Botschafter des Heils in Christo 1886

Hat Gott die einen zur Verdammnis und die anderen zur Herrlichkeit bestimmt?

Es ist keine ungewöhnliche List des Feindes, den Buchstaben des Wortes Gottes zu nehmen und sich desselben zu bedienen, um seinen Lügen gegen Gott Glauben zu verschaffen. Selbst vor dem Herrn Jesus führte er Schriftstellen an, um Ihn zu versuchen, aus seiner Abhängigkeit von Gott herauszutreten: darf man sich daher wundern, wenn er auch Teile des Wortes ganz verdreht, um die Menschen zum Misstrauen gegen Gott zu verleiten? Indem er dadurch ihre sträfliche Gleichgültigkeit der offenbarten Liebe Gottes gegenüber entschuldigt und ihnen ihre Verantwortlichkeit verbirgt, hindert er sie, die wunderbare Gnade anzunehmen, welche, mittelst des Glaubens, allen Menschen Heil bringt.

Der oben angeführte Schriftabschnitt, Römer 9,6–23, ist eine von jenen Stellen, welche der Feind zu seinem Vorteil und zum Schaden der Seelen ausbeutet.

In den Kapiteln 9 bis 11 dieser Brief an die Römer tritt der Apostel den Einwürfen entgegen, welche die Juden gegen die Lehre von der freien Gnade, die sowohl den Heiden als den Juden gemeinsam ist, vorbrachten. Es musste ihnen scheinen, als ob diese Lehre gegen die besonderen Verheißungen verstoße, die Gott dem Abraham bedingungslos gegeben hatte. Um ihre Einwürfe zu widerlegen, beweist ihnen nun der Apostel aus der Schrift, die sie ja in Händen hatten, dass der Plan Gottes mit Abraham, Isaak und Jakob auf sein Wort gegründet war, auf seine Verheißung, seine Erwählung und endlich auf seine Oberhoheit, – eine Oberhoheit, die Er in Erbarmen erwies zu einer Zeit, als Er sie gerechter Weise im Gericht hätte geltend machen können. Es ist nötig, hieran zu erinnern, um die nächstliegende Bedeutung der Schriftstelle, welche wir untersuchen wollen, anzugeben. Wer diese nicht erkennt und in der Bibel nur eine Frage behandelt sieht, nämlich diejenige unseres ewigen Heils, wird die Worte dieses 9. Kapitels auf sich anwenden und etwa folgenden Schluss machen: Gott steht über allem und hat den Einen zum ewigen Verderben, den Anderen zur ewigen Seligkeit bestimmt; und weil nun alles von der Erwählung abhängt, so gelangt man, wenn man auserwählt ist, unfehlbar zur Errettung, während andernfalls Gottes Beschlüsse und seine Oberhoheit alle unsere Wünsche und alle unsere Anstrengungen eitel und unnütz machen.

Anderen Seelen, die in ihrem Gewissen beunruhigt sind und sich zum Herrn hingezogen fühlen, (was ja schon Gottes Werk in ihnen ist) flüstert der Feind zu: „Wenn du nicht auserwählt bist, so ist es ganz und gar nutzlos, zu beten und Frieden zu suchen!“

Um seinen Weg durch alle diese Meinungen hindurch zu finden, ist es daher nötig, Gottes Gedanken in seinem teuren Worte aufzusuchen; denn dieses widerspricht sich nie, sondern rechtfertigt sich und legt sich durch sich selbst aus.

Das Wort Gottes redet allerdings von einer Erwählung und Zuvorbestimmung. Die ersten Verse der Brief an die Epheser und die Verse 28–30 des 8. Kapitels an die Römer sind in Bezug auf diesen Punkt klar und bestimmt; ebenso der 23. Vers unseres Kapitels, welcher sagt, dass Gott den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die Er zur Herrlichkeit zuvorbereitet habe, kund tue.

Die wichtige Frage ist nun zunächst die: An wen richtet sich das Wort Gottes, wenn es von der Erwählung redet? Wem offenbart Gott dieses Geheimnis? Einzig und allein den Gläubigen. Der Brief an die Epheser war nicht an alle Einwohner von Ephesus gerichtet, sondern nur an „die Heiligen und Treuen in Christus Jesus, die in Ephesus sind“ (Kap 1,1). Es waren Gläubige. Im 13. Verse heißt es von ihnen: „Nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, seid ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.“ Ebenso war der Brief an die Römer nicht an alle Bewohner Roms gerichtet, sondern an „die Geliebten Gottes, die in Rom sind“, zu denen der Apostel sagen konnte: „euer Glaube wird in der ganzen Welt verkündigt“ (Kap 1,7–8). Es waren also ebenfalls Gläubige, an welche die Verse 28–30 des 8. Kapitels gerichtet sind, und denen der Apostel die Erbarmungen Gottes hinsichtlich Israels und hinsichtlich aller Menschen in den Kapiteln 9–11 seines Briefes darlegt.

Die Wahrheit von der Auserwählung ist somit nur für die Gläubigen bestimmt; sie ist gleichsam ein Familiengeheimnis und nicht eine öffentliche Frage. Ein Mensch kann nicht eher wissen, ob er auserwählt ist, bis er an den Herrn Jesus als seinen Heiland geglaubt hat. Auf diesem Weg hatten die Gläubigen von Ephesus und Rom ihre Auserwählung kennen gelernt. Jede Seele steht unter der Verantwortlichkeit, das Evangelium anzunehmen, welches allen ohne Ausnahme, mittelst des Glaubens, das Heil anbietet; so dass niemand die Wahrheit der Auserwählung als die Ursache vorschützen kann, dass er nicht glaubt. Einer solchen Person möchten wir noch dieses sagen: Um behaupten zu können, dass du nicht auserwählt bist, müsstest du dich als ein armer, verlorener Sünder in die Arme des Herrn Jesus geworfen haben und zurückgewiesen worden sein. – Ist das der Fall bei dir?

Wer nicht den Eingebungen und Meinungen seiner Vernunft folgt, sondern die Heilige Schrift achtet und wertschätzt, wird finden, dass das Wort Gottes auch von einer Erwählung nach seiner Regierung redet, d. h. von einer Auswahl, die nichts mit der ewigen Errettung zu tun hat, sondern mit einer Stellung, die in Verbindung steht mit dieser Erde. Und gerade das ist es, was uns Römer 9 zeigen will. Der Apostel bezeugt die drei großen Grundlagen des Ratschlusses Gottes: Sein Wort, die Verheißung und die Erwählung. Auch ergreift er das Wort für die Oberhoheitsrechte Gottes und für seine Treue und sein Erbarmen. Gott ist treu in allen diesen Dingen; anders würde sich das Volk Israel wegen seines vielfachen Ungehorsams von allen seinen Erbrechten an die Verheißungen ausgeschlossen finden.

Gott ist, und Er hat gesprochen; und sein Wort ist nicht wirkungslos gewesen. Für Ihn ist das gesprochene Wort und das erfüllte Wort, das Geredete und das Geschehene, eins und dasselbe. Nun hatte Gott Abraham erklärt, dass in Isaak, dem nach der Verheißung Geborenen, und nicht in Ismael, dem nach dem Fleisch Geborenen, sich seine wahre Nachkommenschaft finden sollte.

Darauf führt der Apostel anlässlich der Söhne Isaaks den Grundsatz der Erwählung an. Sie waren Zwillinge und hatten, im Gegensatz zu Isaak und Ismael, den gleichen Vater und die gleiche Mutter. Aber noch vor der Geburt der Kinder, „ehe sie noch etwas Gutes oder Böses getan hatten“, also auf Grund der Erwählung und Berufung, erklärte Gott ihrer Mutter: „Der Größere wird dem Kleineren dienen.“ Demnach hat Gott also den Jakob vor seiner Geburt erwählt? Ja. Und Er hat Esau vor seiner Geburt beiseitegesetzt? Ja. Gott hat Jakob erwählt, dass er seinem Vater in der Reihe der Erzväter folge, wie dies der oft wiederkehrende Ausdruck: „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ beweist. Gott hat Esau beiseitegesetzt, indem Er im Voraus urteilte, dass er unwürdig sei, in die Reihe der Erzvater eingefügt zu werden, obwohl er älter war als Jakob. War Gott ungerecht, indem Er diese bestimmte Auswahl traf, noch ehe die beiden Männer etwas Gutes oder Böses getan hatten? Nein; ihre Geschichte hat bewiesen, dass Gott zuvor wusste, was ein jeder von beiden sein würde. Jakob war, menschlich gesprochen, nicht besser als sein Bruder; aber es gab etwas in ihm, das Wert hatte vor Gott, und das war seine Hochschätzung des väterlichen Segens. Es fehlte ihm an Glauben, und auf den Antrieb der Mutter wendete er menschliche Mittel an, um diesen Segen zu erlangen, der ihm nach göttlichem Beschluss gehörte. Aber er zeigte, dass er es für unendlich wertvoll hielt, den Segen zu besitzen und der Sohn Abrahams in der Geschlechtslinie der Verheißung zu sein. Esau hingegen verachtete eine solche Gunst; er hielt sie für eine wertlose Sache. Er tauschte seine Würde als Erbe Abrahams gegen ein Linsengericht ein; und hierin erwies er sich als ein „Ungöttlicher“, wie Gottes Wort uns in Hebräer 12 sagt.

So kannte Gott in seiner Allwissenheit im Voraus den Charakter dieser beiden Männer, und alles das, was sie unterscheiden würde, war Ihm bekannt. Und indem Er dies alles wusste, hat Er Jakob erwählt und Esau beiseitegesetzt. Wir haben das eine Erwählung nach der Regierung Gottes genannt; sie bezog sich in obigem Fall auf die. Reihenfolge der Erzväter, und es handelte sich weder um eine Zuvorbestimmung Jakobs zur Herrlichkeit, noch um eine Zuvorbestimmung Esaus zum ewigen Verderben. – Man wird jedoch einwenden: Sagt aber nicht der Schluss der Stelle ausdrücklich, dass „Gott den Jakob geliebt, den Esau aber gehasst“ hat? Allerdings, das steht geschrieben; nur müssen wir nachsehen, wann Gott dies erklärt hat. Hat Gott etwa vor der Geburt der beiden Männer diesen Ausspruch getan? Nein, nicht damals, als sie weder Gutes, noch Böses getan hatten, sondern mindestens 12 Jahrhunderte nach ihrem Tod. Das obige Wort findet sich im Buch des Propheten Maleachi, der ungefähr 400 Jahre vor Christi Geburt weissagte. Gott gibt hier, nach dem Tod von Jakob und Esau, die Gründe an, welche Ihn bewogen haben, den zu lieben, der den Segen wertgeachtet, und den zu hassen, der ihn verschmäht hat. Ist Gott ungerecht, dass Er also handelt? Keineswegs; überdies finden wir nirgendwo, dass Gott im Voraus sagt, Er werde irgendjemanden hassen, obwohl Er im Voraus das Verhalten eines jeden kennt. Wenn aber ein Mensch im Lauf seines Lebens seine völlige Verachtung einer Sache, die in den Augen Gottes überaus kostbar ist, an den Tag legt, ist Gott dann ungerecht, wenn Er erklärt, dass Er ihn gehasst hat? – Der 12. Vers unseres Kapitels enthält also ein Wort, das vor der Geburt Jakobs und Esaus ausgesprochen wurde, während der 13. Vers, der auf den ersten Blick mit dem vorhergehenden ein Ganzes zu bilden scheint, einen Ausspruch anführt, der mehr als 1200 Jahre nach ihrem Tod getan worden ist. Auch handelt es sich, wie bereits gesagt, in beiden Stellen durchaus nicht um das ewige Teil und Los der beiden Männer.

Alsdann führt der Apostel, um zu zeigen, dass bei Gott keine Ungerechtigkeit ist, dessen (man Ihn anklagt) in den Versen 14–16 die Antwort an, welche Jehova seinem Knecht Mose in 2. Mose 33,19 gibt: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und mich erbarmen, wessen ich mich erbarme.“ Nun mag man einwenden, dass das Eine sonderbare Art und Weise sei, um zu beweisen, dass es bei Gott keine Ungerechtigkeit gebe. Doch sehen wir näher zu. In Kapitel 32 erklärt Gott, nachdem Israel das goldene Kalb gemacht hatte, in gerechtem Zorn, dass Er das Volk vernichten wolle. Dann fleht Mose für das Volk, und Gott steht ab von seinem Zorn. Er erweist Gnade in dem Augenblick, wo es nur ein Akt der Gerechtigkeit gewesen sein würde, wenn Er das ganze Volk vertilgt hätte. Gott macht Gebrauch von seinen Oberhoheitsrechten, um Gnade zu erweisen. Ist Er ungerecht, wenn Er so handelt?

Doch man wird weiter einwenden: Aber der 16. Vers fügt hinzu: „Also liegt es nun nicht an dem Wollenden, noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott“; demnach nützt es mir also nichts, zu wollen oder zu laufen, wenn Gott mich nicht begnadigen will. – Unsere Antwort ist: Untersuche die Schrift; lies 2. Mose 32 und 33. Was war es, was das Volk wollte? Der Götzendienst! Und wem lief es nach? Den Göttern Ägyptens! Wenn das Volk also nicht hinweggerafft worden ist, so verdankt es dies lediglich der Gnade Gottes. – jeder Gläubige befindet sich in demselben Fall. Er kann sagen, und er sagt es tatsächlich: Ich habe alles gewollt, nur den Herrn nicht; ich bin den eitlen Dingen dieser Welt nachgelaufen, auf sie war mein Dichten und Trachten gerichtet; und dass ich heute ein Kind Gottes bin, verdanke ich einzig und allein Gottes Gnade und Barmherzigkeit! „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht; durch Gnade seid ihr errettet“ (Eph 2,4–5).

Aber bereiten die Verse 17 und 13 nicht eine neue Schwierigkeit? Wenn Gott Gnade erweist, wem Er will, so verhärtet Er auch, welche Er will. Wenn Gott aber eine Person verhärtet, was kann sie dann machen? – In der Tat, Gott verhärtet; und das ist eine ernste Wahrheit. So hat Er als ein Gericht Verhärtung über das Herz des Pharao kommen lassen. Aber wann hat Er das getan? Geschah es schon, als Mose zum ersten oder zum zweiten Mal mit ihm als der Stellvertreter Jehovas redete? Nein, es wurde dem Pharao zuvor eine Frist gegeben, um Jehova zu erkennen; aber anstatt Ihm zu gehorchen, spottete er seiner. Beim Durchlesen von 2. Mose 7 und 8 finden wir wenigstens fünfmal die Worte: „Und der Pharao verhärtete sein Herz.“ Allerdings finden sich darauf auch die Worte: „Und Jehova verhärtete das Herz des Pharao.“ Nun beruft man sich auf Kapitel 4,21 und auf Kapitel 7,3, um zu beweisen, dass Gott im Voraus beschlossen habe, das Herz des Pharao zu verhärten. Brauchen wir zu versichern, dass es nicht also ist? Gott, der das Ende von Anfang an sieht und kennt, wusste auch, dass der Pharao sein Herz verhärten und das Volk nicht ziehen lassen würde (vgl. Kap 3,19), und dass er Gott gleichsam zwingen würde, ihn der gerichtlichen Verhärtung anheimzugeben. Jehova teilte vorher seinem Knecht Mose im Vertrauen mit, wozu es notgedrungen mit dem Pharao kommen müsse; und erst nach der sechsten Plage wurde das Gericht der Verhärtung an ihm vollzogen. So dient der Pharao, der mit Gott gleichsam sein Spiel getrieben hat, durch seine eigene Schuld zum Beispiel für die Tatsache, dass Gott Gott ist, und dass ein Erdenwurm, der es wagt, Ihm zu trotzen, sich selbst sein Verderben bereitet. Der Pharao ist, so zu sagen, dazu erweckt worden, um kundzutun, dass Gott unmöglich seine Ehre preisgeben kann; denn wenn man die Gaben seiner Liebe zurückweist, so, muss man seiner Macht im Gericht begegnen.

Auf die Fürbitte Moses hin erwies sich Gott also dem Volk gnädig, und war, was den Pharao betrifft, genötigt, ihn zu verhärten. Hätte Gott nur seiner Gerechtigkeit freien Lauf lassen wollen, so hätte Er das Volk wie den Pharao vernichten müssen.

Wenn nun dem ungeachtet der Mensch fortfährt, darauf zu bestehen, dass es bei Gott Ungerechtigkeit gebe, und wenn er sich bemüht, durch seine Vernunftgründe zu beweisen (was ihm nie gelingen wird), dass Gottes Wort fehlerhaft sei, so hat das Wort auch diesen Fall vorausgesehen. Es antwortet ihm: „Wer bist du, o Mensch, der du das Wort nimmst Wider Gott!“ Bist du seinesgleichen? Hat das Geschöpf Macht über den Schöpfer, oder ist nicht vielmehr der Schöpfer Herr über sein Geschöpf? Welches Recht könnte ein gefallenes Geschöpf vor dem Schöpfer, wider den es gefrevelt hat, beanspruchen? Keines, wenn man das Gericht nicht ein Recht nennen will. – Und lenkt der Ton auf dem Töpfertisch etwa die Hand des Formers? Ist es nicht vielmehr der Töpfer, der über den Ton verfügt? Und ist es nicht die erste Forderung der Gerechtigkeit, dass man Gott den Platz gibt, der Ihm gebührt? Selbst wenn Gott sich seiner Oberhoheitsrechte bedienen würde, um (wie man Ihn beschuldigt) den Einen zum Glück, den Anderen zum Verderben zu bestimmen, wer wäre berufen, mit Ihm darüber zu rechten? Aber die Verse 22–23 zeigen uns, dass Gott von seiner Oberhoheit gerade im entgegengesetzten Sinne Gebrauch macht. Selbstverständlich ist Er Gott; Er handelt auch in seinem Zorn, und Er erweist seine Macht. Aber wann? Erst nachdem Er wiederholte Beweise seiner Langmut und seiner großen Geduld gegeben hat. Und zwar gegen wen? Gegen „Gefäße des Zornes, die zubereitet sind zum Verderben.“ Gibt es denn zum Verderben zubereitete Gefäße? Ja; aber wer hat sie dazu zubereitet? Etwa Gott? Unmöglich! Man lasse das Wort Gottes nicht sagen, dass Gott jemanden zum Verderben zubereitet habe! 1

Der Pharao war ein solches Gefäß des Zornes, das zum Verderben zubereitet war. Aber hatte Gott ihn dazu zubereitet? O nein, sondern der Pharao selbst! Gott hatte ihn seinerseits „mit vieler Langmut“ ertragen; und so werden einmal alle, die Gott, so zu sagen, gezwungen haben, sie in den Feuersee zu werfen, anerkennen müssen, dass sie, wie der Pharao, sich selbst eigenwillig zu einer ewigen Strafe zubereitet haben!

Der 23. Vers unseres Kapitels gibt uns die Kehrseite dieses Gedankens: „... auf dass Er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung (oder der Barmherzigkeit), die Er zur Herrlichkeit zuvorbereitet hat.“ Was diese also betrifft, so ist es Gott, der sie bereitet, und zwar „zuvorbereitet“ hat. Sie sind Gefäße der Barmherzigkeit, welche, wenn sie sich selbst überlassen geblieben wären, sich selbst ihr Verderben bereitet haben würden. Ihrer Natur nach sind sie eben sowohl Gefäße des Zorns, wie die übrigen. Gott aber, der alles zuvor sieht, hat auch zuvor bestimmt, dass Satan nicht alle sich nach in das ewige Verderben ziehen sollte. Gott wollte Menschen bei sich haben in seiner Herrlichkeit, und um dies möglich zu machen, war es nötig, dass Er sie in seiner Barmherzigkeit zuvorbereitete. Kein Einziger würde aus sich selbst zu Ihm gekommen sein. Denn „da ist niemand, der verständig sei, niemand, der Gott suche!“ (Röm 3,11) So lautet das Zeugnis Gottes über alle Menschen.

Gäbe es also keine Auserwählung, so würde Satan hinsichtlich des Menschen den Vorrang haben vor Gott. Alle Menschen würden auf seiner Seite, und keiner auf der Seite Gottes stehen. Aber nach Gottes Vorherbestimmung sollten Menschen, glücklich gemacht durch Ihn, die vielen Wohnungen des Vaterhauses droben bewohnen. Ohne diese Vorherbestimmung würde niemand, weder der Schreiber noch der Leser dieser Zeilen, in die Gemeinschaft Gottes gekommen sein, niemand sich zu Ihm gewandt haben.

Wenn nun der immer noch nicht überzeugte Zweifler und Vernünftler fragt, warum Gott nicht alle Menschen zur Herrlichkeit zuvorbereitet habe, so antworten wir zunächst darauf, dass Gott unumschränkt ist und über allem steht. Sodann aber sei ihm gesagt, dass das Evangelium ihn heute noch ernstlich einlädt, die Tatsache anzuerkennen, dass er durch die Sünde verdorben und verloren ist und infolge seiner Sünden die Verdammnis verdient hat; dass er aber noch heute errettet werden kann, wenn er seine Zuflucht zu Christus nimmt. Christus streckt, innerlich bewegt, seine Hände nach ihm aus; eilt er zu Ihm, so ist er geborgen, und wird so erkennen, dass er ein Gefäß der Begnadigung ist, zuvorbereitet zur Herrlichkeit. Fährt er aber fort, Christus, die Gabe Gottes, zurückzuweisen, so möge er wissen, dass er sich selbst zum Verderben und zum Gericht zubereitet!

Man muss völlig blind sein und die Feindschaft des menschlichen Herzens gegen Gott leugnen, um zu behaupten, dass ein Mensch den aufrichtigen Wunsch nach Errettung haben, und dennoch ewig verloren gehen könne, weil Gott ihn nicht auserwählt habe. Vielmehr werden alle, die dereinst im Himmel sein werden, das ewige Bewusstsein haben, dass sie nur infolge der unvermischten Gnade Gottes dort sind; und andererseits werden alle diejenigen, welche „des ewigen Feuers Strafe leiden werden“, unter furchtbaren Gewissensbissen sich sagen müssen: Wir sind hier durch unsere eigene Schuld! Den Fall gibt es nicht, kann es nicht geben, dass jemand sich aufrichtig zu Jesu, dem Erlöser, wendet, aber verloren geht, Weiler nicht auserwählt ist. Gott aber ist gerecht, wenn Er den richtet, der den Heiland verworfen und das ihm umsonst dargebotene Heil für wertlos gehalten und ausgeschlagen hat. Und Gott ist gerecht, wenn Er den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesus ist (Röm 3,26).

O möchten doch alle die Seelen, welche durch die Gnade erweckt sind und den Herrn suchen, nicht dem Feind glauben, wenn er ihnen zuflüstert, dass sie nicht erwählt seien! Möchten sie vielmehr auf den Herrn hören, der ihnen zuruft: „Kommt her zu mir, alle Mühselige und Beladene, und ich werde euch Nutze geben!“ (Mt 11,28), und ferner: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinauswerfen“ (Joh 6,37). Ja, geht zu Jesu, glaubt an seine Liebe! Er wird euch Frieden geben; und dann werdet ihr wissen, dass ihr von Gott auserwählt wärt vor Grundlegung der Welt.

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gegeben; auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16).

„Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes!“ (Joh 3,18)

„Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh 3,36).

Fußnoten

  • 1 Manche meinen, dass das Wort in 1. Petrus 2,8: „wozu sie auch gesetzt sind“, hiermit im Widerspruch stehe. Wer sind aber die, welche dazu gesetzt sind, sich an dem Wort zu stoßen? Die Ungehorsamen und Ungläubigen! Sie haben Christus, den lebendigen und in den Augen Gottes und der Gläubigen so kostbaren Stein, den Gott zum Eckstein gemacht hat, verworfen, und dieser ist somit notwendig zu einem Stein des Anstoßes für sie geworden: sie stoßen sich an Ihm. Der Prophet Jesajas hatte das vorausgesagt (Kap 8,14; vgl. auch Röm 9,31-33). Als Ungehorsame müssen sie sich notwendiger Weise am Wort stoßen; die Tatsache, dass sie das verwerfen, was Gott und die Gläubigen für kostbar erachtet haben, bereitet sie dazu. Es ist das kein zuvorgefasster Beschluss von Gott, kein Verhängnis über sie, sondern vielmehr die unvermeidliche Folge ihrer Stellung als Ungehorsame, einer Stellung, für welche sie verantwortlich sind.
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