Botschafter des Heils in Christo 1879

Gilgal - Teil 3/4

Nachdem wir so in den vorigen Abschnitten die beiden Hauptteile des uns beschäftigenden Gegenstandes, nämlich Israel unter dem Schutz des Blutes und Israel an den Ufern des Roten Meeres, betrachtet haben, bleibt uns noch übrig, für einige Augenblicke unsere Aufmerksamkeit auf jenes Volk zu richten, wie es den Jordan durchschreitet und das Passahfest zu Gilgal feiert. Es repräsentiert in diesen beiden Handlungen die wahre Stellung des Christen, die er jetzt einnimmt.

Der Christ ist nicht nur vor dem Gericht in Sicherheit gebracht durch das Blut des Lammes, sondern er ist auch durch den Tod Christi befreit von diesem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf und vereinigt mit Ihm dort, wo Er jetzt ist, zur rechten Hand Gottes. Er ist gesegnet mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus. Er ist daher ein himmlischer Mensch und berufen, als ein solcher in dieser Welt zu wandeln in all den verschiedenen Beziehungen und verantwortlichen Verhältnissen, in welche die gütige Hand Gottes ihn gestellt hat. Er ist nicht ein Mönch oder ein Einsiedler, der in beschaulicher Ruhe und Einsamkeit seine Tage verbringt, noch gleicht er einem Menschen, der in den Wolken lebt und weder für die Erde, noch für den Himmel geeignet ist. Er führt nicht ein träumerisches Leben inmitten einer finsteren und trüben Umgebung, nein, sein glückliches Vorrecht ist es, von Tag zu Tage inmitten der Szenen und Umstände der Erde die Gnade und die Tugenden eines himmlischen Christus zu betrachten und zu verkündigen, mit welchem er durch eine unendliche Gnade und auf dem unerschütterlichen Grund einer vollbrachten Erlösung verbunden ist durch die Macht des Heiligen Geistes. Das ist der Christ nach der Belehrung des Neuen Testaments. Seine Sünden sind vergeben – er besitzt ewiges Leben, und er weiß dieses – der Heilige Geist wohnt in ihm – er ist angenommen in und verbunden mit einem auferstandenen und verherrlichten Christus – er ist der Welt gekreuzigt, ist der Sünde und dem Gesetz gestorben, und er findet seinen Gegenstand, seine Wonne und seine geistliche Nahrung in dem Christus, der ihn geliebt und sich selbst für ihn dahingegeben hat, und auf dessen Ankunft er jeden Tag seines Lebens hofft.

Das sind, wir wiederholen es, die Gedanken des Neuen Testaments über einen Christen. Wie unendlich verschieden sie sind von dem gewöhnlichen Gepräge christlicher Bekenntnisse um uns her, brauchen wir wohl nicht zu sagen. Möchte der Leser sich nach dem göttlichen Muster messen und sehen, woran es bei ihm fehlt; denn davon kann er sich versichert halten, dass, soweit die Liebe Gottes, oder das Werk Christi, oder das Zeugnis des Heiligen Geistes in Betracht kommen, es durchaus keinen Grund gibt, weshalb er sich nicht des ganzen Reichtums jener geistlichen Segnungen, welche der wahren christlichen Stellung angehören, völlig und ungeteilt erfreuen sollte. Finstrer, durch Gesetzlichkeit genährter Unglaube, schlechte Lehre und falsche Religiosität berauben eine große Zahl der geliebten Kinder Gottes des ihnen zukommenden Platzes und ihres Teiles. Bei vielen jedoch ist es auch der Mangel an einem vollständigen Bruch mit der Welt, der sie daran hindert, klar zu denken und als himmlische Menschen ihre Stellung zu verwirklichen und ihre Vorrechte zu genießen.

Doch wir greifen der Unterweisung, die wir in der vorbildlichen Geschichte Israels in Josua 3–5 entfaltet finden, vor. Wir lesen im Anfang des dritten Kapitels: „Und Josua machte sich des Morgens früh auf, und sie brachen auf von Schittim und kamen an den Jordan, er und alle Kinder Israel, und sie übernachteten daselbst, ehe sie hinübergingen. Und es geschah am Ende von drei Tagen, da gingen die Vorsteher mitten durchs Lager, und sie geboten dem Volk und sprachen: Wenn ihr seht die Lade des Bundes Jehovas, eures Gottes, und die Priester, die Leviten, sie tragen, so brecht auf von eurer Stätte und geht ihr nach. Doch soll eine Entfernung sein zwischen euch und ihr bei Zweitausend Ellen nach dem Maß. Ihr sollt ihr nicht nahen, auf dass ihr den Weg wisst, auf dem ihr gehen sollt, denn ihr seid des Weges nicht gezogen gestern und vorgestern“ (Jos 3,1–4).

Es ist unser sehnlicher Wunsch, dass der Leser mit aller Einfachheit und Klarheit die wahre geistliche Bedeutung des Jordanflusses erfasse. Wie das Rote Meer, so stellt auch der Jordan den Tod Christi in einem seiner wichtigsten Gesichtspunkte vor. Als die Kinder Israel auf der anderen Seite des Schilfmeeres standen, sangen sie das Lied der Erlösung. Sie waren ein befreites Volk, befreit von Ägypten und von der Macht Pharaos. Sie sahen alle ihre Feinde tot an den Ufern des Meeres. Sie konnten deshalb in jubelnden Tönen ihren triumphierenden Einzug in das gelobte Land im Voraus besingen. „Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es geführt durch deine Stärke zu der Wohnung deiner Heiligkeit. Es hörten es die Völker, sie bebten, Zittern ergriff die Bewohner Philistäas. Es wurden bestürzt die Fürsten Edoms, die Gewaltigen Moabs, sie ergriff Beben; gänzlich verzagten alle Bewohner Kanaans. Es überfällt sie Schrecken und Furcht; ob der Größe deines Armes verstummen sie gleich einem Stein, bis hindurchzieht dein Volk, Jehova, bis hindurchzieht das Volk, das du erworben hast. Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Jehova, zu deiner Wohnung gemacht, das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereitet haben. Jehova wird König sein immer und ewiglich“ (2. Mo 15,13–18). Alles dieses war herrlich und göttlich wahr, und doch war Israel noch nicht in Kanaan. Der Jordan, dessen sie in ihrem prächtigen Siegesgesang gar keine Erwähnung tun, lag noch zwischen ihnen und dem gelobten Land. Es ist wahr, nach den Ratschlüssen Gottes und nach dem Urteil des Glaubens gehörte das Land ihnen, aber sie hatten noch die Wüste zu durchpilgern, den Jordan zu überschreiten und das Land selbst in Besitz zu nehmen.

Wir begegnen derselben Erscheinung fortwährend in der Geschichte der Seelen. In den ersten Augenblicken nach der Bekehrung findet sich nur Raum für Freude, Dank und Preis. Die Seelen wissen, dass ihre Sünden vergeben sind, und sie sind mit Bewunderung, Liebe und Anbetung erfüllt. Gerechtfertigt aus Glauben, haben sie Frieden mit Gott; sie können sich in Hoffnung seiner Herrlichkeit rühmen, ja sie können sich Gottes selbst rühmen durch unseren Herrn Jesus Christus. Sie befinden sich in Römer 5,1–11; und in einer Hinsicht kann es nichts Erhabeneres geben. Im Himmel selbst werden wir nichts Erhabeneres oder besseres besitzen als diese Freude und dieses Rühmen in Gott, aber dann freilich in einer vollkommenen Weise. Man spricht oft davon, dass das achte Kapitel des Römerbriefes erhabenere Wahrheiten enthalte, als das Fünfte. Aber was kann wohl höher und erhabener sein, als sich Gottes zu rühmen? Wenn wir zu Gott gebracht sind, so haben wir den höchsten Punkt erreicht, zu welchem eine Seele je kommen kann. Ihn zu kennen als unser Teil, unsere Ruhe, unseren Halt, unseren Gegenstand, unser alles – alle unsere Quellen in Ihm zu haben und zu wissen, dass Er zu allen Zeiten, an allen Orten und unter allen Umständen eine vollkommene Hülle für unsere Augen ist, das ist für den Gläubigen der Himmel selbst.

Doch dieser Unterschied besteht zwischen Römer 5 und 8, dass die Kapitel 6 und 7 dazwischenliegen. Wenn die Seele praktischer Weise die beiden letzteren durchschritten und gelernt hat, wie sie die kostbaren und tiefen Wahrheiten derselben auf die großen Fragen der innewohnenden Sünde und des Gesetzes anwenden muss, dann ist sie in einem besseren Zustand, obwohl sicherlich nicht in einer erhabeneren Stellung. Wir wiederholen noch einmal ausdrücklich die Worte: „praktisch durchschritten“, denn wir müssen dies getan haben, wenn wir wirklich in jene heiligen Geheimnisse, Gott gemäß, eintreten wollen. Es ist nicht schwer, darüber zu sprechen, dass wir der Sünde und dem Gesetz gestorben sind – es ist leicht, diese Dinge in Römer 6 und 7 niedergeschrieben zu sehen und mit dem Verstand die bloße Theorie derselben zu erfassen. Allein die Frage ist: Haben wir sie uns zu eigen gemacht? Sind sie durch die Macht des Heiligen Geistes in praktischer Weise auf unsere Seelen angewandt worden? Finden sie in unserem täglichen Wandel einen lebendigen Ausdruck zur Verherrlichung dessen, der uns um einen so hohen Preis zu einem solch wunderbaren Platz der Segnung und des Vorrechts gebracht hat? Es steht sehr zu befürchten, dass diese tiefen und kostbaren Wahrheiten bei einem großen Teil der Gläubigen eine bloße Sache des Wissens sind, während sie, wenn sie wirklich in geistlicher Kraft erfasst werden, im praktischen Leben die bemerkenswertesten Resultate hervorzubringen vermögen.

Doch wir müssen zu unserem Thema zurückkehren, und indem wir dieses tun, möchten wir die Frage an einen jeden Leser dieser Zeilen richten: „Verstehst du wirklich die wahre geistliche Bedeutung des Jordanflusses?“ Wir haben gesagt, dass er den Tod Christi darstelle. Aber wir können diesen Tod von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten, und wir glauben, dass der Jordan nicht so sehr ein Bild des Todes unseres Herrn Jesus ist, in seiner Anwendung auf das, wovon er uns befreit hat, als vielmehr auf das, worin wir eingeführt worden sind. Das Rote Meer befreite Israel von Ägypten und von Pharao. Der Jordan brachte sie in das Land Kanaan. Wir finden beides in dem Tod Christi. Er hat uns – gepriesen sei sein Name! – durch seinen Kreuzestod nicht nur von unseren Sünden, unserer Schuld und unserer Verdammnis, sondern auch von der Macht Satans und von diesem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf befreit, und Er hat uns durch dasselbe unendlich kostbare Werk jetzt in eine ganz neue Stellung, in eine lebendige Vereinigung und Gemeinschaft mit sich selbst gebracht, und zwar dort, wo Er ist zur rechten Hand Gottes. Das ist die bestimmte Lehre des 2. Kapitels des Briefes an die Epheser. Der Apostel sagt dort: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht durch (Gnade seid ihr errettet) und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (V 4–6).

Beachten wir hier das Wörtchen „hat.“ Der Apostel spricht nicht davon, was Gott tun will, sondern was Er getan hat – getan für uns und mit uns in Christus. Der Gläubige erwartet nicht, zum Himmel zu gehen, wenn er stirbt. Er ist schon dort in der Person seines lebendigen und verherrlichten Hauptes, er ist dort im Geist und durch den Glauben. Aber ist das alles wirklich wahr? Möchte vielleicht mancher fragen. Es ist ebenso wahr und gewiss, wie Christus an dem Kreuz hing und im Grab lag. Ebenso wahr und gewiss, wie wir tot in Sünden und Übertretungen waren. Es ist so wahr, wie es die ewige Wahrheit Gottes machen kann, so wahr, wie die Innewohnung des Heiligen Geistes in einem jeden wahren Gläubigen.

Wir sprechen jetzt natürlich nicht von der praktischen Verwirklichung aller dieser herrlichen Wahrheiten in dem täglichen Leben des Christen. Das ist eine ganz andere Sache. Ach, wenn wir unsere Schlüsse über die wahre christliche Stellung aus dem praktischen Wandel der bekennenden Christen zu ziehen hätten, so könnten wir das Christentum nur als eine sagenhafte Mythe, als einen Schatten aufgeben. Doch, Gott sei Dank! Es ist nicht so. Aus den Schriften des Neuen Testaments erfahren wir, was wahres Christentum ist, und wir lernen dort zu gleicher Zeit, uns selbst, unsere Wege und unsere Umgebungen in seinem himmlischen Licht zu richten. Auf diese Weise werden unsere Herzen, während wir sicher immer über unsere Gebrechen zu seufzen und sie zu bekennen haben werden, mehr und mehr erfüllt sein mit Lob und Dank gegen Ihn, dessen unendliche Gnade uns in Verbindung und in Gemeinschaft mit seinem eignen Sohn in eine so herrliche Stellung versetzt hat – eine Stellung, die in keiner Weise von unserem persönlichen Zustand abhängig ist, sondern die, wenn sie wirklich verstanden wird, einen mächtigen Einfluss auf unser ganzes Verhalten und auf unseren Charakter ausüben muss. 1

Je tiefer wir in die vorbildliche Belehrung, die uns in dem Jordanfluss dargeboten wird, eindringen, desto klarer muss es uns werden, dass die ganze christliche Stellung in dem Standpunkt eingeschlossen ist, von welchem wir ihn betrachten. Wenn der Jordan ein Bild des Todes ist und wir diesem noch zu begegnen haben, dann sind wahrlich unsere Aussichten sehr düstere; denn der Tod ist der Lohn der Sünde, und die Sünde ist der Stachel des Todes. Allein, Gott sei Dank! Es ist nicht so. Das große Gegenbild der Bundeslade ist vor uns in den Jordan hineingegangen, um seine Fluten aufzuhalten und ihn zu einem trocknen Pfad für unsere Füße zu machen, damit wir rein und unversehrt in unser himmlisches Erbteil hinübergehen könnten. Der Fürst des Lebens hat um unsertwillen den, der die Macht des Todes hatte, vernichtet. Er hat dem Tod seinen Stachel genommen, ja Er hat den Tod selbst zu dem Mittel gemacht, durch welches wir in dem gegenwärtigen Augenblick im Geist und durch den Glauben das himmlische Kanaan erreichen.

Lasst uns jetzt untersuchen, in wie weit dies alles in unserem Vorbild dargestellt wird. Vor allem ist der Befehl, der durch die Vorsteher gegeben wurde, höchst beachtenswert. „Wenn ihr seht die Lade des Bundes Jehovas, eures Gottes, und die Priester, die Leviten, sie tragen, so brecht auf von eurer Stätte und geht ihr nach.“ Die Lade musste vorausgehen. Die Israeliten durften sich keinen Zoll auf jenem geheimnisvollen Wege vorwärtsbewegen, bevor das Symbol der Gegenwart Gottes vorausgegangen war. „Doch soll eine Entfernung sein Mischen euch und ihr, bei zweitausend Ellen nach dem Maß. Ihr sollt ihr nicht nahen, auf dass ihr den Weg wisst, auf dem ihr gehen sollt, denn ihr seid des Weges nicht gezogen gestern und vorgestern“ (V 4). Es war ein unbekannter Weg, der noch nie betreten worden war. Kein Sterblicher konnte ihn straflos betreten. Tod und Verdammnis sind mit einander verbunden. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27). Wer kann vor dem König der Schrecken bestehen? Wer kann jenem grimmigen, schrecklichen Feinde Trotz bieten? Wer kann die Fluten des Jordan durchschreiten? Der arme Petrus glaubte, es zu können, aber wir wissen, wie sehr er sich täuschte. Er sagte zu Jesu: „Herr, wo gehst du hin? Jesus antwortete ihm: Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen“ (Joh 13,36). Welch eine deutliche Erklärung geben uns diese Worte über die Bedeutung jenes geheimnisvollen Zwischenraums zwischen Israel und der Lade des Bundes! Petrus verstand diesen Zwischenraum nicht. Er hatte Josua 3,4 nicht richtig untersucht. Er kannte durchaus nicht jenen schrecklichen Pfad, den sein geliebter Herr und Meister zu betreten im Begriff stand. „Petrus spricht zu Ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich lassen“ (V 37).

Der arme Petrus! Wie wenig kannte er sich selbst! Wie wenig verstand er von dem, was er in seiner Unwissenheit zu tun sich vermaß! Er dachte nicht im Geringsten daran, dass schon das ferne Geräusch der dunklen Wasser des Todes genügen würde, um ihn so zu erschrecken, dass er fluchen und schwören würde, seinen Meister nicht zu kennen. „Jesus antwortete: Dein Leben willst du für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast“ (V 38).

„Doch soll eine Entfernung sein zwischen euch und ihr.“ Wie nötig und wichtig ist dieses! Zwischen Petrus und dem Herrn gab es in der Tat einen Zwischenraum. Jesus musste vorangehen. Er musste dem Tod in seiner schrecklichsten Gestalt begegnen. Er mühte jenen rauen Pfad in völliger Einsamkeit betreten – denn wer hätte Ihn begleiten können?

„Du kannst mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen.“ Anbetungswürdiger Herr! Er wollte nicht dulden, dass sein armer, schwacher Diener jenen schrecklichen Pfad eher betrat, als bis Er selbst vorangegangen war und seinen Charakter so gänzlich verändert hatte, dass er durch die Strahlen des Lebens und der Unsterblichkeit erhellt wird. Unser Jesus hat „den Tod zunichtegemacht und Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht durch das Evangelium“ (2. Tim 1,10). Der Tod ist daher für den Gläubigen nicht länger mehr Tod. Für Jesus war es der Tod in seiner ganzen furchtbaren Wirklichkeit, mit allen seinen Schrecken. Er begegnete ihm als der Macht, welche Satan über die Seele des Menschen besitzt. Er begegnete ihm als der Strafe, welche die Sünde verdient, und als dem gerechten Gericht Gottes gegen die Sünde und gegen uns. Nichts, was im Stande war, den Tod schrecklich zu machen, fehlte bei dem Tod Christi. Er begegnete allem, und wir werden, Gott sei dafür gepriesen! als solche betrachtet, die in Ihm und durch Ihn durch alles hindurchgegangen sind. Wir starben in Ihm, so dass der Tod nicht länger ein Anrecht auf uns oder eine Macht über uns hat. Seine Anrechte sind beseitigt, seine Macht ist gebrochen und für alle Gläubigen hinweggetan. Der ganze Schauplatz ist völlig vom Tod gereinigt und mit Leben und Unvergänglichkeit angefüllt.

Und dann finden wir in der Geschichte des Petrus, wie unser Herr in dem letzten Kapitel des Johannes, voll von Gnade, dem aufrichtigen Verlangen seines Dieners, Ihm, seinem geliebten Herrn, zu folgen, entgegenkommt. „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, so wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst. Dies aber sagte Er, andeutend, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte“ (Joh 21,18–19). Der Tod wurde also, anstatt das Gericht Gottes zu sein, um Petrus zu überwältigen, zu einem Mittel, durch welches er Gott verherrlichen konnte.

Welch eine herrliche Tatsache! Welch ein staunenswertes Geheimnis! Wie verherrlicht dieses das Kreuz oder vielmehr den Einen, der an dem Kreuz hing! Welch eine gewaltige Umwälzung muss stattgefunden haben, wenn ein armer, sündiger Mensch im Tod Gott verherrlichen kann! So völlig ist der Tod seines Stachels beraubt und so gänzlich sein Charakter verändert worden, dass wir ihm, anstatt vor ihm zurückzuschrecken, mit Siegesliedern auf unseren Lippen entgegengehen können, und dass er, anstatt für uns der Lohn der Sünde zu sein, zu einem Mittel wird, durch welches wir Gott verherrlichen können.

Doch wir müssen zu unserem Gegenstand zurückkehren. „Und Josua sprach zu den Priestern und sagte: Nehmt die Lade des Bundes auf und geht vor dem Volk hinüber. Und sie nahmen die Lade des Bundes auf und gingen vor dem Volk her. Und Jehova sprach zu Josua: An diesem Tag will ich beginnen, dich groß zu machen vor den Augen von ganz Israel, damit sie wissen, dass, wie ich mit Mose gewesen bin, ich mit dir sein werde.“ Josua steht vor uns als ein Vorbild des auferstandenen Christus, der in der Macht des Heiligen Geistes sein Volk in sein himmlisches Erbe einführt. Die Priester, welche die Lade mitten in den Jordan hineintragen, stellen Christus vor, wie Er für uns in den Tod ging und die Macht desselben völlig vernichtete. Er ging durch die finsteren Fluten des Todes hindurch, um unsere Ruhe zu sicheren, und nicht allein dies, sondern auch, um uns in Verbindung mit sich in dieselbe einzuführen, und Zwar jetzt im Geist und durch den Glauben, später aber in Wirklichkeit. „Und Josua sprach zu den Kindern Israel: Naht herzu und hört die Worte Jehovas, eures Gottes. Und Josua sprach: Daran sollt ihr wissen, dass der lebendige Gott in eurer Mitte ist, und dass Er die Kanaaniter und die Hethiter ... gänzlich vor euch austreiben wird. Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan“ (V 9–11).

Der Eintritt der Bundeslade in den Jordan bewies zweierlei, nämlich dass der lebendige Gott in der Mitte seines Volkes gegenwärtig war, und dass Er alle ihre Feinde gänzlich vor ihnen austreiben würde. Der Tod Christi ist für den Glauben die Grundlage und die Garantie für alles. Aus der einen großen Tatsache, dass Christus für uns in den Tod gegangen ist, schließen wir mit völligem Vertrauen, dass alles in Ordnung gemacht ist. Gott ist mit uns, und Gott ist für uns. „Er, der doch seines eignen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,32) Die Schwierigkeit für den Ungläubigen besteht in der Frage: „Wie wird Er schenken?“ Der Glaube dagegen fragt: „Wie wird Er Nicht schenken?“ Israel mochte verwundert fragen, wie denn alle die zahllosen Heere der Kanaaniter vor ihnen ausgetrieben werden sollten; blickten sie jedoch auf die Lade in der Mitte des Jordan, so mussten alle Bedenken und alle Zweifel schwinden. Das geringere ist in dem größeren eingeschlossen. Und daher können wir fragen: Was dürfen wir nicht erwarten im Blick darauf, dass Christus für uns gestorben ist? Nachdem Gott seines eingeborenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat, gibt es nichts mehr, was für Ihn zu gut, zu groß oder zu herrlich wäre, um es für uns und in uns und mit uns zu tun. Alles ist uns durch den Tod Christi zugesichert. Er hat den Weg geöffnet, auf welchem sich die reichen Ströme der Liebe Gottes in unsere Seelen ergießen können. Er gibt uns die süße Versicherung, dass Er, der seinen eignen Sohn für uns auf dem Fluchholz richtete, allen unseren Bedürfnissen begegnen, uns durch alle Schwierigkeiten hindurchführen und in den vollen Besitz und Genuss alles dessen bringen wird, was seine ewigen Gnadenratschlüsse für uns vorgesehen haben. Nachdem Er uns einen solchen Beweis seiner Liebe zu einer Zeit, da wir noch Sünder waren, gegeben hat, was können wir da nicht jetzt aus seinen Händen erwarten, wo Er uns in Verbindung mit der gesegneten Person dessen sieht, der Ihn im Tod verherrlicht hat? Sobald Israel die Lade in der Mitte des Jordan erblickte, war es berechtigt, alles für geordnet zu betrachten. Sie hatten wohl, wie wir wissen, noch Besitz von dem Land zu nehmen und ihre Füße auf ihr Erbe zu setzen, allein die Macht, welche im Stande war, die Wogen des Jordan aufzuhalten, vermochte auch jeden Feind vor ihnen auszutreiben und sie in den friedlichen Besitz alles dessen zu bringen, was Gott ihnen verheißen hatte (Schluss folgt).

Fußnoten

  • 1 Wir bitten den Leser dringend, mit Aufmerksamkeit Römer 3-8 und Epheser 1 und 2 zu lesen und diese Kapitel in Verbindung mit dem uns augenblicklich beschäftigenden Gegenstand zu untersuchen. Die ersteren Kapitel stehen in genauer Beziehung zu den Begebenheiten an dem Roten Meere, die letzteren in Beziehung zu dem Jordan.
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