Botschafter des Heils in Christo 1879
Gideon und seine Gefährten - Teil 3/3
„Und Jehova sprach zu ihm: Gewiss, ich werde mit dir sein, und du wirst Midian schlagen wie einen Mann. Und er sprach zu Ihm: Wenn ich doch Gnade gefunden habe in deinen Augen, so tue mir ein Zeichen, dass du es bist, der mit mir redet. Weiche doch nicht von hinnen, bis ich zu dir komme und meine Gabe herausbringe und dir vorsetze. Und Er sprach: Ich will bleiben, bis du wiederkommst. Und Gideon kam und bereitete ein Ziegenböcklein und ein Epha Mehl Ungesäuertes; das Fleisch tat er in einen Korb, und die Brühe tat er in einen Topf, und er brachte es heraus zu Ihm unter die Terebinte und setze es dar. Und der Engel Jehovas sprach zu ihm: Nimm das Fleisch und das Ungesäuerte und lege es hin auf diesen Felsen und die Brühe gieße aus. Und er tat also. Und der Engel Jehovas streckte das Ende des Stabes aus, der in seiner Hand war, und berührte das Fleisch und das Ungesäuerte, und es stieg Feuer auf aus dem Felsen und verzehrte das Fleisch und das Ungesäuerte, und der Engel Jehovas verschwand aus seinen Augen. Da sah Gideon, dass es ein Engel Jehovas war, und Gideon sprach: Ach, Herr, Jehova! denn deshalb habe ich einen Engel Jehovas gesehen von Angesicht zu Angesicht ... Und Jehova sprach zu ihm: Friede dir, fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben!“ (Ri 6,16–23)
Wir haben hier einen Abschnitt in der Erziehung und Vorbereitung Gideons erreicht, der von tiefem Interesse ist. Er wird berufen, praktisch in jene große Wahrheit einzutreten, welche für jeden Diener Gottes von der höchsten Wichtigkeit ist und sich in den Worten ausgedrückt findet: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig.“ Dies ist eine köstliche Wahrheit; sie bildet ein unerlässliches Element in der Erziehung aller Diener Christi. Niemand möge sich einbilden, dass er je in dem Werk des Herrn gebraucht werden oder Fortschritte im göttlichen Leben machen könne, wenn er nicht in geringerem oder größerem Maß in diesen unschätzbaren Grundsatz eingetreten ist. Da, wo er nicht gekannt und nicht verwirklicht wird, wird sich sicher Ungebeugtheit, Ungebrochenheit und eigene Tätigkeit in der einen oder anderen Form Zeigen. Wenn aber jemand in der Gegenwart Gottes gelernt hat zu sagen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig“ – wenn die Natur einmal auf der Waage des göttlichen Heiligtums gewogen ist, so wird sich immer mehr oder weniger Gebrochenheit, Demut und Sanftmut des Geistes finden; aber nicht nur das, ein solcher wird auch ein weites Herz besitzen, er wird zu jedem guten Werke bereit und fähig sein, sich über jene kleinlichen und selbstsüchtigen Überlegungen zu erheben, die das Werk Gottes oft in so trauriger Weise hindern. Kurz, das Herz muss zuerst gebrochen, dann wiederhergestellt und ungeteilt Christus und seinem gesegneten Dienst übergeben werden. Wir können unmöglich unser Auge an der langen Reihe der Arbeiter Christi vorübergleiten lassen, ohne die Wahrheit des Gesagten bestätigt zu sehen. Moses, Josua, David, Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel in den Zeiten des Alten Testaments – Petrus, Paulus und Johannes in den neutestamentlichen Tagen – alle stehen vor uns als lebendige Beweise des Wertes gebrochener Werkzeuge. Alle diese treuen Knechte Gottes mussten gebrochen werden, um wiederhergestellt, geleert, um gefüllt werden zu können – sie mussten lernen, dass sie aus sich selbst nichts tun konnten, um dann in der Kraft Christi fähig zu sein, alles zu tun.
Auch Gideon musste die Wahrheit dieses Grundsatzes an sich erfahren. Seinem demütigen Ausruf: „Ach, mein Herr Jehova!“ folgten die Worte: „Friede dir! Fürchte dich nicht!“ und jetzt war er fähig, mit seinem Werk zu beginnen. Er war dem Engel Gottes von Angesicht zu Angesicht gegenübergestellt worden, und er hatte gelernt, dass er in sich selbst durchaus keine Kraft besaß, sondern dass alle seine Quellen in Gott gefunden werden mussten. Welch eine köstliche Unterweisung für den Sohn Joas und für uns alle! Eine Unterweisung, die nicht in den Schulen und Hörsälen dieser Welt gelernt werden kann, sondern allein in der Stille des Heiligtums Gottes.
Doch was war die erste Handlung Gideons, nachdem seine Befürchtungen zum Schweigen gebracht und seine Seele mit göttlichem Frieden erfüllt war? Er baute einen Altar. „Und Gideon baute daselbst Jehova einen Altar und nannte ihn: Jehova Schalom. Bis auf diesen Tag ist er noch zu Ophra der Abi–Geriter“ (V 24). Er nimmt den glücklichen Platz eines Anbeters ein, und seine Anbetung wird gekennzeichnet durch die Offenbarung des göttlichen Charakters. Er nennt seinen Altar: „Jehova Schalom“ – „der Herr (ist) Friede.“ Er war durch schmerzliche und tiefe Seelenübungen hindurchgegangen – Übungen, welche nur solche verstehen können, die von Gott zu einem hervorragenden Platz unter den Seinen berufen sind. Er fühlte den Verfall von allem, was ihn umgab. Er fühlte den traurigen, demütigenden Zustand seines geliebten Volkes. Er fühlte seine eigene Kleinheit, ja sein völliges Nichts. Wie konnte er die Midianiter schlagen? Wie konnte er Israel erretten? Wer war fähig für solch große Dinge? Wer in etwa die Mühen, die Sorgen und Kümmernisse kennt, die mit dem öffentlichen Dienste Christi und mit dem Zeugnis für seinen Namen in bösen Tagen verbunden sind, wird auch etwas verstehen von den schmerzlichen Übungen der Seele Gideons, von dem Druck, der auf seinem Herzen lastete, als er unter dem Schattender Terebinthe seines Vaters stand und von dort aus die Gefahren und die Verantwortlichkeit betrachtete, die mit seinem Auftrag in Verbindung standen. Ein solcher wird auch in etwa die Bedeutung der Worte verstehen, welche einst aus dem Mund eines Mannes kamen, der wohl am meisten in der Schule Christi erfahren war: „Wir hatten das Urteil des Todes in uns selbst, auf dass unser Vertrauen nicht auf uns selbst wäre, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt“ (2. Kor 1,9).
Nachdem Gideon so in der Schule Gottes die völlige Ohnmacht seiner Natur kennen gelernt hat, wird er in seinen Dienst eingeführt. Doch ist es sehr bemerkenswert, wo er denselben zu beginnen hatte. „Und es geschah in selbiger Nacht, da sprach Jehova zu ihm: Nimm den Stierfarren, der deines Vaters ist, und den Zweiten Stiere von sieben Jahren“ – Jehova wusste genau, wie viele Stiere Joas hatte, und kannte selbst das Alter eines jeden – „und reiße nieder den Altar Baals, der deines Vaters ist, und die Ascherin, die auf demselben ist, haue um. Und baue einen Altar Jehova, deinem Gott, auf dem Gipfel dieses Felsens, mit der Zurüstung, und nimm den zweiten Stiere und opfere ein Brandopfer mit dem Holz der Ascherin, die du umgehauen hast“ (V 25–26).
Wir sehen hier, dass Gideon seinen Dienst zu Haus zu beginnen hatte. Er wurde berufen, das Zeugnis in dem Schoß seiner Familie, in der Mitte des Hauses seines Vaters aufzurichten. Dies ist von dem höchsten Interesse und von der größten praktischen Bedeutung. Es enthält eine Unterweisung, für die wir alle unsere Ohren öffnen und die wir auf unsere Herzen anwenden sollten. Ein Zeugnis muss zu Haus seinen Anfang nehmen. Es wird nie einen guten Erfolg haben, in ein öffentliches Werk einzutreten, wenn unsere persönlichen und häuslichen Wege anders sind, wie sie sein sollten. Es ist völlig nutzlos, den Altar Baals vor der Öffentlichkeit niederzureißen, wenn derselbe Altar zu Haus stehen bleibt.
Wir alle sind berufen, zunächst in unserem häuslichen Kreis wahre Frömmigkeit und Treue zu offenbaren. Nichts ist trauriger, als Personen zu begegnen, die sich inmitten ihrer Mitarbeiter oder Mitchristen durch eine hohe, geistliche Sprache auszeichnen – durch eine Sprache, die Einen dazu verleiten sollte, sie weit über den gewöhnlichen Zustand der Christen zu stellen – die aber in ihrem häuslichen Leben, in ihrem persönlichen Verhalten weit davon entfernt sind, denen gegenüber ein Zeugnis für Christus abzulegen, mit welchen sie tagtäglich in Berührung kommen. Ein solches Verhalten ist höchst beklagenswert. Es verunehrt den Herrn, betrübt den Heiligen Geist und dient jungen Gläubigen oft zum Anstoß und Ärgernis; es gibt dem Feind Gelegenheit, in schmähender Weise von uns zu sprechen, und muss in den Herzen unserer Brüder Ungewissheit und Zweifel in Betreff unser hervorrufen.
Sicherlich sollte es in dieser Beziehung anders unter uns stehen. Gerade diejenigen, welche uns am meisten sehen, sollten auch am meisten von Christus in uns entdecken; die uns am besten kennen, sollten auch am besten wissen, dass wir Christus angehören. Aber ach, wie oft ist das Gegenteil der Fall! Wie oft geschieht es, dass gerade der häusliche Kreis der Platz ist, wo wir am wenigsten die lieblichen Züge eines christlichen Charakters zur Schau tragen! Der Gatte oder die Gattin, die Eltern oder die Kinder, der Bruder oder die Schwester, der Herr oder der Knecht sind gerade diejenigen, vor deren Augen oft am wenigsten die Früchte eines göttlichen Lebens entfaltet werden. Es ist im Privatleben, wo alle unsere schwachen Seiten, unsere Sonderlichkeiten und Eigenheiten, unsere törichten Neigungen und sündigen Leidenschaften zum Vorschein kommen, und doch sollten wir gerade dort die Gnade des Herrn am getrennten zu Schau tragen.
Mein lieber christlicher Leser, lassen wir uns nicht abwenden von dem Wort des Tadels und der Ermahnung! Dasselbe mag nicht angenehm sein, aber es ist sicher heilsam. Es mag dem Fleisch nicht gefallen, aber es ist gesund für die Seele. Wenn wir uns unseren Brüdern hilfreich erweisen oder den gemeinsamen Feind siegreich bekämpfen wollen, so müssen wir, wie Gideon, zu Haus beginnen. Ohne Zweifel ist ein solches Zeugnis in dem eignen Haus mit Schwierigkeiten verknüpft. Es ist z. B. für ein Kind oft sehr schwer, gegen die Weltlichkeit des Vaters oder der Mutter, oder auch der ganzen Familie Zeugnis abzulegen. Allein wenn Demut des Herzens und einfache Abhängigkeit von Gott vorhanden ist, so halt Er uns aufrecht und führt uns wunderbar hindurch. Jedoch ist vor allen Dingen Entschiedenheit erforderlich. Der ganze Kampf wird oft durch eine einzige treue Handlung, durch ein entschiedenes Wort gewonnen.
Wenn aber auf der anderen Seite Schwäche und Unentschlossenheit im Herzen ist, wenn man mit der Wahrheit Gottes spielt, wenn man die möglichen Folgen ängstlich berechnet und die wahrscheinlichen Resultate abwägt, so bekommt sicher der Feind die Oberhand und das Zeugnis geht völlig verloren. Gott ist mit allen, die für Ihn tätig sind. Das ist das große Geheimnis ihrer Erfolge; doch wenn das Auge nicht einfältig ist, so kann es keinen wirklichen Fortschritt und keine göttlichen Resultate geben. Dies ist es, worin so viele von uns fehlen. Wir sind nicht ganz entschieden für Christus; unser Herz schlägt nicht allein für Ihn. Und daher gibt es kein Resultat für Gott und keinen Einfluss auf andere. Wir können uns nicht vorstellen, welch große Dinge durch ein einziges unterwürfiges Herz, durch eine ernste und entschiedene Seele vollführt werden können. Ein solches Herz kann von Gott benutzt werden, um ein Banner des Zeugnisses aufzurichten, um welches sich Tausende scharen, die selbst nie den Mut oder die Energie gehabt haben würden, ein solches Banner zu entfalten.
Blicken wir auf Gideon. Er war tätig für Gott, und Gott war mit Ihm. „Und Gideon nahm zehn Männer von seinen Knechten und tat, wie Jehova zu ihm geredet hatte. Und es geschah, da er sich fürchtete vor dem Haus seines Vaters und vor den Leuten der Stadt, es bei Tage zu tun, so tat er es bei der Nacht. Und die Leute der Stadt standen des Morgens früh auf, und siehe, der Altar Baals war umgerissen, und die Ascherin, die auf demselben war, umgehauen, und der zweite Stiere war als Brandopfer geopfert auf dem erbauten Altar. Und sie sprachen einer zum anderen: Wer hat diese Sache getan? Und sie forschten nach und untersuchten, und man sprach: Gideon, der Sohn des Joas, hat diese Sache getan. Und die Leute der Stadt sprachen zu Joas: Gib deinen Sohn heraus, dass er sterbe, weil er den Altar Baals umgerissen, und weil er die Ascherin, die auf demselben war, umgehauen hat“ (V 27–29).
Das war ein Schlag, der die ganze Anbetung Baals mit vernichtender Gewalt traf und sie völlig Zerstörte. Wir werden uns kaum eine Vorstellung davon machen können, was es dem Sohn Joas gekostet haben mag, das Gebot Jehovas auszuführen; allein die Gnade Gottes befähigte ihn dazu. Sicher tat er es mit Furcht und Zittern, allein er tat es. Er führte einen mächtigen Hieb gegen das ganze götzendienerische System, und siehe da, es zerfiel in Staub vor seinen Füßen. Ein halbes Werk würde von keinem Nutzen gewesen sein. Es hätte nichts geholfen, wenn Gideon hie und da einen Stein aus dem Götzenaltar herausgebrochen hätte; das ganze Bauwerk musste von Grund aus zerstört und der Götze selbst in den Staub geworfen werden. Es gibt nichts – wir wiederholen es – das einer völligen Entschiedenheit, einer unerschütterlichen Treue für Christus, koste es, was es wolle, gleichkäme. Wäre Gideon weniger entschieden gewesen, hätte er in seiner Handlungsweise nicht diese Festigkeit zur Schau getragen, so würde sein Vater wohl nie so völlig gewonnen worden sein. Ein solches Verfahren mit Baal war nötig, um einen einsichtsvollen Menschen zu überzeugen, dass die Anbetung eines solchen Götzen eine Schande und ein Betrug sei. „Und Joas sprach zu allen, die bei ihm standen: Wollt ihr für Baal streiten, oder wollt ihr ihn retten? Wer für ihn streitet, der soll getötet werden bis zum Morgen. Ist er ein Gott, so mag er für sich selbst streiten, dass man seinen Altar umgerissen hat. Und man nannte ihn an selbigem Tag Jerub–Baal, indem man sprach: Baal, streite mit ihm, weil er seinen Altar umgerissen hat“ (V 30–31).
Das war eine sehr einfache Schlussfolgerung: „Ist er ein Gott, so mag er für sich selbst streiten.“ Das kühne Vorgehen Gideons hatte die Sache zur Entscheidung gebracht. Entweder war Baal eine Wirklichkeit oder ein schändliches Trugbild. War er das erstere, so mochte er für sich selbst streiten. War das letztere der Fall, wer würde dann daran denken, für ihn zu streiten? Nichts konnte einfacher sein. Die Tat Gideons war von dem herrlichsten Erfolg gekrönt. Die Anbetung Baals war vernichtet und stattdessen die Anbetung Jehovas Elohim aufgerichtet. Das Werk in der Seele Gideons nahm einen raschen, aber wirklichen Fortgang. Er wurde geführt von Kraft zu Kraft. Als zum ersten Male die Stimme Jehovas an sein Ohr schlug, da hätte er gewiss nicht daran gedacht, dass er in solch kurzer Zeit einen so entscheidenden Schritt tun würde. Wenn ihm jemand gesagt hätte: „In wenigen Stunden wirst du inmitten des Hauses deines Vaters den Baalsdienst vernichten“, so würde er es nicht geglaubt haben. Doch der Herr leitete ihn, Schritt für Schritt, gnädig, aber sicher vorwärts; und je mehr das himmlische Licht Eindruck auf seine Seele machte, desto größer wurde sein Mut und sein Vertrauen.
Der Herr handelt immer so mit seinen Dienern. Er erwartet nicht von ihnen, dass sie laufen sollen, bevor sie gehen gelernt haben. Aber wenn das Herz wahrhaftig und die Absichten aufrichtig sind, so gibt der Herr in seiner Gnade die nötige Kraft, wenn der Augenblick zum Handeln gekommen ist. Er räumt Berge von Schwierigkeiten hinweg, verjagt jede dunkle und schwere Wolke, befestigt das Herz und umgürtet die Lenden unserer Gesinnung, so dass der Schwächste mit Riesenkraft ausgerüstet und das furchtsame Herz mit Mut und mit Lob und Dank erfüllt wird. Zu allem diesem liefert die interessante Geschichte Gideons einen lebendigen Beweis. Kaum hatte er den Altar Baals umgerissen, so wurde er berufen, die Heere der Midianiter zu bekämpfen. „Und ganz Midian und Amalek und die Söhne des Ostens versammelten sich allzumal und zogen herüber und lagerten im Tal Jesreel. Und der Geist Jehovas zog Gideon an; und er stieß in die Posaune, und die Abi–Geriter wurden berufen, ihm nachzufolgen. Und er sandte Boten durch ganz Manasse, und auch sie wurden berufen, ihm nachzufolgen; und er sandte Boten durch Asser und durch Sebulon und durch Naftali, und sie zogen herauf ihnen entgegen“ (V 33–35).
Mit einem Schlag ist alles wie umgewandelt. Das Werk, welches in dem Herzen Gideons begonnen hatte, dehnte sich weit und breit über die Länge und Breite des ganzen Landes aus. Der Geist des Herrn entfaltet seine mächtige Energie, und Hunderte und Tausende erwachen und scharen sich um das Banner, das die Hand des Glaubens entrollt hat. Jedoch scheint der Glaube Gideons in diesem Augenblick einer neuen Befestigung bedurft zu haben. Vielleicht wurde sein Herz durch den Anblick der mächtigen Heere der Unbeschnittenen eingeschüchtert; sein Mut verließ ihn, und er forderte ein neues Zeichen von dem Herrn. „Und Gideon sprach zu Gott: Wenn du Israel retten willst durch meine Hand, wie du geredet hast ...“ Ach, das arme Herz vermag sein ungläubiges „Wenn“ dem Wort Gottes, der doch nicht lügen kann, gerade entgegen zu setzen. „Siehe, ich will ein Wollfließ auf die Tenne legen; wenn Tau auf dem Vlies allein sein wird und auf dem ganzen Boden Trockenheit, so werde ich erkennen, dass du Israel retten wirst durch meine Hand, wie du geredet hast“ (V 36–37).
Wie wunderbar! Und doch brauchen wir uns nicht zu verwundern, wenn wir unsere eignen Herzen ein wenig kennen. Das arme menschliche Herz muss etwas haben außer dem bloßen Worte des lebendigen Gottes. Es begehrt ein Zeichen – etwas, das das Auge sehen kann. Das Wort Gottes ist nicht genügend für die ungläubige Natur. Doch wie unergründlich ist auf der anderen Seite die Gnade Gottes! Ohne ein Wort des Tadels begegnet Er der Schwachheit seines armen Dieners: „Und es geschah also. Und er stand am anderen Morgen früh auf und drückte das Vlies aus und presste Tau ans dem Vliese, eine Schale voll Wasser“ (V 38). Welch eine herablassende Gnade! Anstatt das ungläubige „Wenn“ Gideons mit Strenge zurückzuweisen, befestigt Gott gnädig seinen wankenden Glauben.
Allein auch dieses genügte Gideon noch nicht. Er bittet noch um eine zweite Bestätigung. „Und Gideon sprach zu Gott: Dein Zorn entbrenne nicht über mich, dass ich nur noch diesmal rede! Ich will es doch nur noch diesmal versuchen mit dem Vlies. Möge doch Trockenheit sein auf dem Vlies allein, und auf dem ganzen Boden sei Tau. Und Gott tat also in selbiger Nacht, und es war Trockenheit auf dem Vlies allein, auf dem ganzen Boden aber war Tau“ (V 39–40). So handelt die überströmende Gnade und unermüdliche Geduld des Gottes, mit dem wir es zu tun haben. Ewig sei sein heiliger Name gepriesen! Wer wollte Ihm nicht vertrauen, Ihn nicht lieben und Ihm nicht dienen?
„Und Jerub–Baal, das ist Gideon, machte sich früh auf, und alles Volk, das mit ihm war, und sie lagerten an der Quelle Harod; und das Lager Midians war ihm nordwärts vom Hügel More im Tal. Und Jehova sprach zu Gideon: Des Volkes ist zu viel, das bei dir ist, als dass ich Midian in ihre Hand geben sollte, damit sich Israel nicht wider mich rühme und spreche: Meine Hand hat mich gerettet“ (Kap 7,1–2). Der laute Schall der Posaune Gideons hatte eine zahlreiche und ansehnliche Schar um ihn versammelt; allein diese Schar musste geprüft werden. Es ist etwas anderes, durch den Eifer und die Energie eines ernsten Dieners Christi angeregt zu werden, oder jene moralischen Eigenschaften zu besitzen, die allein einen Menschen befähigen können, selbst ein ernster Diener zu sein. Der Spur eines unterwürfigen Mannes Gottes zu folgen und sich durch seinen Glauben und seine Energie leiten zu lassen, ist etwas ganz anderes, als selbst mit Gott zu wandeln und sich in der Kraft eines persönlichen Glaubens auf Ihn zu stützen. Dies verdient unsere ernste Beachtung. Es ist immer Gefahr vorhanden, dass wir bloße Nachahmer des Glaubens anderer sind, dass wir ihrem Beispiel folgen, ohne ihre geistliche Kraft zu besitzen. Wir sollten uns stets davor hüten. Lasst uns einfältig, demütig und wahr sein. Wir mögen sehr klein, unser Wirkungskreis mag beschränkt und unser Pfad ein zurückgezogener sein; allem es macht dies gar nichts aus, vorausgesetzt dass wir das sind, wozu die Gnade uns gemacht hat, dass wir den uns von dem Herrn angewiesenen Platz einnehmen und den Pfad wandeln, den Er vor uns geöffnet hat. Es ist durchaus nicht nötig, dass wir eine hervorragende Stellung bekleiden; aber es ist absolut notwendig, dass wir wahr und demütig, gehorsam und abhängig sind. So kann unser Gott uns gebrauchen, ohne befürchten zu müssen, dass wir uns selbst rühmen werden, und wir sind ruhig und voll von Friede und Glück. Es gibt nichts köstlicheres für einen treuen Diener Christi, als sich auf jenem verborgenen, schattigen Pfad zu befinden, wo das eigene Ich gänzlich aus dem Auge verloren und das herrliche Licht des Angesichts Gottes genossen wird – wo die Gedanken der Menschen von geringer Wichtigkeit sind, während der Beifall Christi für die Seele alles ist.
Wir dürfen nie unser Vertrauen auf das Fleisch setzen. Dasselbe wird selbst den Dienst Christi zu einer Gelegenheit machen, um sich zu erhöhen. Es wird den Namen dessen, der sich selbst völlig erniedrigte, benutzen, um aus sich etwas zu machen. So ist das Fleisch, und so sind wir in uns selbst. Törichte, sich selbst erhebende Geschöpfe, die immer bereit sind, sich zu rühmen, während sie bekennen, nichts zu sein und nichts anders zu verdienen als das unauslöschliche Feuer der Hölle. Brauchen wir uns über die Prüfung der Gefährten Gideons zu verwundern? Sicherlich nicht. Der Dienst Christi ist eine sehr ernste und heilige Sache, und alle, die an demselben Teil nehmen wollen, müssen frei von Selbstvertrauen und von sich völlig entleert sein; aber nicht nur das, sie müssen sich auch mit unerschütterlichem Vertrauen auf den lebendigen Gott stützen. Das sind die großen Eigenschaften, die den Charakter des wahren Dieners Christi ausmachen sollten. Doch kehren wir zu unserer Erzählung zurück.
„Des Volkes ist zu viel, das bei dir ist, als dass ich Midian in ihre Hand geben sollte ... Und nun rufe aus vor den Ohren des Volkes und sprich: Wer furchtsam und verzagt ist, der kehre um und wende sich von dem Gebirge Gilead. Und es kehrten vom Volk um zwei und zwanzigtausend, und zehntausend blieben übrig“ (V 2–3). Das Heer Gideons wurde hier der ersten großen Probe unterworfen, einer Probe, die bestimmt war, das Maß des einfachen Vertrauens eines jeden Herzens auf Jehova zu offenbaren. Ein furchtsames Herz ist nicht geschickt für den Tag der Schlacht – ein zweifelnder Geist kann nicht in dem Kampf bestehen. Demselben Grundsatz begegnen wir in 5. Mose 20,8: „Und die Vorsteher sollen weiter zum Volk reden und sprechen: Wer ist der Mann, der sich fürchtet und verzagt ist? der gehe und kehre wieder um zu seinem Haus, dass nicht das Herz seiner Brüder feige werde wie sein Herz.“ Verzagtheit ist außerordentlich ansteckend. Sie Verbreitet sich mit Windeseile. Sie schwächt den Arm, der den Schild tragen, und lahmt die Hand, welche das Schwert schwingen sollte. Was uns allein vor diesem Übel schützen kann, ist ein einfältiges, kindliches Vertrauen auf Gott und sein Wort und eine wahre persönliche Bekanntschaft mit Ihm. Wir müssen Gott in einer solchen Weise kennen, dass sein Wort alles für uns ist, und dass wir mit Ihm allein wandeln und in der dunkelsten Stunde allein bei Ihm ausharren können.
Es ist sehr belehrend für das Herz, zusehen, welche Wirkung diese erste Probe auf das Heer Gideons ausübte. Sie lichtete seine Reihen in erstaunlicher Weise. „Und es kehrten vom Volk um zwei und zwanzigtausend, und zehntausend blieben übrig.“ Das war eine ernste Verringerung. Doch ist es weit besser, zehntausend zu haben, die auf Gott vertrauen können, als zehntausend mal zehntausend, die dies nicht zu tun vermögen. Was nützen zahllose Scharen, wenn sie nicht von einem lebendigen Glauben beseelt sind? Durchaus nichts. Es ist verhältnismäßig leicht, sich um ein Banner zu scharen, das eine starke Hand aufgepflanzt hat, aber es ist eine ganz andere Sache, in dem wirklichen Kampf in persönlicher Energie Stand zu halten. Hierzu ist nur ein echter, wahrer Glaube im Stande; sobald daher die Frage erhoben wird: „Wer kann auf Gott vertrauen?“ so werden wir stets die ansehnlichen Reihen bloßer Bekenner sich schnell lichten sehen.
Doch die Gefährten Gideons wurden noch einer zweiten Probe unterworfen. „Und Jehova sprach zu Gideon: Noch ist des Volkes zu viel, führe sie hinab ans Wasser, dass ich sie dir daselbst läutere; und es soll geschehen, von wem ich dir sagen werde: dieser soll mit dir ziehen, der soll mit dir Ziehen. Und jeglicher, von dem ich dir sagen werde: dieser soll nicht mit dir ziehen, der soll nicht ziehen. Und er führte das Volk hinab ans Wasser. Und Jehova sprach zu Gideon: Jeglicher, der mit seiner Zunge von dem Wasser leckt, wie ein Hund leckt, den stelle besonders, und auch jeglichen, der sich niederlässt auf seine Knie, um zu trinken. Und es war die Zahl derer, die da leckten mit ihrer Hand zu ihrem Mund, dreihundert Mann; und das ganze übrige Voll hatte sich niedergelassen auf seine Knie, um Wasser zu trinken. Und Jehova sprach zu Gideon: Durch die dreihundert Mann, die geleckt haben, will ich euch erretten und Midian in eure Hand geben, das ganze Volk aber soll gehen, ein jeglicher an seinen Ort“ (Kap 7,4–7). Hier begegnen wir einer zweiten großen moralischen Eigenschaft, welche stets diejenigen charakterisieren muss, die an einem bösen Tage für Gott und für sein Volk tätig sein wollen. Sie müssen nicht allein Vertrauen auf Gott besitzen, sondern auch bereit sein, sich selbst ganz aufzugeben. Das ist ein allgemeiner Grundsatz in dem Dienst Christi. Es handelt sich nicht um die Frage, ob ich ein Kind Gottes, sondern darum, ob ich ein tauglicher Diener Christi bin. Die einunddreißig Tausend und sieben Hundert, welche von dem Heer Gideons weggeschickt wurden, waren ebenso gut Israeliten, wie auch die übrigbleibenden drei Hundert; aber sie waren nicht geeignet für den Augenblick des Kampfes; sie waren nicht die rechten Leute für die Stunde der Entscheidung. Und weshalb nicht? Weil sie nicht auf Gott vertrauen und sich selbst nicht ganz aufgeben konnten. Sie waren voll von Furcht, während der Glaube sie hätte erfüllen sollen. Der Gegenstand, der ihre Herzen beschäftigte, war nicht der Kampf, sondern die Erfrischung auf dem Weg. Welch ein ernster Gedanke! Es gab Hunderttausende von wahren Israeliten, von wahren Gliedern des Bundes, den Jehova mit seinem Volk gemacht hatte, und dennoch waren unter ihnen nur dreihundert Männer vorhanden, die für den Tag des Kampfes von Gott fähig und geeignet erachtet wurden. Unter tausend befand sich noch nicht einer, der im Stande war, Gott zu vertrauen und sich selbst zu verleugnen.
Und ist es nicht ähnlich so in unseren Tagen? Obwohl wir jetzt viel mehr Licht und Vorrecht besitzen wie Gideon und seine Gefährten, so ist doch so wenig Bereitwilligkeit vorhanden, den Pfad des Dienstes und Kampfes zu betreten, zu dem wir berufen sind. Es herrscht unter uns ein beklagenswerter Mangel an wahrem Vertrauen auf den lebendigen Gott und an wahrer Selbstverleugnung. Gott wird nicht praktisch gekannt und das eigene Ich erhoben und wertgehalten. Daher sind wir so wenig geschickt für den Kampf und ohne Kraft am Tag der Schlacht. Es ist etwas anderes, errettet zu sein, oder als ein Kriegsmann zu kämpfen. Es ist etwas anderes, der Vergebung seiner Sünden gewiss zu sein, oder unsere Schwerter geschärft und unsere Schilde erhoben zu haben. Zwischen dem Reden über die Schlacht und der Beteiligung an derselben besteht ein großer Unterschied. Ach, es ist sehr zu fürchten, dass, wenn die zweifache Probe, welcher Israel in den Tagen Gideons unterzogen wurde, in diesem Augenblick auf alle angewandt würde, welche bekennen, Christus anzugehören, das praktische Resultat sich nur wenig von dem damaligen unterscheiden würde. Was wir bedürfen, sind Männer des Glaubens, Männer, deren Herzen befestigt und deren Augen einfältig sind, die keine Zeit haben für etwas anderes, als für Christus und seine Sache.
Doch wenden wir uns wieder zu unserem Gegenstand. Der Schluss von dem 7. Kapitel des Buches der Richter zeigt uns Gideon und seine Gefährten im Besitz des völligsten Sieges. „Das Gerstenbrot“ und „die zerbrochenen Krüge“ vernichteten die ganze Macht der Midianiter und Amalekiter, obgleich diese „lagen im Tal wie Heuschrecken an Menge, und ihrer Kamele war keine Zahl, wie der Sand am Ufer des Meeres an Menge“ (V 12). Gott war mit dem Gerstenbrot und den Zerbrochenen Krügen, wie Er stets mit denen sein wird, die bereit sind, den niedrigsten Platz einzunehmen, nichts zu sein und Ihn zu ihrem „alles in allem“ zu machen, auf Ihn zu vertrauen und sich selbst völlig zu vergessen. Möchten wir uns stets daran erinnern, dass dies der große Grundsatz in jedem Werk und in jedem Kampf ist! Ohne denselben können wir nie Erfolge haben; mit ihm wird der Sieg uns nie fehlen. Es macht nichts aus, wie groß die Schwierigkeiten, oder die Zahl und die Macht unserer Feinde ist – alles muss verschwinden in der Gegenwart des lebendigen Gottes.
Doch das ist noch nicht alles. Ein festes Vertrauen auf Gott und eine wahre Selbstverleugnung sind nicht nur das Geheimnis des Sieges über äußere Feinde, sondern auch der Überwindung und Entwaffnung neidischer und missgünstiger Brüder, obgleich diese oft viel schwieriger zu bekämpfen sind, als offene Feinde. Kaum hatte Gideon den Sieg über die Unbeschnittenen errungen, als er berufen wurde, der kleinlichen und verächtlichen Eifersucht seiner Brüder zu begegnen. „Und die Männer von Ephraim sprachen zu ihm: Was ist das für eine Sache, die du uns getan hast, dass du uns nicht gerufen, als du hinzogst, wider Midian zu streiten? Und sie zankten gewaltig mit ihm“ (Ri 8,1). Welch ein trauriges, unwürdiges Benehmen, und welch eine ungerechte Beschuldigung! Hatten sie nicht den Schall der Posaune vernommen, welche Israel zum Kampf aufforderte? Hatten sie nicht gehört, dass das Banner Gideons entfaltet worden war? Weshalb waren sie nicht die Ersten auf dem Kampfplatz gewesen? Es war eine leichte Sache, nach Beendigung des Kampfes zu erscheinen, um die Beute zu nehmen, und dann mit dem Mann zu rechten, der das Werkzeug Gottes zu ihrer Befreiung gewesen war.
Doch wir wollen nicht länger bei dem traurigen Benehmen der Männer von Ephraim verweilen, sondern lieber sehen, in welch herrlicher Weise Gideon ihren ungerechten Anklagen begegnete. „Und er sprach zu ihnen: Was habe ich nun getan, wie ihr? Ist nicht die Nachlese Ephraims besser, als die Weinlese Abiesers? In eure Hand hat Gott die Fürsten Midians gegeben, Oreb und Seeb; und was konnte ich tun, wie ihr? Da lieh ihr Zorn von ihm ab, als er dieses redete“ (V 2–3). Das ist die richtige Weise, um neidische und eifersüchtige Brüder zu überwinden. Das Gerstenbrot und die zerbrochenen Krüge vermochten sowohl eifersüchtige Ephraimiten, als auch feindliche Midianiter zu besiegen. Ein demütiger Geist, der sich selbst in den Hintergrund stellt, ist das große Geheimnis des Sieges über Neid und Eifersucht in all ihren hässlichen Formen. Es ist schwierig, ja unmöglich, mit einem Menschen zu streiten, der sich in wahrer Selbsterniedrigung in den Staub niederbeugt. „Was habe ich nun getan, wie ihr?“ Das ist die Sprache eines Mannes, der verstanden hatte, was es bedeutet, sich selbst zu vergessen. Und wir können sicher sein, dass eine solche Sprache stets den Neid und die Eifersucht des selbstzufriedensten Menschen entwaffnen wird. Möchten wir mehr und mehr diese Wahrheit verstehen!
Die Schlussszene der interessanten Geschichte Gideons ist ebenfalls voll von Belehrung für einen jeden Diener Christi. Sie belehrt uns, dass es weit leichter ist, einen Sieg zu erringen, als den richtigen Gebrauch davon zu machen – weit leichter, eine Stellung zu erreichen, als sie in der rechten Weise zu behaupten. „Und die Männer von Israel sprachen zu Gideon: Herrsche über uns, sowohl du, als dein Sohn, als auch deines Sohnes Sohn, denn du hast uns gerettet von der Hand Midians. Und Gideon sprach zu ihnen: Ich will nicht über euch herrschen, und mein Sohn soll nicht über euch herrschen; Jehova soll über euch herrschen“ (V 22–23). Soweit war alles sehr schön. Es stand in völliger Übereinstimmung mit der bisherigen Selbstverleugnung Gideons. Ein jeder Diener Christi wird stets suchen, die Seelen mit seinem Herrn, nicht aber mit sich selbst zu verbinden. Gideon wünschte Jehova um keinen Preis seinen Platz als Herrscher über Israel zu nehmen. Doch ach, in das Böse, vor dem er in der einen Form zurückschreckte, fiel er in einer anderen. „Und Gideon sprach zu ihnen: Eine Bitte will ich von euch: gebt mir ein jeglicher den Ohrring seiner Beute; denn sie hatten goldene Ohrringe, weil sie Ismaeliter waren. Und sie sprachen: Gern wollen wir sie geben, und sie breiteten ein Oberkleid aus und warfen darauf ein jeglicher den Ohrring seiner Beute ... Und Gideon machte daraus ein Ephod und stellte es in seine Stadt, in Ophra. Und ganz Israel hurte ihm daselbst nach, und es war Gideon und seinem Haus zum Fallstrick“ (V 24–27).
So ist der Mensch, selbst der beste, wenn er sich selbst überlassen wird. Derselbe Mann, der seine Brüder soeben zu dem glänzendsten Sieg über Midian geführt hatte, verleitete sie jetzt zu dem traurigsten Götzendienst. Die Ohrringe der Ismaeliter taten, was ihre Schwerter nicht zu tun vermocht hatten; und die Liebeszeichen der Kinder Israels erwiesen sich als weit gefährlicher, wie das Gezänk der Männer von Ephraim. Während das letztere Gideon Gelegenheit gab, einen lieblichen Geist der Selbstlosigkeit zu offenbaren, wurden die ersteren zu einem Fallstrick für ihn und für das ganze Haus Israels. Hätte Gideon die Ohrringe zurückgewiesen, wie er den Thron ausschlug, so würde es für ihn und seine Brüder zum Besten gewesen sein; doch der Teufel legte eine Schlinge vor seine Füße, in welche er selbst fiel und zugleich alle seine Brüder mit hineinzog. Möchten wir uns alle durch den Fall Gideons warnen und durch seine Siege ermuntern lassen!