Landes begrenzt ist: „Das Gericht ist gekommen … über alle Städte des Landes Moab, die fernen und die nahen.“ Dies ist so, weil der HERR Moab viel vorzuwerfen hat. Israel ist für Moab ein „Objekt des Spotts“ gewesen. Unfähig, sich Israel zu widersetzen, und für eine lange Zeit von ihm zu Tributzahlung gezwungen, hat Moab geglaubt, sich durch spottende Worte rächen zu können. Jeden Rückschlag Israels hat Moab zum Spott genutzt. Aber all diese Worte sind durch den Herrn gehört worden, der sie an dem Tag in Erinnerung rufen wird, an dem er auch von ihnen Rechenschaft dafür fordert.

Man spottet nicht ungestraft über das Volk Gottes: „Denn wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an“ (Sach 2,12).

Man wird bemerken, dass der Zerstörer nicht näher benannt wird, wie es bei Ägypten und den Philistern der Fall ist; aber die Reihenfolge der aufgezählten Städte, die berührt werden, zeigt deutlich, dass der Eindringling von Norden kommt. Es ist die Armee Nebukadnezars, die diese Gerichte ausführt, denn Gott wollte die Vormachtstellung dieses Imperiums der Nationen aufrichten.

Hochmut und Angeberei sind Eitelkeit

„Verlasst die Städte und wohnt in den Felsen, ihr Bewohner von Moab, und seid wie die Taube, die an den Rändern des Abgrunds nistet! Wir haben den Hochmut Moabs vernommen, das sehr hochmütig ist, seinen Stolz und seinen Hochmut und sein Großtun und die Überheblichkeit seines Herzens. Ich kenne wohl sein Wüten, spricht der HERR, und sein eitles Prahlen; unwahr haben sie gehandelt. Darum jammere ich über Moab, und wegen ganz Moab schreie ich; über die Leute von Kir-Heres seufzt man. Mehr, als man Jaser beweinte, weine ich über dich, du Weinstock von Sibma; deine Ranken gingen über das Meer, sie reichten bis zum Meer von Jaser. Über deine Obsternte und über deine Weinlese ist der Verwüster hergefallen, und verschwunden sind Freude und Frohlocken aus dem Baumgarten und aus dem Land Moab. Und dem Wein aus den Fässern habe ich ein Ende gemacht: Man tritt nicht mehr die Kelter unter Jubelruf; der laute Ruf ist kein Jubelruf. Vom Geschrei Hesbons haben sie bis Elale, bis Jahaz ihre Stimme erschallen lassen, von Zoar bis Horonaim, bis Eglat-Schelischija; denn auch die Wasser von Nimrim sollen zu Wüsten werden. Und ich mache ein Ende in Moab, spricht der HERR, dem, der auf die Höhe steigt und seinen Göttern räuchert. Deshalb klagt wie Flöten mein Herz um Moab und klagt wie Flöten mein Herz um die Leute von Kir-Heres. Deshalb geht das, was es erübrigt hat, zugrunde. Denn jedes Haupt ist kahl und jeder Bart abgeschoren; auf allen Händen sind Ritze, und Sacktuch ist an den Lenden. Auf allen Dächern Moabs und auf seinen Straßen ist lauter Klage; denn ich habe Moab zerbrochen wie ein Gefäß, an dem man kein Gefallen hat, spricht der HERR. Wie ist es bestürzt! Sie heulen. Wie hat Moab den Rücken gewandt vor Scham! Und allen, die rings um es her wohnen, wird Moab zum Gelächter und zur Bestürzung sein.“ (Jer 48,28–39)

Der Hochmut „Moabs, das sehr hochmütig ist“, wird mit Nachdruck hervorgehoben. „Es hat großgetan gegen den HERRN“ (V. 26.42) in einem Widerstand, der an Raserei grenzt. Man stellt fest, dass die Prophetie Jeremias über Moab Ausdrücke, die durch Jesaja (Kap. 15, 16) verwendet werden, wieder aufnimmt. Es ist wahrscheinlich, dass Jeremia das Buch Jesaja, das 150 Jahre vorher geschrieben wurde, kannte 1. Das will nicht heißen, dass er Ausdrücke übernommen hat, die für die Haltung Moabs charakteristisch waren. Es ist der Geist Gottes, der sie Jeremia wie auch Jesaja eingegeben hat, während er andere auslässt, die mehr mit der geschichtlichen Situation verknüpft sind und nicht ihren Platz in der Prophetie hatten, die Jeremia anvertraut war.

Aber die Angebereien Moabs waren nur Eitelkeit, und das bereits in der Zeit seines Wohlstands. Künftig wird all der Reichtum ihrer fruchtbaren Felder und der von ihnen angehäuften Güter nur noch Trostlosigkeit sein. Wie traurig ist das Teil derer, die sich in Hochmut und vergeblich gegen Gott erheben.

Die Flucht und die Gefangenschaft

„Denn so spricht der HERR: Siehe, wie der Adler fliegt er daher und breitet seine Flügel aus über Moab. Kerijot ist eingenommen, und die Festungen sind erobert. Und das Herz der Helden Moabs wird an jenem Tag sein wie das Herz einer Frau in den Geburtswehen. Und Moab wird vertilgt werden, dass es kein Volk mehr ist, weil es grossgetan hat gegen den HERRN. Grauen und Grube und Garn über dich, du Bewohner von Moab!, spricht der HERR. Wer vor dem Grauen flieht, wird in die Grube fallen, und wer aus der Grube heraufsteigt, wird im Garn gefangen werden; denn ich bringe über es, über Moab, das Jahr seiner Heimsuchung, spricht der HERR. Im Schatten Hesbons bleiben Flüchtlinge kraftlos stehen; denn ein Feuer ist ausgegangen von Hesbon und eine Flamme aus der Mitte Sihons und hat die Seite Moabs verzehrt und den Scheitel der Söhne des Getümmels. Wehe dir, Moab! Verloren ist das Volk des Kamos! Denn deine Söhne sind als Gefangene weggeführt und deine Töchter in die Gefangenschaft.“ (Jer 48,40–46)

Unter dem Druck des Eindringlings ergreifen die starken Männer die Flucht. Aber sie werden in Gräben fallen und in eine Falle laufen und der Gefangenschaft nicht entrinnen.

Wenn Gott schwierige Umstände zulässt, sind wir geneigt zu versuchen, aus ihnen auszubrechen; aber vergebens. Das Risiko ist groß, in noch größere Schwierigkeiten zu fallen, und die Gelegenheit für die Unterweisung, die die Umstände vermitteln wollen, ist verloren. Die Haltung des Glaubens besteht im Gegenteil darin, sich bewusst zu Gott zu kehren, wie Hiskia in Jesaja 38,2 oder David in 1. Samuel 30,6, in dem Akzeptieren der Zucht. Das ist der wahre Weg der Wiederherstellung.

Hesbon war eine Stadt, die östlich vom Jordan lag. Der König Sihon hatte sich dieses Gebiet angeeignet, das zu Moab gehörte (4. Mo 21,26). Sein Volk war völlig durch Israel vernichtet worden, während Moab verschont worden war. Dieses Gebiet war dem Stamm Ruben zugewiesen worden (4. Mo 32,37) und Moab hatte von der Gefangenschaft Rubens in Assyrien profitiert, um sein Gebiet wiederzugewinnen. Aber die Annektierung von dem, was Israel gehörte, entfacht die Flamme, die Moab verschlingen soll. Dieses durch Jeremia ausgesprochene Gericht ist schon in 4. Mose 21,28 angekündigt worden, als Israel das Land in Besitz genommen hat.

Die zukünftige Wiederherstellung

„Aber ich werde die Gefangenschaft Moabs wenden am Ende der Tage, spricht der HERR. Bis hierher das Gericht über Moab.“ (Jer 48,47)

Moab wird kein Volk mehr sein (Jer 48,42), aber die Ankündigung der Gefangenschaft (Jer 48,46) anstelle einer völligen Zerstörung ist bereits der Hinweis darauf, dass eine zukünftige Wiederherstellung in Aussicht ist. Der Wortlaut des Gerichts über Moab erfüllt sich durch die Verheißung des Herrn: Er wird dieses Volk am Ende der Tage wiederherstellen. Moab gehört zu den Nachbarvölkern Israels, die in den Ereignissen des Endes wieder auftauchen werden (4. Mo 24,17; Dan 11,41; Sach 12,6).

Fußnoten

  • 1 Jeremia zitiert ausdrücklich Micha, einen Zeitgenossen Jesajas (Jer 26,18).
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