Samuel - der Mann Gottes
Samuel in Endor
Einige Jahre nach seinem Tod machte Samuel eine einzigartige Erfahrung: Er wurde von Gott mit einer Botschaft zurück auf die Erde gesandt. Die Schlacht auf dem Gebirge Gilboa stand bevor, und Saul war in einer verzweifelten Lage; auch hatte er das dunkle Gefühl, dass sie seinen Untergang bringen werde. Daher versuchte er, zu Gott durchzudringen, um Rat und Hilfe zu bekommen, obwohl er Ihn während seiner ganzen Regierung so sehr missachtet hatte. „Aber der HERR antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch die Urim noch durch die Propheten“ (1. Sam 28,6). „Gott ist von mir gewichen und antwortet mir nicht mehr“, klagte er (1. Sam 28,15). Das erinnert uns an Hosea 4,17: „Ephraim ist mit Götzen verbündet; lass ihn gewähren!“ Es ist für jeden eine ernste Sache, wenn er sich weigert, auf die Stimme Gottes zu hören, denn auch Gottes Geduld hat Grenzen. Das wird die Christenheit bald erfahren, wenn Gott sie den Irrtümern des „Menschen der Sünde“ überlassen wird (2. Thes 2).
In seinem notvollen und dringenden Verlangen nach einem Wort von irgendeiner Seite „sprach Saul zu seinen Knechten: Sucht mir eine Frau, die einen Totenbeschwörer–Geist hat, damit ich zu ihr gehe und sie befrage“ (1. Sam 28,7). In früheren Tagen hatte Saul sich bemüht, dieses überaus Böse auszurotten, aber anscheinend wurde Totenbeschwörung insgeheim doch noch ausgeübt. Wie widerspruchsvoll ist doch das arme Fleisch! Es kann sich über eine Form der Ungerechtigkeit entrüsten und sich anstrengen, es zu unterdrücken, während es auf andere Art und Weise selbst Ungerechtigkeit tut. Sogar Kinder Gottes sind dieser Gefahr ausgesetzt. Nachdem Saul in der Sache mit Amalek ungehorsam gewesen war, sagte Samuel zu ihm: „Wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (1. Sam 15,23). Warum? Weil sie irgendetwas anderes an die Stelle Gottes setzen. Und das tat Saul in seiner Selbstgefälligkeit sein ganzes Leben hindurch.
Als Saul hörte, dass es in Endor eine Frau gebe, die Zauberei ausübte, verkleidete er sich und ging mit zwei Knechten bei Nacht zu ihr hin. Er forderte die Frau auf, den Mann heraufzubringen, den er ihr nennen würde, doch die Frau wandte ein, dass dies gegen das Gebot des Königs verstieße und sie deshalb getötet werden könne. Saul hatte die Dreistigkeit, bei dem HERRN zu schwören und zu sagen: „So wahr der HERR lebt, wenn dich eine Schuld treffen soll wegen dieser Sache!“ (1. Sam 28,10). Der armselige Mann konnte unmöglich ärger sündigen, als dass er den heiligen Namen des HERRN in Verbindung brachte mit der Sünde, die in Gottes Augen so hassenswert und verabscheuungswürdig ist. Saul hatte jedes Bewusstsein dafür, dass er es mit Gott zu tun hatte, völlig verloren.
Wahrsagerei, Zauberei, „Spiritismus“ – dieses schreckliche Böse hat viele Namen – sind sehr alt. Schon früh in der Geschichte des Menschen, als er Gott den Rücken kehrte, versuchte er, durch unerlaubte Mittel mit der unsichtbaren Welt in Verbindung zu kommen. Satan war darin selbstverständlich sein Lehrmeister, denn damit fand Satan beim Menschen ein offenes Ohr, das eigentlich für die Stimme Gottes hätte offen sein sollen. In 5. Mose 18 wird dem Volk Israel streng geboten, mit dieser großen Sünde schonungslos zu verfahren, wenn es in das verheißene Land käme. Denn dieses Land war voll von diesem Übel, doch Gottes Volk sollte es weder selbst tun noch es dulden.
Je weiter die Zeit fortschreitet und das Ende herannaht, desto mehr fasziniert dieses Böse die Menschen. Sie haben ein verständliches Bedürfnis, etwas über die Zukunft und das jenseitige Leben zu erfahren, und man behauptet, der Spiritismus sei ein bequemes Mittel, um aus erster Hand Nachrichten von abgeschiedenen Verwandten oder Freunden zu erhalten. Man sagt sogar, dass die Toten begierig darauf seien, mit uns in Verbindung zu treten. Doch das können wir der Geschichte, die wir gerade vor uns haben, nicht entnehmen. Diese Begebenheit ist der einzige wahre Bericht über einen Verstorbenen, der jemals mit einer lebenden Person auf der Erde gesprochen hat. Samuel tadelte Saul ausdrücklich dafür, dass er ihn gestört habe: „Warum hast du mich beunruhigt, mich heraufkommen zu lassen?“ (1. Sam 28,15).
Ohne Frage erschien Samuel dem erschrockenen König und redete ihn mit vernehmbarer Stimme an. Aber brachten ihn die Manipulationen der Frau hervor? Sicher nicht! Die Schlüssel des Hades und des Todes liegen nicht in Reichweite irgendeines Geschöpfes (Off 1,18). Heimgegangene Gläubige weilen in der Gegenwart des Herrn und erfreuen sich seiner Gunst und Liebe. Die Verlorenen dagegen sind „Geister im Gefängnis“ (vgl. 1. Pet 3,19) und sehen ihrer endgültigen Verurteilung am „großen Tag“ entgegen. Die Gläubigen sind nicht den Praktiken böser Menschen preisgegeben und stehen auch nicht in Gefahr, jeden Augenblick von ihnen beunruhigt zu werden, nur um solchen Leuten Geld einzubringen. Und die verlorenen Sünder? Sie werden von der Macht Gottes fest und sicher verwahrt. Wenn behauptet wird, dass manchmal Stimmen aus der Welt der Geister gehört würden, so sind das Dämonen, die die Toten nachahmen mit dem Ziel, törichte Hörer zu ihrem ewigen Verderben zu betrügen.
In Jesaja 8,19 fragt Gott unwillig, warum das Volk gerade die Toten zu befragen wünsche, da sie doch – wenn sie wollten – ihren Schöpfer fragen könnten: „Wenn sie zu euch sprechen werden: Befragt die Totenbeschwörer und die Wahrsager, die flüstern und murmeln, so sprecht: Soll ein Volk nicht seinen Gott befragen? Soll es für die Lebenden die Toten befragen?“ Niemand konnte erschrockener und entsetzter sein als die Totenbeschwörerin von Endor, als Samuel tatsächlich erschien, denn das hatte sie bisher nie erlebt. Ehe sie überhaupt ihren Zauberspruch beginnen konnte, stand die genannte Person vor ihr. Das verblüffte sie, und sie erkannte, dass ihr Besucher niemand anders sein konnte als der König. Nur seinetwegen hatte Gott wahrscheinlich die Ruhe seines treuen Propheten gestört.
Samuel konnte nichts anderes tun, als Sauls Untergang zu verkünden, der so hartnäckig gesündigt hatte, und zwar gegen bessere Einsicht und gegen alle Vorrechte, die er genoss. Zu diesem ernsten Zweck hatte es Gott gefallen, seinen treuen Diener an jenem Tag auf die Erde zurückzusenden. Kein Erbarmen und keine Gnade lag in Samuels ernsten Worten, als er sprach: „Weil du der Stimme des HERRN nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der HERR dir dies heute getan. Und der HERR wird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der HERR in die Hand der Philister geben“ (1. Sam 28,18.19). Der folgende Tag sollte also Sauls letzter Tag auf der Erde sein. Und was dann? „Bei mir“ bedeutet nicht etwa, dass Saul Samuels Seligkeit teilen würde, sondern dass er ebenso wie der Prophet zu den Toten gehören würde. Selbst Saul und Jonathan wurden in ihrer Todesstunde getrennt. Jonathan wird in der Herrlichkeit sein, nicht aber Saul.
Beachten wir den Unterschied zwischen Leib und Geist! Sauls Leib – und die Leiber seiner Söhne – wurde von den Philistern an die Mauer von Beth-Schean geheftet (1. Sam 31,10.12), aber Sauls Geist war, noch ehe diese Schandtat ausgeführt war, bereits im Scheol.
Die Begebenheit von Endor redet auch heute noch ernst zu den Menschen. Nichts ist zu gewinnen, wenn man versucht, mit den Toten in Verbindung zu treten; aber alles kann erlangt werden, wenn man auf die Stimme Gottes achtet. Die heiligen Schriften, die wir heute glücklicherweise vollendet in Händen halten, teilen uns alles mit, was wir über Himmel und Hölle wissen müssen. Wer sich von der Stimme Gottes abwendet, die durch das Wort zu ihm redet, öffnet sein Herz den schlimmsten Täuschungen Satans – zu seinem ewigen Verderben.
Samuel wird in Hebräer 11,32 als einer der Glaubenshelden Gottes aufgeführt, ebenso David; doch der einst so begünstigte und bevorrechtigte Saul fehlt dort.