Der feste Grund Gottes und sein Siegel
Botschafter des Heils in Christo 1880
Der feste Grund Gottes und sein Siegel - Teil 1/3
Schon zurzeit der Apostel hatte der Verfall in der Kirche begonnen; das Geheimnis der Gesetzlosigkeit war schon wirksam (2. Thes 2,7). Verderbenbringende Irrtümer, ungöttliche, eitle Geschwätze, welche die Seelen Zerstören und den Glauben verkehren, fraßen um sich wie ein Krebs. Ach, von jeher haben die menschlichen Spekulationen, die nur zur Gottlosigkeit führen, die Wahrheit Gottes entstellt und die Kirche auf der Erde verdorben. „Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt, die sein sind, und: Ein jeglicher, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit“ (2. Tim 2,19). Der Grund, auf welchem die Kirche oder Versammlung errichtet ist, ist unbeweglich; keine Macht, weder im Himmel, noch auf der Erde, vermag ihn zu erschüttern. Es ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der Erbe der Macht des Lebens, die durch nichts besiegt oder zerstört werden kann. In der Auferstehung Christi hat sie herrlich triumphiert über den Tod, sowie über den, der des Todes Gewalt hat, das ist den Teufel. Die Auferstehung aus den Toten hat auf das bestimmteste bewiesen, dass Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist, und dass die Pforten des Hades, die, so zu sagen, in der Auferstehung gesprengt worden sind, nichts gegen Ihn vermochten. Auf diesen Grund nun ist die Kirche oder Versammlung gebaut – auf Christus, auf die unveränderliche Macht des Lebens in Ihm, als auferstanden aus den Toten. Deshalb kann auch sie ebenso wenig von den Pforten des Hades überwältigt werden.
Was daher der Mensch auch aus der Kirche auf der Erde gemacht hat, und welche Veränderungen in ihr stattgefunden haben mögen, so lasst doch alles dieses den festen Grund Gottes und das, was darauf gebaut ist, unberührt. Denn wenn die Pforten des Hades nichts daran auszurichten vermögen, so vermag es der Mensch noch viel weniger. Wohl konnte die Kirche untreu werden, wohl konnten die Christen – nicht mehr eingedenk ihrer Verantwortlichkeit, die Einheit zu bewahren – sich in hunderte von Parteien Zersplittern, „doch der feste Grund Gottes steht“ trotz alle diesem. Freilich haben wir uns angesichts dieses Verfalls tief zu schämen und zu demütigen und mit Daniel, welcher des traurigen Zustandes Israels gedachte, auszurufen: „Wir haben gesündigt und Unrecht getan und gesetzlos gehandelt und uns empört, und sind abgewichen von deinen Geboten und deinen Rechten. Und wir haben nicht gehört auf deine Knechte ..“ (Dan 9,5–6). Doch wie traurig auch, in Folge der Untreue des Menschen, der Verfall der bekennenden Kirche, wie unausbleiblich der Zusammensturz dieses morschen Gebäudes, und wie demütigend dieses alles für jeden aufrichtigen Christen sein mag, so hat dieser dennoch keine Ursache, ratlos zu sein oder gleichgültig die Hände in den Schoß zu legen, oder auch in unberufener Selbsttätigkeit voranzugehen. Wohl aber hat er die Frage an sich zu richten: Was habe ich angesichts dieses traurigen Zustandes zu tun? – In 2. Timotheus 2,19 wird er die passende Antwort auf diese Frage finden. Nachdem der Apostel erklärt hat, dass der feste Grund Gottes steht, zeigt er uns das Siegel desselben: „Der Herr kennt, die sein sind; und: Ein jeglicher, der den. Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit.“ Dieses Siegel ist ein doppeltes; es hat, so zu sagen, eine Vorder– und eine Rückseite. Während die eine Seite zeigt, dass der Herr als Herzenskündiger die Seinen kennt und den Weizen vom Unkraut zu unterscheiden weiß, gibt uns die andere Seite das Merkmal, woran wir sie inmitten des allgemeinen Verfalls erkennen sollen: „Ein jeglicher, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit.“ Ungerechtigkeit aber ist hier der Inbegriff alles dessen, was der Mensch außerhalb der Abhängigkeit von Gott in seinem eignen Willen tut. Er handelt ungerecht, so oft er seinem eignen Willen folgt, weil dieser, als die Frucht einer rebellischen Natur, nie in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes ist. Diese Ungerechtigkeit aber ist umso größer und strafbarer, wenn der Wille des Menschen sich in die Dinge Gottes einmischt und den Namen Christi mit dem Bösen, das Heilige mit dem Unheiligen zu verbinden sucht, wie dies in der bekennenden Kirche geschehen ist. Anstatt den Heiligen Geist als den alleinigen Leiter in der Kirche anzuerkennen, hat der Mensch die Leitung in derselben übernommen und alles darin geregelt und eingerichtet, wie es ihm gefiel. Anstatt die Einheit des Leibes und dessen Absonderung von der Welt zu bewahren, hat er aus der Kirche ein System gemacht, welches den Stempel der Ungerechtigkeit trägt. Indessen ist es nötig, diesen Punkt im Licht des göttlichen Wortes etwas näher zu betrachten, denn nur alsdann werden wir die Wichtigkeit des Siegels verstehen, das dem festen Grund Gottes aufgedrückt ist. Wir müssen zunächst unterscheiden zwischen dem, was die Kirche nach den Ratschlüssen Gottes ist, und dem, was aus ihr in ihrer verantwortlichen Stellung auf der Erde unter den Händen des Menschen geworden ist.
Nach dem Ratschluss Gottes ist die Kirche der Leib und die Braut Christi und schließt alle lebendigen Glieder des Leibes Christi in sich. Alle Gläubigen auf der Erde sind durch einen Geist zu einem Leib getauft (1. Kor 12,13). Ein Leib und ein Geist, eine Hoffnung der Berufung, ein Herr (Eph 4,4–6). Nichts ist im Stande, diese Einheit des Leibes aufzuheben oder zu vernichten, wenn sie auch in Folge der Untreue der ihm angehörenden Glieder nicht offenbart oder verwirklicht wird. Ein jedes Glied ist ein Glied Christi und kann nie von Ihm abgeschnitten werden. Die Kirche als der Leib Christi ist die Behausung Gottes im Geist, der heilige Tempel im Herrn, oder das geistliche Haus, das nur aus lebendigen Steinen aufgebaut wird, die Versammlung des lebendigen Gottes, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit (Eph 2,20–24; 1. Pet 2,5; 1. Tim 3,15). Betrachten wir die Versammlung von diesem Gesichtspunkt aus, so handelt es sich nicht um die Verantwortlichkeit des Menschen, sondern um die Macht und Treue Gottes, die nimmer fehlen können. Der Herr allein ist der Baumeister und nicht der Mensch; denn Er sagt in Matthäus 16,18: „Auf diesen Felsen will ich bauen meine Versammlung usw.“ Wir haben oben gesehen, dass die Versammlung auf Christus, den Auferstandenen, gegründet ist, den Sohn des lebendigen Gottes, den Erben des Lebens, dessen unüberwindliche Macht in der Auferstehung aus den Toten auf das klarste erwiesen ist. Das Fundament der Versammlung Zeigt schon, dass sie eine gänzlich neue und himmlische Sache ist, welche in gar keiner Verbindung mit der alten Schöpfung steht. Ihre Existenz setzt die Verwerfung Christi von Seiten der Welt und seines irdischen Volkes, sowie seine Verherrlichung von Seiten Gottes voraus. Erst nachdem alle auf Grund des Gesetzes errichteten Beziehungen Gottes mit Israel, sowie seine Beziehungen mit der Welt in Folge der Verwerfung seines Sohnes gänzlich abgebrochen waren, konnte die Berufung der Kirche oder Versammlung stattfinden. Auch war es unmögliche dass eine aus Juden und Nationen zu einem Leib vereinigte Körperschaft von Gläubigen gleichzeitig mit der Zwischenwand bestehen konnte, die das Gesetz zwischen beiden errichtet hatte. Der Tod Christi war daher nicht nur das Ende der alten Schöpfung, sondern auch aller auf das Gesetz gegründeten Beziehungen. Christus hat die Zwischenwand abgebrochen und in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinweggetan, und nachdem Er durch das Kreuz die Feindschaft getötet, beide (die Gläubigen aus Juden und Nationen) in sich selbst zu einem neuen Menschen geschaffen (Eph 2,14–16).
Da nun die Versammlung als eine gänzlich neue Sache weder in Beziehung stand zu dem Judentum, noch überhaupt zu der alten Schöpfung, so blieb sie bis zu ihrer Berufung ein „Geheimnis, verborgen von den Zeitaltern her in Gott“ (Eph 3). Aus diesem Gründe finden wir im Alten Testament bezüglich derselben kein Wort oder irgendwelche Andeutung, ausgenommen in. Vorbildern, deren Bedeutung jedoch erst nach der Offenbarung des Geheimnisses verstanden werden konnte. Deshalb befinden sich alle, welche die Kirche im Alten Testament suchen und die Aussprüche desselben auf sie anwenden wollen, in einem großen Irrtum und verraten dadurch nur ihre völlige Unkenntnis mit dem eigentlichen Charakter der Kirche.
Aber nicht nur hinsichtlich ihres Fundamentes steht die Versammlung außerhalb aller Beziehungen zu der alten Schöpfung oder irgendwelchen irdischen Systemen, sondern auch hinsichtlich ihrer Berufung, Auferbauung und Vollendung ist alles göttlich und in Übereinstimmung mit den Ratschlüssen Gottes. Alles ist sein Werk, alles ist gegründet auf seine unumschränkte Gnade, welche nicht allein unabhängig von der Verantwortlichkeit des Menschen handelt, sondern ihn selbst als tot in Sünden und gänzlich verloren voraussetzt. „Der uns errettet und berufen hat mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eignen Vorsatz und nach der Gnade, die uns in Christus Jesus gegeben worden vor den Zeiten der Zeitalter.“ „Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittelst des Glaubens, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, auf dass nicht jemand sich rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, auf dass wir darinnen wandeln sollen“ (2. Tim 1,9; Eph 2). Und ebenso wie hinsichtlich der Berufung Gott die alleinige Quelle ist, so geht auch bezüglich der Auferbauung des Leibes alles von Christus, seinem Haupt, aus. „Und Er hat etliche gegeben als Apostel und etliche als Propheten und etliche als Evangelisten und etliche als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen: für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi ... aus welchem der ganze Leib wohl zusammengefügt und verbunden durch jegliches Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maß eines jeden Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“ (Eph 4,11–16). Christus ist seines Leibes Heiland. „Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, gleich wie auch der Christus die Versammlung“ (Eph 5,22–33). Er liebt die Versammlung mit einer Liebe, die Ihn trieb, sich selbst für sie hinzugeben, und die im Blick auf dieselbe nur dann befriedigt ist, wenn sie seiner Herrlichkeit gemäß vor Ihm steht. Er heiligt und reinigt sie, und Er stellt sie sich selbst verherrlicht dar, als „die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“ Die Tätigkeit des Menschen kommt hier nicht in Betracht; denn insoweit dieser als Werkzeug dabei gebraucht wird, geschieht es durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Dies wird uns in 1. Korinther 12 klar vorgestellt: „Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist. ... Denn einem wird durch den Geist gegeben das Wort der Weisheit, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist, einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gaben der Heilungen in demselben Geist, einem anderen aber Wunderwirkungen, einem anderen aber Prophezeiung, einem anderen aber Unterscheidung der Geister, einem anderen aber Arten von Sprachen, einem anderen aber Auslegung der Sprachen. Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, jeglichem insbesondere austeilend, wie Er will.“ Er ist vom Himmel herabgesandt worden, nachdem Christus seinen Platz in der Herrlichkeit eingenommen hatte, um die vor Grundlegung der Welt auserwählten Glieder des Leibes Christi zu sammeln und zu einem Leib zu vereinigen. Und Er ist seit jenem Pfingsttag bis jetzt damit beschäftigt und wird damit fortfahren, bis das letzte Glied gesammelt, der letzte Stein zum Tempel Gottes eingefügt und somit die ganze Versammlung vollzählig ist, um alsdann ihrem verherrlichten Bräutigam in die Luft entgegengerückt zu werden (1. Thes 4). Niemand ist im Stande, dieses Werk des Heiligen Geistes zu verhindern, wie sehr dieser auch andererseits durch die Untreue des Menschen betrübt sein mag. Unaufhaltsam geht dieses Werk voran, „nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens“ (Eph 1,11).
Ferner bezeichnet die Art und Weise, in welcher die Versammlung den Herrn zu erwarten hat, dass sie außerhalb aller Beziehungen zu der alten Schöpfung steht. So völlig sie nach dem Ratschluss Gottes von der Welt getrennt ist, so völlig steht sie auch außerhalb der über dieselbe kommenden Gerichte. Daher ist das Kommen des Herrn für sie und sein Kommen für die Welt eine gänzlich verschiedene und getrennte Sache. Während Er für die erstere kommt als der „glänzende Morgenstern“ vor dem Anbruch des Tages, um sie als seine Braut in seine Herrlichkeit einzuführen, kommt Er für die letztere als „die Sonne der Gerechtigkeit“, deren Aufgang für sie jenen Tag des Gerichts herbeiführt, welcher „brennt wie ein Ofen“ (Mal 4,1). Und während die Welt in den letzten Tagen der Schauplatz der schrecklichsten Gerichte ist, erfreut sich die Versammlung des Genusses der unvergleichlichen Liebe und innigen Zuneigung ihres Bräutigams. Im 4. Kapitel der Offenbarung sehen wir die Versammlung repräsentiert durch die vier und zwanzig Ältesten, sitzend ans Thronen rings um den Thron des Gerichts, und zwar in einer Ruhe, welche die von dem Thron ausgehenden Blitze und Stimmen und Donner und Feuerfackeln nicht im Geringsten zu erschüttern vermögen. Wie könnte ihre Ruhe auch gestört werden, da die in der Ausübung der Gerichte sich kundgebende Gerechtigkeit ihre eigene geworden ist und sie in Folge dessen sich an diesem Platz befinden? Wie könnten sie beunruhigt werden, da sie in der Gegenwart dessen sind, der sie liebt und sie von ihren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und sie gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater (Off 1,5–6)?
Wenn nun Gläubige das Kommen des Herrn zum Gericht anstatt zur Aufnahme der Versammlung erwarten, so verraten sie dadurch eine ebenso große Unkenntnis über den wahren Charakter der Kirche, wie auch diejenigen, welche dieselbe im Alten Testament zu finden glauben. Mögen wir also die Versammlung nach den Ratschlüssen Gottes betrachten, sei es in Bezug auf ihr Fundament, ihre Berufung und Auferbauung, sei es in Bezug auf das Kommen des Herrn, so sehen wir, dass alles von der Gnade und nichts von der Verantwortlichkeit des Menschen abhängt, und dass die Versammlung nichts mit der Welt gemein hat. Sie gehört dem Himmel an und ist ihren Grundsätzen, Zuneigungen und ihrer Hoffnung nach der Welt gänzlich unbekannt. Sie ist in der Welt, um, getrennt von ihr, durch die Aufrechthaltung ihrer Einheit ein Zeugnis zu sein. Allein dies führt uns zu ihrer verantwortlichen Stellung auf der Erde (Fortsetzung folgt).