Botschafter des Heils in Christo 1881
Das Passah und das Rote Meer
Es ist höchst nützlich für unsere Seelen, den Unterschied zwischen dem Passah und dem roten Meer zu erwägen. Eine Seele kann das Evangelium hören, mit Freuden aufnehmen und sich der Vergebung ihrer Sünden erfreuen; sie kann die Lieblichkeit der Person Christi nach ihrer Fähigkeit erkennen und ihr Herz zu Ihm hingezogen fühlen. Aber wenn sie die volle Erlösung, von welcher das rote Meer ein Vorbild ist, nicht kennt, wenn sie noch nicht weiß, dass sie mit Christus auferstanden und jenseits des Todes und des Gerichts ist, so ist es mehr als wahrscheinlich, dass sie, sobald die Versuchung kommt, ihre Freude verliert und höchst unglücklich wird.
Die Freude, welche wir in 2. Mose 15 bei dem Volk Israel sehen, hatte ihren Grund darin, dass Gott es völlig aus Ägypten errettet und durch seine Kraft zu dem Wohnort seiner Heiligkeit gebracht hatte. Diese Freude war durchaus verschieden von derjenigen, welche das Volk bei dem Passahfest genossen hatte. Diese letztere war eine Folge der Errettung von einem gerechten und wohlverdienten Gericht gewesen. Im Passah hatte sich Jehova den Israeliten als ein Gott des Gerichts zu erkennen gegeben. Das Blut an den Türpfosten brachte sie in Sicherheit, es hielt den Verderber von ihren Häusern fern. Hätte der Engel Jehovas diese betreten, so wäre es nur zum Gericht gewesen.
Am roten Meer lagen die Dinge ganz anders. Hier trat Gott selbst mit seiner Kraft zur Errettung der Israeliten ins Mittel. Das Passah befreite sie von dem Gericht Gottes, das rote Meer von ihren Feinden. Gerade in dem Augenblick, als das Volk den Händen Pharaos preisgegeben schien, trat Jehova auf den Schauplatz, und dasselbe Meer, vor welchem sie sich gefürchtet hatten und das sie ihren Feinden zu überliefern drohte, ward zum Mittel ihres Heils. Sie gingen trocknen Fußes hindurch, während die Ägypter alle ohne Ausnahme von seinen Wellen verschlungen wurden. So errettete sie ihr mächtiger Gott durch den Tod vom Tod und von allen ihren Feinden. Alles das sind herrliche Vorbilder von Christus und von dem, was Er für uns getan hat. So wie Israel durch das Blut des Passahlammes vor dem Schwert des Würgengels geschützt war, so sind auch wir durch das kostbare Blut Christi, des reinen, fleckenlosen Lammes Gottes, vor jedem Gericht sichergestellt. Aber das ist nicht alles. Wir sind auch durch den Tod von der Macht Satans, unseres früheren Herrn, befreit und aus Ägypten, aus der Welt, herausgenommen. Christus ist in die Festung Satans hinabgestiegen; Er hat sich unter die Macht des Todes gestellt, und indem Er aus den Toten auferstanden ist, uns von dem Tod befreit. Für die Israeliten waren Pharao und Ägypten für immer beseitigt. Das rote Meer war ihre Errettung aus Ägypten; es lag zwischen ihnen und dem Land ihrer einstigen Knechtschaft, und Gott selbst war ihr Heil. Derselbe Gott, den sie mit Recht als ihren Richter gefürchtet hatten, war jetzt ihr Erlöser geworden. Sie waren errettet; sie standen nicht mehr in Erwartung der Barmherzigkeit, sondern konnten sich jetzt darüber freuen, dass das Gericht vollzogen war; sie konnten das Lob Jehovas singen, der sie zu dem Wohnort seiner Heiligkeit, ja zu sich selbst gebracht hatte, und zwar bevor sie noch einen einzigen Schritt in der Wüste getan, oder nur ein einziges Mal mit ihren Feinden gestritten hatten.
Ehe man die Erlösung kennt, gibt es eigentlich keinen Kampf. Die Kinder Israel versuchten nicht, mit Pharao zu kämpfen; sie flohen vor ihm. Wohl schmachteten sie unter seinem Joch, aber sie bekämpften ihn nicht. Wie hätten sie dies auch gekonnt? Sie mussten zuerst zu Gott gebracht und zu den Heerscharen Jehovas gemacht werden, ehe sie die Waffen gegen seine Feinde erheben konnten. So verhält es sich auch mit uns. Ich habe keine Macht, gegen Satan zu kämpfen, solange ich sein Sklave bin. Ich kann unter seinem Joch seufzen und nach der Errettung schmachten, aber um meinen Arm wider ihn erheben, zu können, muss ich zuvor die volle Erlösung kennen und besitzen. Die Israeliten freuten sich nicht nur, ihren Verfolgern entronnen zu sein – sie standen auch im Genuss einer völligen und ihnen wohl bekannten Erlösung von Ägypten und von Pharao, und in Betreff alles Übrigen konnten sie auf die Macht Gottes rechnen. „Es hörten die Völker, sie bebten ... gänzlich verzagten alle Bewohner Kanaans“ (2. Mo 15,14-15). Israels Freude rührte nicht daher, dass sie keine Feinde mehr hatten, sondern dass Gott in seiner göttlichen Macht sie bei der Hand gefasst und sie in seine eigene Gegenwart gestellt hatte.