Botschafter des Heils in Christo 1879
Betrachtungen über den Brief des Jakobus - Teil 4/6
Kapitel 3 – In Bezug auf das Reden ermahnt Jakobus zur Demut: „Werdet nicht viele Lehrer, meine Brüder“ (V 1). Wenn man sich selbst nicht kennt, so ist es viel leichter, andere zu belehren, als sich selbst zu beherrschen. Die Demut im Herzen macht langsam zum Reden; sie ist immer geneigt, zu warten, um belehrt zu werden und andere ihre Gedanken ausdrücken zu lassen; wir werden viel mehr lernen als lehren. Mit dieser Ermahnung beginnt Jakobus eine ernste Betrachtung über die Gefahren der Zunge. Kein Mensch vermag dieselbe zu zähmen. Sie macht aufs deutlichste kund, was im Herzen vorgeht: „Aus der Fülle des Herzens redet der Mund.“ Manche richten mit ihrer Zunge, mit harten Worten, mehr Unheil an, als mit ihrer Hand. Zudem werden viele leichtfertige und eitle Worte ausgesprochen.
Jakobus besteht darauf, den Willen im Zaum zu halten, kein Selbstvertrauen zu haben und die Leichtfertigkeit des Fleisches durch die Furcht Gottes zu unterdrücken. Zunächst warnt er den Christen, sich nicht leichtfertigerweise voranzustellen, uni zu lehren – weil er ein umso schwereres Urteil empfangen wird. Die Liebe treibt dazu an, die Brüder zu erbauen, und der Geist leitet die Demütigen, welche ihre Gaben ausüben. Es kann nun aber sein, dass ein Christ sich gerne hören lässt, dass er nicht demütig ist, sondern redet, weil er Vertrauen auf sich selbst hat. Das aber ist nicht Liebe, sondern vielmehr Eigenliebe. Zudem straucheln wir alle in vielen Dingen, und wenn wir andere belehren, oder uns wenigstens anmaßen, es zu tun, so sind wir selbstredend umso verantwortlicher, und unsere Fehltritte sind gewichtiger; wie können wir andere belehren, wenn wir selbst nicht treu wandeln? Das ist nicht die Furcht Gottes. Wenn das Gewissen nicht rein ist vor Gott, so ist es unmöglich, dass wir seine Gnade und Wahrheit in seiner Kraft verkündigen, denn wir stehen nicht in seiner Gegenwart, und Er ist nicht mit uns. Die erste Wirkung seiner Gegenwart wird sein, unser Gewissen aufzuwecken. Derjenige, welcher lehrt, muss in wahrer und tiefer Demut verharren und wachen, damit er nicht auf seinem Weg strauchele.
Dieser Geist der Demut ist nicht ein Mangel an Vertrauen auf Gott, sondern er steht gerade mit diesem Vertrauen in engster Verbindung. Wer in diesem Geist wandelt, wird gewiss nicht zu dem Herrn sagen: „Ich weiß, dass du ein harter Mann bist.“ Da ist kein Selbstvertrauen mehr vorhanden; ein solcher redet, wenn es der Wille Gottes ist, und er tut es in der Kraft seines Geistes. Er ist langsam zum Reden, und er harrt auf Gott, um es in Übereinstimmung mit Ihm zu tun. Noch andere wichtige Wahrheiten stehen hiermit in Verbindung. Wir straucheln alle in vielen Dingen; wer sich vollkommen nennt, täuscht sich. Jenes Straucheln will selbstredend nicht sagen, dass wir uns schwer vergehen, aber wir tun und reden oft etwas, das vor Gottes Augen tadelnswert ist. Unser Wort ist nicht allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt. Es finden sich Mängel bei uns, und wir können uns nicht entschuldigen, weil der Herr gesagt hat: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2. Kor 12,9). Gleichwohl fehlen wir, so traurig dies auch ist, und wir sind genötigt, es einzugestehen. Wandeln wir aber mit Gott, so wird seine Gnade es uns fühlen und erkennen lassen; wir werden mit mehr Wachsamkeit und Demut in der Nähe Gottes bleiben und besonders im Gefühl der Abhängigkeit von Ihm verharren.
Es tritt uns hier jedoch noch eine andere Wahrheit entgegen. Jene Ermahnung wäre nicht nötig, wenn nicht die Freiheit zum Reden, so oft dies der Wille Gottes ist, das Teil aller Brüder wäre, je nach ihren Gaben und gemäß der Vorschriften, die wir im Wort Gottes finden. Würde eine bestimmte Person zum Reden eingesetzt worden sein, so wäre jene Warnung ganz überflüssig. Wir finden hier also eine moralische Ermahnung zur Bescheidenheit, zur Ruhe, zum Misstrauen gegen sich selbst und zur Furcht Gottes, weil Gefahr vorhanden ist, zu straucheln, und weil wir verantwortlich sind. Der alleinige Dienst eines Einzelnen in der Versammlung ist ausgeschlossen. Dies soll nicht heißen, dass ein Einzelner einen Dienst, den Gott ihm anvertraut, nicht ausüben könne; im Gegenteil, dieser Dienst eines Einzelnen ist jedem gestattet, wenn der Herr ihm die nötige Gabe dazu erteilt hat; aber eben deshalb muss es in Unterwürfigkeit gegenüber den Ermahnungen des Wortes geschehen. Die Tätigkeit des Fleisches wird verworfen und die Freiheit des Heiligen Geistes dargestellt. Der Herr bedient sich eines jeden, wie Er es für gut und passend findet, sei es hinsichtlich der fortdauernden Gaben als Lehrer, Hirten und Evangelisten, welche bis ans Ende bei uns bleiben werden, sei es hinsichtlich des Dienstes eines jeden Gliedes an dem Platz, den Gott ihm angewiesen hat.
Das, was hier vom Straucheln gesagt wird, setzt Jakobus in Anwendung auf die Zunge fort, welche so leicht in Tätigkeit gesetzt wird und jeder Bewegung des Herzens folgt. Alles ist gezähmt worden, sogar die wilden und die kriechenden Tiere, aber noch keiner der Menschen hat die Zunge zu zähmen vermocht; sie ist voll tödlichen Giftes. Die Worte des Jakobus sind sehr stark, aber leider sehr wahr. Erinnern wir uns jedoch, dass die Zunge, wenn wir uns der Sünde für tot halten und durch den Geist wandeln, der Ausdruck der Gedanken des Geistes sein wird; vielleicht auch verhält sie sich stille, weil die Gnade nichts mitzuteilen hat. Mancher Mensch mag in seiner eigenen Kraft fähig sein, sich von Tätlichkeiten zurückzuhalten, während er nicht im Stande ist, ein leidenschaftliches oder hartes Wort gegen seinen Nächsten zu unterdrücken. Kann aber auch keiner der Menschen die Zunge bändigen, so kann doch die Gnade Christi es tun; denn der innere Mensch ist unter dem Joch des Herrn und deshalb sanftmütig und von Herzen demütig; Christus erfüllt sein Herz, und da die Zunge den Bewegungen des Herzens folgt, so drücken die Worte diese Sanftmut und Demut aus. Es ist aber nötig, dass Christus allem im Herzen wohne und das Fleisch im Zaum gehalten werde, damit es sich nicht rege, wenn die Versuchung kommt. Freilich ist es schwierig, nicht zu fehlen, aber es ist überaus nützlich, zu sehen, dass die Zunge kundgibt, was in uns wirksam ist, wie die Zeiger einer Uhr die verborgenen Bewegungen des Räderwerkes andeuten.
Es ist gut, den wahren Charakter der Zunge, sowie er hier beschrieben wird, zu beachten. Wenn Jakobus sagt: „Sprudelt die Quelle aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere?“ so will er damit nicht sagen, dass dieses mit dem Mund des Menschen nicht der Fall sei – denn eben darüber beklagt er sich (V 9–10) – sondern dass das Böse sich nicht finden sollte; es ist selbst wider die Natur. Hernach beschreibt er den Charakter des weisen und verständigen Menschen. Er will, dass er aus einem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit Zeige. Die Weisheit, oder wenigstens die Erkenntnis, welche sich durch einen Geist des Eifers und der Zanksucht kundgibt, ist nicht göttliche Weisheit; die göttliche Weisheit ist nicht getrennt von dem Zustand des Herzens, von der Sanftmut, welche hervorgebracht wird durch die Gnade, durch das Bewusstsein der Gegenwart Gottes, durch einen gebrochenen Willen und durch das, was man von Jesu lernt, der sanftmütig und von Herzen demütig ist. Eines Mannes Zorn wirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes. Die Weisheit, die sich rühmt und eifert, ist irdisch, sinnlich, teuflisch; sie kommt nicht von oben herab, sie äußert sich durch Eifer und Zanksucht, welche die Quelle von Zerrüttung und jeglicher schlechten Tat sind. Die Weisheit, welche von oben kommt, verbindet sich mit dem Bewusstsein der Gegenwart Gottes und der Gemeinschaft mit Ihm, wobei die natürliche Energie ausgeschlossen ist und der Geist der Abhängigkeit von Gott sich kundgibt. Sie weiß, dass sie außer Christus nichts vermag. Die Verwirklichung der Gegenwart Gottes bewirkt, dass diese Weisheit vor allem rein ist; sie kann auch nicht anders sein, wenn Gemeinschaft mit Gott vorhanden ist. Denn diese Gemeinschaft, welche zugleich auch Weisheit verleiht, findet notwendiger Weise in der Reinheit statt. Indem die göttliche Natur in uns die Gegenwart Gottes verwirklicht und in Ihm bleibt, erkennt sie das, was vor Gott wohlgefällig ist, und hat geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und des Bösen. Sie verlangt nicht, Gewalt auszuüben, aber sie kann das Böse, welches uns von Gott entfernt, nicht gestatten.
„Die Weisheit von oben ist aufs erste rein, sodann, friedsam“; sie wandelt im Frieden vor Gott – der Geist des Friedens herrscht im Herzen – sie ist gelinde, folgsam, hinsichtlich des eignen Willens unterwürfig; sie sucht denselben nicht zu befriedigen, sondern ist vielmehr geneigt, den Willen der Anderen zu tun, falls derselbe dem Willen Gottes nicht entgegen ist. Sodann entwickelt sich die Wirksamkeit des Guten im Herzen: sie ist voll Barmherzigkeit und, weil sie glücklich ist in Gott, von der Eigenliebe befreit. Sie fühlt das Elend der Anderen und bringt die guten Früchte hervor, die aus der Barmherzigkeit fließen. Sie ist nicht geneigt, zu eifern oder die Fehltritte, die Mängel und Gebrechen der Anderen und ihrer Werke aufzusuchen, noch auch geneigt, zu tadeln oder zu richten, als wäre sie überlegen und hierzu befähigt. Zudem wandelt sie in der Einfalt und Lauterkeit des Herzens, indem sie nicht den Beifall der Menschen sucht, noch etwas sein oder scheinen will, was sie nicht wirklich ist. Indem sie nicht an sich selbst denkt, tut sie den Willen Gottes in Einfalt des Herzens und wünscht aus Liebe den Anderen zu gefallen, als handle es sich um ihre eigene Freude. Dies ist das liebliche Gemälde der göttlichen Weisheit.
Beachten wir, wie Jakobus stets bemüht ist, den eignen Willen zum Schweigen zu bringen, um fähig zu sein, den Willen Gottes zu tun und, indem man der göttlichen Natur teilhaftig ist, Gottes Charakter zu offenbaren, den Charakter Christi, der die Offenbarung Gottes im Fleisch ist. Er kam nicht in diese Welt, um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der Ihn gesandt hatte. Er unterwarf sich stets dem Unrecht und der Ungerechtigkeit, indem Er das Gute tat und in Sanftmut und Liebe wandelte. Das Gute tun, leiden und Geduld haben, das ist, wie Petrus sagt, wohlgefällig vor Gott (1. Pet 2,20). Wenn das eigene Ich tot ist, so ist die Liebe frei. Man wandelt im Frieden, man stiftet den Frieden, und die Früchte der Gerechtigkeit in Frieden werden denen gesät, die Frieden stiften. „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen“ (Mt 5,9). Es ist die Nachahmung des Friedens und der Liebe Gottes im menschlichen Wandel, wie Christus dieselben hienieden offenbart hat. Kapitel 4 – Nachdem Jakobus die Gesinnung des Friedens in den Wegen des Christen empfohlen hat, fragt er: „Woher kommen Kriege und woher Kämpfe unter euch?“ An welch eine Klasse von Personen denkt er hier? Es müssen nicht notwendiger Weise die Christen sein. Diesen geziemt die Sanftmut der Weisheit, die gelinde und folgsame Weisheit (Kap 3,17). Allein, wie schon bemerkt, befanden sie sich noch inmitten der Zwölf Stämme, und ohne Zweifel meint Jakobus diese, wenn er hier sagt: „unter euch“. Jedoch konnten die Christen in jene Kämpfe verwickelt sein, so dass die Ermahnung sich auch an sie richtete. Diese Zwistigkeiten kamen ans den Wollüsten. Der Wille war nicht gebrochen, die Luft quälte das Herz. Die Streitenden verlangten nach dem, was sie nicht besaßen. Weil das durch die Lust unterdrückte Gewissen schwieg, und der Wille den Wünschen freien Lauf lieh, so wurden die Leidenschaften nicht mehr im Zügel gehalten. Man tötete und eiferte, und doch wurden die Wünsche nicht befriedigt; man stritt und kämpfte, und doch erlangte man nichts. Die Abhängigkeit von Gott wurde vergessen, und der eigene Wille wirkte. Man bat Gott nicht, und wenn man es tat, so geschah es nur mit dem Wunsch, Gott zum Diener seiner eignen Lüste zu machen. Ans solche Gebete aber antwortet Gott nicht. Trauriger Zustand des Menschen! Nicht nur war Gott vergessen, es stand noch weit schlimmer: das Herz war der Sklave der Wollüste und unter dem Joch der Leidenschaften, fern vom Frieden und von der Ruhe, Krieg im Innern und offenbare Sünde nach Außen, ohne Gott in der Welt, oder wenn man Gott gekannt hatte, so war Er doch von einem widerspenstigen Herzen vergessen worden. Das Volk befand sich in einer Übergangsperiode, welche allerlei Wünsche hervorrief.
In der Tat ist die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott. Ein Christ, der sich der Welt gleichstellt, hat vergessen, dass er von seinen früheren Sünden gereinigt worden ist. Indem er Gott vergisst, wandelt er in den Wegen der Ungläubigen, und das durch die Lust unterdrückte Gewissen schweigt. Wenn man zu Gott betet, so empfängt man nichts, weil man wie ein Weltmensch zu Ihm betet, um das Erwünschte in seinen Wollüsten zu verzehren. Wir brauchen nicht anzunehmen, dass alle, welche Jakobus hier Ehebrecherinnen nennt, tatsächlich solche waren. Viele lebten in solchen Sünden in der Welt, und die Anderen, selbst wenn sie Christen waren, wandelten in demselben Geist der Untreue gegen Gott; und indem sie mit der Welt zusammengingen, ließen sie der Wollust die Zügel schießen. Das ist gewiss nicht der christliche Wandel; allein, wenn der Christ die Wege Gottes verlässt und mit den Weltmenschen Gemeinschaft macht, so geschieht es nicht selten, dass er sich seines Christentums schämt; er wagt es nicht, den Namen des Heilands zu bekennen. Sein Gewissen verhärtet sich, und er ist den Weltmenschen gleich oder noch schlimmer wie sie, indem ihn nichts mehr zurückhält. Es ist die Freude Satans, auf diese Weise den Namen Christi an denen, die Ihn tragen, verunehrt zu sehen.
In dem jetzt folgenden Verse finden wir einen höchst wichtigen Grundsatz. Es heißt dort: „Die Freundschaft der Welt ist Feindschaft wider Gott; wer nun irgendein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar.“ Mächtiges Zeugnis, welches unseren Wandel richtet und das Herz erforscht! Die Welt ist mit dem Bösen erfüllt und liegt im Argen; sie hat ihren wahren Charakter gezeigt, als sie den Sohn Gottes verwarf und kreuzigte. Der Mensch war schon ohne Gesetz und unter Gesetz geprüft worden. Als er sich aber ohne Gesetz ganz schlecht erwiesen und dasselbe, nachdem er es empfangen, gebrochen hatte, kam Gott selbst in Gnade hernieder. Er wurde Mensch, um die Liebe Gottes unmittelbar bis zu dem Herzen des Menschen zu bringen, indem Er seine Natur annahm. Das war die letzte Probe für das Herz des Menschen; der Herr kam nicht, um den Menschen die Sünde zuzurechnen, sondern um die Welt mit Gott zu versöhnen. Allein sie wollte Ihn nicht aufnehmen; es offenbarte sich, dass sie unter der Macht Satans und der Finsternis war; „sie haben gesehen und gehasst beide, mich und meinen Vater“ (Joh 15,24). Die Welt bleibt stets dieselbe, Satan ist ihr Fürst, und „alles, was in ihr ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt“ (1. Joh 2,16). Das menschliche Herz, das Fleisch, ist, was es seit dem Fall des Menschen immer gewesen – Feindschaft wider Gott, und obwohl die Menschen den Namen Christi tragen, so ist der Widerstand der Welt gegen seine Autorität doch stets derselbe geblieben.
Man fühlt und sieht täglich, wie der Name Christi in Unehre steht, obwohl die Menschen unterwiesen werden mögen. Ihn zu ehren. Da, wo der Mensch seine Freude findet, wo sein Wille frei ist, weist er Christus ab, aus Furcht, in seinen Vergnügungen gestört zu werden. Ist er allein, so denkt er nicht an Ihn; er will auch nicht, dass man vom Heiland redet; er sieht an Ihm nichts Anziehendes und Begehrenswertes. Der Mensch liebt es, seinem eignen Willen zu folgen, und wünscht nicht, dass der Herr dazwischentritt und ihn daran hindert. Er zieht die Eitelkeit und die Vergnügungen vor.
So ist der Mensch. Fern von Gott, sucht er, glücklich zu sein und sich seine Stellung so angenehm als möglich zu machen. Durch die Ankunft Christi ist der Zustand des Herzens offenbar geworden; es hat sich gezeigt, dass es nicht nur den Vergnügungen des Fleisches nachjagt, sondern auch in Feindschaft ist wider Gott. So groß die Güte Gottes auch sein mag, der Mensch will nicht im Genuss der Vergnügungen der Welt gestört werden, noch sich der Autorität eines anderen unterwerfen; er will die Welt für sich selbst besitzen, er strengt sich an, sie zu gewinnen, und sucht sie den Händen derer zu entreißen, die sie innehaben. Der eigene Wille und die Lust, das Ich regiert die Welt. Dies ist ein deutlicher Beweis, dass die Freundschaft dieser Welt Feindschaft wider Gott ist. Soweit es in der Macht der Menschen lag, haben sie Gott aus der Welt vertrieben und tun es auch heute noch; der Mensch will groß sein in der Welt. Wir wissen, dass sie den Sohn Gottes kreuzigte und nichts Anziehendes in dem fand, an welchem Gott sein ganzes Wohlgefallen hatte.
Kehren wir jetzt zu unserer Betrachtung zurück. Wir lesen in Vers 5: „Meint ihr, dass die Schrift vergeblich rede? Begehrt der Geist, der in uns wohnt, mit Neid?“ Die Natur des Menschen ist mit Neid erfüllt in Bezug auf andere, jedoch finden wir hier das Mittel, sie zu besiegen. „Gott gibt größere Gnade, Er widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt Er Gnade“ (V 6). Das ist das wahre Geheimnis der Kraft und des Sieges, ja, des Friedens im Herzen inmitten aller Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten der Welt. Jakobus ermahnt beharrlich zur Demut und besteht darauf, dass der Wille des Menschen gebrochen, und der Mensch Gott unterworfen sei. Denn Gott weiß wohl, den zu demütigen, der, trotzdem Er handeln will, seinen eignen Willen durchzusetzen sucht. Die wahre Demut besteht im Gehorsam und im Nichtvorhandensein des eignen Willens. Dahin führen die Güte und die Gnade Gottes den Menschen. Das Vertrauen auf Gott bewirkt, dass die Seele sich Ihm unterwirft. Der demütige Mensch ist der allein glückliche; er genießt das Bewusstsein der Liebe Gottes, die auf ihm ruht. Der Wille Gottes mag unserem Herzen nicht immer angenehm und unseren Wünschen nicht entsprechend sein, allein es geziemt dem Geschöpf, sich ihm allezeit zu unterwerfen; aber Gott ist weise und lässt denen, die Ihn lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken. Zugleich sind seine Wege immer der Ausfluss seiner Gnade gegen uns, so dass unsere Weisheit darin besteht, seiner Hand uns zu unterwerfen. Diese Unterwerfung ist zwar Pflicht und Notwendigkeit, sie geschieht aber mit willigem Herzen, wenn das Vertrauen vorhanden ist. Und das ist unser wahres Verhältnis zu Gott, und die Seele ist glücklich dabei. Wenn Gott, der uns liebt, in allen Dingen für uns einen Willen hat, so brauchen wir keinen zu haben. Wir sollen uns Ihm anvertrauen. Welche Gnade, dass der allmächtige Gott in allen Umständen unseres Lebens stets an uns denkt!
Der Teufel ist ein Feind; er sucht uns zu täuschen; er legt uns Schlingen und sucht mittels unserer Leidenschaften ans uns einzuwirken. Er kann sogar Verfolgungen erwecken, um uns ans dem Weg der Treue aufzuhalten. Im gewöhnlichen Leben aber täuscht er uns durch die Dinge des Fleisches. Werden wir verfolgt, so ist es eine Ehre für uns. „Euch“, sagt der Apostel, „ist es in Bezug auf Christus gegeben, nicht allein an Ihn zu glauben, sondern auch für Ihn zu leiden“ (Phil 1,29). Allein die Gefahr, von Satan getäuscht zu werden, ist immer vorhanden; wir sind stets von seinen Betrügereien umringt. Es ist wichtig für uns, indem wir dem neuen Menschen gemäß und in der Gemeinschaft mit Gott leben, den Betrug Satans zu unterscheiden; und dieser besteht nie in dem Gehorsam gegen den Willen Gottes. Es mag wohl sein, dass das Böse nicht in die Augen fällt. Als Satan dem Herrn vorschlug, aus Steinen Brot zu machen und zu essen, trat das Böse nicht grell hervor. Zu essen, wenn wir hungrig sind, scheint nichts Böses zu sein; aber es wäre kein Gehorsam gewesen. Die Anstrengungen Satans blieben ohne allen Erfolg. Bloß des Hungers wegen zu essen ist eine tierische Handlung; man blickt nicht zu Gott empor. Wir sollen alles, selbst das Essen, im Namen Christi tun, indem wir Gott danksagen. Wenn wir so die Gegenwart Gottes verwirklichen, ist alles heilig für uns. Satan kann sich nicht verbergen, wenn er sich dem Gehorsam entgegenstellt, und er geht weg, weil er weiß, dass er dem begegnet ist, der ihn überwunden hat – Christus in uns. Das Wort Gottes genügt uns, um auf einem Weg zu wandeln, wo Satan machtlos und gezwungen ist, uns gehen zu lassen; zudem nehmen wir seine Tücke wahr und erkennen, dass er der Feind ist. So hat es der Herr gemacht. Er führte das Wort Gottes an, und der Teufel schwieg, versuchte aber, Ihn durch ein anderes Mittel zu täuschen. Er offenbarte nicht seinen wahren Charakter; aber der vollkommene Gehorsam Jesu machte seine List kraftlos. Als sich jedoch Satan Zeigte, wie er war, und Jesu die Herrlichkeit der Welt anbot, schickte Er ihn weg, und er ging.
Der Pfad des Herrn ist der unsrige, seine Kraft ist die unsrige, und wenn wir mit Ihm im Gehorsam wandeln, so wird auch seine Weisheit die unsrige sein. Er hat schon den Versucher überwunden; die einzige Schwierigkeit für uns liegt darin, dass wir uns nahe genug bei Ihm halten, um die Listen Satans unterscheiden zu können. Wir haben nötig, die ganze Waffenrüstung Gottes anzulegen. Wenn die Gegenwart Gottes im Herzen verwirklicht wird, wenn der Geist Gottes dasselbe regiert, und das Gefühl der Abhängigkeit in der Seele lebendig ist, so wird man erkennen, dass die Vorspiegelungen des Feindes nicht von Gott sind, und der Wille des neuen Menschen wird denselben kein Gehör geben. Ist Satan offenbar, so widersteht man ihm, und er hat keine Kraft; Jesus hat ihn für uns überwunden. Aus unserem Kapitel lernen wir, dass Satan, wenn wir ihm widerstehen, von uns flieht (V 7). Er erkennt, dass er dem Geist Christi in uns begegnet ist, und flieht. Der Fehler unserseits ist, dass wir ihm nicht immer widerstehen. Wir gehen auf seine Versuchungen ein, weil der Wille Gottes nicht alles für uns ist und wir noch zu gern dem unsrigen folgen möchten. Wenn wir die Gnade kennen, so bewahrt uns der Gehorsam und die Abhängigkeit vor den Listen des Teufels. Widerstehen wir ihm im Glauben, so ist er ohne alle Kraft; er wird als Satan, als der Widersacher offenbar, wie es bei Jesu der Fall war, als Er sich für uns versuchen ließ. Er weiß, dass der, dem er in uns begegnet, derselbe ist, vor dessen Widerstand er floh.
Unendlicher Trost! Unaussprechliche Segnung! Wenn wir uns schwach fühlen und Christus unsere Stütze ist, so besiegen wir alle unsere Feinde, und Gott gibt uns jegliche Gnade, deren wir bedürfen. Es ist hier eigentlich nicht der Ort, von der Waffenrüstung Gottes zu sprechen; jedoch mögen einige Worte hierüber nützlich sein. In Epheser 6,10–18 bezieht sich bis zum „Schwert des Geistes“ in Vers 17 alles auf den Zustand der Seele. Es handelt sich zunächst um die Wirkung der Wahrheit, um die Seele in der rechten Ordnung zu erhalten, so dass die Neigungen geregelt sind und das Gewissen, dem Willen Gottes gemäß, seine ganze Kraft besitzt. Dann werden wir ermahnt, zur Bewahrung eines guten Gewissens den Brustharnisch der praktischen Gerechtigkeit anzulegen und die Füße im Wandel beschuht zu haben mit der Zubereitung des Evangeliums des Friedens, indem wir in unserem Benehmen den Stempel des Friedens, den wir in Christus genießen, an uns tragen. Weiter folgt „der Schild des Glaubens“, das Vertrauen auf Gott, welches jene Dinge hervorbringt und verhindert, dass die Einflüsterungen des Bösen uns erreichen. Die feurigen Pfeile des Bösen vermögen durchaus nicht, uns zu verwunden. Zweifel und böse Gedanken in Bezug auf Gott werden keinen Eingang im Herzen finden. Wir haben den Helm – die Gewissheit des Heils, welche uns befähigt, im Streit wider den Feind das Haupt zu erheben. Sodann können wir das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, nehmen und desselben im Kampf bedienen. Auf diese Weise durch die Waffenrüstung Gottes vor den Anläufen des Feindes sichergestellt, sind wir fähig, im Dienst des Herrn tätig zu sein und das Wort anzuwenden, doch sind wir stets von seiner Hilfe abhängig. Diese Abhängigkeit gibt sich in den Gebeten und in der Fürbitte kund. Lasst uns daher dem Teufel widerstehen, und er wird fliehen (V 8). Lasst uns Gott nahen, und Er wird sich uns nahen. Hier offenbart sich die Tätigkeit des Herzens in der Abhängigkeit. Wir können diese Abhängigkeit von Gott allmählich lernen, allein die Gefahr, unabhängig zu wandeln, hört nie auf. Gott will daher, dass wir die Notwendigkeit, Ihn zu suchen, empfinden. Er wünscht, dass das Herz damit beschäftigt sei. Die Abhängigkeit von Gott und das Vertrauen auf Ihn zeigen sich darin, dass wir uns Ihm nahen. Sie bilden das Band zwischen dem Herzen und Gott, und Er versäumt nie, uns zu antworten. Das Vertrauen wächst, man lernt immer mehr die Abhängigkeit schätzen, welche die vollkommene Liebe Gottes kennt und die kostbare Wahrheit versteht, dass Er seine Augen nicht abzieht von dem Gerechten und in seiner unendlichen und herablassenden Güte mit allen Umständen unseres Lebens, mit unserem persönlichen Charakter und mit unseren Schwierigkeiten beschäftigt ist, und dass Er es nicht verschmäht, so nichtig wir auch sind, an uns und an alles das zu denken, was uns betrifft. Er kann auf sich warten lassen, um den Glauben zu üben, aber nie wird die Antwort ausbleiben. Daniel hat drei Wochen warten müssen; doch die Antwort kam, und sein Herz wurde befriedigt durch die Mitteilung der vollkommenen Güte Gottes hinsichtlich seines Volkes und durch die Verheißung der Ankunft Christi. Gott naht sich uns. Welch eine unendliche und kostbare Gnade! Das Herz betet an und versenkt sich in die Liebe Gottes.
Doch Gott sei Dank! wir können uns auch Ihm nahen. Sein Thron ist für uns ein Thron der Gnade. Um seiner Liebe willen dürfen wir ohne Furcht vor seinem Angesicht erscheinen und können durch das kostbare Blut Christi eintreten ins Heiligtum. In seiner Gegenwart lernen wir die Heiligkeit und unterscheiden seinen Willen. In dieser reinen Atmosphäre sieht unser Auge klar, und die Unterwürfigkeit ist im Herzen. „Das Geheimnis Jehovas ist für die, so Ihn fürchten“ (Ps 25,14). Wir wandeln mit Gott als solche, die von Ihm unterwiesen sind, und unser ganzer Leib ist Licht. Zudem ist Er mit uns, naht sich uns und flöht uns Vertrauen ein. „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?“ Nicht nur ist die Kraft Gottes mit uns, sondern seine Gegenwart bewirkt die Freimütigkeit und das Vertrauen im Herzen, weil wir, da Er mit uns ist, fühlen, dass wir seinen Willen erkennen. Das Bewusstsein seiner Gegenwart bringt angesichts des Feindes Freude, Ruhe und Mut hervor, und in den Schwierigkeiten des Weges stützt man sich auf Ihn. „Du verbirgst sie im Verborgenen deines Angesichts vor den Meutereien des Mannes; du versteckst sie in der Hütte vor dem Gezänk der Zunge“ (Ps 31,20). Ist die Gegenwart Gottes eine wahre und wirkliche Sache für das Herz, so hält sie das Gewissen wach und erfüllt das Herz mit ruhigem Vertrauen. „Naht euch Ihm.“ Um dieses aber tun zu können, ist es nötig, die Hände zu säubern und das Herz zu reinigen, um in keiner Weise wankelmütig zu sein. Gott ist Licht; Er verlangt die Reinheit und die Lauterkeit im Innern. Voll von Güte und Herablassung zu uns, ist Er bereit, den Schwachen zu helfen, aber Er verschließt seine Ohren allen Doppelherzigen. Er will, dass bei denen, die sich Ihm zu nahen begehren, der Wandel rein und das Herz aufrichtig sei. Kann es anders erwartet werden? Gott hält sich fern von denen, deren Herz in seiner Gegenwart nicht offen ist. Er wendet sich ab von einem Menschen, in dessen Betragen die Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit fehlt und dessen Herz zwischen der Welt und Ihm hin und her schwankt. Er sieht alles, und Er will ein aufrichtiges Herz, das bereit ist, Ihn zu hören. Und deshalb ruft, Jakobus, indem er an die eitle Freude dieser Welt denkt, die zum ewigen Verderben führt, allen, welche Ohren haben zu hören, zu, dass sie trauern und weinen möchten, und dass sich ihr Lachen in Traurigkeit verwandle. Die Seele, welche mit Einsicht an andere denkt und von Liebe bewegt wird, die des Geistes und demzufolge der Gefühle Christi teilhaftig ist, wird das moralische und sichtbare Elend um sich her tief fühlen; sie wird sich in Christus freuen, aber sie wird trauern über den Zustand der Menschen dieser Welt.
Die Sünde hat die Welt unglücklich und elend gemacht, und das größte Elend, dem man auch überall begegnet, sind die durch die Sünde herbeigeführten Leiden. Trotzdem wird das Herz inmitten von diesem allen die Güte Gottes empfinden; es wird sich des ewigen Heils erfreuen und der Gute, die dasselbe erworben hat, sowie auch der täglichen Erweisungen dieser Güte. Aber es wird nicht die eitle Freude der Welt sein, welche die Leere im Herzen zu verbergen, oder mit dem Lachen das Gefühl des Elendes zu unterdrücken sucht. Ist man allein, so macht sich die Leere und oft auch der Schmerz fühlbar; ist man in Gesellschaft, so lacht man, um ihn zu vergessen; man will ihn vor anderen nicht eingestehen, noch will man sie damit belästigen und muss deshalb vorgeben, man sei glücklich. In der Welt kann man nicht wahr gegen einander sein; doch die Leiden und die Trübsale sind nur zu wahr. Der Herr konnte weinen, aber nicht lachen; die Liebe und die christliche Gesinnung folgen seinem Beispiel; sie tun es von Herzen und in Übereinstimmung mit seinen Gefühlen. Jakobus will, dass die weltliche Freude sich in christliche Gefühle verwandle, in Gefühle der einsichtsvollen Liebe. Im fünften Kapitel sehen wir, dass das Gericht bereit war, über das jüdische Volk und über die Welt hereinzubrechen und somit der falschen Freude derselben ein Ende zu machen. Hier ist die Ermahnung moralisch, dort steht sie mit dem Ende dieser Freude durch die Hand des Herrn in Verbindung (Fortsetzung folgt).