Einführende Vorträge zur Offenbarung
Kapitel 4
Wir haben schon die Bedeutung der sieben Versammlungen gesehen, an welche es dem Herrn gefiel, die Briefe zu schicken, die im zweiten und dritten Kapitel enthalten sind. Ich bin überzeugt, dass wir ausreichend Begründung und genug Beweise durch ihren Inhalt sowie auch aus dem Wesen dieses Bibelbuches selbst gefunden haben, um eine Bedeutung zu erwarten, die umfassender ist als eine buchstäbliche, geschichtliche Nachricht von den Zuständen der asiatischen Kirchen (Versammlungen), die in erster Linie angeschrieben wurden. Es ist natürlich begründet und allen wohlbekannt, dass Johannes an sieben Kirchen schrieb. Dass indessen nicht mehr gemeint ist als diese damals bestehenden Versammlungen, sollten wir wohl kaum annehmen. Die Siebenzahl ist auffallend und ebenso die Trennung der Sieben in zwei Teile. Auch die Anordnung ihrer Inhalte sowie ihre jeweilige Natur weisen auf dieselbe Schlussfolgerung hin. Es ist außerdem klar, dass gewisse Zustandsphasen nicht notwendigerweise bleiben. Ab einer bestimmten Stelle in ihrer Aufzählung deutet die Darlegung an, dass der Zustand der Dinge bis zur Rückkehr Christi anhalten soll. Diesen Punkt finden wir bei Thyatira; und von da an erkennen wir denselben Wesenszug bei Sardes, Philadelphia und natürlich Laodicäa.
Indem die Zustände nacheinander beginnen, verlaufen sie später nebeneinander. Es ist ebenfalls bemerkenswert, dass dieses für die ersten drei Kirchen nicht gilt. Daraus entnehme ich, dass die drei frühen Versammlungen in ihrem Wesen von den übrigen unterschieden sind. Obwohl sie alle in gleicher Weise sinnbildliche Bedeutung haben, dienen allein die letzten vier als Vorschatten von zukünftigen Zuständen, die bleiben und dann nebeneinander bis zum zweiten Kommen des Herrn anhalten sollen. Zweierlei können wir sehr leicht verstehen: Erstens, die sieben Versammlungen stehen für die Aufeinanderfolge von sieben unterschiedlichen Zuständen. Zweitens, von diesen sieben sind drei vergangen; von ihnen bleibt nur noch die sittliche Bedeutung. Die vier letzten haben nicht allein diese Bedeutung, sondern auch noch eine prophetische in Bezug auf ihr Auftreten nacheinander. Von der Epoche ihres Erscheinens an laufen sie bis zum Kommen des Herrn Jesus nebeneinander her. [1]
Als bemerkenswerte Tatsache begegnet uns ab Offenbarung 4 und in den folgenden Kapiteln, dass wir nicht mehr von irgendwelchen Kirchenbedingungen auf der Erde lesen. Das bestätigt die schon dargelegte Wahrheit. Sollten diese Versammlungen nicht auf eine Bedeutung jenseits der buchstäblichen hinweisen – wie könnten wir diesen Wechsel erklären? Falls auf der anderen Seite die Versammlungen nicht allein eine geschichtliche, sondern auch eine prophetische Anwendung haben, können wir leicht verstehen, dass der Herr damals bestehende Versammlungen ansprach, welche aber aufeinanderfolgende Zustände zeigen, die bis zum Ende gefunden werden. Dann werden vier [bzw. fünf; Übs.] nebeneinander ablaufen. Thyatira stellt den öffentlichen Charakter einer verdorbenen Christenheit vor uns – das, was wir bekanntermaßen im Papsttum finden. Danach vertritt Sardis das, was wir allgemein als Protestantismus kennen. Dort mag es Rechtgläubigkeit (Orthodoxie) geben, jedoch auch ein offensichtlicher Mangel an wahrem Leben und an Kraft. Darauf folgt die Wiederbelebung der Wahrheit eines echten christlichen Brüdertums und zugleich eine offene Tür für das Werk sowie auch das Wort des Herrn. Es wird von seinem machtvollen Kommen gesprochen, das nicht einfach als Gegenstand einer Überzeugung auf den Verstand, sondern auch als Einfluss auf die Zuneigungen zum Herrn Jesus dargestellt wird. Das finden wir in Philadelphia. Zuletzt zeigt uns Laodicäa den abschließenden Zustand der Gleichgültigkeit, welcher durch die Ablehnung dieser Warnungen und Ermutigungen des Herrn hervorgerufen wird.
Vom 4. Kapitel an sehen wir, wie der Heilige Geist den Propheten in ein Verständnis einführt, das nicht den Kirchenzustand betrifft, sondern Verhältnisse die folgen, wenn irgendwelche Kirchen sich nicht mehr vor den Augen des Herrn befinden. Es handelt sich jetzt um die Welt – allerdings nicht ohne Zeugnisse seitens Gottes inmitten allmählich wachsender Schwierigkeiten. Doch seine Zeugnisse sind hinfort von einem jüdischen oder nichtjüdischen Wesen und nicht mehr passend zur Kirche auf der Erde. Natürlich erkennen wir Gläubige. Einige von ihnen gehören zum auserwählten Volk, andere zu den Nationen. Wir hören indessen nichts mehr von solchen Kirchenumständen, wie wir sie im zweiten und dritten Kapitel gefunden haben. Einen der treffendsten Nachweise der Art und Weise, in der die offenkundigen Tatsachen des Wortes Gottes gewöhnlich übergangen werden, erkennen wir darin, dass gerade diese Wahrheit ständig übersehen wird. Es gibt hunderte, vielleicht tausende von Büchern über die „Offenbarung“, doch ist es erst verhältnismäßig neueren Datums, dass ein so klarer, sicherer und schwerwiegender Charakterzug gesehen wird. Ich spreche hier aufgrund einiger persönlicher Vertrautheit mit dem, was von den Kirchenvätern an bis in unsere Tage über dieses Buch geschrieben wurde. Soweit ich mich erinnere, erscheint in hunderten der kundigsten Bücher über die „Offenbarung“, die durch meine Hände gegangen sind, nicht der geringste Hinweis auf diese unleugbare und wichtige Tatsache, die an der Oberfläche der Prophetie liegt.
Hier erkenne ich nichts Lobenswertes für den menschlichen Verstand – im Gegenteil. Ich bestätige laut, dass jene Menschen, die von der Notwendigkeit einer Belehrung durch den Heiligen Geist überzeugt sind, auch dann Nutzen daraus ziehen, wenn es sich um an sich klare, eindeutige und offensichtliche Wahrheiten handelt. Das gilt für kein anderes Buch in so auffallender Weise wie die Bibel. Keine Gelehrsamkeit, keine erworbenen Kenntnisse, kein glänzender Verstand und keine Vorstellungskraft werden jemals ohne die Kraft des Geistes Gottes irgendeine Seele befähigen, die Mitteilungen der Bibel zu begreifen, sich ihrer zu erfreuen und sie in richtiger Weise zu nutzen. Die Menschen mögen zweifellos die eine Tatsache hier und eine andere dort wahrnehmen. Doch sogar die Anwendung derselben zum Guten wird niemals erkannt, es sei denn, der Heilige Geist öffnet uns unmittelbar den Blick auf Christus. Wem Christus vor den Blicken steht, erfasst schnell die Unterschiede in den Beziehungen und ihren Folgen. Christus hat seine besonderen Wege, sich mit der Kirche zu beschäftigen, die für nichts anderes als sie passend sind. Diese enden mit dem dritten Kapitel.
Die Folgerung daraus ist offensichtlich. Neue Dinge treten vor den Herrn sowie auch den Leser. Die Mehrzahl der Menschen, welche den Namen des Herrn tragen, haben bekanntermaßen, ohne den geringsten Beweis aus der Schrift, angenommen, dass es die Kirche immer gab und für alle Zeiten geben wird, solange das Werk der Bekehrung von Seelen auf der Erde abläuft. Es ist klar, dass diese Voraussetzung eine unüberschreitbare Barriere gegen die Wahrheit errichtet. Kein Wunder, dass die Menschen darin versagen, die Bibel zu verstehen, wenn sie das Studium derselben auf einem Grundsatz beginnen, der in allen Punkten der geoffenbarten Wahrheit Gottes widerspricht. In der Bibel gibt es die erwähnte Voraussetzung nicht. Wir finden sie in keinem Teil des Alten sowie des Neuen Testaments. Sie wird im Buch, das jetzt vor uns liegt, genauso wenig geduldet wie sonst wo. So sehen wir, dass am Anfang des Buches Versammlungen bestehen. Wir finden sie indessen nicht mehr, nachdem der einführende Teil abgeschlossen ist und die eigentliche Prophetie beginnt. Ein Kirchenzustand ist, streng gesprochen, nicht der Gegenstand der Prophetie, welche sich mit der Welt beschäftigt und uns göttliche Gerichte zeigt, die über das Böse in ihr hereinbrechen und Gott Platz für das Gute nach seinen eigenen Vorstellungen schaffen. Das ist das große Thema der „Offenbarung“. Doch insofern es damals christliche Versammlungen gab, gefiel es dem Heiligen Geist, zunächst einen bemerkenswerten panoramaartigen Blick auf den Kirchenzustand voranzustellen, solange dieser vor dem Herrn auf der Erde bestehen sollte. Dieser wurde, wie wir gesehen haben, in treffendsten Weisheit und der Zeit des Johannes angemessen gegeben. Dieser Ausblick ist allerdings auch, solange die Kirche voranschreitet, stets anwendbar, und zwar in zunehmendem Maß. Natürlich gilt das nicht für jeden Teil auf einmal. Dennoch liefert er genug Licht, um den Kindern Gottes die Gedanken des Herrn völlig ausreichend mitzuteilen. Tatsächlich gilt diese Wahrheit hier genauso wie in jedem anderen Teil der Heiligen Schrift. Niemand vermag wirklich aus dem Wort Gottes – sei es im 1. Buch Mose oder der „Offenbarung“ – ohne den Heiligen Geist Nutzen zu ziehen; und das kann nur zur Verherrlichung Christi sein.
Wenn dem so ist, verstehen wir die große Bedeutung des Wechsels, den wir hier bemerken. Der Prophet tritt durch eine Tür in den Himmel. Natürlich war das einfach eine Vision. Der Heilige Geist ermöglichte ihm auf diese Weise, einzutreten und zu sehen. Es ging nicht um wahrnehmbare Tatsachen. Johannes war „alsbald im Geist“, wird gesagt. Im Himmel sah er einen aufgestellten Thron, und zwar, wie wir aus den Wirkungen und Umständen entnehmen können, einen richterlichen Thron. Dieser hat keineswegs denselben Charakter wie der Thron Gottes, den wir kennen und dem wir jetzt nahen. Wir kommen mit Freimütigkeit zum Thron und finden Gnade und Barmherzigkeit zur rechtzeitigen Hilfe (Heb 4, 16). In unserer Bibelstelle erkennen wir nichts dieser Art, sei es in dem Thron selbst, sei es in dem, was von ihm ausgeht. Selbst ein Kind kann die Kraft der verwendeten Sinnbilder zu unserer Belehrung verstehen. Was bedeuten Blitze und Stimmen und Donner? Sagen wir zu viel, wenn wir andeuten, dass derjenige, der das Wesen des Thrones in Hebräer 4 mit dem von Offenbarung 4 verwechseln kann, einer sonderbaren Denkweise folgt? Ich vermag nicht zu verstehen, wie irgendein aufmerksamer Leser diese Unterschiede nicht sehen könnte – ohne von einem geistlich belehrten Leser zu sprechen. Tatsächlich besteht das Verblüffende darin, wie irgendeine Person mit gesundem Sinn den Schluss ziehen kann, dass die beiden Beschreibungen denselben Zustand schildern. In Wirklichkeit stehen sie im stärkst möglichen Gegensatz.
Hier finden wir nicht den Thron göttlicher Barmherzigkeit. Stattdessen ist dieser mit den Eigenschaften versehen, die auch dem Sinai angemessen waren. Er deckt das Böse auf der Erde auf und brandmarkt und zerstört es. So handelt es sich also um den Sitz und die Quelle des Gerichts über die Gottlosen. Ich gebe zu, dass es sich noch nicht um den Thron des Sohnes des Menschen handelt, wie Er über die Welt regiert. Die Zeit war an dieser Stelle noch nicht gekommen, dass die Kirche mit Christus über die Welt herrscht. In Offenbarung 5 wird von der Herrschaft über die Erde als zukünftig gesprochen („sie werden über die Erde herrschen“) und nicht als Tatsache. Offensichtlich erkennen wir hier einen Übergangszustand, nachdem jener der Kirche geendet hat und bevor die tausendjährige Regierung beginnt. Das ist die offenkundige Wahrheit, welche notwendig ist, um die „Offenbarung“ zu verstehen. Solange du diese Tatsache nicht anerkennst, wirst du niemals, nach meinem Urteil, die Apokalypse als ganze verstehen.
Danach erfahren wir, dass das Aussehen Dessen, der auf dem Thron sitzt, mit einem Jaspis– und einem Sardisstein verglichen wird. Das bezieht sich offensichtlich nicht auf das göttliche Wesen, dem sich kein Geschöpf nahen kann, um es zu sehen (1. Tim 6, 16). Es handelt sich um Gottes Herrlichkeit, soweit es Ihm gefiel, sie dem Geschöpf sichtbar zu machen. Folglich wird sie mit jenen kostbaren Steinen verglichen, von denen wir später bei der Stadt lesen.
Es gibt noch andere bemerkenswerte Eigenschaften des Throns. Uns wird gesagt: „Ein Regenbogen war rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd“ (V. 3). Gott weist hier auf sein Gedenken an die Schöpfung hin. Der Regenbogen ist das vertraute Zeichen des Bundes mit der Schöpfung (1. Mo 9) und wurde dem Propheten besonders vor die Blicke gestellt. Die verschiedenen Gesichtspunkte an dieser Stelle werden so berücksichtigt, wie sie vor Gottes Augen stehen und nicht einfach wie vor den Augen der Menschen. So wird der Regenbogen nicht innerhalb eines Regenschauers auf der Erde erblickt. Es geht um die einfache Wahrheit, die dieser vorstellt, und nicht mehr. Genauso ist es auch mit den anderen Gegenständen, welche in dieser Vision gesehen werden.
Als nächstes lesen wir: „Rings um den Thron … saßen vierundzwanzig Älteste“ (V. 4). Die Anspielung bezieht sich offensichtlich auf die vierundzwanzig Priesterabteilungen (1. Chr 24). Wir stellen allerdings fest, dass nicht die gesamte Priestermenge (die vierundzwanzig Menschenklassen) gezeigt werden, sondern nur die Hauptpriester einer jeden Ordnung. Die vierundzwanzig Älteste beziehen sich, meiner Meinung nach, auf die Häupter der Priesterschaft. Es ist folglich von großer Bedeutung, dieses im Gedächtnis zu behalten; denn wir erfahren bald von anderen Menschen, die ebenso als Priester bezeichnet werden, sich aber nicht im Himmel befinden. Sie werden statt dessen auf der Erde zu Priestern berufen. Zweifellos werden diese anderen Personen Priester, aber es wird keine größere Anzahl als Älteste anerkannt. Zu der Gruppe der Ältesten wird nie jemand hinzugefügt. Es handelt sich um eine feste Zahl. Priester wird es auch später noch geben, doch keine Häupter der Priesterschaft außer diesen Ältesten.
Diese Häupter der Priesterschaft sind, wie ich nicht bezweifle, die verherrlichten Erlösten droben; und in dieser verherrlichten Körperschaft befinden sich, wie ich annehme, sowohl die Erlösten des Alten als auch des Neuen Testaments. Du wirst hieraus erkennen, dass ich so weit wie möglich davon entfernt bin, die Gnade Gottes zu den Gläubigen der alten Zeit unterzubewerten. Mir scheinen gute Gründe aus der Prophetie selbst vorzuliegen, dass die vierundzwanzig Älteste nicht allein die Kirche, sondern alle jene Erlösten umfasst, die bei der Ankunft des Herrn Jesus auferstehen, wie geschrieben steht: „die, welche des Christus sind bei seiner Ankunft“ (oder: „seinem Kommen“) (1. Kor 15,23). Für mich gibt es hier keine Frage. Die Auferstehung aus den Toten umfasst alle Erlösten bis zu jener Zeit. Natürlich findet auch die Verwandlung, welche im letzten Teil desselben Kapitels beschrieben wird, zu diesem Zeitpunkt statt. Alle abgeschiedenen Erlösten und alle zu jener Zeit lebenden sind gemeint. Auf diese Weise werden sowohl die Erlösten des Alten Testaments als auch des Neuen verwandelt; denn „die Toten in Christo“ (1. Thes 4,16) können wohl schwerlich auf den Leib Christi beschränkt werden. Der Ausdruck „die Toten in Christo“ meint alle, die mit Christus in Verbindung stehen und nicht nur mit Adam. Sie starben nicht im Fleisch, sondern in Christus. Es geht nicht um den ersten Adam, sondern um den Zweiten. So wie der eine alle Glieder der Familie Adams einschließt, so scheint mir auch der zweite Adam ebenso umfassend zu sein. So müssen wir demnach in den vierundzwanzig Ältesten Raum für alle Verherrlichten lassen, stammen sie aus alt– oder neutestamentlichen Zeiten. Das tut nicht im Geringsten dem besonderen Wesen der Kirche Abbruch. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt in diesen Visionen aufrechterhalten und geoffenbart. Gegenwärtig möchte ich nur kurz darlegen, was ich für die Bedeutung dieses Sinnbilds hier halte.
Diese vierundzwanzig Älteste sind wieder mit weißen Kleidern bekleidet, so wie sie auch Kronen aus Gold tragen. Sie sitzen auf Thronen. Es ist unmöglich, diese Aussage auf Engelwesen zu beziehen. Engel sind nirgendwo auf diese Weise gekrönt oder inthronisiert. In keiner Bibelstelle lesen wir, dass Engel zu einer solchen Würde berufen sind. Sie mögen zweifellos Macht ausüben, aber niemals herrschen sie. Sie führen in äußerlichen Dingen den Willen Gottes aus. Doch niemals verwalten sie ihn nach diesem königlichen Muster. Das ist für die verherrlichten Erlösten bestimmt – für die Erretteten und nicht für Engel; denn Christus hat ihnen das Anrecht der Gnade gegeben durch sein Blut. So wurde es in einem vorhergehenden Kapitel gesagt (Off 1,6). Er hat uns zu einem Königtum gemacht – zu Priestern seinem Gott und Vater. In Offenbarung 4 finden wir Symbole, welche dem königlichen Titel entsprechen. In Offenbarung 5 erscheinen dieselben Personen als solche, die Verrichtungen in einer priesterlichen Weise ausüben. In Kapitel 4 sind die Ältesten gekrönt und auf Throne gesetzt. In Kapitel 5 tragen sie goldene Gefäße (oder Schalen) des Wohlgeruchs (d. i. Räucherwerk), welcher „die Gebete der Heiligen sind“. Im einen Kapitel wird folglich ihre königliche Stellung mehr entfaltet, in dem anderen ihre priesterliche Beschäftigung. Das wird niemals auf gewöhnliche Engel bezogen. Den einzigen Engel, der irgendwo in priesterlicher Tätigkeit gesehen wird, finden wir, wenn der Herr Jesus den Charakter eines Engelpriesters annimmt (Off 8). Natürlich wird Er nicht zu einem buchstäblichen Engel. Gott gefiel es indessen aus ausreichend gewichtigen Gründen, während der Posaunenstöße Ihn in dieser Gestalt am Altar zu zeigen.
Als nächstes wird unsere Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was den Thron in richterlicher Hinsicht kennzeichnet, und außerdem auf den Heiligen Geist in einer sinnbildlichen Beschreibung, welche zum Schauplatz passt: Sieben Lampen oder Fackeln aus Feuer brennen vor dem Thron, welche die sieben Geister Gottes sind. So ist es demnach nicht der Heilige Geist in der gnädigen Macht, welche seine Beziehung zur Kirche charakterisiert, sondern im Gericht der göttlichen Regierung; denn es geht um eine sündige, schuldige Welt – um das Erschaffene und nicht um die neue Schöpfung. So sehen wir auch, dass die vier lebendigen Wesen vor uns gestellt werden.
„Vor dem Throne“, steht geschrieben, war „ein gläsernes Meer, gleich Kristall“ (V. 6). Statt eines Waschbeckens mit Wasser, um die Unreinen zu reinigen, handelt es sich um ein „Meer“ – nicht flüssig, sondern aus Glas. Das spricht von einer dauerhaften Reinheit. Es geht also nicht darum, dem zu begegnen, das man sich in dieser verunreinigenden Welt zuzieht. Diejenigen, welche hier mit dem „Meer“ in Beziehung stehen, haben den Zustand des Versagens und der Bedürfnisse verlassen. Sie sind im Himmel und schon verherrlicht; und ich möchte an dieser Stelle noch einmal wiederholen, was schon oft gesagt wurde, dass alle Schriftstellen bezeugen, dass die Leiber verherrlicht werden, ohne ein Wort von verherrlichten Geistern. Die vierundzwanzig Ältesten sprechen [genaugenommen; Übs.] nicht von jenen Gliedern Christi, welche durch den Tod in seine Gegenwart eingehen. Das Zahlensymbol kann tatsächlich nicht mit einer solchen Vorstellung vereinbart werden, und zwar aus dem einfachen Grund: Lege die vierundzwanzig Ältesten aus, wie du willst – es muss eine vollständige Menschengruppe dabei herauskommen! Von den Erlösten kann nicht gesagt werden, dass sie in irgendeinem Sinn vollständig sind, bevor Christus gekommen ist, um alle dann auf der Erde lebenden Gläubigen zu verwandeln zusammen mit allen denen, die vorher in Ihm entschlafen sind, damit sie mit Ihm droben verherrlicht werden.
Wann immer wir auch die abgeschiedenen Geister sehen mögen – es gibt dann immer noch Menschen auf der Erde, die hinzugefügt werden müssen, um die Anzahl vollständig zu machen. Tatsächlich ist die Heilige Schrift weit davon entfernt, den Zustand der abgeschiedenen Geister irgendwo als vollständig darzustellen. Ihr Zeugnis widerspricht dem ausdrücklich. Die Kirche (Versammlung) wird in einem gewissen Sinn in jedem Augenblick auf der Erde als vollständig gesehen. Das liegt nicht daran, dass die Gläubigen auf der Erde mehr Bedeutung haben als diejenigen im Himmel, sondern weil der Heilige Geist vom Himmel herab gesandt worden ist und sich auf der Erde befindet. Das ist der Grund. Der Geist Gottes ist das eine Band der Kirche. Wo Er ist, muss auch die Kirche sein. Folglich kann es niemals irgendeinen vollständigen Zustand zu einem beliebigen Augenblick im Himmel geben, bevor Jesus gekommen ist, sondern nur auf der Erde. Wenn wir indessen von absoluter Vollständigkeit sprechen, ist klar, dass diese nicht eingetreten sein kann, bevor der Herr gekommen ist und alle himmlischen Heiligen aus der Welt herausgenommen hat. Dann gehen sie hinauf in seine himmlische Gegenwart. Dort ist Vollständigkeit; und dieser Zustand wird von den vierundzwanzig Ältesten dargestellt. So finden wir hier noch mehr Bestätigung von dem, auf das wir schon den Nachdruck gelegt haben, nämlich dass die gesamte Beschreibung voraussetzt, dass die Kirchensituation vorbei ist und ein neuer Zustand begonnen hat.
Das ist die zwanglose Bedeutung dieser Vision von der Glückseligkeit und Herrlichkeit solcher, die einst auf der Erde waren und sich jetzt verherrlicht im Himmel befinden. Sie sind im vollsten Sinn eine vollständige Gruppe, die Häupter der himmlischen Priesterschaft. Sie haben demnach jenen Zustand verlassen, in dem sie eine Waschung mit dem Wasser durch das Wort benötigten (Eph 5,26). Es ist ein „Meer“ – nicht aus Wasser, sondern aus Glas wie Kristall. Das besiegelt diese Wahrheit in eindeutigster Weise.
Weiterhin müssen wir das Symbol der Cherubim beachten. „Und inmitten des Thrones und um den Thron her vier lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten.“ Gott hatte ihnen vollständiges Unterscheidungsvermögen verliehen. Die lebendigen Wesen verstehe ich als Sinnbilder von der Wirksamkeit (was auch immer die Wirkenden sein mögen), die Gott in der Ausübung seiner richterlichen Macht verwendet. Folglich sind die Eigenschaften dieser Macht durchaus passend und notwendig für die Gerichtsvollstreckung. „Das erste lebendige Wesen war gleich einem Löwen, und das zweite lebendige Wesen gleich einem Kalbe [ein junger Bulle oder Stier], und das dritte lebendige Wesen hatte das Angesicht eines Menschen, und das vierte lebendige Wesen war gleich einem fliegenden Adler“ (V. 7). Darin sehen wir majestätische Macht, geduldiges Ausharren, Einsicht und Schnelligkeit. Alle diese Eigenschaften werden in den folgenden Gerichtshandlungen eingesetzt.
Die Frage erhebt sich – und es ist eine sehr interessante Frage: Nicht: Was, sondern wer sind die lebendigen Wesen? Wir haben ihre Eigenschaften in ihrer Tätigkeit gesehen. Doch wer sind die Wirkenden? Das ist ein heikler Punkt. Doch ich denke, dass die Heilige Schrift jenen ausreichend Licht gibt, die alles von Gott erwarten, was für unser Wissen wichtig ist.
Wir stellen fest (und das ist eine bemerkenswerte Tatsache), dass in Offenbarung 4 keine Engel erwähnt werden. Wir fanden den Thron Gottes; wir sahen die Ältesten und auch die vier lebendigen Wesen, aber kein Wort über Engel. Die lebendigen Wesen feiern Gott noch nicht als den Allerhöchsten, sondern als „Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott, Allmächtiger, der da war und der da ist und der da kommt!“ (V. 8). „Und wenn die lebendigen Wesen“ [auf diese Weise] „Herrlichkeit und Ehre und Danksagung geben werden dem, der auf dem Throne sitzt, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, so werden die vierundzwanzig Ältesten niederfallen vor dem, der auf dem Throne sitzt, und den anbeten, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und werden ihre Kronen niederwerfen vor dem Throne und sagen: Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott, zu nehmen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht; denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden“ (V. 9–11). Die Ältesten sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie stets mit Verständnis sprechen. Das wird auch in einem gewissen Maß für den jüdischen Überrest gelten, der nach der Entrückung berufen werden soll. Er wird gekennzeichnet als „die Verständigen, die verstehen“. So wissen wir aus Daniel 12,10 und anderen Bibelstellen. Bei den Ältesten hingegen ist dieses Verständnis von höherem Charakter, weil sie unwandelbar die wahre Grundlage jeder Angelegenheit erkennen. Das ist ein außerordentlich schöner Zug, von dem ich annehme, dass er auch mit der Tatsache, dass sie „Älteste“ genannt werden, in Verbindung steht. Es sind jene, welche die Gesinnung Christi haben. Sie erfassen die Ratschlüsse und Wege Gottes.