Samuel - der Mann Gottes
Zelzach, Tabor und Gilgal
Bei Tagesanbruch nahm Samuel Saul beiseite und sagte zu ihm: „Du aber steh jetzt still, dass ich dich das Wort Gottes hören lasse“ (1. Sam 9,27). Damit leitete Gottes eigene Stimme einen neuen Tag für Israel ein – aber würde es ein besserer Tag werden? Einen Tag zuvor hatte Gott zu Samuel gesagt: „Du sollst ihn zum Fürsten salben über mein Volk Israel; und er wird mein Volk aus der Hand der Philister retten; denn ich habe mein Volk angesehen, denn sein Schreien ist zu mir gekommen“ (1. Sam 9,16). Was für zärtliches Mitgefühl des Herzens Gottes kommt in diesen Worten zum Ausdruck! Wie groß auch die Widerspenstigkeit seines Volkes sein und wie schlecht es Gottes Güte vergelten mochte – Gottes einziger Wunsch war, es zu segnen. Wenn Israel sagt: „Gib uns einen König, dass er uns richte!“ (1. Sam 8,6), sagt Gott: Salbe ihn, damit er mein Volk rette (1. Sam 9,16). Welche anderen Gegner Saul auch besiegen mochte – gegenüber dem besonderen Feind, von dem er Israel befreien sollte, war er hilflos. Am Ende hatten die Philister sogar seinen Kopf (1. Sam 31,9)!
Samuel salbte Saul und gab ihm den ersten Huldigungskuss. Dann schickte er ihn sogleich auf einen Weg, der in seiner Art ebenso lehrreich war wie der Weg Elias am Tag seiner Entrückung. Saul sollte „Zeichen“ begegnen (1. Sam 10,7) – aber war er fähig, sie zu verstehen und Nutzen daraus zu ziehen? Der Herr Jesus sagte einmal zu seinen Jüngern: „Glückselig aber eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören.“ Die Herzen der sie umgebenden Volksmenge waren „dick geworden, und mit den Ohren haben sie schwer gehört, und ihre Augen haben sie geschlossen“. Deshalb sagte der Herr auch: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ (Mt 13,9–16). – Sind unsere geistlichen Augen und Ohren heute geöffnet? Sind wir fähig, in die Gedanken des Herrn einzugehen und so mit Einsicht in dieser dunklen Welt unser Leben zu führen?
Samuel sagte Saul voraus, wen er treffen und was sich in Zelzach, Tabor und Gilgal ereignen würde. Eine einfache, aber wertvolle Belehrung für den neuen König, wenn er sie nur verstanden hätte. – Denken wir daran, dass auch wir es mit einem Gott zu tun haben, vor dem nichts verborgen ist und bei dem es kein Gestern und kein Morgen gibt? Das zu wissen gibt dem Herzen Ruhe, denn es versichert uns, dass unser Gott von keinem Ereignis in unserem Leben, auch wenn es noch so überraschend eintrifft, überrascht werden kann.
Bei Zelzach, am Grab Rahels, sollte Saul zwei Männer treffen, die ihm mitteilen würden: „Die Eselinnen sind gefunden, die du zu suchen gegangen bist; und siehe, dein Vater hat die Sache der Eselinnen aufgegeben, und er ist um euch bekümmert und spricht: Was soll ich wegen meines Sohnes tun?“ (1. Sam 10,2). Der Mann, der sich vergeblich abgemüht hatte, musste lernen, dass schon alles ohne ihn getan worden war; er sollte aber auch erfahren, dass sein Vater Sehnsucht nach ihm hatte, und zwar an dem Ort, der von Tod und Auferstehung zeugte. Als Rahel im Sterben lag, nannte sie ihren neugeborenen Sohn Benoni („Sohn meiner Not“), denn sie sah nur die Seite des Todes. Jakob aber nannte ihn Benjamin („Sohn der Rechten“), was von Leben und Macht redet (1. Mo 35,18). Wer Gott in der rechten Weise dienen will, muss zuerst diese Wahrheiten kennenlernen und in ihnen leben. Unsere eigenen Werke sind wertlos – Gott nennt sie „tote Werke“ –, aber Christi Tod und Auferstehung genügen völlig, um unserer größten Not zu begegnen, und das Herz des Vaters sehnt sich nach jedem einzelnen Verlorenen, wie uns Lukas 15 versichert. Dies sind die großen, fundamentalen Grundsätze des Christentums.
Von Zelzach kommend, sollte Saul an der Terebinthe Tabor drei Männer treffen, die zu Gott nach Bethel hinaufgingen. Ein ermutigender Beweis, dass es – obwohl in Israel alles so schlimm wie nur irgend möglich aussah – doch noch einen Überrest gab, der Gott anhing! Bethel spricht von der Treue Gottes, denn hier sicherte Gott dem armen, fehlenden Jakob zu, dass Er ihn nicht lassen noch verlassen wollte (1. Mo 28,15–19). Vom Grab, dem Bild des Todes, kommt Saul zur Terebinthe, dem Bild der Kraft. Was für eine Stärkung bedeutet es doch für den, der in bösen Tagen für Gott leben und Ihm wohlgefallen möchte, wenn er erfährt, dass Gott sich einige wenige erhalten hat, die Ihm anhangen und auf seine Treue rechnen! Elias fehlte dieses Bewusstsein, daher seine Klage am Horeb: „Ich allein bin übrig geblieben“ (1. Kön 19,10). Der verzagte Prophet durfte bald erfahren, dass außer ihm noch siebentausend da waren, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt hatten (1. Kön 19,14–18). Er hatte sie ganz übersehen!
Bei Zelzach traf Saul zwei Männer. Zwei ist die Zahl des Zeugnisses, und dieses Zeugnis ist, Gott sei Dank, ausreichend, denn der, der für unsere Sünden starb, ist auch wieder auferstanden. Bei der Terebinthe Tabor traf er drei Männer; in der Zahl Drei ist der Gedanke an Gemeinschaft enthalten: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Diese drei Männer gingen nicht nur nach Bethel, sondern „zu Gott hinauf“ (1. Sam 10,3). – Ist auch bei uns die Gegenwart des Herrn der alles überragende Gedanke, wenn wir mit unseren Brüdern versammelt sind? Sind wir fähig, über die Gemeinschaft mit den anderen hinaus auf den unsichtbaren, treuen Herrn zu sehen?
Der Glaube war in Israel nicht ganz erloschen, so wie er auch in unseren Tagen nicht völlig verschwunden ist, obwohl der vorausgesagte Abfall jetzt nahe bevorsteht. Jeder der drei Männer war mit guten Sachen beladen: „Einer trägt drei Böckchen, und einer trägt drei Laibe Brot, und einer trägt einen Schlauch Wein“ (1. Sam 10,3). Hier war in der Tat eine Fülle, und Saul war eingeladen, daran teilzuhaben. Die „zwei oder drei“, die in Abhängigkeit vom Herrn an dem Platz zusammenkommen, den Er ihnen bestimmt hat, können darauf vertrauen, dass Er sie nährt und pflegt. Wir alle haben teil an Gottes guten Gaben. „Festhaltend das Haupt, aus dem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst“ (Kol 2,19).
Saul war durch die Gemeinschaft mit gottesfürchtigen Männern erfrischt worden. Nun setzte er seinen Weg fort und fand sich sogleich dem gefährlichsten Feind Israels gegenüber: „Danach wirst du zum Hügel Gottes kommen, wo Aufstellungen der Philister sind“ (1. Sam 10,5). Dieser Feind lagerte auf „dem Hügel Gottes“ – was für ein beschämender Umstand! Auch wir müssen damit rechnen, der Macht eines Feindes zu begegnen, der nicht nur „draußen“, sondern mitten unter denen tätig ist, die sich Christen nennen. Aber Saul sollte einer Schar begegnen, die von der Höhe herabkommen würden. Beachten wir: „Zwei“ waren es bei Zelzach, „drei“ bei Tabor, und jetzt war es „eine Schar“. Und diese hatten Musikinstrumente (Harfe, Flöte, Tamburin und Laute). Wie bemerkenswert – Musik und Gesang in der Gegenwart des Feindes! Warum auch nicht? Die Macht des Feindes ist zwar ernst zu nehmen, braucht uns aber nicht zu erschrecken. Die Propheten weissagten, und als Saul eintraf, kam der Geist des HERRN über ihn, und auch er weissagte. Die Kraft des Heiligen Geistes vermag die Wirksamkeit des Teufels unschädlich zu machen. Johannes erinnert uns daran, wenn er uns vor falschen Propheten und bösen Geistern warnt: „Der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“ (1. Joh 4,4). Der Sieg ist also bei Gott und den Seinen, aber in der Zwischenzeit müssen wir unseren Glaubensweg in demütiger Abhängigkeit von dem in uns wohnenden Geist gehen. Nur dann können wir mitten in der Gefahr singen und nur dann werden wir vor der Gefahr bewahrt bleiben.
Was Saul zu lernen hatte, war: „Gott ist mit dir“ (1. Sam 10,7). Wessen Regierung begann jemals unter glücklicheren Umständen? Der Heilige Geist, der zwar nicht in ihm wohnte, aber über ihn kam so wie einst über den Wahrsager Bileam (4. Mo 24,2), stand immer zu seiner Hilfe bereit, wenn Saul sie beansprucht hätte. Aber wie hoffnungslos ist doch das Fleisch! Jede göttliche Fürsorge für Saul war vergeblich, weil das Fleisch unverbesserlich ist. Deswegen heißt es: „Ihr müsst von neuem geboren werden“ (Joh 3,7).
Saul erhielt den Auftrag, nach Gilgal hinabzugehen, Israels erstem Lagerplatz in Kanaan, wo die scharfen Messer der Beschneidung gebraucht worden waren (Jos 5). Dies ist ein Bild des Selbstgerichts, denn niemand, weder Saul noch irgendein anderer, kann Gott dienen, solange er diese grundlegende Lektion nicht gelernt hat. Lesen wir sorgfältig und unter Gebet Kolosser 3 und fragen wir uns dann in Demut, wie weit wir die Belehrung verwirklichen, „unsere Glieder“ zu töten (V. 5–11).
Saul sollte immer von Samuel abhängig sein. Deshalb wurde er angewiesen, in Gilgal sieben Tage zu warten, bis Samuel kam, um die entsprechenden Brandopfer und Friedensopfer zu opfern. Warten ist für das ruhelose Fleisch stets eine schlimme Sache. Zwei Jahre später brachte diese Wartezeit das Unglück über Saul (1. Sam 13,8–14). Ausharren und nochmals ausharren! Überall im Neuen Testament wird Ausharren als eine der notwendigsten Tugenden von allen gefordert, die ihr Glaubensleben mit Gott führen und Ihm dienen wollen (Röm 5,3; 2. Kor 6,4; 12,12; 2. Tim 3,10; Jak 1,3).