Vorträge über die Sendschreiben an die 7 Versammlungen
Botschafter des Heils in Christo 1881
Vorträge über die Sendschreiben an die sieben Versammlungen - Teil 3/14
Zweiter Vortrag
Wie wir das letzte Mal gesehen haben, ist es der Gedanke und Ratschluss Gottes hinsichtlich der Versammlung, dass sie der Leib Christi sein soll, wenn Er die Herrschaft über alles einnimmt. Gott hat Christus hoch erhoben, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft ... und hat alles unterworfen unter seine Füße und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist“, und deshalb „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“, genannt wird (Eph 1,21–23). Alle Fülle der Gottheit wohnte in Christus; allein dies ist etwas ganz anderes. Wir sind seine Fülle, d. h. wir vervollständigen oder vollenden den geheimnisvollen Menschen, dessen Haupt Christus ist. In dem zukünftigen Zeitalter wird die Versammlung die Herrlichkeit Christi vervollständigen und entfalten, und dann wird nicht nur Christus im Himmel sein, gekannt von den Gläubigen, sondern Er wird seinen Platz nehmen als Herrscher über die Erde und über alle Dinge. Es ist ein köstlicher Gedanke, dass nicht bloß Gott als Gott, sondern dass Christus es ist, der in Erlösung und in seiner Fülle als Mittler in Gnade und Gerechtigkeit alles erfüllt. „Der hinabgestiegen, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen über alle Himmel, auf dass Er alles erfüllte“ (Eph 4,10). Alles, vom Staub der Erde bis zum Thron Gottes, ist der Schauplatz der Erfüllung der Herrlichkeit Christi gewesen und hat zugleich Zeugnis von dieser Herrlichkeit abgelegt. Wenn Er aber wirklich einmal „alles erfüllt“ und dies nicht länger nur Gegenstand des Glaubens ist, so wird Er nicht allein sein, sondern als Haupt des Leibes, der jetzt gebildet wird, die Versammlung an seiner Herrschaft Teil nehmen lassen. An jenem Tag wird Ihm alles unterworfen und die Versammlung Ihm zugesellt sein. So war es in Eden: Adam, das Bild des zukünftigen, war Herr über die ganze Schöpfung; Eva bildete weder einen Teil der Schöpfung, über welche Adam herrschte, noch hatte sie ein eigenes Anrecht auf dieselbe, sondern sie war ihrem Mann in der Herrschaft zugesellt. In Epheser 5 wird diese Bildung Evas erwähnt und auf die Versammlung angewandt: „Dies Geheimnis ist groß; ich aber sage es auf Christus und auf die Versammlung.“
Christus besitzt jegliches Anrecht auf die Herrschaft über alle Dinge (Kol 1). Da Er Gott ist, so sind alle Dinge durch Ihn und für Ihn geschaffen. Und beachten wir, dass Er in jenem Kapitel einen doppelten Vorrang hat: Er ist Haupt der Schöpfung, wenn Er als Sohn seinen Platz in derselben einnimmt – denn Er ist der Schöpfer – und Er ist Haupt der Versammlung, denn „Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher ist der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, auf dass Er unter allen Dingen den Vorrang habe.“ Ein zweites Anrecht auf den Vorrang besteht darin, dass Er „der Sohn“ ist, und zwar nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Erbe. Wir finden diesen Ratschluss und diese Absicht Gottes in Betreff seines Sohnes in Hebräer 1, wo wir lesen: „den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge.“ In diesem Kapitel ist der Messias Gegenstand der Betrachtung.
Ein drittes Anrecht auf den Vorrang gibt Christus seine Stellung als „Mensch.“ Der 8. Psalm, der die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches ankündigt, wird in Hebräer 2 durch den Heiligen Geist auf Christus angewandt. „Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ „Du hast alles unterworfen unter seine Füße“ (vgl. Eph 1,22; 1. Kor 15,27). Die gänzliche Erfüllung dieser Unterwerfung steht freilich noch bevor. Christus hat also, wie wir gesehen haben, Anrecht auf die Herrschaft: erstens, als Schöpfer, denn „durch Ihn sind alle Dinge erschaffen“; zweitens, als Sohn, „den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge“; drittens, als Mensch, dessen Füßen nach den Ratschlüssen Gottes alles unterworfen ist. Er kann aber das Erbe in seinem verunreinigten Zustand nicht antreten, und so hat Er mittels der Erlösung ein viertes Anrecht: Sein Anrecht auf ein erlöstes und gereinigtes Erbteil. In Bezug auf uns, die wir unter der Sünde waren, entfremdet und Feinde nach der Gesinnung durch die bösen Werke, handelt es sich nicht nur um Reinigung; auch unsere Schuld ist hinweggetan, und nachdem dies geschehen, hat Er uns zu seinem Leib gemacht, wie geschrieben steht: „Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen.“ Der Heilige Geist kommt hernieder und heiligt uns, um der Leib Christi zu sein in lebendiger Kraft und in Einheit, denn wir sind mit dem Heiligen Geist zu einem Leib getauft (1. Kor 12,13). Nicht nur wird jede einzelne Seele lebendig gemacht und durch den Heiligen Geist versiegelt, sondern die Gläubigen sind in einem Geist alle zu einem Leib getauft. Dies nahm am Pfingsttag seinen Anfang, und seitdem war diese Taufe das Teil eines jeden Gläubigen. Es ist eine wichtige und gesegnete Wahrheit, dass der Heilige Geist, wie sehr wir Ihn auch betrübt haben mögen, doch persönlich in jedem Gläubigen wohnt und ihn zurechtweist. Auch ist es in Bezug auf die Versammlung überaus köstlich, zu wissen, dass der Heilige Geist nicht, wie der Herr Jesus, nur kurze Zeit bei seinem Volk wellt und dann wieder weggeht. „Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass Er bei euch sei in Ewigkeit.“ Die bleibende Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung ist auf die durch Christus vollbrachte Erlösung gegründet und nicht abhängig von dem Gebrauch, den wir von den erlangten Vorrechten machen; wohl aber hängt seine Wirksamkeit von dem guten oder schlechten Gebrauch dieser Vorrechte ab.
Die Versammlung Gottes, die mit Christus vereinigt ist, hat ihren Platz: erstens, kraft der Person Christi; zweitens, auf Grund der Erlösung durch Christus und drittens, durch die Gegenwart des Heiligen Geistes. Hierbei handelt es sich nicht um Prophezeiung, sondern um die Macht der göttlich lebendigen Gnade, welche die Versammlung oder Kirche in die göttliche Herrlichkeit stellt. Sobald der Heilige Geist die Versammlung also gebildet hat, wird sie hienieden als der Leib Christi behandelt: „aus welchem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bande Darreichung empfangend und zusammengefügt, das Wachstum, Gottes wächst.“ Es verhält sich damit, wie mit dem Wachstum eines Kindes; der Leib ist vorhanden und jedes Glied an seinem Platz, und das Kind wächst auf zu seinem vollen Wuchs.
In den beiden ersten Kapiteln der Brief an die Epheser wird uns die Versammlung einerseits als der Leib Christi im Himmel, und andererseits als die Wohnung Gottes durch den Geist auf der Erde dargestellt. Dieser Zweite Charakter der Versammlung ist ein höchst wichtiger. Die Bildung der Versammlung Gottes auf der Erde durch den Heiligen Geist schließt notwendigerweise ihre Verantwortlichkeit in sich, hienieden die Herrlichkeit dessen zu offenbaren, der sie an diesen Platz gestellt hat. Die Verantwortlichkeit verändert nie die Gnade Gottes; aber solange die Versammlung auf der Erde weilt, ist sie hienieden für die Verherrlichung ihres abwesenden Hauptes verantwortlich – nicht als sei sie unter dem Gesetz – aber sie ist verantwortlich, die Herrlichkeit dessen darzustellen, der sie erkauft und in diese Stellung versetzt hat. Sie soll ein Licht sein inmitten der Finsternis – „inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheint wie Lichter in der Welt“ (Phil 2,15); „damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Pet 2,9), und wie Paulus in 2. Korinther 3 sagt: „die ihr offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid ... gekannt und gelesen von allen Menschen.“ Es heißt: „Brief“ und nicht „Briefe“ Christi. Es ist ein Leib – eine Abschrift von Christus. Die Versammlung wurde hingestellt als ein Empfehlungsbrief Christi an alle Menschen, damit diese in demselben lesen und sehen möchten die Macht der Erlösung und den Charakter dessen, der nicht gesehen wird, der aber durch den Heiligen Geist in der Versammlung wohnt und sie zu einem sichtbaren Zeugen ihres unsichtbaren Hauptes bildet. Jesus bittet in Johannes 17: „auf dass sie alle eins seien.“ Zu welchem Zweck? „Auf dass die Welt glaube, (noch nicht ‚erkenne‘, welches die Frucht der Herrlichkeit ist) dass du mich gesandt hast.“ Das hätte die Wirkung dieser Einheit während der jetzigen Periode sein sollen. Wenn die Versammlung in der Offenbarung der Herrlichkeit bei Christus und Ihm gleich ist, so muss die Welt notwendiger Weise erkennen, dass der Vater den Sohn gesandt hat, und nicht allein das, sondern sie wird auch erkennen, dass der Vater uns geliebt, wie Er Jesus geliebt hat, indem sie uns mit Jesu in derselben Herrlichkeit erblickt. Wenn daher die Welt, um zu glauben, die Versammlung als „eins“, als den Brief Christi auf ihrem Platz der Verantwortlichkeit hienieden, sehen soll, so muss dies vor jener herrlichen Zeit geschehen. Die Verantwortlichkeit der Versammlung besteht darin, das Leben des Hauptes im Himmel auf der Erde in Macht zu offenbaren. So scheu wir also, welch ein Verantwortlicher Platz es ist, unter der Gnade zu sein; denn gerade unsere Stellung unter einer so freien Gnade hat unsere besondere Verantwortlichkeit hervorgebracht. Wenn dieser Leib in seiner Verantwortlichkeit auf der Erde in Betracht kommt, so sehen wir, dass der Herr notwendigerweise Kenntnis nimmt von seinem Verhalten unter derselben. Deshalb finden wir den Herrn in Offenbarung 2 und 3 nicht als das Haupt des Leibes, noch als den, von welchem die Gnade auf die Glieder des Leibes herabfließt, sondern wandelnd inmitten der Leuchter in dem Charakter eines Richters, um zu sehen, ob ihre Tätigkeit der empfangenen Gnade entspricht. Durch alle Sendschreiben zieht sich gleichsam folgender Grundsatz des Gerichts hindurch: „Ich will einem jeden von euch geben, je nach dem Gebrauch, den er von den Vorrechten und der Gnade gemacht hat, in welche die Versammlung im Anfang gesetzt worden ist.“ Das ist ein ernstes Wort für uns, umso ernster, je mehr wir die Gnade zu schätzen wissen. Es handelt sich hier nicht um Verdammnis, wie bei dem Gesetz; allein je völliger ich die Liebe verstehe, in deren Zeugnis ich gefehlt habe, desto mehr wird mein Herz betrübt sein, wenn ich dieser Gnade nicht in einer ihr würdigen Weise entspreche. Indem ich hierin fehle, verbinde ich gleichsam die Sünde mit dem Namen Gottes, welchen ich trage. Die Bosheit Israels bewies nicht nur, dass der Mensch ein Sünder ist, sondern bewirkte auch, weil Gott „Seinen Namen dort hingesetzt“ hatte (2. Kön 21,4), eine Verbindung der Sünde mit dem Namen Gottes. Dies ist es, was Jehova Israel vorwirft, wenn Er sagt: „Der Name Gottes wird euretwegen gelästert unter den Nationen.“ Das Zeugnis von seinem Namen war ihnen anvertraut worden, und sie hätten es bewahren sollen. Gott wird am Ende die Rechte seines heiligen Namens völlig auf der Erde zu behaupten wissen; und noch weit mehr ist dies der Fall hinsichtlich der Versammlung des lebendigen Gottes. Die Welt sollte in der Versammlung die praktische Darstellung vollkommener Heiligkeit und Liebe sehen; denn wir sind zu Teilhabern der Heiligkeit Gottes gemacht und sind Gegenstände seiner unendlichen und vollkommenen Liebe. Die Versammlung sollte hienieden ununterbrochen nur eine Stellung, nur einen Dienst haben, nämlich der Welt zu offenbaren, was sie von ihrem lebendigen Haupt im Himmel genießt. Nie hat die Versammlung Christus nach dem Fleisch gekannt; sie kennt Ihn nur als den, der von der Welt verworfen und jetzt im Himmel ist, und deshalb sollte sie in einer so völligen Trennung von der Welt erfunden werden, dass es offenbar würde, was ihr Haupt ist. In dieser Weise sollte sie der Empfehlungsbrief Christi sein. Beachten wir hier die Tragweite des Wortes Brief. So wie einst das Gesetz auf den steinernen Tafeln zu lesen war (2. Kor 3), so sollte die Welt sehen, was Christus in uns ist; wir sollten ein lebendiger Brief sein, „gekannt und gelesen von allen Menschen.“ Der Charakter unseres Wandels wird in dem Maß an wahrer Tiefe gewinnen, als wir verwirklichen, was seine Gnade für uns getan und wozu sie uns berufen hat. Wir sehen also, wie der Herr dieses dem Grundsatz nach nie aufgibt. Er weicht nimmer von dem ab, wozu die Versammlung als Zeugin berufen ist, wenn Er sie auch in Geduld tragen mag.
Wenden wir uns jetzt zu einem anderen Punkte, zu der Frage, welcher Gebrauch von den sieben Sendschreiben zu machen ist, so fällt uns auf den ersten Blick zweierlei ins Auge. Zunächst ist es eine geschichtliche Tatsache, dass es Versammlungen auf der Erde gab, die sich in dem hier beschriebenen Zustand befanden; zweitens enthalten die Briefe eine moralische Belehrung, die auf jeden einzelnen Heiligen ihre Anwendung findet – auf jede Person, die ein Ohr hat zu hören und ein verständiges Herz, um den Sinn des Herrn zu erkennen. Gehen wir weiter, so werden wir finden, dass auch die Zahl der Versammlungen, an welche die Sendschreiben gerichtet sind, von Bedeutung ist. Die Zahl Sieben, das Symbol der Vollkommenheit, wiederholt sich häufig in dem Buch der Offenbarung – sieben Siegel, sieben Trompeten, sieben Schalen usw. Die Wahl dieser Zahl bezeichnet daher in diesem Fall den vollständigen Kreis der Gedanken Gottes bezüglich der Kirche, als verantwortlich auf der Erde gemäß der ihr zu Teil gewordenen Gnade. Nicht, als ob zu jener Zeit nur sieben Versammlungen auf Erden bestanden hätten; wir kennen noch viele andere, wie zum Beispiel die von Kolossä und Thessalonich, Korinth usw., aber alle diese bleiben unerwähnt, weil sie nicht die moralischen Elemente darboten, die der Heilige Geist zu jenem vollständigen Gemälde bedurfte.
Beschäftigen wir uns mit der Einheit des Leibes mit dem Haupt, so haben wir es nicht mit der Verantwortlichkeit, sondern mit den Vorrechten zu tun, deren Maß und Ziel das Leben und die Herrlichkeit Christi sind. Das 2. und 3. Kapitel der Offenbarung stellen uns jedoch den gegenwärtigen und veränderlichen Zustand der Versammlung vor Augen. Es handelt sich daher nicht um Vorrecht, sondern in ganz bestimmter Weise um Verantwortlichkeit. Ferner können sich die Schreiben nicht alle auf den ganzen verantwortlichen Körper zu ein und derselben Zeit beziehen. Es sind sehr verschiedene Zustände in den Versammlungen vorhanden, und deshalb können wir das, was der Einen gesagt wird, nicht auf jede andere anwenden; die jedesmaligen Beschuldigungen und Verheißungen tragen einen unterschiedlichen Charakter. Wir werden jedoch finden, wenn wir in die Einzelheiten näher eingehen, dass von verschiedenen Teilen der bekennenden Kirche mit unterschiedlichen Charakteren gesprochen wird, als wenn sie teilweise zu gleicher Zeit beständen. Wir können deshalb sagen: Der Inhalt eines jeden Sendschreibens findet in gewissem Sinn seine Anwendung auf die Kirche im Allgemeinen, doch beziehen sich nicht alle auf die ganze Kirche zu ein und derselben Zeit. Was wir in denselben finden, ist daher entweder ein fortlaufendes und prophetisches Gemälde von dem Zustand der Kirche auf der Erde, als verantwortlich vor Gott, vom Anfang bis zum Ende der gegenwärtigen Periode, oder der besondere Zustand eines Teiles derselben, der zur Vervollständigung des ganzen Gemäldes notwendig ist – die verschiedenen Zustände, worin sie sich der Welt dargestellt hat, bis sie der Herr ausspeit aus seinem Mund.
Es möchte nun gefragt werden: „Wie kann die Kirche aus dem Mund Christi ausgespien werden, wenn sie den Leib Christi bildet und bei Ihm in der Herrlichkeit sein soll?“ Dies ist allerdings unmöglich, solange man von dem Leib Christi spricht; aber die Kirche, als äußerlicher Körper auf der Erde, verliert nie ihre Verantwortlichkeit, worin auch ihre charakteristischen Merkmale bestehen mögen. Wenn der untreue Knecht seines Herrn Willen nicht tut, so wird er nicht behandelt, als wenn er gar kein Knecht wäre, sondern als ein Heuchler, gemäß der Stellung, in welcher er gefunden wird. Obwohl er in Wahrheit kein Knecht ist, so wird ihm doch nicht gesagt: „Du bist kein Knecht“, sondern: „Den unnützen Knecht werft hinaus in die äußere Finsternis ... und setzt ihm sein Teil mit den Untreuen.“ Er wird auf Grund seines Bekenntnisses behandelt und verurteilt.
Ähnlich erging es dem Volk Israel. Von Gott dazu ausersehen, seinen Namen vor der Welt zu tragen, fehlte es; es wurde als verantwortlich behandelt und, was seine Stellung unter dem alten Bunde betrifft, bei Seite gesetzt. Das Wort des Herrn an den unfruchtbaren Feigenbaum lautete: „Nimmermehr esse jemand von dir Frucht in Ewigkeit.“ Der Feigenbaum mochte Blätter tragen; aber der Herr kam, um Frucht zu suchen, und als Er keine fand, sprach Er: „Nimmermehr komme von dir Frucht ... und sogleich verdorrte der Feigenbaum.“ Auf diese Weise wurde Israel, als ein Gefäß, das den Namen Gottes tragen sollte vor der Welt, bei Seite gesetzt; aber dies berührt keineswegs die Frage der Treue Gottes. Gott wird Israel in den letzten Tagen wiederherstellen, und bis dahin stießt der Strom der Gnade ununterbrochen fort, indem Gott den Überrest aus ihnen, den wahren Samen Abrahams, sammelt, und zwar zum Genüsse besserer Vorrechte, als die früheren; denn sobald Israel als ein Ganzes bei Seite gesetzt war, begann der Herr aus Juden und Heiden seine Versammlung zu bilden, und Er „tat täglich hinzu zu der Versammlung, die gerettet werden sollten.“ Es handelt sich hier nicht um die Gewissheit persönlicher Errettung, sondern um das Gefäß, dessen Gott sich bedient, um seinen Namen vor der Welt zu tragen. Einzelne, welche glauben, werden in den Himmel eingehen, aber das Gefäß des Zeugnisses muss, wenn es gefehlt hat, zerbrochen werden. Gott hat lange Zeit Geduld mit ihm; wenn es aber, nach allem, was mit ihm geschehen ist, nur wilde Trauben hervorbringt, so muss es abgehauen werden. Ohne Zweifel wird ein treuer Überrest in den Himmel aufgenommen, allein das Gefäß, als sichtbares, öffentliches Zeugnis, wird weggeworfen.
In Römer 11 sehen wir, wie Gott das, was Er jetzt auf der Erde gebildet hat, um seinen Namen zu tragen, in die Stellung eines öffentlichen, sichtbaren Systems hienieden bringt, so wie Er es einst mit Israel tat. „Siehe nun die Güte und Strenge Gottes; gegen die, die gefallen sind, Strenge, gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst, sonst wirst auch du ausgehauen werden.“ Gott kann die bekennende Kirche, in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was Er von sich selbst offenbart hat, ausspeien, weil es sich dabei nicht um seine Gnade und Güte oder um persönliche Errettung, sondern einzig und allein um die Verantwortlichkeit handelt. Und gerade dies macht seine Handlungsweise mit den Versammlungen zu einer so tiefen und ernsten Warnung für uns; es wird derselbe Grundsatz auf das Zeugnis der Nationen angewandt, wie einst auf dasjenige der Juden. Wohl wird Gott jede Verheißung, die Er Israel gegeben hat, buchstäblich erfüllen. Aber dessen ungeachtet wissen wir, dass Er das Volk, als den sichtbaren Zeugen seines Namens vor der Welt, verworfen hat. Und ebenso wird Er die Kirche verwerfen, wenn sie ihrer Verantwortlichkeit auf der Erde nicht entspricht. Wir sehen also, dass Gott seine Regierung in Bezug auf das Zeugnis, welches sein Volk unter jeder Verwaltung ablegen sollte, aufrecht hält, und dass sowohl die Kirche als auch Israel – obgleich in beiden Systemen das Heil des Einzelnen für immer gesichert ist – hinsichtlich ihres öffentlichen, sichtbaren Zeugnisses bei Seite gesetzt werden. Was wir hier finden, ist also einerseits die Verantwortlichkeit und andererseits die Folgen des Fehlens im Zeugnis (Fortsetzung folgt).
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