Der Unterschied zwischen dem Ratschluss Gottes und den Wegen seiner Regierung - oder Stellung und Verantwortlichkeit
Botschafter des Heils in Christo 1882
Der Unterschied zwischen dem Ratschluss Gottes und den Wegen seiner Regierung - oder Stellung und Verantwortlichkeit - Teil 2/5
Wie schon oben vorübergehend bemerkt, wird während der glückseligen Zeitalter des tausendjährigen Reiches auch die Herrlichkeit der Kirche angesichts des ganzen Weltalls offenbart sein, obwohl sie ihrem Ursprung, ihrem Charakter und ihrer Natur nach durchaus himmlisch ist. Sie wird mit Christus in der Herrlichkeit erscheinen, welche Er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war. „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleich wie wir eins sind. Ich in ihnen und du in mir, auf dass sie in eins vollendet seien, und auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt, gleich wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,22–23). „Es ist noch nicht offenbart worden, was wir sein werden; wir wissen, dass, wenn Er offenbart ist, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Joh 3,2). In den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung haben wir die sinnbildliche Beschreibung dieser Herrlichkeit. Es ist die „Herrlichkeit Gottes“, die alsdann in ihrem vollen Glänze und in ungetrübter Klarheit von der Kirche ausstrahlen wird. Die ganze Schönheit und Vollkommenheit Christi wird sich in ihr wiederspiegeln, denn sie ist „Sein Leib, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,30).
Wir finden also im tausendjährigen Reiche die beiden großen Gegenstände der Ratschlüsse Gottes mit einander verbunden: die Kirche in der Entfaltung ihrer himmlischen, und Jerusalem auf der Erde in der Entfaltung seiner irdischen Herrlichkeit, und in Verbindung damit die Herrlichkeit der ganzen Schöpfung. „Denn auch die Kreatur wird freigemacht sein von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21). „Und der Wolf wird weilen bei dem Lamm, und der Pardel bei dem Böcklein liegen, und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Und der Säugling wird sich ergötzen an der Höhle der Natter, und ein entwöhntes Kind seine Hand ausstrecken nach der Grube der Basilisken usw“ (Jes 11). Welch ein wunderbares Schauspiel! Die Herrlichkeit der Kirche, die Herrlichkeit Israels und die aus beiden gleichsam hervorgehende Herrlichkeit der ganzen, von der Knechtschaft befreiten Schöpfung, ja alles, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, befindet sich in einer bewunderungswürdigen Harmonie, wiewohl jedes wieder in seiner besonderen Weise und in seinem besonderen Bereiche glänzt. Doch der Mittelpunkt von allem ist – Christus. Alles ist unter Ihm, als dem Haupt, vereinigt und zusammengebracht, und die Kirche nimmt als seine Miterbin mit Ihm den ersten Platz ein.
Wir kommen jetzt zu der zweiten Herrlichkeit Christi, zu derjenigen der Erlösung. Er ist, wie wir gesehen haben, der Sohn Gottes, das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung; alle Dinge sind durch Ihn und darum auch für Ihn erschaffen. Aber Er ist auch der „Erstgeborene aus den Toten“, der durch seinen Tod am Kreuz die Erlösung vollbracht und in seiner Auferstehung über den Tod und die ganze Macht des Feindes triumphiert hat. Wohl war die Schöpfung aus den Sünder ihres Schöpfers rein hervorgegangen; aber dem Feind war es durch die Sünde des Menschen gelungen, diesen samt der ganzen Schöpfung in ein Verderben zu stürzen, welches das ganze Weltall mit unendlichem Weh erfüllte, und aus welchem es, soweit es den Menschen betraf, keinen Ausweg gab. Alle die herrlichen Ratschlüsse Gottes schienen durch den Fall des Menschen mit einem Schlag vernichtet zu sein, und seine ganze Herrlichkeit war der Schöpfung gegenüber in Frage gestellt. Die Schöpfung selbst wurde verwandelt in eine Statte des Fluches, des Jammers und des Elends, in eine düstere Szene des Todes, wo die Macht Satans triumphierte. Aber gerade inmitten dieser schrecklichen Finsternis und dieser Schatten des Todes konnte die Herrlichkeit der Erlösung in einem umso helleren Glanz strahlen. Er, der Sohn Gottes, „der Sohn seiner Liebe“, den Er „besaß im Anfang seines Weges“, stieg freiwillig, aus Liebe und Gehorsam gegen den Vater und um Ihn zu verherrlichen, in die finsteren Regionen des Todes und der Macht des Feindes hinab und machte ihn zunichte, indem Er sich seiner Macht unterwarf und den Tod schmeckte; „auf dass Er durch den Tod zunichtemachte den, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel“ (Heb 2,14). Aber nicht nur hat Er den Teufel selbst durch seinen Tod zunichtegemacht, sondern auch alle seine Werke. „Hierzu ist der Sohn Gottes offenbart worden, auf dass Er die Werke des Teufels vernichte“ (1. Joh 3,8). In seinem Tod wurde eben sowohl eine Sühnung für unsere Sünden geschaffen, als auch das Gericht über alles das, was wir von Natur sind, ausgeübt. Er hat durch seinen Tod die Gerechtigkeit, Heiligkeit und Majestät Gottes in Betreff unserer Sünden nicht nur vollkommen befriedigt, sondern dieselben auch umso mehr verherrlicht, je mehr sie durch die Sünde mit Füßen getreten waren. Alles das, was Gott ist – seine unendliche Weisheit, seine unbefleckliche Gerechtigkeit und Wahrheit, sowie seine unergründliche Gnade und Liebe gegen den verlorenen Sünder, alles das wurde in einer weit glorreicheren und vollkommeneren Weise offenbart, als es jemals die Schöpfung in all ihrer ursprünglichen Schönheit vermocht hätte. „Er ist der Erstgeborene aus den Toten“, „der Anfang der Schöpfung Gottes“; Er ist der Mensch, welcher in dem letzten Entscheidungskampf auf Golgatha die Rechte Gottes trotz der Sünde und wider die Sünde wiederherstellte und den scheinbaren Triumph Satans zu Schanden machte, und zwar in einer Weise, die Gott angesichts des ganzen Weltalls vollkommen verherrlichte. Er ist der siegreiche Mensch, der sich durch sein Werk den Platz und die Macht des Menschen in jener neuen Stellung erworben hat, welche Gott in seinen Ratschlüssen für ihn bestimmt hat. Er ist es, der in seiner Person und kraft der Erlösung das Recht besitzt, die Erfüllung dieser Ratschlüsse und somit alle jene Entfaltungen der Herrlichkeit herbeizuführen, von welchen Er, „das geschlachtete Lamm“, den Mittelpunkt bildet. Und nicht mehr fern ist der Augenblick, wo Er sein Recht geltend machen, und wo die Kirche – in der Herrlichkeit mit Ihm vereinigt – das neue Lied singen wird: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Geschlecht und Volk und Sprache und Nation ...“ wo aus dem Mund von Myriaden von Engeln die Worte ertönen werden: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, zu empfangen Macht und Reichtum usw.“ und wo „alle Kreatur, die in dem Himmel und auf der Erde und unter der Erde ist und die auf dem Meer sind, und alles, was in ihnen ist“, anheben wird, zu sagen: „Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht in die Zeitalter der Zeitalter!“ (Off 5)
Christus ist somit der erste Gegenstand der Ratschlüsse Gottes, das Haupt und der Erbe aller Dinge, und zwar in doppelter Hinsicht: zunächst als Schöpfer und dann als Erlöser. Nach diesen beiden Seiten hin hat sich die Herrlichkeit Gottes entfaltet. Die Herrlichkeit Christi als Schöpfer ist, so zu sagen, naturgemäß sein Teil, während Er diejenige als Erlöser durch seinen Sieg über den Tod und die Macht des Feindes erworben hat. Er besitzt alles als Mensch, und alles durch göttliche Macht. Aber in gewissem Sinn kann gesagt werden, dass ein Teil seiner Herrlichkeit von seiner Gottheit, der Andere von seinem Sieg als Mensch abhängt; und diese letztere Herrlichkeit ist es, welche die Kirche, als sein Leib und als seine Braut, mit Ihm teilen wird. Es ist seine Herrlichkeit als Sohn des Menschen, als der zweite Adam, dessen Herrschaft sich nicht allein über die niedere Schöpfung, sondern auch über die Fürstentümer und Gewalten in den himmlischen Örtern erstreckt. Gott hat Ihn gesetzt zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles unterworfen unter seine Füße“ (Eph 1,21). „Welcher ist das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt“ (Kol 2,10; Heb 2,5–8). Zugleich ist Er, der das Haupt über alles ist und das ganze Weltall mit seiner Herrlichkeit erfüllen wird, das Haupt seines Leibes, der Versammlung, welche Ihn gleichsam vervollständigt. Denn ein Kopf ohne Leib ist ebenso unvollständig, wie ein Leib ohne Kopf. So ist die Versammlung Christus (und Christus der Versammlung) gegeben, nicht dass sie das Haupt sei, von welchem die Leitung ausgeht, sondern um jenen geheimnisvollen Menschen – den Menschen der Ratschlüsse Gottes – von dem Er das Haupt ist, zu vervollständigen. So lesen wir in Epheser 1,22–23, dass Gott „Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben hat, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.“ Welch eine köstliche Wahrheit! Die Kirche ist ein Teil von Ihm, „der alles in allem erfüllt“, von Ihm, der als der höchste Gegenstand der Ratschlüsse und Wonne Gottes den Mittelpunkt aller seiner Herrlichkeit bildet. Sie ist so sehr die Fülle Christi, dass sie, betrachtet als Leib in Verbindung mit ihrem Haupt, kurzweg „der Christus“ genannt wird (1. Kor 12,12). Aber wie das Haupt nicht vollständig sein kann ohne einen Leib, so erhält auch dieser seinen ganzen Wert und seine Bedeutung erst durch das Haupt. Das Haupt ist es, welches die ganze Person gleichsam kennzeichnet, so dass in den Gliedern des Leibes eigentlich nur die Bedeutung und Wichtigkeit des Hauptes gesehen wird. Und in der Tat wird in den einzelnen Gliedern der Kirche in ihrem vollendeten Zustand nur das Bild Christi geschaut werden: „Wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen“ (Kol 3,11). Dieses ist es, was Christus gesucht hat, und was Er nirgends finden konnte, außer in der Kirche. Gleichwie für den ersten Adam in der ganzen Schöpfung keine Hilfe seines Gleichen gefunden wurde, außer in der Eva, welche aus ihm entnommen war, so sieht auch Christus in der Kirche seines Gleichen: sie ist „von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,30), und darum der Gegenstand seiner innigsten Zuneigungen; sie ist die „sehr kostbare Perle“, welche Er gesucht und gefunden hat, und wofür Er alles hingab, „was irgend Er hatte.“ Nicht, dass sie diese Kostbarkeit von Natur besessen hätte; gerade das Gegenteil war der Fall. Christus fand sie in dem Schmutz dieser Welt, wie einen „im Acker verborgenen Schatz“; aber Er liebte sie, und darum gab Er sich selbst für sie hin, „auf dass Er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort.“ Und gleich wie Gott die Eva bildete und sie dann dem Adam gab, so wird auch der Christus sich selbst – da Er Gott ist – die Kirche verherrlicht darstellen, „die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“ Seine unendliche Liebe zu der Kirche ist die Grundlage seiner Verbindung mit ihr und der aus dieser Verbindung für sie hervorgehenden Herrlichkeiten und Segnungen. Sie ist durch die innigsten und stärksten Bande mit seinem Herzen verbunden, so dass Ihm nichts zu teuer war, um es für sie hinzugeben, selbst als sie sich noch in dem Zustand des tiefsten Elendes befand. Welch eine Liebe! Er, der Schöpfer und Erbe aller Dinge, der Gegenstand der Wonne des Vaters, Er, der die Fülle von allem ist und in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, Er musste sie haben – Er wäre ohne den Besitz der Versammlung nicht befriedigt gewesen. Seine Liebe zu ihr findet erst dann ihre völlige Befriedigung, wenn Er sie in seine Herrlichkeit eingeführt und ihr an allem Teil gegeben hat, was Er selbst besitzt. Sie hat den ersten Platz in seinem Herzen, und darum nimmt sie auch in Verbindung mit Ihm den ersten Platz in dem ewigen Ratschluss Gottes ein.
Indessen müssen wir stets festhalten, dass sie der Leib eines verherrlichten Christus ist. Obwohl sie daher in den Gedanken Gottes schon vor Grundlegung der Welt bestand, so konnte ihre Berufung doch nicht eher stattfinden, bis Christus verherrlicht war. Bis dahin blieb sie ein in Gott verborgenes „Geheimnis.“ Gott trat erst dann mit seinem ewigen Ratschluss hervor, als durch die Verwerfung Christi alle seine, auf das Gesetz gegründeten Beziehungen mit Israel, sowie diejenigen mit der Welt abgebrochen waren. Die Berufung der Kirche ist deshalb – in Übereinstimmung mit diesem ewigen Ratschluss und der Stellung ihres Hauses – eine rein himmlische Sache, die außerhalb aller irdischen Verbindung steht. Sobald Christus verherrlicht war, wurde der Heilige Geist hernieder gesandt, um die einzelnen Glieder der Kirche aus der Welt zu sammeln und sie zu einem Leib zu vereinigen. Und erst nachdem das letzte Glied dem Leib hinzugefügt und die Kirche tatsächlich mit ihrem himmlischen Haupt in der Herrlichkeit vereinigt ist, nimmt Gott seine Beziehungen zu Israel und der Welt wieder auf. Dieses aber zeigt uns, wie alle Ratschlüsse Gottes ihren eigentlichen Ausgangspunkt in seinem ewigen Ratschluss haben, welcher Christus und die Kirche zum Gegenstand hat.
Nachdem wir so in Kürze die Gegenstände des Ratschlusses Gottes betrachtet haben, kommen wir jetzt zu der Natur und dem Charakter desselben.
Er ist göttlich in seinem Ursprung, seiner Ausführung und seinem Ergebnis. Indem er seinen Ursprung in Gott selbst hat, ist er die völlige Offenbarung dessen, was Gott ist, sowie der Gedanken, welche von Ewigkeit her, vor Anbeginn der Schöpfung, in seinem Herzen verborgen waren. Nichts ist darin enthalten, was nicht von Gott und in völliger Übereinstimmung mit Ihm wäre. Er trägt von Anfang bis zu Ende das Gepräge der göttlichen Natur, der göttlichen Reinheit und Liebe. In Folge dessen muss auch alles, was aus diesem Ratschluss hervorgeht, das ganze Erlösungswerk Christi, sowie alles, was uns auf Grund desselben zu Teil geworden ist: unsere Errettung, Versöhnung, Rechtfertigung, unser Friede mit Gott, die persönliche Innewohnung des Heiligen Geistes, unsere Kindschaft, unsere Herrlichkeit und geistlichen Segnungen, mit einem Wort, unsere ganze Stellung in Christus denselben göttlichen, ewigen und unveränderlichen Charakter tragen. Und wie der Ursprung, so wird auch das Ergebnis dieses Ratschlusses – die Kirche in ihrer Vollendung – in völliger Übereinstimmung mit Gott sein. Sie wird „die Herrlichkeit Gottes“ haben (Off 21,11). „Wie er uns auserwählt hat in Ihm, dass wir heilig und tadellos seien vor Ihm in Liebe“ (Eph 1,4). Gleichwie Mose das Heiligtum nach dem Muster machen mühte, das ihm auf dem Berg gezeigt worden war (2. Mo 25,40), so wird auch die Kirche in ihrer Vollendung genau so dargestellt sein, wie sie vor den Zeitaltern schon in dem Herzen und den Gedanken Gottes, ihres großen Baumeisters, bestand. Ihr Ursprung und Charakter sind göttlicher, himmlischer und ewiger Natur; sie wird uns daher gezeigt, als die heilige Stadt, die vom Himmel herniederkommt, von Gott. Alles, was von Gott kommt, ist heilig und seinem Ursprung und seiner Natur nach unbefleckbar. „Ein jeglicher, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“ (1. Joh 3,9). Alles, was wir in der Kirche Gottes sehen, ist aus Gott und das Resultat seines Werkes. Sie ist daher, selbst wenn sie mit dem Maßstab der Gerechtigkeit Gottes gemessen wird, in jeder Beziehung vollkommen. Gott selbst, seine Gerechtigkeit, Reinheit, Heiligkeit, ja alle seine Herrlichkeit wird in ihr gesehen (Off 21).
Ebenso vollkommen göttlich, wie der Ursprung und das Ergebnis dieses Ratschlusses, ist auch seine Ausführung, indem wir in derselben die „mannigfaltige Weisheit Gottes“, sowie seine unumschränkte Macht und Gnade erblicken. Wohl sah Gott den Fall des Menschen voraus, aber darum war auch schon in seinem Ratschluss die Erlösung vorgesehen, in deren Folge jener in einer Weise ausgeführt wird, welche die Weisheit seines Urhebers vor dem ganzen Weltall in ein glänzendes Licht stellt. „Auf dass jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, nach dem Vorsatz der Zeitalter, den Er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Eph 3,10–11). Die Engel staunen, wenn sie einen Räuber, der am Kreuz endigte, einen Saulus, der mit glühendem Hass den Herrn verfolgte, eine Maria Magdalena, welche sieben Teufel hatte, einen Petrus, der mit Fluchen und Schwören seinen Herrn verleugnete, oder endlich alle jene, welche tot waren in Vergehungen und Sünden, weit über sich in einer Herrlichkeit erblicken, „in welche sie hineinzuschauen begehren“ (1. Pet 1,12). Die Sünde in allen ihren Formen des Unglaubens und der Gottlosigkeit konnte den Ratschluss Gottes weder in seiner Ausführung, noch in seinem Endergebnis aufhalten oder verändern; sie brachte nur umso mehr die göttliche Vollkommenheit seiner Natur und seines Charakters ans Licht, indem sie die Veranlassung zur völligen Entfaltung desselben und zur Offenbarung unendlicher, bis dahin verborgen gebliebener Tiefen Gottes wurde. Die überströmend gewogene Sünde rief eine noch überschwänglichere Gnade hervor – eine Gnade, welche einen Menschen, der jedes Anrecht auf die Güte und die Segnungen Gottes verloren hat, aus dem tiefsten Abgrund des Verderbens zu den erhabensten Höhen der Herrlichkeit erhebt; eine Gnade, an welche der Mensch nimmer hätte denken können, ja deren Voraussetzung von seiner Seite Vermessenheit gewesen wäre. Wie durfte er, nachdem er gesündigt hatte, voraussetzen, dass Gott seinen Sohn für ihn dahingehen würde, um Ihn das ganze Gewicht des göttlichen Zornes an seiner Statt treffen zu lassen? Würde dies nicht einen Zustand verraten haben, der noch weit schlimmer war, als die begangenen Sünden? Ganz gewiss. Aber wenn Gott daran dachte, für solch Elende, wie wir sind, seinen eignen Sohn hinzugeben, so zeigt dieses nur die Vollkommenheit seines Ratschlusses und die in demselben verborgenen Tiefen einer Liebe, Gnade, Weisheit und Macht, die uns mit Erstaunen und Anbetung erfüllen und Ihn in einer Größe und Erhabenheit zeigen, dass selbst der Unglaube Ihn rechtfertigen muss und das Mittel zur Verherrlichung seiner wunderbaren Gnade wird.
Wie schrecklich die Sünde und wie unberechenbar ihre Folgen auch sein mögen, so führt Gott dennoch seinen Ratschluss aus, trotz der Sünde und Wider die Sünde, indem Er in seiner unumschränkten Gnade sich über dieselbe erhebt. Mag die Macht des Feindes noch so groß, mögen seine Anstrengungen noch so gewaltig sein, Gott führt seinen Vorsatz aus „nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in welcher Er gewirkt hat in dem Christus, da Er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihn zu seiner Rechten setzte in den himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“ (Eph 1,19–22). Wenn die Gnadengaben und die Berufung Gottes „unbereubar“ sind, dann ist es sicherlich auch sein ewiger Ratschluss, dessen Resultat Ihn bezüglich der Sünde und angesichts des ganzen Weltalls gerechtfertigt und verherrlicht erscheinen und den Mund des Widersachers verstummen lässt, sowie das Loblied aller seiner Erlösten wachruft. „O Tiefe des Reichtums“, ruft der Apostel aus, „beides der Weisheit und Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unaufspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat Ihm zuvor gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von Ihm und durch Ihn und für Ihn sind alle Dinge; Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen“ (Röm 11,33–36). (Fortsetzung folgt)
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