Botschafter des Heils in Christo 1885
Der Charakter Nehemias
Wir sehen bei Nehemia ein Herz, welches über die Leiden seines Volkes tief betrübt war, was immer ein kostbares Zeichen der Gnade Gottes ist; und der, welcher dieses Gefühl in ihm erweckt hatte, lenkte auch das Herz des Königs Arthasastha, dass er Nehemia alles gewährte, was für des Volkes und Jerusalems Wohl nötig war. Auch sehen wir, dass sein Herz den Umgang mit Gott pflegte, dass er in Ihm seine Kraft suchte und so die größten Hindernisse überwand. Die Tage, in denen Nehemia für das Wohl seines Volkes arbeitete, gehörten nicht zu jenen glänzenden Zeitabschnitten, welche die Energie des Glaubens, oder selbst schon des Menschen zur Tat ermuntern und einen glänzenden Erfolg verheißen. Es war eine Zeit, welche jene Ausdauer erforderte, die einzig aus einem tiefen Interesse an dem Volk Gottes entspringt; eine Ausdauer, welche eben deshalb, weil es sein Volk ist, treu ihr Ziel verfolgt, ungeachtet aller Schmach, die auf dem anscheinend so unbedeutenden Werke ruht, das aber nichtsdestoweniger das Werk Gottes ist. Diese Ausdauer geht trotz des Hasses und des Widerstandes der Feinde und trotz der Verzagtheit der Mitarbeiter ruhig voran (Kap 4,8–11), gibt sich dem Werk ganz, hin, macht alle Tücken des Gegners zu Schanden und umgeht jede Klippe, indem Gott über diejenigen wacht, welche auf Ihn trauen. Ein weiterer schöner Zug in Nehemias Charakter ist der, dass ihm, ungeachtet seiner hohen Stellung, jede kleine Einzelheit des Dienstes am Herzen lag, sowie alles, was den aufrichtigen Wandel des Volkes betraf.
Seine Geschichte zeigt uns zunächst, wie da, wo Gott, wirkt, der Glaube allen denen, die sich um Ihn scharen, sein eigenes Gepräge aufdrückt. Die Juden, welche Jerusalem solange wüste gelassen hatten, waren ganz bereit mit Nehemia das Werk wiederaufzunehmen. Juda entfiel das Herz angesichts der Schwierigkeiten; aber dann offenbarte sich die Ausdauer, welche immer den Glauben kennzeichnet, wenn das Werk von Gott ist, sei es noch so unscheinbar. Das ganze Herz ist dabei, eben weil die Sache von Gott ist. Durch Nehemias Energie belebt, zeigte sich das Volk willig, zu bauen und zu streiten.
Der Glaube trennt niemals Gott und sein Volk. Hieraus geht jene Hingebung hervor für alles das, was mit demselben in Verbindung steht. Noch sei bemerkt, dass in „schweren Zeiten“ der Glaube nicht in dem Glänze des Erfolgs sich offenbart, sondern einmal in der Liebe für das Werk des Herrn, wie klein dieses auch sein mag, und zum anderen in der Ausdauer, mit welcher das Werk betrieben wird trotz allem und bei allen den Schwierigkeiten, welche einem Zustand großer Schwachheit immer eigentümlich sind; denn der Glaube beschäftigt sich mit der Stadt Gottes und dem Werk Gottes. Diese Dinge aber haben stets denselben Wert, welcher Art die Umstände auch sein mögen, worin sie sich finden.