Samuel - der Mann Gottes
Die Weise des Königs
Warum kam den Ältesten von Israel, nachdem Samuels Söhne sie enttäuscht hatten, nicht der Gedanke, dass ein König nicht besser sein würde? Ist denn ein Regierungswechsel – ob damals oder heute – zwangsläufig ein Heilmittel für alles Böse gewesen? Warum von einer Form des Fleisches in eine andere fallen? Und sind wir nicht manchmal genauso töricht wie sie, wenn Schwierigkeiten auftreten? „Es ist besser, bei dem HERRN Zuflucht zu suchen, als sich auf den Menschen zu verlassen. Es ist besser, bei dem HERRN Zuflucht zu suchen, als sich auf Fürsten zu verlassen“ (Ps 118,8.9). Haben wir diese einfache Lektion schon gelernt?
Gott antwortete auf Samuels Gebet und machte ihm klar, was der wahre Charakter der Forderung des Volkes war: Dass das Volk einen König forderte, bedeutete nicht so sehr, dass sie Samuel und seine Söhne verwarfen; nein, sie verwarfen vielmehr den HERRN selbst! Sie waren der Herrschaft Gottes überdrüssig geworden, und das wunderbare Vorrecht, mit Gott in unmittelbarer Verbindung und unter seiner persönlichen Herrschaft zu stehen, galt in ihren Augen nichts mehr. Damit wollten sie Schluss machen und die Gewohnheiten der Nationen annehmen. In gleicher Weise hat auch die Kirche Gottes längst ihre außerordentlich gesegnete Vereinigung mit dem im Himmel verborgenen Haupt praktisch aufgegeben; und damit hat sie die Führung und Leitung des unsichtbaren Geistes in Gottes Haus auf der Erde verloren. Daher beharrt man auf allen Seiten darauf, dass Geistliche, Vorsitzende und manch andere notwendig seien, damit eine sichtbare Herrschaft über das Volk Gottes ausgeübt wird.
„Und der HERR sprach zu Samuel: Höre auf die Stimme des Volkes in allem, was sie dir sagen; denn nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll. Gemäß allen Taten, die sie getan haben von dem Tag an, als ich sie aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag, indem sie mich verlassen und anderen Göttern gedient haben, so tun sie auch dir“ (1. Sam 8,7.8). So zeigt Gott, dass die Forderung nach einem König nur der Höhepunkt jahrhundertelanger Unzufriedenheit mit der Stellung war, in die seine Gnade sie gebracht hatte. Anscheinend sah sich das Volk von einem Einfall der Ammoniter bedroht (1. Sam 12,12), doch weil sie die Lehre von Eben–Eser vergessen hatten, wendeten sie sich nicht zu Gott, sondern zu dem Arm des Fleisches. Etwas Ähnliches sehen wir in Richter 11, wo ebenfalls die Ammoniter die Kinder Israel angreifen. Auch da wenden sie sich in ihrer Bedrängnis nicht zum HERRN um Hilfe, sondern an Jephta. Wann werden die Menschen, ja, wann werden wir lernen, uns in den Schwierigkeiten und Gefahren des Lebens allein an Gott zu wenden?
„Gleich allen Nationen“ (1. Sam 8,5) waren wirklich schmerzliche Worte aus dem Mund des Volkes, das von Gott auserwählt war. Ihr Ruhm war es doch gerade – hätten sie es doch nur zu schätzen gewusst! –, dass sie nicht den Nationen gleich waren. Erinnern wir uns, was Bileam in dem ersten seiner vier Sprüche über Israel sagte: „Siehe, ein Volk, das abgesondert wohnt und sich nicht zu den Nationen rechnet!“ (4. Mo 23,9). Das Volk Gottes fand es immer schwierig, die Stellung der Absonderung für Gott aufrechtzuerhalten, und die Kirche hat darin ebenso versagt wie Israel. Was sich heute Christenheit nennt, ist eine traurige Mischung von Heidentum, Judentum und Christentum. Die Einrichtungen und Bräuche der religiösen Vereinigungen sind weltlichen Mustern nachgebildet und so verschieden von der schönen Schlichtheit in den Tagen der Apostel, wie sie es nur sein können. Wie glücklich sind die, die den wahren Charakter der Versammlung Gottes erkannt haben und die wünschen, ihren Weg getrennt von allem, was von der Welt, vom Fleisch und vom Bösen ist, zu gehen – wie wenig und gering sie auch sein mögen! Wie gesegnet wird es sein, wenn der Herr zu einem von uns sagen kann: „Du ... hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet“ (Off 3,8).
Als das Volk einen König forderte, richtete Samuel ihm als Antwort die Botschaft des HERRN aus. Sie schildert in anschaulichen Worten, was der Mensch in seiner Macht ist. Welche Gleichförmigkeit liegt in den Worten „Er wird nehmen“, die sechsmal wiederholt werden! Ihre Söhne werde er für das Heer nehmen, ihre Töchter als seine Köchinnen, den Ertrag ihrer Felder und ihr Vieh für seinen eigenen Unterhalt usw. Es konnte auch kaum anders sein, denn wie sollte sonst die Würde und die Pracht des Königreiches aufrechterhalten werden? In den Tagen der größten Wohlfahrt Israels wurden die Lasten unerträglich, so dass wir sie zu dem Sohn Salomos sagen hören: „Dein Vater hat unser Joch hart gemacht“ (1. Kön 12,4). Je größer die Herrlichkeit eines Reiches, desto größer sind notwendigerweise auch die Lasten, die auf dem Volk liegen.
Es ist erfrischend, nach der Beschreibung des Königs des Menschen sich den wunderschönen Worten des Königs Gottes in Psalm 132 zuzuwenden. Dort sagt Gott von Zion: „Seine Speise will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen“ (V. 15). In den Tagen seines Erdenlebens gab der Herr ihnen davon einen Vorgeschmack (Joh 6). Als Er um sich herum die hungrigen Volksmengen sah, öffnete Er seine gütige Hand und sättigte mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen etwa fünftausend Männer und dazu noch Frauen und Kinder; und dabei blieben noch zwölf Handkörbe voll aufgesammelter Brocken übrig. Wundern wir uns, dass das Volk Ihn greifen und zum König machen wollte? Wie angenehm ist es für Menschen, wenn sie nach Zeitaltern königlicher Habgier und Bedrückung Einen gefunden haben, der für sein Volk ein Geber sein konnte! Aber der Christus Gottes will das Königtum weder von Menschen noch von Satan empfangen; nur aus der Hand Gottes wird Er es nehmen. Dann wird jene lange Ära der Wohlfahrt und des Friedens beginnen, die Herz und Sinn des Schreibers von Psalm 72 so sehr erfüllt, dass er am Schluss in den Lobpreis ausbricht: „Gepriesen sei der HERR, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, er allein! Und gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit! Und die ganze Erde werde erfüllt mit seiner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen“ (Ps 72,18.19). Kein Wunder, dass der Psalmist noch hinzufügt: „Die Gebete Davids, des Sohnes Isais, sind zu Ende.“ Was konnte er vom Standpunkt eines irdischen Heiligen aus darüber hinaus noch erbitten?