Botschafter des Heils in Christo 1885
Ein gereinigtes Gewissen
Der Mensch hat ein Gewissen. Er weiß, was gut und böse ist. Selbst in dem verhärtetsten Sünder erhebt das Gewissen von Zeit zu Zeit seine mahnende und warnende Stimme. Ja, in dem blindesten Heiden und Götzendiener redet das Gewissen seine ernste Sprache. Der Apostel Paulus schreibt in Bezug auf die Heiden: „Diese, die kein Gesetz haben, sind sich selbst ein Gesetz, als welche zeigen das Werk des Gesetzes, geschrieben in ihren Herzen, indem ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich unter einander anklagen oder auch entschuldigen“ (Röm 2,14–15). Das Gewissen kann irregeleitet werden, kann schwach und krank sein, ja mehr und mehr abgestumpft werden; aber es ist da und stellt den Menschen unter Verantwortlichkeit.
Wenn die Gnade Gottes in dem Herzen wirkt und das Licht des göttlichen Wortes in die Seele dringt, so beginnt das Gewissen laut und immer lauter zu reden. Es verurteilt das ganze bisherige Leben und ruft Unruhe und Angst hervor. Manche suchen dann ihr Gewissen auf allerlei Weise zu beruhigen. Sie suchen Trost und Beruhigung und wissen nicht, dass das, was sie bedürfen, Errettung und Vergebung ist. Sie tun dies und das, versuchen dieses und jenes Mittel, um die Stimme ihres Gewissens zum Schweigen zu bringen; aber all ihr Mühen ist umsonst. Immer wieder beginnt es von neuem, sie anzuklagen und zu verurteilen. Zahllose Sünden steigen vor den erleuchteten Augen ihres Herzens empor; die Furcht vor dem Tod und dem danach kommenden Gericht macht sie erzittern, und sie denken mit Schrecken daran, vor einem heiligen und gerechten Gott erscheinen zu müssen. Sie beginnen ein anderes Leben zu führen, religiös zu werden, so genannte gute Werke zu tun; aber anstatt Frieden und Ruhe zu finden, müssen sie die Erfahrung machen, dass all ihr Tun nicht imstande ist, sie mit Gott zu versöhnen und die Ansprüche seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit zu befriedigen. Sie lernen aus der Schrift, dass das göttliche Urteil lautet: „Da ist nicht ein Gerechter, auch nicht einer; da ist nicht, der verständig sei; da ist nicht, der Gott suche. Sie sind alle abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist nicht, der Gutes tue, da ist auch nicht einer. ... Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3). Je mehr sie das Wort Gottes lesen und je mehr sie sich abmühen, das Böse zu meiden und das Gute zu tun, desto mehr erwacht das Bewusstsein ihrer Schuld in ihnen, desto unreiner und sündiger fühlen sie sich. Ihre besten Werke erscheinen ihnen als schmutzige Lumpen, und sie erkennen mehr und mehr, dass sie völlig unpassend sind für die Gegenwart eines heiligen Gottes. Die Last ihrer Sünden wird immer unerträglicher, und die unaufhörlichen Anklagen eines bösen Gewissens erwecken in ihnen das tiefe Bedürfnis nach Vergebung. Sie wissen jetzt, dass es nicht ein beruhigtes Gewissen ist, dessen sie bedürfen, sondern ein gereinigtes, ein gutes Gewissen; dass sie die göttliche Gewissheit haben müssen, dass alle ihre Sünden gerichtet, für ewig ausgelöscht und vor den Augen Gottes hinweggetan sind.
Wie köstlich für solche Seelen, dann zu hören, dass es einen Weg gibt, auf welchem sie die Gewissheit der Vergebung aller ihrer Sünden erlangen können, dass ein Mittel da ist, durch welches ihr Gewissen gereinigt werden kann! Wir wissen, worin dieses Mittel besteht; es ist das kostbare Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, das da reinigt von aller Sünde. An dieses Blut glaubend, finden sie Vergebung aller ihrer Sünden, Rechtfertigung und Erlösung, und also gereinigt von bösen und toten Werken, erhalten sie ein gutes Gewissen. Sie erfahren an sich selbst die Kraft der Worte des Apostels: „Denn wenn das Blut von Stieren und Böcken ... zur Reinheit des Fleisches heiligt, wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“ (Heb 9,13–14) Das Blut Jesu Christi befriedigt mein Gewissen vollständig, da es Gott im Blick auf meine Sünden vollkommen befriedigt hat.
Sel'ger Ruhort! – Süßer Friede
Füllet meine Seele jetzt.
Da, wo Gott mit Wonne ruhet,
Bin auch ich in Ruh' gesetzt.
Nur dann, wenn unsere Herzen besprengt und wir also gereinigt sind vom bösen Gewissen (Heb 10,22), können wir in aller Gewissheit des Glaubens und mit völliger Freimütigkeit Gott nahen durch Ihn, der mit seinem eignen Blut in den Himmel gegangen ist. Wir haben dann „kein Gewissen mehr von Sünden“ und wissen, dass Gott selbst es ist, welcher rechtfertigt (Heb 10,2; Röm 3,26). Wir haben die Gewissheit, dass wir durch ein Opfer für immerdar vollkommen gemacht sind, und dass Gott unserer Sünden und unserer Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken will. Zu Gott gebracht, mit Ihm versöhnt durch den Tod seines Sohnes, haben wir Eintritt in das Allerheiligste durch das Blut Jesu und sind fähig gemacht, dort anzubeten und Gott zu preisen, in dem Bewusstsein, dass unsere, Sünden abgewaschen, unser Gewissen gereinigt und wir selbst zu gereinigten Anbetern gemacht worden sind. Zugleich trennt uns dies von aller toten und schriftwidrigen Religiosität und leitet uns an, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten.