Samuel - der Mann Gottes
„Setze einen König über uns ein“
Es ist sehr betrübend, nun an diesem Mann Gottes Fehler zu entdecken – besonders wenn wir uns an das lehrreiche Beispiel erinnern, das er in Eli und seinen Söhnen gehabt hatte. Aber wer von uns ist ohne Fehler, solange das Fleisch noch in uns ist? Nur in Christus allein sah Gott von Anfang bis Ende, was seinem Herzen Freude bereitete, und in Ihm werden alle abgerissenen Fäden der menschlichen Geschichte am Ende wieder zusammenlaufen. Was Adam, Noah, Mose, Aaron, David usw. hätten sein sollen und nicht waren (obgleich sie alle Vorbilder von dem Herrn Jesus waren), wird am Ende durch Gottes zweiten Menschen und letzten Adam, unseren Herrn Jesus Christus, verwirklicht werden.
Als Samuel sein Alter zu fühlen begann, setzte er seine Söhne als Richter über Israel ein (1. Sam 8,1). Kein Wort von dem HERRN, kein Gebet des Propheten wird erwähnt. Und doch war dieser Mann zu seiner Zeit für seine kraftvolle Fürbitte bekannt. Warum bestellte er seine Söhne zu seinen Nachfolgern? Mose handelte nicht so. Als er das Ende seines Dienstes herannahen fühlte, sagte er: „Der HERR, der Gott der Geister allen Fleisches, bestelle einen Mann über die Gemeinde, der vor ihnen her aus– und einzieht und der sie aus– und einführt, damit die Gemeinde des HERRN nicht sei wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (4. Mo 27,16.17). Das war schön und zeigt, dass Mose das Herz eines wahren Hirten hatte. Er wagte es nicht, irgendjemand zu bestimmen, auch empfahl er nicht seine eigenen Söhne für diesen Dienst. Er fügte sich willig in die Entscheidung des HERRN für Josua. Warum kam in Samuel der Gedanke auf, dass jemand aus seiner eigenen Familie sein Nachfolger werden solle? War nicht in seinem Fall Gottes Souveränität eindrucksvoll offenbar geworden, als die Nachfolger in der Priesterschaft so völlig versagt hatten?
In der Apostelgeschichte sehen wir, dass der Grundsatz der Souveränität Gottes in unserer Haushaltung wiederholt wird. Stephanus und Philippus waren von der Versammlung in Jerusalem gewählt worden, um für die Witwen zu sorgen, und bald wurden sie von Gott in die vorderste Reihe des Zeugnisses berufen, der eine in Jerusalem, der andere in Samaria. Barnabas und Saulus wurden durch den Heiligen Geist aus einer Anzahl von Propheten und Lehrern in Antiochien ausgewählt, um den Nationen das Evangelium zu bringen. Apollos erschien ganz unvermittelt und getrennt von allen anderen Arbeitern auf der Szene. Das ist die Weise des Geistes Gottes, aber wie wenig hat die Christenheit dies verstanden! Eine festgelegte Nachfolgeordnung ist kirchlicher Grundsatz geworden, zum Schaden der Heiligen Gottes und zur Hinderung des Werkes Gottes.
Sicher meinte Samuel es mit der Einsetzung seiner Söhne in das Richteramt gut. Sein einziger Wunsch war, dass für das Volk Gottes angemessen vorgesorgt wurde, wenn er selbst ihm nicht mehr dienen konnte. Kannte Gott nicht das Alter seines Dieners und sorgte Er nicht für das Volk? Bedenken wir, dass das Volk nicht Samuel, sondern Gott gehörte! Sind auch wir manchmal in Sorge um die Zukunft derer, in deren Mitte wir arbeiten? Haben auch wir die Neigung, Vorsorge für sie nach unseren eigenen Gedanken zu treffen? Lasst uns aus dem Fehler Samuels lernen! Die Hand des Geschöpfes braucht nicht nach der Lade zu greifen, um sie zu stützen (2. Sam 6,6), denn Gott selbst ist imstande, dafür zu sorgen. Bemerkenswert ist, dass Samuel, der davon sprach, dass er alt werde, noch fast fünfzig Jahre lebte! Er sah noch seine Söhne ihren Weg gehen und in der Verborgenheit verschwinden; er sah Saul aufstehen und fallen; er salbte David in seinem Haus zum König; und später, als David aus seinem Haus vertrieben wurde, schützte er ihn vor seinen Verfolgern (1. Sam 19,18). Es ist wichtig, diese Tatsachen hervorzuheben.
Die Sünde des Volkes – nämlich einen König zu begehren – ist offensichtlich, aber es darf nicht übersehen werden, dass der Fehler des Mannes Gottes dazu beigetragen hatte. Wäre Samuel in seinem Dienst ruhig fortgefahren und hätte er dem Volk weiter gedient in der Kraft, die Gott ihm zu geben gefiel, so hätte es die Episode Sauls mit all ihren unheilvollen Folgen vielleicht nie gegeben. Der, der Mose gesund und kräftig erhielt, bis er hundertzwanzig Jahre alt war (5. Mo 34,7), hätte auch Samuel aufrechterhalten können, bis Gottes Zeit gekommen war, um die neue Ordnung aufzurichten. Wir sahen bereits, dass es Gottes Absicht war, Israel einen König zu geben, und zweifellos hätte Samuel dem Volk weiter dienen können, bis David, der Mann nach Gottes Wahl, zubereitet war, um den Thron zu besteigen. Mit Gottes Hilfe wollen wir in unserem Dienst fortfahren und das Morgen seines Werkes Ihm überlassen! Das Haupt des Leibes, der Versammlung, thront noch immer in der Höhe, und von seiner eigenen Hand und aus seinem Herzen werden seinen Heiligen auf der Erde Gaben gegeben, bis es nicht mehr nötig ist.
Es ist traurig, wenn wir lesen, dass Samuels Söhne „nicht auf seinen Wegen wandelten und sie sich dem Gewinn zuwandten und Geschenke annahmen und das Recht beugten“ (1. Sam 8,3). Man wundert sich, dass die Söhne eines so gottesfürchtigen Mannes so böse waren. Mit den Warnungen Elis und seiner Söhne vor Augen wollte Samuel sicherlich, dass sein eigenes Haus ein treues Zeugnis für Gott war. Erklärt vielleicht die Tatsache, dass er „Jahr für Jahr ... nach Bethel und Gilgal und Mizpa zog und Israel an allen diesen Orten richtete“, sein Versagen (1. Sam 7,16)? Möge Gott sich der Familien derer erbarmen, die in unseren Tagen auf Reisen sind, um das Wort Gottes auszubreiten!
Die Ältesten von Israel kamen nun zu Samuel nach Rama und sagten zu ihm: „Siehe, du bist alt geworden, und deine Söhne wandeln nicht in deinen Wegen. Nun setze einen König über uns ein, dass er uns richte, gleich allen Nationen“ (1. Sam 8,5). Das Verhalten des Mannes Gottes in diesem Augenblick ist herrlich: Weder gab es ein Wort des Grolls über die Anschuldigungen gegen seine Söhne noch bemühte er sich, die Ordnung zu verteidigen, die er fälschlicherweise eingeführt hatte. „Samuel betete zu dem HERRN“ (1. Sam 8,1). Wie anders wäre alles gewesen, wenn er gebetet hätte, bevor er seine Söhne zu Richtern machte! Fragen wir uns: Ist es unsere heilige Gewohnheit, alles Gott im Gebet zu bringen? Haben wir wirklich gelernt, dass wir bei jedem unserer Schritte völlig von Ihm abhängig sind?
Zweifellos erkennen wir in der Forderung Israels nach einem König die Hand Satans, besonders in dem Eigensinn, mit dem sie auf ihrem Verlangen bestanden, nachdem ihnen der ganze Ernst klargemacht worden war. Der bösartige Widersacher versucht, Gott immer zuvorzukommen, zum Schaden seines Volkes. Es war nun offenbar, was die göttliche Absicht in Bezug auf einen König war, doch Satan wollte den König liefern. In gleicher Weise wird er auch das Tier hervorbringen (Off 13,1), unmittelbar bevor die Zeit Gottes gekommen sein wird, wenn Er seinen König der Könige und den Herrn der Herren sendet. Wie groß Gottes Geduld auch ist, Er bringt seine Wege immer zum Ziel; jeden Vorsatz seiner Liebe wird Er zu seiner eigenen Verherrlichung und zum Segen der Menschen ausführen. Welche Ruhe gibt dies unseren Herzen!