Botschafter des Heils in Christo 1884
Die Berufung der Braut - Teil 3/3
3. Die Sendung Eliesers
Nachdem Elieser, der Verwalter des Hauses Abrahams, seinem Herrn den verlangten Schwur geleistet hatte, machte er sich auf und zog nach Mesopotamien, zu der Stadt Nahors (V 9–10). Isaak verbleibt in seiner bisherigen Stellung der Absonderung; der Vater sendet den Knecht aus, und dieser zieht hin, um eine Braut für den gleichsam aus den Toten auferstandenen Erben zu suchen. Elieser denkt nur an diese eine Sache; alle seine Gedanken sind auf die Erfüllung seiner Sendung gerichtet, und nichts vermag ihn von diesem einen Gegenstand abzulenken. Seine Worte drehen sich nur um Abraham, seinen Sohn und den Zweck seiner Reise. Und er sprach: „Ich bin Abrahams Knecht; und Jehova hat meinen Herrn sehr gesegnet, dass er groß geworden ist; und Er hat ihm gegeben Schafe und Rinder und Silber und Gold und Knechte und Mägde und Kamele und Esel. Und Sara, das Weib meines Herrn, hat meinem Herrn einen Sohn geboren in ihrem Alter; und er hat ihm alles gegeben, was er hat“ (V 34–36).
In diesem allen haben wir ein schönes und treffendes Vorbild von der Sendung des Heiligen Geistes. Derselbe wurde auf diese Erde herabgesandt als Erfüllung der Verheißung des Vaters, nachdem Christus gestorben, wieder auferstanden und in die Herrlichkeit zurückgekehrt war. Der Herr selbst sagte kurz vor seinem Weggang aus dieser Welt zu seinen Jüngern: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, so wird er von mir zeugen“ (Joh 15,26).. Elieser suchte, wie wir in dem ganzen 24. Kapitel sehen, das Herz Rebekkas dadurch zu gewinnen, dass er ihr von dem Reichtum und dem Ansehen Abrahams, sowie von Isaak, seinem Sohn, dem Erben all seines Besitzes erzählte; und so sucht heute der Heilige Geist – sei es unmittelbar durch das Wort, sei es mittelbar durch die Boten, die Er aussendet – Seelen für Christus zu gewinnen, indem Er von den Dingen Christi nimmt und sie in ihrer ganzen Schönheit und Köstlichkeit der Seele vor Augen stellt. Er zeugt von Christus, als dem Heiland, dem Herrn, dem Sohn Gottes und dem Erben aller Dinge, nach den Worten des Herrn: „Derselbe (der Heilige Geist) wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum sagte ich, dass er es von dem Meinen empfängt und euch verkündigen wird“ (Joh 16,14–15). Er entfaltet die Reichtümer seiner Liebe, versichert unsere Herzen, dass wir seine Miterben sind, und bildet so die Braut für den himmlischen Bräutigam nach den Ratschlüssen Gottes, des Vaters.
Wer jedoch von dem Herrn gebraucht zu werden wünscht, als ein Bote seiner Gnade Sünderherzen Ihm zuzuführen, wird wohltun, mit allem Fleiß das Verhalten des Knechtes Abrahams zu studieren und seinem Beispiel zu folgen. Er ist in der Tat das getreue Bild eines von dem Geist erwählten und zubereiteten Werkzeugs eines Gefäßes, „geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu allem guten Werke bereitet“ (2. Tim 2,21). Seine Sendung ist bezeichnet durch ein unaufhörliches Erheben des Herzens zu Gott in ernstem Gebet und Flehen mit Danksagung. In dieser lieblichen Weise geht er Schritt für Schritt voran, bis er von der Güte Gottes eine Antwort auf sein Gebet empfängt, so wie Abraham es ihm vorhergesagt hatte: „Jehova, der Gott des Himmels, der mich aus dem Haus meines Vaters und aus dem Land meiner Verwandtschaft genommen, und der zu mir geredet und der mir geschworen hat und gesagt: Deinem Samen will ich dieses Land geben; der wird Sei neu Engel senden vor dir her, dass du meinem Sohn von dannen ein Weib nimmst“ (V 7). Wie schön und erhebend ist das völlige Vertrauen Eliesers auf Gott, sowie die Art und Weise, wie er sich dem Werk, das ihm zu tun obliegt, widmet! Und sobald der Zweck seiner Sendung erfüllt und das Herz Rebekkas für Isaak gewonnen ist, erfüllt der Geist des Lobes und der Anbetung das Herz des treuen Mannes. Er weigert sich, mit der Familie Rebekkas zu essen oder zu trinken, bis er ihre Gedanken in Bezug auf den Zweck seiner Reise kennt. Er denkt nicht an Ruhe und Bequemlichkeit, bis er eine entschiedene Antwort empfangen hat. „Und es antworteten Laban und Betuël und sprachen: Von Jehova ist die Sache ausgegangen; wir können dir nichts sagen, weder Böses noch Gutes. Siehe, Rebekka ist vor dir, nimm sie und ziehe hin, und sie sei ein Weib dem Sohn deines Herrn, wie Jehova geredet hat. Und es geschah, als Abrahams Knecht ihre Worte hörte, da bückte er sich zur Erde vor Jehova. Und der Knecht zog hervor silberne Geräte und goldene Geräte und Kleider, und er gab sie Rebekka; und Kostbarkeiten gab er ihrem Bruder und ihrer Mutter. Und sie aßen und tranken, er und die Männer, die bei ihm waren, und übernachteten. Und des Morgens standen sie auf, und er sprach: Entlasst mich zu meinem Herrn!“ (V 50–54)
Gleich seinem Herrn stand Weser des Morgens frühe auf, um seinen Auftrag so rasch wie möglich zu erfüllen. Rebekka hatte sich willig gezeigt, das Weib Isaaks zu werden, und so gab es für Elieser keinen Grund mehr, noch einen Augenblick zu zögern. Sein ganzes Herz war auf die pünktliche Ausführung des ihm gewordenen Auftrages gerichtet. Auch schien demselben nichts mehr im Weg zu stehen. Doch der Feind lag, wenn wir so sagen dürfen, im Hinterhalt. Er sah, wie die Dinge sich entwickelten, und er bringt eine seiner wirksamsten Listen in Anwendung, um den Knecht Abrahams zu täuschen und die Braut in dem Land ihrer Geburt zurückzuhalten. „Und es sprach ihr Bruder und ihre Mutter: Lass doch die Dirne einige Tage oder zehn bei uns bleiben, danach magst du ziehen“ (V 55). Dieser Einwurf mochte sehr natürlich und verständlich erscheinen, aber er war sicherlich nicht durch den Geist Gottes hervorgerufen. Der vorgeschlagene Aufschub war nicht nach den Gedanken Gottes, wie er es in solchen Fällen nie ist. Ein bereitwilliger, gehorsamer Geist ist eine von den köstlichen Früchten, welche stets durch den Geist Gottes in der Seele hervorgebracht werden. Eine unmittelbare, bedingungslose Übergabe des Herzens an Christus, nachdem man der frohen Botschaft von Ihm, als dem Heiland der Sünder, geglaubt hat, lässt dem Feind keinen Raum zu wirken. „Jehova schelte dich, Satan! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist?“ (Sach 3,2) Das ist die Sprache Gottes dem Feind gegenüber, der auf den Gegenstand der göttlichen Gnade und Liebe noch Ansprüche erheben will. Satan verschwindet vom Schauplatz, und die Seele ist mit Jesu allein gelassen. Das Auge ruht auf Ihm, das Herz fließt über von seinem Lob, und die Lippen wiederholen, vielleicht unter Freudentränen, ein über das andere Mal: „Ich weiß, dass Er für mich starb; ich weiß, dass sein kostbares Blut mich von allen meinen Sünden reingewaschen hat. Ich kann mich Ihm jetzt völlig anvertrauen.“ Ein solches Bekenntnis Christi ist der Triumph über jeden Feind. „Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil“ (Röm 10,10). Beides ist notwendig, beides ist von Gott
Eine solche Seele mag wenig Erkenntnis besitzen, wie man zu sagen pflegt, aber sie hat etwas weit Besseres gefunden, als bloße Erkenntnis; sie hat Jesus gefunden – den Heiland selbst. Ein kalter, berechnender Unglaube mag einwenden und sagen: „Aber steht nicht zu befürchten, dass eine solche Seele wieder zurückgehe, wenn die erste Aufregung vorüber ist, und Unehre auf den Namen des Herrn bringe?“ Solange das Auge auf Christus gerichtet bleibt und das Herz von seinem Lob überfließt, ist keine Gefahr eines Rückganges vorhanden. Das Auge muss sich von seinem himmlischen Gegenstand abgewandt haben und das Herz kalt und träge geworden sein, ehe die Füße auf einem verkehrten Wege wandeln können. Wo das Auge einfältig ist, da wird der richtige Pfad erkannt und verfolgt.
Aber wenn andererseits der Feind eine Seele zagen und zögern sieht, obwohl sie tiefe Eindrücke empfangen haben und wirklich wünschen mag, mit Entschiedenheit für Christus zu sein, so tritt er mit allerlei bösen Einflüsterungen und Gedanken an sie heran und erfüllt sie mit Zweifeln und Befürchtungen. Die Seele ist dann nicht geschützt durch den Schild des Glaubens und den feurigen Pfeilen Satans schutzlos preisgegeben. Nichts ist verderblicher für die Seelen oder entmutigender für den Evangelisten, als die Entschuldigungen und das Zögern und Aufschieben des Unglaubens. Diese Entschuldigungen mögen durch die List des Feindes zu Zeiten den Schein der Klugheit oder selbst der Demut an sich tragen, aber sie sollten stets als die verderblichsten Schlingen Satans betrachtet und behandelt werden. Wie oft hört man sagen, und nicht selten von solchen, die sehr wohl wissen, dass sie unrecht tun: „Ich möchte erst anders, besser werden, ehe ich mich völlig für Christus entscheide und ein Bekenntnis ablege, da ich sonst vielleicht später nicht standhaft bleiben und den Herrn verunehren möchte, was viel schlimmer wäre, als wenn ich mich nie zu Christus bekannt hätte.“ So reden Tausende und bleiben da stehen, wo sie sind.
Solche Seelen sind vielleicht nicht gerade gleichgültig in Bezug auf die Ehre des Herrn, aber es fehlt ihnen die Bereitwilligkeit, mit der Welt zu brechen in den mancherlei Beziehungen, in welchen sie mit ihr verbunden sind. Sie erkennen die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Errettung der Seele an, der Gedanke an die Hölle erschreckt sie, und sie geben zu, dass es höchst verkehrt und gefährlich ist, eine Minute aufzuschieben; aber wenn sie dann dringend gebeten werden, sich in diesem Augenblick mit allem Ernst zu Jesu zu wenden, sich jetzt für Christus zu entscheiden und zu Ihm zu eilen mit einem aufrichtigen Bekenntnis, so ist sogleich wieder eine andere Entschuldigung gefunden. Nie fehlt es ihnen an Gründen, für den Augenblick noch zu bleiben, wo sie sind, und die Entscheidung auf eine spätere, passendere Zeit hinauszuschieben. „Lass doch die Dirne einige Tage oder zehn bei uns bleiben, danach magst du Ziehen.“ Beachten wir wohl, dass der Bruder und die Mutter Rebekkas diese nicht ganz und gar zurückhalten wollen, zu Isaak zu gehen, sondern nur für eine Zeit. Und gerade das ist die seine Schlinge, welche Satan vor die Füße aller zu legen bemüht ist, die das Evangelium hören. Er flüstert der Seele zu: „Gewiss, du musst einmal zu Jesu gehen; aber nur heute noch nicht. Warte noch einige Monate, noch einige Jahre, und dann wende dich zu Ihm.“ Das Herz blutet bei dem Gedanken an die vielen Tausende, welche hoffnungslos verloren gegangen sind, dadurch, dass sie diesen listigen Einflüsterungen Satans Gehör schenkten. Verhältnismäßig klein ist die Zahl derer, welchen es durch die Gnade Gottes gelingt, ihre Füße aus dieser Schlinge des Feindes wieder zu befreien. Das Herz wird härter und härter und das Ohr tauber und tauber, bis es endlich nichts mehr von der warnenden Stimme Gottes vernimmt. Nicht umsonst ruft der Herr denen zu, die Ihm zuhörten: „Gedenkt an Lots Weib!“ Auch sie blieb auf halbem Weg stehen, ihr Herz hing an den Dingen, die sie in Sodom zurückgelassen hatte; sie wandte sich dahin zurück, und – ward zur Salzsäule. Welch ein ernstes, aber auch welch ein treffendes Bild! Darum, mein lieber unbekehrter Leser, wer du auch sein magst – schiebe die Errettung deiner Seele nicht länger auf! Bleibe nicht auf halbem Weg stehen! Bedenke wohl, dass die Zeit nicht stille steht, und dass der Tod dir mit jedem Tag einen Schritt näherkommt! Wie bald kann es auch für dich auf ewig zu spät sein!
Doch wir müssen diesen Gegenstand für jetzt verlassen und zu dem schönen Beispiel eines bestimmten und entschlossenen Gehorsams zurückkehren, welches uns Weser gibt. Und er sprach zu ihnen: „Haltet mich nicht auf, da Jehova Glück gegeben hat zu meinem Weg; entlasst mich, und ich werde zu meinem Herrn ziehen“ (V 56). Er wollte keinen Augenblick länger aufschieben, nicht eine Minute ein so wichtiges Werk verzögern. Da muss eine Entschiedenheit des Herzens für Isaak vorhanden sein; Isaak muss eine bestimmte Antwort haben: Ja oder nein. Die List des Feindes zeigt sich jetzt darin, dass Laban und Betuël die Verantwortlichkeit von sich auf Rebekka schieben. Vielleicht mochte ihre natürliche Furchtsamkeit, die Liebe zu ihrer Heimat und die entmutigende Aussicht auf eine lange, beschwerliche Wüstenreise sie zu einem Zögern veranlassen; wahrscheinlich würde sie wenigstens einen kurzen Aufschub erbitten, um von ihren Verwandten und Freundinnen Abschied nehmen zu können. So mögen Laban und Betuël gedacht haben. Aber nein; die Gnade war durch den Glauben wirksam in dem Herzen Rebekkas; sie brachte den Worten Eliesers volles Vertrauen entgegen, ihre Gedanken waren mit Isaak beschäftigt, und so war sie völlig bereit, eine bestimmte Antwort zu geben. Und sie sprachen: „Lasst uns die Dirne rufen und ihren Mund befragen. Und sie riefen Rebekka und sprachen zu ihr: Willst du mit diesem Mann ziehen? Und sie antwortete: Ich will Ziehen“ (V 57–58). Das schnitt alle weitere Erörterungen und Fragen ab. Jede Schlinge des Feindes war jetzt durchbrochen und alle seine List vereitelt. Der Glaube triumphierte. Der Entschluss des Herzens war gefasst; sie musste zu Isaak hin und war bereit, das Haus ihres Vaters zu verlassen und mit Elieser durch die öde Wüste zu ziehen, um die Besitzungen Abrahams mit seinem Sohn Isaak zu teilen.
Stehen wir hier einen Augenblick still; denn es gibt eine Unterweisung von höchstem Wert für uns zu lernen. Wünschen wir, Erfolg zu haben in dem Gewinn verlorener Seelen für Christus? Ist dies wirklich das Begehren unserer Herzen? Wundern wir uns über das unmittelbare Resultat der Sendung Eliesers? – Wir brauchen uns nicht zu wundern. Folgen wir mit aller Treue und Entschiedenheit seinem Beispiel, so werden wir sicherlich auch in der einen oder anderen Weise die gesegneten Erfolge unserer Sendung sehen dürfen. Aber beachten wir wohl den Geist des Gebets und der Danksagung, der ihn beseelte! Vergessen wir auch nicht, welche Beweggründe ihn leiteten! Er suchte nicht nur eine Braut für Isaak, sondern er tat auch den Willen seines Herrn. Nichts konnte ihn veranlassen, einen Zollbreit von dem Wort Abrahams abzuweichen. Das ist der beste aller Dienste – mit aller Einfalt und Treue den Willen des Herrn zu tun.
Möchte doch auch unser Pfad mehr durch jenen Geist des Gebets und der Danksagung gekennzeichnet sein, und möchten wir nie vergessen, was der Vorsatz des Vaters, die Stellung des Sohnes, die Sendung des Geistes und die Berufung der Braut ist! 4. Die Berufung und die Reise Rebekkas
„Ich will ziehen“ – das war, wie schon gesagt, die entschlossene Antwort des Glaubens, die Antwort eines Herzens, das sich bereits unter dem mächtigen Eindruck der Berufung Gottes befand. Obwohl Rebekka weder Isaak gesehen, noch auch die Reichtümer angeschaut hatte, welche der Gott der Herrlichkeit dem Abraham in Kanaan hatte zu teil werden lassen, so glaubte sie doch völlig dem Bericht Eliesers und nahm die kostbaren Geräte und Kleider als Unterpfänder des zu erwartenden Besitzes aus seinen Händen entgegen. Laban mochte wohl auch ein Auge für die goldenen und silbernen Kleinodien haben, die vor seinen Blicken ausgebreitet wurden, aber Rebekka hatte ein Herz für das ferne Land, in welchem ihr Verlobter weilte, und vor allem für diesen selbst, und dies machte sie willig, ihr Vaterland, ihre Verwandten und das Haus ihres Vaters zu verlassen. Nichts anders hätte sie befähigen können, die Bande, welche der Natur sonst so teuer sind, zu zerreißen. Und beachten wir wohl, dass es sich für sie nicht nur um die Frage handelte: Willst du Isaaks Weib werden und die Reichtümer Abrahams mit dem Sohn der Verheißung teilen? sondern sie musste sich auch entscheiden, ob sie das Erbe, das der Herr im Land Kanaan für sie bereitet hatte, demjenigen der Natur in Mesopotamien vorzog. Doch sie war keinen Augenblick im Zweifel. Waren auch Elieser, Isaak und alle die Leute, unter welchen sie fortan wohnen sollte, Fremde für sie, so ruhte dennoch ihr Auge auf der Segnung Gottes und auf einem Teil im Land der Verheißung. Kostbarer Glaube! Heimat, Verwandte und Umstände waren von keiner Bedeutung für sie, sobald sie den Worten Eliesers Glauben geschenkt hatte.
So handelt der Glaube zu allen Zeiten und unter allen Umständen; er gehorcht mit aller Einfalt und Bereitwilligkeit der Berufung Gottes. „Und Rebekka machte sich auf und ihre Dirnen, und sie ritten auf den Kamelen und folgten dem Mann; und der Knecht nahm Rebekka und zog hin“ (V 61). Ihre Reise durch die einsame Wüste unter dem Geleit eines Mannes, der ihr alles über Abraham und Isaak gesagt hatte und ihr während der Reise ohne Zweifel vieles von ihrer zukünftigen Stellung und Würde, als dem Weib des Sohnes in dem Land der Verheißung, erzählt haben wird, ist ein schönes Vorbild von unserem Pfad der Trennung durch diese Welt, unter der Belehrung und Leitung des Heiligen Geistes. Sie zog ihres Weges, um ihrem Isaak zu begegnen; wir pilgern vorwärts, um unserem himmlischen Bräutigam entgegen zu gehen. Sie hatte alles verlassen, und nichts anders als die Person Isaaks stand vor ihren Augen. Aber mit ihm beschäftigt, fühlte sie nichts von den Mühen und Beschwerden der Reife; alles um sie her war mit den lieblichsten Hoffnungen erfüllt. Hätte sie jedoch für einen Augenblick die Person ihres Bräutigams aus den Augen verloren, so wäre ihre Stellung diejenige eines heimatlosen, trostlosen Pilgers inmitten einer öden, nackten Wüste geworden. Ebenso ist es mit der Kirche, ja mit jedem einzelnen Christen, sobald das Auge sich von Christus abwendet und das Herz mit anderen Gegenständen beschäftigt ist.
Isaak wartet inzwischen geduldig im Haus seines Vaters auf die Rückkehr Eliesers und die Frucht seiner Sendung. Er geht gegen Anbruch des Abends hinaus, um allein zu sinnen auf dem Feld. Aber zu seiner unaussprechlichen Freude kehrt er nicht allein zurück. Er begegnet der ihm aus der Wüste entgegen ziehenden Braut, die sich in ehrerbietiger Liebe und Demut mit ihrem Schleier verhüllt hat. „Und Isaak führte Rebekka in das Zelt Sarahs, seiner Mutter, und nahm Rebekka; und sie ward sein Weib, und er hatte sie lieb. Und Isaak ward getröstet nach dem Tod seiner Mutter“ (V 67). Welch ein schönes Bild von dem liebenden Vertrauen der Braut zu ihrem Bräutigam, den sie nicht gesehen hat, von ihrem Ausgehen, dem Bräutigam entgegen, sowie von dem herrlichen Hochzeitsmahle des Lammes im Haus des Vaters mit seinen vielen Wohnungen! Ruft nicht das Herz bei der Erinnerung an diese Dinge mit Sehnsucht: „Komm, Herr Jesu!“? – Ja, Herr, komme bald und bewahre uns inzwischen vor allen Hindernissen, die uns auf unserem Weg aufhalten wollen, vor allem, was Natur und Welt uns Anziehendes darbieten mögen, und erhalte unsere Seelen in ununterbrochener Gemeinschaft mit dir selbst und den Dingen, die droben sind!
Es gibt jedoch noch einen anderen Gesichtspunkt, von welchem aus wir das Verhalten Rebekkas betrachten können. Sie hätte nicht nötig gehabt, ihr Vaterland und ihr Volk zu verlassen, wenn nur die Güter dieses Lebens Wert für sie gehabt hätten. Ohne Zweifel gab es in Mesopotamien Reichtümer und Schätze genug, ja alles, was für die Natur anziehend war. Warum hätte Rebekka nicht auch in Padan–Aram einen Bräutigam und ein Haus finden können, das mit allen Bequemlichkeiten versehen war? Späterhin hören wir, dass die Söhne Esaus Fürsten waren, während die Söhne Jakobs einfache Hirten blieben. Allerdings war Abraham reich, und Isaak war sein Erbe, aber dennoch mühte Rebekka ihre Stellung in der Welt aufgeben, wenn sie Isaaks Weib werden wollte. Abraham besaß nicht einen Fußbreit Landes in Kanaan, und so glaube ich, nicht zu weit zu gehen, wenn ich sage, dass nicht nur der Blick auf die zeitlichen Segnungen Abrahams sie in ihrem Entschluss beeinflusste, sondern dass auch die Worte Eliesers einen tiefen Eindruck auf ihr Herz machten, dass nämlich der Gott des Himmels mit Abraham und Isaak in Verbindung stehe. Die Aussicht, in einem fremden Land das Weib eines Fremdlings und Pilgers zu werden, eines Mannes, der nirgendwo einen festen Wohnsitz hatte, sondern mit seinem Zelt und seinem Altar von einem Ort zum anderen zog, hätte sie wohl kaum bewegen können, das, was sie in dieser Welt besaß, aufzugeben. Der Gedanke aber, mit dem Volk Gottes vereinigt zu sein und mit ihm die göttlichen Segnungen und die zukünftige Herrlichkeit zu teilen, ließ sie alles andere für nichts achten. Die Zukunft war für sie weit mehr wert, als die Gegenwart. Das war Glaube – Glaube an Gottes Wort. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ Möchte Gott in seiner Gnade uns allen diesen einfältigen, unerschütterlichen Glauben geben!
Ach, es gibt Tausende von Gläubigen, ja, von wahren Gläubigen an Christus, welche nicht, gleich Rebekka, ihre Stellung in dieser Welt um seinetwillen aufzugeben vermögen. Sie glauben an Ihn, der für sie gestorben ist, und manche von ihnen sind selbst sehr fromm; aber sie haben nie verstanden, was es heißt, sein Kreuz aufzunehmen und Ihm, als dem von dieser Welt Verworfenen, nachzufolgen. Viele selbst beugen sich vor diesem Götzen, weltliche Stellung genannt, willig zu Boden, welche gegen die gröberen Formen der Weltlichkeit einen entschiedenen Widerspruch erheben. Sie geben gern und reichlich von ihrem Geld, um den Hungrigen zu speisen und den Nackten zu kleiden, um die Zwecke der inneren oder äußeren Mission zu fördern, um den äußeren Zustand der Welt zu verbessern und menschenfreundliche Werke zu unterstützen; ja, sie lieben es, in diesen Dingen einen hervorragenden Platz einzunehmen. Aber sobald man zu ihnen redet von unserer Fremdlingschaft hienieden und von der Nachfolge Christi, als des von der Welt verworfenen und in den Himmel aufgenommenen Menschensohnes, wird man nicht verstanden. Ja, nur wenige wünschen das zu verstehen, da es ihre über alles geliebte und wertgeschätzte Stellung, sowohl in der Welt als in der bekennenden Kirche, unmöglich machen würde. Sie sagen, ein solcher Pfad der Trennung sei nicht notwendig zur Errettung, und indem sie in der Tat viel Gutes in einer bösen Welt tun, ohne ihre gesellschaftliche oder kirchliche Stellung zu gefährden, suchen sie sich zu überreden, dass sie ganz recht daran tun, in dieser zu verharren. Aber heißt das nicht, in Padan–Aram zurückbleiben? Heißt das nicht, die Berufung Gottes, hinauszugehen und, die Ankunft des Herrn erwartend, als ein Fremdling durch die Wüste zu pilgern, verwerfen? Isaak war der gestorbene und wieder auferstandene Erbe in dem Land Kanaan; Rebekka musste zu Ihm gehen, wenn sie anders eine Miterbin des väterlichen Erbes werden wollte. Doch zwischen den beiden Ländern lag die öde, dürre Wüste, und diese musste durchschritten werden. Es gab keinen anderen Weg.
Ein Wandel, entsprechend den Gedanken eines himmlischen Christus, macht uns sicherlich zu Pilger und Fremdlingen hienieden, und ist ein solcher Wandel bei uns vorhanden, so werden wir uns freuen, in dieser Welt Fremdlinge zu sein. Eine wahre Gemeinschaft mit unserem gepriesenen Herrn im Himmel zerstört alle Neigungen zu der Welt; wir finden keinen Geschmack mehr an ihren Vergnügungen. Sie wird für uns zu einem Schauplatz, auf welchem wir uns nicht zu Haus fühlen. Bald werden dann auch die Fragen: Gefällt dieses meinem Herrn? Ist dieses ein Dienst für Ihn? Unser einziger Prüfstein, unsere einzige und untrügliche Richtschnur. So wie Rebekka alles in ihrem Vaterland verließ, um als ein Fremdling mit Isaak durch Kanaan zu pilgern, so ist der Christ von Gott berufen, durch den Glauben das Land der Natur zu verlassen und im Geist mit Christus in den Himmeln zu wandeln. Der Christ mag, gleich Rebekka, sich vergessen und einen Fehltritt tun, aber davon reden wir hier nicht. Warum es sich hier handelt und was wir für einen jeden Christen wünschen, ist die treue Befolgung des Beispiels Rebekkas in dem Verlassen Padan–Arams und dem Betreten des Pfades des Glaubens.
Doch bevor ich schließe, möchte ich noch einmal dem unbekehrten Leser dieser Zeilen ein kurzes Mahnwort zurufen, da es vielleicht die letzte Gelegenheit ist. – Was hast du auf die gesegnete Einladung des Evangeliums: „Willst du mit diesem Mann ziehen?“ erwidert? Hast du ebenso entschieden wie Rebekka geantwortet: „Ich will ziehen?“ Nicht wahr, du hast es noch nicht getan. Möchte der Herr in seiner Gnade geben, dass du es bald, ja heute noch tust. Von der Beantwortung jener Frage hängt für dich eine Ewigkeit, voll der höchsten Freude oder voll des tiefsten Wehs, ab. Das Werk der Erlösung ist vollbracht, Jesus starb auf dem Kreuz für seine Feinde, für verlorene, verdammungswürdige Sünder, Er verherrlichte Gott vollkommen in seinem Tod, Er stand wieder auf aus den Toten, stieg hinauf in die Höhe und setzte sich zur Rechten des Vaters; und dort wartet Er auf dein: „Ja, ich will mit Ihm ziehen“, sowie auf die Rückkehr des Heiligen Geistes mit den vollen Früchten seiner Sendung. Willst du Ihn vergeblich warten lassen und dein Ohr vor seiner freundlichen Stimme verschließen? O, bald, bald wird der glückliche Augenblick kommen, wo die selige Braut ihrem geliebten Bräutigam entgegengeführt und die Hochzeit des Lammes im Himmel gefeiert werden wird. Alle die Erlösten schauen aus nach diesem lange ersehnten Tag, wo sie Jesus, ihren Herrn, sehen werden, wie Er ist. Sie haben seine Liebe, wie sie sich auf dem Kreuz offenbart hat, lange gekannt; dann werden sie sie in ihrer Entfaltung in der Herrlichkeit des Vaterhauses kennen lernen und ewig genießen. Welch ein Tag wird dies selbst für den Himmel sein! Die einst in Schwachheit auf der Erde pilgernde Braut – anerkannt und verherrlicht in dem Haus des Vaters als das Weib des Lammes für immer und ewig! Das zeitliche Verhältnis der Braut hat sich dann verwandelt in das unveränderliche des Weibes. Doch die jugendliche Schönheit ihrer Brauttage wird nie vor den Augen ihres Herrn und Heilands verschwinden; die Frische ihrer ersten Liebe wird keinen Wechsel mehr kennen. Wer möchte sich nicht danach sehnen, zu der Zahl derer zu gehören, welche die Braut, das Weib des Lammes ausmachen werden? Wer wollte noch einen Augenblick Zögern, von ganzem Herzen zu rufen: „Ja, ich will ziehen!“