Botschafter des Heils in Christo 1883
Jericho und Achor - Teil 2/2
3.: Der Christ sollte stets fähig sein, den Einwürfen, welche der Unglaube im Blick auf die Wege und Handlungen der Regierung Gottes macht, mit einer ruhigen und entschiedenen Antwort zu begegnen. „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht tun?“ Wenn das Geschöpf ein Recht hat, über den Schöpfer zu urteilen, so ist es mit aller Regierung in dem weiten Weltall vorbei. Wenn wir einen Menschen ein Urteil über die Wege Gottes aussprechen hören, so drängt sich uns unwillkürlich die Frage auf: „Wer hat denn eigentlich ein Recht, zu richten?“ Hat der Mensch Gott zu richten, oder Gott den Menschen? Wenn das erstere der Fall ist, dann gibt es überhaupt keinen Gott, und wenn das letztere, so hat der Mensch in ehrerbietigem Schweigen sein Haupt zu beugen und seine Unwissenheit und Torheit anzuerkennen.
Wenn der Mensch die Regierungswege Gottes verstehen und ergründen könnte, so wäre er tatsächlich nicht länger ein Mensch, sondern er wäre Gott. Welch eine Torheit ist es daher, wenn ein armer, unwissender und kurzsichtiger Sterblicher es versucht, ein Urteil über die tiefen Geheimnisse der göttlichen Regierung zu fällen! Ein solches Urteil ist nicht nur völlig wertlos, sondern auch gottlos, es ist ein lästerlicher Angriff auf den Thron, die Natur und den Charakter Gottes, für welchen der Mensch sich sicherlich vor dem Richterstuhl Christi zu verantworten haben wird, wenn er nicht vorher Buße tut und Vergebung findet in dem Blut des Kreuzes.
Der Ungläubige mag sich versucht fühlen, das Gericht, welches über Achan kam, zu streng zu nennen, er mag Vergleiche anstellen zwischen der Sünde und der Strafe und es ein Unrecht nennen, dass die Kinder Achans für die Sünde ihres Vaters mitbüßen mussten. Doch wir erwidern auf alles dieses einfach: „Sind wir befugt, zurichten?“ Wenn jemand glaubt, er sei befugt, so drückt er dadurch aus, dass er Gott für unfähig hält, die Welt zu regieren, und dass eigentlich der Mensch seine Stelle einnehmen sollte. Das ist in der Tat die Wurzel der ganzen Sache. Der Unglaube möchte gern gänzlich von Gott befreit sein und den Menschen an die Stelle Gottes setzen. Wenn Gott wirklich Gott ist, so liegen ohne alle Frage seine Wege, die Handlungen seiner Regierung, die Geheimnisse seiner Vorsehung, seine Ratschlüsse und seine Gerichte weit außer dem Bereich jeder menschlichen Beurteilung. Weder Menschen, noch Engel, noch Teufel können die Gottheit begreifen. Möchten die Menschen dies anerkennen und ihre eitlen Vernünfteleien fahren lassen! Möchten sie die Sprache Hiobs annehmen, nachdem seine Augen geöffnet waren: „Und Hiob antwortete Jehova und sprach: Ich weiß, dass du alles vermagst und in nichts, woran du denkst, verhindert werden kannst. ‚Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt ohne Kenntnis?‘ So habe ich nun ausgesprochen, was ich nicht verstand, zu wunderbar für mich, was ich nicht kannte. ‚Höre doch, und ich will reden, ich will dich fragen, und du belehre mich!‘ Mit dem Gehör des Ohres habe ich von dir gehört, aber nun steht dich mein Auge. Darum verabscheue ich mich und bereue in Sack und Asche“ (Hiob 42,1–6). Wenn die Seele in diesen Zustand kommt, so hören alle ungläubige Fragen mit einem Mal auf.
Doch wenden wir uns zu der feierlich ernsten Szene im Tal Achor zurück, indem wir uns erinnern, dass „alles, was zuvor geschrieben, zu unserer Belehrung geschrieben worden ist.“ Möchten wir daraus lernen, mit heiligem Eifer gegen die ersten Anfänge und Keime des in unserem Herzen wirkenden Bösen zu wachen! Über diese sollte der Mensch zu Gericht sitzen, nicht aber über die reinen und vollkommenen Wege der göttlichen Regierung.
Die Worte Josuas an Achan sind ernst und wichtig: „Mein Sohn, gib doch Jehova, dem Gott Israels, Ehre und tue Ihm Bekenntnis; tue mir doch kund, was du getan hast, verhehle es nicht vor mir“ (V 19). Hier ist die überaus wichtige Sache: „Gib doch Jehova, dem Gott Israels, Ehre.“ Alles kommt hierauf an. Die Ehre des Herrn ist der einzig vollkommene Maßstab, nach welchem alles gerichtet werden muss. Für das Volk Gottes gilt zu allen Zeiten und in allen Lagen die Frage: „Was ist passend für die Ehre Gottes?“ Im Vergleich mit dieser Frage sind alle anderen minder wichtig. Es handelt sich nicht darum, was für uns passend ist, oder was wir ertragen und gutheißen können. Dies ist in der Tat sehr unwichtig. Woran wir stets zu denken und wofür wir zu sorgen haben, ist die Ehre und Verherrlichung Gottes. Alles, was mit dieser Ehre nicht in Übereinstimmung steht, ist auch nicht passend für uns Und sollte weggetan werden.
Wie gut wäre es gewesen, wenn Achan hieran gedacht hätte, als sein Auge auf den verbannten Schätzen ruhte! Wie viel Elend und Schmerz würde er sich und seinen Brüdern erspart haben! Doch ach! der Mensch vergisst dieses, wenn die Lust seine Augen verblendet und Eitelkeit und Habsucht sein Herz regieren; er geht voran in der Befriedigung seiner Begierden, bis das Gericht eines heiligen, die Sünde hassenden Gottes ihn erreicht. Und dann maßt er sich noch an, ein solches Gericht für unwürdig eines gnädigen und wohlwollenden Gottes zu erklären. Welch eine Anmaßung! Der Mensch möchte sich gern einen Gott machen, der seinen Gedanken und seiner Einbildung entspricht, der es mit der Sünde nicht so genau nimmt und allerlei Böses ertragen kann. Der Gott der Bibel, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, gefällt dem Menschen nicht; er passt nicht für seine ungläubigen Vernünfteleien. Einen solchen Gott will er nicht.
„Und Achan antwortete Josua und sprach: Fürwahr, ich habe gesündigt an Jehova, dem Gott Israels, und so und so habe ich getan. Ich sah unter der Beute einen schönen Mantel aus Sinear und Zweihundert Schekel Silbers und eine goldene Zunge, fünfzig Schekel ihr Gewicht, und mich gelüstete danach, und ich nahm sie; und siehe, sie sind verborgen in der Erde im Innern meines Zeltes, und das Silber darunter“ (V 20–21). Ach, der unglückliche Mann hatte nur an eins gedacht, an die Befriedigung seiner Habsucht. Er sah, ihn gelüstete, er nahm und verbarg; und damit hielt er die Sache für beendigt. Er wähnte sich unbemerkt und völlig sicher in dem Besitz seines gestohlenen Gutes. Er dachte nicht an den Gott, der alles sah, vor dessen Augen alles bloß und aufgedeckt ist, und der seine Sünde vor allen offenbar machen würde. Er hatte mit allen seinen Brüdern den bestimmten Befehl Jehovas gehört: „Allein hütet euch vor dem Verbannten, auf dass ihr euch nicht verbannt, und nehmt von dem Verbannten und das Lager Israels“ – nicht nur das Zelt dessen, der persönlich das Verbot Gottes übertrat, sondern das ganze Lager – „zum Bann macht und es in Trübsal bringt. Und alles Silber und alles Gold und alle ehernen und eisernen Geräte sollen Jehova heilig sein; in den Schatz Jehovas soll es kommen“ (Kap 6,18–19).
Diese Worte waren so klar und deutlich, dass niemand sie missverstehen konnte. Es bedurfte nur eines aufmerksamen Ohres und eines gehorsamen Herzens. Doch anstatt das Wort Gottes in seinem Herzen zu verbergen, auf dass er nicht sündigte, trat es Achan unter seine Füße, um seine sündigen Wünsche zu befriedigen. O, wie schrecklich ist es, dem armen Herzen zu erlauben, den nichtigen Dingen dieser Welt nach zu trachten! Was sind sie alle wert? Wenn wir alle die Kleider haben könnten, die jemals in Babylon gemacht, all das Gold und Silber, das je auf der Erde gefunden wurde, alle die Perlen und Diamanten, die jemals an Königen, Fürsten und Edlen dieser Welt glänzten – würden sie im Stande sein, uns auch nur für eine Stunde wahres Glück zu verleihen? Könnten sie einen einzigen Strahl himmlischen Lichtes in unsere Seele fallen lassen? Könnten sie uns nur für einen Augenblick einen reinen geistlichen Genuss bereiten? Niemals. Sie sind in sich selbst nichts als vergänglicher Staub, der von Satan zum Verderben der Menschen gebraucht wird. Alle die Reichtümer dieser Welt sind nicht wert, mit einer Stunde heiliger Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater und unserem Herrn und Heiland verglichen zu werden. Warum sollten wir deshalb die Schätze dieser Welt begehren? Ist es nicht genug, dass Gott allen unseren Bedürfnissen begegnen will und begegnet ist in Christus Jesus? Warum sollten wir unsere Herzen richten auf die Reichtümer, Ehren oder Vergnügungen einer verdorbenen Welt, die von Satan, dem Erzfeind unserer Seelen, regiert wird? Wie gut wäre es für Ach an gewesen, wenn er sich mit dem zufrieden gegeben hätte, was der Gott Israels ihm schenkte! Wie glücklich hätte er sein können, wenn er sich begnügt hätte mit der Güte und Freundlichkeit Jehovas und mit der Ruhe, die ein gutes Gewissen verleiht!
Doch ach! Er war es nicht; und daher begegnen wir der ergreifenden Szene im Tal Achor, deren Schilderung das stärkste Herz mit Schrecken erfüllt. „Und Josua sandte Boten hin, und sie liefen zum Zelt, und siehe, es war verborgen in seinem Zelt, und das Silber darunter. Und sie nahmen es aus dem Innern des Zeltes und brachten es zu Josua und zu allen Kindern Israel und stellten es hin vor Jehova. Da nahm Josua und ganz Israel mit ihm Achan, den Sohn Serahs, und das Silber und den Mantel und die goldene Junge und seine Söhne und seine Töchter und seine Ochsen und seine Esel und seine Schafe und sein Zelt und alles, was er hatte, und sie brachten sie hinauf in das Tal Achor. Und Josua sprach: Wie hast du uns in Trübsal gebracht! Jehova wird dich in Trübsal bringen an diesem Tag; und ganz Israel steinigte ihn mit Steinen, und sie verbrannten sie mit Feuer und bewarfen sie mit Steinen. Und sie errichteten über ihm einen großen Steinhaufen, der bis auf diesen Tag ist; und Jehova ließ ab von der Glut seines Zornes, darum nannte man den Namen dieses Ortes das Tal Achor (d. i. Trübsal) bis auf diesen Tag“ (V 22–26).
Wie ernst ist alles dieses! Welch einen Warnungsruf lässt es in unsere Ohren dringen! Lasst uns nicht versuchen, unter dem Einfluss einer einseitigen Gnadenlehre, die Schärfe und den tiefen Ernst dieser Schriftsteller abzuschwächen! Lasst uns mit Aufmerksamkeit die Inschrift jenes schrecklichen Denkmals im Tal Achor lesen! Wie lautet sie? „Gott ist gar sehr schrecklich in der Versammlung der Heiligen und furchtbar über alle, die um Ihn her sind.“ Und: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, diesen wird Gott verderben.“ Und endlich: „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“
Wahrlich, ernste, erforschende Worte! Sie sind nötig in diesen Tagen eines gleichgültigen, leichtfertigen Bekenntnisses, wo die Lehre von der Gnade so viel auf unseren Lippen ist, aber die Früchte der Gerechtigkeit so wenig in unserem Leben hervorkommen. Möchten sie uns lehren, ernstlich zu wachen über unsere Herzen und über unseren persönlichen Wandel, damit die Sünde nicht ihre traurigen, schmerzlichen Früchte bringe zur Verunehrung unseres Herrn und zur Betrübnis und zum Schaden derer, die mit uns durch die Bande der Gemeinschaft verbunden sind! 4.: Wir finden in Hosea 2 eine bemerkenswerte Anspielung auf „das Tal Achor.“ Obgleich diese Stelle nicht gerade in Verbindung steht mit den Wahrheiten, welche uns augenblicklich beschäftigen, so möchten wir derselben doch im Vorbeigehen kurz Erwähnung tun.
Jehova redet dort durch den Mund seines Propheten von Israel und spricht: „Darum siehe, ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und ihr zum Herzen reden. Und ich werde ihr von dannen ihre Weinberge geben und das Tal Achor zu einer Tür der Hoffnung; und sie wird daselbst singen wie in den Tagen ihrer Jugend, und wie an dem Tag, da sie heraufzog aus Ägypten“ (V 14–15). Welch eine rührende Gnade strahlt aus diesen Worten hervor! „Das Tal Achor“, der Ort der „Trübsal“, der Ort tiefer Beschämung und Demütigung, der Ort, wo das Feuer des gerechten Zornes Jehovas die Sünde seines Volkes verzehrte – dasselbe Tal soll dereinst „eine Tür der Hoffnung“ für Israel werden; dort soll das Volk singen wie in den Tagen seiner Jugend. Wie wunderbar, in dem Tal Achor von Lobliedern zu hören! Welch herrliche Triumphe der Gnade! Welch eine glückselige, gesegnete Zukunft für Israel!
„Und es wird geschehen an selbigem Tag, spricht Jehova, dass du mich nennen wirst: Mein Mann, und mich nicht mehr nennen wirst: Mein Baal. Und ich werde wegschaffen die Namen der Baalim aus ihrem Mund, und ihrer wird nicht mehr gedacht werden bei ihren Namen. Und ich werde an selbigem Tag einen Bund für sie machen mit den wilden Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und den kriechenden Tieren der Erde, und Bogen und Schwert und den Krieg werde ich zerbrechen aus dem Land und werde sie in Sicherheit wohnen lassen. Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will mich dir verloben in Gerechtigkeit und in Recht und in Gnade und in Barmherzigkeit; und ich will dich mir verloben in Treue, und du wirst Jehova kennen“ (V 16–20).
Wir bitten jetzt den Leser, sich mit uns zu den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte zu wenden. Wir finden dort dieselben beiden Resultate der Gegenwart Gottes in der Mitte seines Volkes, denen wir in den beiden unserer Betrachtung vorliegenden Kapiteln begegnet sind, um in noch weit herrlicherer Entfaltung, als hier. Am Tag der Pfingsten kam Gott, der Heilige Geist, hernieder, um die Kirche zu bilden und seine Wohnung in ihr aufzuschlagen. Diese große und glorreiche Tatsache war gegründet auf die Erfüllung des Werkes der Versöhnung und auf die Verherrlichung Christi zur Rechten des Vaters. Wir können hier diese Wahrheit nicht weiterverfolgen; wir möchten die Aufmerksamkeit des Lesers nur darauf hinlenken, dass sich auch hier die beiden genannten praktischen Folgen der Gegenwart des Herrn – Vorrecht und Verantwortlichkeit – enge mit einander verbunden finden. War Er in der Versammlung, um zu segnen, so war Er auch da, um zu richten.
Die gesegnete Folge der verwirklichten Gegenwart des Heiligen Geistes bestand darin, die Herzen der Gläubigen in heiliger und lieblicher Gemeinschaft mit einander zu verbinden und sie dahin zu leiten, ihre persönlichen Interessen dem gemeinsamen Wohl aufzuopfern. „Alle die Gläubigen aber waren zusammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter und die Habe und verteilten sie an alle, je nachdem irgendeiner Bedürfnis hatte“ (Apg 2,44–45). Welch gesegnete Früchte! Wenn wir nur auch heute mehr davon sähen! Es ist wahr, die Zeiten haben sich geändert, aber Gott ist derselbe geblieben und ebenso die Wirkung seiner Gegenwart, wenn sie in Wahrheit verstanden und verwirklicht wird. Wir befinden uns allerdings nicht mehr in Apostelgeschichte 2. Die Zeit der Pfingsten ist vorüber, und die bekennende Kirche liegt in hoffnungslosem Verfall. Alles das ist leider nur zu wahr; aber Christus, unser Haupt, bleibt in all seiner lebendigen Kraft und unveränderlichen Gnade derselbe. „Der feste Grund Gottes steht“ – ebenso fest und unerschütterlich heute, wie in den Tagen der Pfingsten. Hier gibt es, Gott sei Dank! keinen Wechsel, und deshalb können wir mit allem Vertrauen sagen, dass sich da, wo die Gegenwart des Herrn verwirklicht wird, auch dieselben lieblichen Früchte zeigen werden, wie ehemals, und wäre es nur durch „zwei oder drei.“ die im Namen Jesu versammelt sind. Nicht dass in derselben Weise, wie damals, die Güter von den Einzelnen wieder zusammengebracht werden, um alles gemein zu haben; aber dieselbe Gnade, welche einst diese besondere Form annahm, wird die Herzen aufs engste mit einander verbinden und in ihnen die Bereitwilligkeit wirken, nicht nur ihren Besitz, sondern auch ihr Leben zum Besten der Anderen aufzuopfern.
Lasst uns nicht vergessen, dass – obwohl wir uns nicht in den erfrischenden Tagen der Pfingsten, sondern in den „schweren Zeiten“ der „letzten Tage“ befinden – der Herr dennoch mit denen ist, „die Ihn anrufen aus reinem Herzen“, und seine Gegenwart ist alles, was wir bedürfen. Lasst uns Ihm vertrauen, uns auf Ihn stützen und zusehen, dass wir stets in einer Stellung sind, in welcher wir auf seine Gegenwart rechnen können, in einer Stellung gänzlicher Absonderung von alledem, was Er „Ungerechtigkeit“ nennt, von „den Gefäßen zur Unehre“ in dem „großen Haus“, sowie von allen, welche eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen!
Dies sind die unumgänglich nötigen Bedingungen, unter welchen die göttliche Gegenwart durch irgendeine Gemeinschaft von Christen verwirklicht werden kann. Wir mögen zusammenkommen und uns zu einer Versammlung vereinigen, wir mögen bekennen, auf göttlichem Boden zu stehen, und uns die Versammlung Gottes nennen, wir mögen endlich alle jene Schriftstellen auf uns beziehen, welche nur auf diejenigen ihre Anwendung finden, die wirklich durch den Heiligen Geist zu dem Namen Jesu versammelt sind – wenn aber die notwendigen Bedingungen fehlen, wenn wir nicht „den Herrn anrufen aus reinem Herzen“, wenn wir mit „Ungerechtigkeit“ und mit „Gefäßen zur Unehre“ verbunden sind, so dürfen wir nicht erwarten, die Gegenwart des Herrn verwirklichen zu können. Ebenso gut hätte Israel es erwarten können mit einem Achan im Lager. Um göttliche Resultate zu erzielen, müssen göttliche Bedingungen vorhanden und erfüllt sein.
Wir reden jetzt nicht von der Errettung der Seele, so köstlich und wichtig diese ist. Unser Gegenstand ist die unzertrennliche Verbindung zwischen Vorrecht und Verantwortlichkeit bei allen denen, die des Herrn Volk zu sein bekennen, und wir möchten es mit allem Ernst auf die Seele des Lesers binden, dass, trotz des hoffnungslosen Verfalls der bekennenden Kirche, es dennoch das glückselige Vorrecht von zweien oder dreien ist, im Namen Jesu versammelt zu sein, getrennt von all dem Bösen und all den Irrtümern um uns her, in Anerkennung unserer gemeinsamen Sünde, im Gefühl unserer Schwachheit und im Ausblick zu Ihm, dass Er bei uns sein und uns segnen möge nach der unveränderlichen Liebe seines Herzens. Für alle, die so versammelt sind, hat unser gnädiger und treuer Herr Segnungen ohne Maß. Sicher werden sie fühlen, dass sie sich nicht in den Tagen von Apostelgeschichte 2 befinden, sondern in der Zeit leben, von welcher der Apostel Paulus in 2. Timotheus 2 redet. Doch Christus ist ebenso völlig genügend für diese Tage, wie Er es war für jene. Die Schwierigkeiten mögen oft groß sein, aber seine Hilfsquellen sind unerschöpflich. Es wäre Torheit, die Schwierigkeiten zu leugnen, aber es wäre ebenso sehr Unglaube, die Allgenügsamkeit Christi für alle Lagen und Umstände, für alle Schwierigkeiten in Frage zu ziehen. Er hat verheißen, bei den seinigen zu sein „alle Tage, bis zur Vollendung des Zeitalters.“ Aber Er kann keine Unaufrichtigkeit, noch unwahres Wesen bei den Seinen dulden. Er erwartet Wirklichkeit und „Wahrheit im Innern.“
O, möchten wir es nie vergessen, dass unser Gott seine Wonne hat an der Aufrichtigkeit unserer Herzen und der Redlichkeit unserer Vorsätze und Absichten! Er wird ein Herz, das auf Ihn traut, nimmer beschämen; aber wir müssen Ihm auch völlig vertrauen. Es genügt nicht, von einem Vertrauen auf Ihn zu reden, während wir uns auf unsere eignen Anordnungen und Vorkehrungen verlassen. Gerade hierin fehlen wir in so trauriger Weise. Wir lassen Ihm nicht Raum, zu handeln in unserer Mitte, und berauben uns dadurch, weit mehr, als wir denken können, der gesegneten Offenbarung seiner Gegenwart und Gnade in unseren Zusammenkünften. Sein Geist ist gehindert, und wir fühlen uns arm und trocken, während wir jubeln könnten in der Fülle seiner Liebe und der Macht seines Dienstes. Unmöglich kann Er diejenigen täuschen, welche, in Anerkennung ihres wahren Zustandes, ernstlich auf Ihn blicken. Er kann sich selbst nicht verleugnen, und Er wird niemals den Seinen vorwerfen, dass sie zu viel auf Ihn gerechnet hätten.
Wir haben in der gegenwärtigen Zeit keine besondere Machtentfaltung in unserer Mitte zu erwarten. Wir haben weder Sprachen, noch Gaben der Heilungen, noch Wunder, noch erfahren wir solch außerordentliche Offenbarungen der Tätigkeit der Engel für uns, wie sie in den Tagen der Apostel geschahen. Auch haben wir keine solch plötzliche und schreckliche Ausübung des Gerichts zu erwarten, wie sie uns in der Geschichte von Hananias und Saphira begegnet. Solche Dinge würden nicht im Einklang stehen mit dem gegenwärtigen Zustand der Dinge in der Kirche Gottes. Ohne Zweifel besitzt unser Herr Jesus alle Macht im Himmel und auf Erden, und Er konnte, wenn es Ihm so wohlgefiele, diese Macht heute so gut ausüben, wie in den Pfingsttagen. Aber Er tut es nicht, und wir können den Grund leicht verstehen. Wir haben gesündigt und gefehlt und sind abgewichen von der heiligen Autorität des Wortes Gottes. Dies dürfen wir nie vergessen. Unser Teil ist es jetzt, in demütiger, niedriger Gesinnung einherzugehen. Wir sollten zufrieden sein mit einem sehr niedrigen und verborgenen Platze. Es würde uns übel anstehen, wenn wir einen hervorragenden Platz oder eine bevorzugte Stellung in dieser Welt suchen wollten. Wir können nie zu klein sein in unseren eigenen Augen.
Doch zu gleicher Zeit können wir, wenn wir uns an unserem richtigen Platze befinden und im rechten Geist stehen, völlig auf die Gegenwart Jesu rechnen; und wir dürfen versichert sein: da, wo Er ist, wo seine gnädige Gegenwart gefühlt wird – da können wir die gesegnetsten Resultate erwarten; sie wird sowohl unsere Herzen in wahrer brüderlicher Liebe mit einander verbinden und uns anleiten, gegen alle Menschen in Gnade und Freundlichkeit zu handeln, als auch uns treiben, alles das hinweg zu tun, was seinen Namen verunehren und seiner Kirche oder Versammlung Schaden bringen könnte.