Botschafter des Heils in Christo 1879
Die Allgenugsamkeit Christi - Teil 2/3
Der nachdenkende Leser der so überaus lehrreichen Brief an die Römer wird bemerken, dass wir von Kapitel 3,21 bis Kapitel 5, 11 das Werk Christi auf die Frage der Sünden angewandt finden. Von Kapitel 5,12 bis zum Ende des 8. Kapitels wird jenes Werk von einer anderen Seite betrachtet. Es wird angewandt auf die Frage von der Sünde – „von unserem alten Menschen“ – „dem Leib der Sünde“ – „der Sünde im Fleisch.“ Die Schrift spricht niemals von einer Vergebung der Sünde. Gott hat die Sünde verurteilt oder gerichtet, aber nicht vergeben. Dieser Unterschied ist von einer unermesslichen Wichtigkeit. Gott hat seinen ewigen Abscheu vor der Sünde in dem Kreuz Christi gezeigt. Er Hai sein Gericht über dieselbe ausgesprochen und ausgeführt, und jetzt kann sich der Gläubige betrachten als verbunden und eins gemacht mit dem, der an dem Kreuz starb und von den Toten auferstanden ist. Er ist aus dem Bereich der Herrschaft der Sünde in jene neue und gesegnete Sphäre versetzt, wo die Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit. „Gott aber sei Dank“, sagt der Apostel, „dass ihr Sklaven der Sünde wärt, (einst, aber jetzt nicht mehr) aber von Herzen gehorsam geworden seid dem Bild der Lehre, welchem ihr übergeben seid. Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden. Ich rede menschlich, wegen der Schwachheit eures Fleisches. Denn gleich wie ihr eure Glieder dargestellt habt zur Sklaverei der Unreinigkeit und der Gesetzlosigkeit zur Gesetzlosigkeit, also stellt jetzt eure Glieder dar zur Sklaverei der Gerechtigkeit zur Heiligung. Denn als ihr Sklaven der Sünde wärt, da wärt ihr Freie von der Gerechtigkeit. Welche Frucht hattet ihr denn damals von den Dingen, deren ihr euch jetzt schämt? denn das Ende derselben ist der Tod. Jetzt aber, von der Sünde freigemacht und Gottes Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligung, das Ende aber ist ewiges Leben“ (Röm 6,17–22).
Hierin liegt das kostbare Geheimnis eines heiligen Lebens. Wir sind der Sünde gestorben, wir leben aber Gott. Die Herrschaft der Sünde ist vorüber. Was hat die Sünde mit einem tobten Menschen zu tun? Nichts. Nun, der Gläubige ist mit Christus gestorben, er ward mit Ihm begraben, und Er ist auferweckt mit Christus, um in Neuheit des Lebens zu wandeln. Er lebt unter der Regierung der Gnade und er hat seine Frucht zur Heiligung. Der Mensch, welcher die Fülle der göttlichen Gnade zu einem Vorwand gebraucht, um in der Sünde zu leben, verleugnet die wahre Grundlage des Christentums. „Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben leben?“ Unmöglich. Es würde eine Verleugnung der ganzen christlichen Stellung sein. Wenn man sagt, dass der Christ von Tag zu Tage, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat vorangehen müsse, indem er sündige und wieder Buße tue, falle und wieder aufstehe, so erniedrigt man dadurch das Christentum und verfälscht die ganze christliche Stellung. Wenn man behauptet, dass der Christ in der Sünde beharren müsse, weil er das Fleisch in sich habe, so lässt man den Tod Christi in einer seiner wichtigsten Beziehungen völlig unbeachtet und straft die ganze Belehrung des Apostels in Römer 6 und 8 Lügen. Gott sei Dank! es ist durchaus keine Notwendigkeit vorhanden, dass der Gläubige sündige. „Meine Kinder, ich schreibe euch dieses, auf dass ihr nicht sündigt“ (1. Joh 2,1). Wir sollten uns in keinem einzigen sündigen Gedanken rechtfertigen. Es ist unser köstliches Vorrecht, nach dem Licht zu wandeln und nicht zu sündigen. Ein sündiger Gedanke ist dem wahren Charakter des Christentums fremd. Wir haben Sünde in uns und werden es haben, solange wir in diesem Leib sind; aber wenn wir in dem Geist wandeln, so wird sich die Sünde in unserer Natur nicht lebendig erweisen. Wenn wir sagen: „wir brauchen nicht zu sündigen“, so bezeichnen wir dadurch eins der Vorrechte eines Christen; die Behauptung aber, dass wir nicht sündigen können, ist ein Betrug und eine Lüge.
3. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass das große Resultat des auf dem Kreuz vollbrachten Werkes Christi darin besteht, uns eine göttlich vollkommene Stellung vor Gott zu geben. „Denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden.“ Er hat uns in die Gegenwart Gottes eingeführt in seiner eignen vollkommenen Annehmlichkeit, in dem vollen Werte seines Namens, seiner Person und seines Werkes, so dass, wie der Apostel Johannes erklärt, „gleich wie Er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17).
Das ist die Stellung eines jeden, auch des schwächsten Lammes der durch Blut erkauften Herde Christi. Es kann nicht anders sein. Entweder ist es dieses, oder ewiges Verderben. Zwischen dieser Stellung einer absoluten Vollkommenheit vor Gott und einem Zustand der Zünde und des Rums gibt es nicht einen Zwischenraum von der Breite eines Haares. Wir sind entweder in unseren Sünden, oder in einem auferstandenen Christus. Wir sind entweder mit Schuld bedeckt, oder vollkommen gemacht in Christus. Aber der Heilige Geist erklärt in der Schrift, dass der Gläubige „vollkommen gemacht sei in Christus“, „dem Gewissen nach vollkommen“, „für immerdar vollkommen gemacht“, „gereinigt von aller Sünde“, „begnadigt in dem Geliebten“, „gemacht (oder geworden) zur Gerechtigkeit Gottes in Christus.“
Alles dieses hat das Opfer ans dem Kreuz zu Wege gebracht. Jener Versöhnungstod Christi bildet die feste und unerschütterliche Grundlage der Stellung des Christen. Nachdem Er ein für alle Mal ein Opfer für die Sünden dargebracht, hat Er sich gesetzt zur rechten Hand Gottes. Das Sitzen Christi an jenem Platz ist der glorreiche Beweis und die vollkommene Erklärung der Stellung des Gläubigen in der Gegenwart Gottes. Unser Herr Jesus Christus hat uns, nachdem Er Gott in Betreff unserer Sünden verherrlicht und sein Gericht über unseren ganzen Zustand als Sünder getragen hatte, in lebendiger Gemeinschaft mit sich in einen Platz eingeführt, der nicht nur Vergebung, Annahme und Frieden, sondern auch eine völlige Befreiung von der Herrschaft der Sünde in sich schließt – einen Platz des gewissen Sieges über alles, was möglicherweise gegen uns sein könnte, sei es nun die in uns wohnende Sünde, oder Satan, oder das Gesetz, oder endlich der gegenwärtige, böse Zeitlauf.
Dies ist, ich wiederhole es, die für den Gläubigen durch das Werk Christi völlig erworbene Stellung, und ich bitte den christlichen Leser dieser Zeilen dringend, durch nichts weniger sich befriedigen zu lassen. Möchte er nicht länger den verwirrten Lehren, die sich in den Glaubensbekenntnissen des Christentums aussprechen, noch seinen liturgischen Gottesdiensten anhängen, welche nur die Seele zurücktreiben in die Dunkelheit, die Entfernung und die Knechtschaft des Judaismus – jenes Systems, welches Gott mangelhaft fand und das Er für immer hinweggetan hat, weil es seinen heiligen Gedanken nicht entsprach, noch auch sein liebendes Herz zufrieden stellte, indem es dem Anbeter weder einen vollkommenen Frieden und eine vollkommene Freiheit gab, noch auch ihn in die nächste Nähe zu Gott brachte.
Ich richte an alle die, welche dem Herrn angehören, besonders aber an diejenigen von ihnen, welche sich in den verschiedenen Parteien der bekennenden Kirche befinden, die dringende Bitte, mit allem Ernst zu untersuchen, wo sie sind, und zu erforschen, in wie weit sie die wahre christliche Stellung, wie sie in den oben angeführten Schriftstellen, die mit leichter Mühe vervielfacht werden könnten, dargestellt ist, verstehen und sich ihrer erfreuen. Möchten sie in aller Einfalt und Treue die Lehren der Christenheit mit dem Wort Gottes vergleichen und sehen, in wie weit sie mit demselben übereinstimmen! Auf diesem Weg werden sie entdecken, in welch schneidendem Kontrast die bekennende Christenheit der gegenwärtigen Tage mit den bestimmten Lehren des Neuen Testaments steht; sie werden finden, wie in Folge dessen die Seelen der köstlichen Vorrechte, die ihnen als Christen angehören, beraubt und in einer moralischen Entfernung von Gott gehalten werden, welche die mosaische Haushaltung charakterisierte.
Alles dieses ist höchst beklagenswert. Es betrübt den Heiligen Geist, verwundet das Herz Christi, entehrt die Gnade Gottes und widerspricht den klarsten und deutlichsten Belehrungen der Heiligen Schrift. Ich bin völlig überzeugt, dass der Zustand von Tausenden von Christen in diesem Augenblick dazu angetan ist, das Herz bluten zu machen, und dass dieser Zustand zum großen Teil eine Folge der Lehren, Glaubensbekenntnisse und des Formwesens des Christentums ist. Wie wenige gibt es unter der großen Masse der bekennenden Christen, die sich eines vollkommen gereinigten Gewissens, des Friedens mit Gott und des Geistes der Sohnschaft erfreuen! Werden nicht die Menschen öffentlich und systematisch belehrt, dass es die höchste Anmaßung sei, wenn jemand sage, seine Sünden seien alle vergeben, er habe ewiges Leben, er sei gerechtfertigt von allem, er sei begnadigt in dem Geliebten, er sei versiegelt mit dem Heiligen Geist und er könne nicht verloren gehen, weil er durch den in ihm wohnenden Geist tatsächlich mit Christus vereinigt sei? Werden nicht alle diese christlichen Vorrechte in der Christenheit praktischer Weise beinahe verleugnet und missachtet? Werden nicht die Leute belehrt, dass es gefährlich sei, dem Wort Gottes zu viel Vertrauen zu schenken, dass es moralisch sicherer sei, in Zweifel und Furcht zu leben, ja, dass das äußerste, was wir erwarten können, die Hoffnung sei, in den Himmel zu kommen, wenn wir sterben? Wo werden die Seelen über die herrlichen Wahrheiten belehrt, die mit der neuen Schöpfung in Verbindung stehen? Wo werden sie gewurzelt und gegründet in der Erkenntnis ihrer Stellung in einem auferstandenen und verherrlichten Haupt in den Himmeln? Wo werden sie dahin geleitet, sich aller der Dinge zu erfreuen, die Gott seinem Volk in freier Liebe geschenkt hat?
Ach, man muss mit tiefer Betrübnis an die einzige wahre Antwort denken, die auf solche Fragen gegeben werden kann. Die Herde Christi ist zerstreut auf düsteren Bergen und öden Mooren. Die Seelen des Volkes Gottes werden in der dunklen Entfernung gehalten, welche das jüdische System charakterisierte. Sie kennen weder die Bedeutung des zerrissenen Vorhangs, noch sind sie sich der bestimmten Annahme in dem Geliebten bewusst. Die vollbrachte Erlösung, die volle Vergebung der Sünden, die vollkommene Rechtfertigung vor Gott, die Annehmlichkeit in einem auferstandenen Christus, der Geist der Sohnschaft, die herrliche und gesegnete Hoffnung der Ankunft des Bräutigams – alle diese großen und köstlichen Wirklichkeiten, diese der Kirche Gottes verliehenen Vorrechte sind durch die Lehren und die religiöse Maschinerie der Christenheit praktisch bei Seite gesetzt.
Vielleicht mögen einige meiner Leser denken, ich male mit zu düsteren Farben. Ich kann nur sagen, und ich sage es mit allem Ernst: „Wollte Gott, es wäre so!“ ich fürchte, dass das Gemälde nur zu wahr, ja, dass die Wirklichkeit noch weit erschreckender ist. Es ist meine tiefe und schmerzliche Überzeugung, dass der Zustand nicht mir der bekennenden Kirche, sondern auch von Tausenden der wahren Schafe der Herde Christi ein solcher ist, dass, wenn wir ihn so erkennen könnten, wie Gott ihn erkennt, unsere Herzen brechen würden.
Doch lasst uns jetzt unseren Gegenstand weiterverfolgen. Wir haben uns mit jenem kostbaren Werk beschäftigt, welches unser Herr Jesus Christus für uns vollbracht hat, indem Er alle unsere Sünden hinwegnahm und die Sünde verurteilte und so für uns eine vollkommene Vergebung der ersteren und eine gänzliche Befreiung von der letzteren, als einer herrschenden Macht, zu Wege brachte. Christus ist für uns gestorben, und wir sind gestorben mit Ihm. Daher sind wir frei; wir sind auferweckt ans den Toten und leben jetzt Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Wir sind eine neue Schöpfung. Wir sind vom Tod zum Leben hinübergegangen. Tod und Gericht liegen hinter uns und nichts als Herrlichkeit vor uns. Wir haben einen unbefleckten Titel und eine unbewölkte Aussicht.
Wenn nun alles dieses wirklich wahr ist von einem jeden Kind Gottes – und die Schrift sagt, dass es so ist – was bedürfen wir denn noch mehr? Nichts, weder in Betreff unseres Titels, noch in Betreff unserer Stellung und unserer Hoffnung. Hinsichtlich aller dieser Dinge besitzen wir eine absolute, göttliche Vollkommenheit. Unser Zustand aber ist nicht vollkommen, noch auch unser Wandel. Wir sind noch in dem Leib, von mancherlei Schwachheiten umgeben und mannigfaltigen Versuchungen ausgesetzt; wir sind fähig, zu straucheln, zu fallen und zu irren. Aus uns selbst sind wir unfähig, auch nur einen guten Gedanken auszudenken, oder uns für einen Augenblick in der gesegneten Stellung zu erhalten, in welche die Gnade uns eingeführt hat. Es ist wahr, dass wir ewiges Leben haben und durch den auf die Erde hernieder gesandten Heiligen Geist mit dem lebendigen Haupt im Himmel vereinigt und so für alle Ewigkeit sicher sind. Nichts kann unser Leben antasten, insoweit es „mit dem Christus verborgen ist in Gott.“ Trotzdem aber sehen wir, dass unser Zustand und Wandel unvollkommen ist, und dass unsere Gemeinschaft unterbrochen werden kann, und deshalb bedürfen wir der gegenwärtigen Wirksamkeit Christi für uns.
Christus lebt zur rechten Hand Gottes für uns. Er ist kraft seines vollbrachten Erlösungswerkes durch die Himmel gegangen, und dort ist Er jetzt allezeit für uns vor Gott als Sachwalter beschäftigt. Er ist dort als unsere fortwährende Rechtfertigung, um uns für immer in der göttlichen Vollkommenheit der Stellung und Beziehung, in welche sein Versöhnungstod uns gebracht hat, zu erhalten. Daher lesen wir in Römer 5,10: „Denn wenn wir, da wir Feinde waren, Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, vielmehr werden wir, da wir versöhnt sind, durch sein Leben errettet werden.“ Und so lesen wir auch in Hebräer 4,14–16: „Da wir nun einen großen Hohepriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; denn wir haben nicht einen Hohepriester, der nicht Mitleid haben kann mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise, ausgenommen die Sünde. Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.“ Im 7. Kapitel finden wir die Worte: „Dieser aber, weil Er in Ewigkeit bleibt, hat ein unveränderliches Priestertum. Daher vermag Er auch völlig zu erretten, die durch Ihn zu Gott kommen, indem Er immerdar lebt, um sich für sie zu verwenden“ (V 24–25). Im 9. Kapitel endlich lesen wir: „Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns“ (V 24). In der ersten Brief des Johannes wird uns derselbe große Gegenstand, nur von einem anderen Gesichtspunkt aus, dargestellt. „Meine Kinder, ich schreibe euch dieses, auf dass ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat, so haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und Er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“ (1. Joh 2,1–2).
Wie köstlich ist alles dieses für den aufrichtigen Christen, der sich immer seiner Schwachheit, Hilfsbedürftigkeit und Fehler bewusst, ja, tief und schmerzlich bewusst ist! Es ist unmöglich, möchte ich wohl sagen, dass jemand, dessen Auge auf solchen Stellen ruht, wie ich sie eben angeführt habe, das tiefe Bewusstsein und die Überzeugung seines unvollkommenen Zustandes und Wandels verneinen und das Bedürfnis des Christen für den unaufhörlichen Dienst Christi seinethalben in Frage ziehen könnte. Sollte wohl ein nachdenkender Leser des Briefes an die Hebräer und ein aufmerksamer Beobachter des Zustandes und Wandels auch des meist geförderten Christen gefunden werden können, der die Anwendung des Priestertums und der Sachwalterschaft Christi auf die Christen jetzt leugnete? Für wen, möchte ich fragen, lebt Christus jetzt zur rechten Hand Gottes? Für wen ist Er in diesem Augenblick beschäftigt? Für die Welt? Sicher nicht, denn Er sagt in Johannes 17,9: „Ich bitte für sie, nicht bitte ich für die Welt, sondern für sie, die du mir gegeben hast denn sie sind dein.“ Und wer sind diese Personen, für die Christus bittet? Ist es der jüdische Überrest? Nein, denn dieser wird erst später in die Erscheinung treten. Wer ist es denn? Es sind Gläubige, Kinder Gottes, Christen, welche jetzt durch diese sündige Welt gehen und geneigt sind, zu fallen und sich bei jedem Schritt zu beschmutzen. Diese bilden die Gegenstände des Dienstes Christi. Er starb, um sie zu reinigen. Er lebt, um sie rein zu erhalten. Durch seinen Tod löschte Er unsere Schuld aus, durch sein Leben reinigt Er uns durch die Wirksamkeit des Wortes in der Kraft des Heiligen Geistes. „Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut. Jesus, der Christus; nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und das Blut.“ Wir sind versöhnt und gereinigt durch einen gekreuzigten Heiland. Der doppelte Strom ergoss sich aus der geöffneten Seite des für uns gestorbenen Christus. Seinem Namen sei aller Dank und alle Anbetung!
Kraft des Todes Christi besitzen wir alles. Handelt es sich um unsere Schuld – sie ist durch das Blut der Versöhnung völlig getilgt. Handelt es sich um unsere täglichen Vergehungen – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater. Der Apostel sagt: „Wenn jemand gesündigt hat usw.“ und nicht „wenn jemand Buhe tut.“ Ohne Zweifel wird Buhe und Selbstgericht vorhanden sein, aber auf welche Weise werden diese hervorgebracht, und woraus entspringen sie? „Wir haben einen Sachwalter bei dem Vater.“ Seine kräftige Fürsprache ist es, die in dem sündigenden Gläubigen die Gnade der Buße, des Selbstgerichts und des Bekenntnisses hervorbringt.
Es ist für den christlichen Leser von der höchsten Wichtigkeit, über diese große Kardinal Wahrheit von der Sachwalterschaft Christi völlig klar zu sein. Wir sehen ans der oben angeführten Stelle (1. Joh 2,1), dass unser gesegneter Sachwalter schon, bevor unser Gewissen ein wirkliches Bewusstsein von einem Fehltritt erhält, deshalb bei dem Vater gewesen ist; seiner Fürbitte verdanken wir die Gnade des Bekenntnisses und der Wiederherstellung. „Wenn jemand gesündigt hat, so haben wir“ – heißt es: „zu dem Blut zurückzukehren?“ nein, sondern – „so haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten.“ Warum nennt der Heilige Geist Christus hier „den Gerechten?“ Warum nicht den Gnädigen, den Barmherzigen oder den Mitleidigen? Ist Er nicht alles dieses? Ganz gewiss; doch keine von diesen Eigenschaften würde hier am Platz sein, insoweit der Apostel uns die trostreiche Wahrheit vorstellen will, dass wir in allen unseren Irrtümern, unseren Sünden und Fehltritten einen „gerechten“ Vertreter vor dem gerechten Gott und dem heiligen Vater haben, so dass unsere Angelegenheiten nie ein schlechtes Ende nehmen können. „Er lebt immerdar, um sich für uns zu verwenden“, und weil Er lebt, so „vermag Er völlig zu erretten, die durch Ihn zu Gott kommen“ (Heb 7,25).
Welch ein sicherer Trost findet sich hierin für das Volk Gottes! Und wie nötig ist es für unsere Seelen, in der Kenntnis und dem Bewusstsein desselben befestigt zu werden! Es gibt Seelen, die ein unvollkommenes Bewusstsein von der wahren Stellung eines Christen haben, weil sie nicht verstehen, was Christus für sie getan hat. Andere wieder haben eine so völlig einseitige Ansicht von dem Zustand des Christen, dass sie unser Bedürfnis für das, was Christus jetzt für uns tut, nicht erkennen. Beides ist verkehrt. Die ersteren sind unwissend über die Ausdehnung und den Wert des Werkes der Errettung; die letzteren kennen den Platz und die Anwendung der Sachwalterschaft nicht. Die Vollkommenheit unserer Stellung ist eine solche, dass der Apostel sagen kann: „Wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt.“ Wenn dieses alles wäre, so würden wir gewiss keines Priestertums, noch einer Sachwalterschaft bedürfen. Allem unser Zustand ist ein solcher, dass der Apostel sagen muss: „Wenn jemand gesündigt hat.“ Dies beweist, dass wir fortwährend einen Sachwalter nötig haben. Und, Gott sei Dank! wir haben Ihn fortwährend; wir haben Ihn „als immerdar lebend für uns.“ Er lebt und dient in der Höhe. Er ist unsere fortwährende Gerechtigkeit vor Gott. Er lebt, um uns allezeit im Himmel passend zu erhalten und uns zurecht zu bringen, wenn wir auf der Erde verkehrt wandeln. Er ist das göttliche und unzertrennliche Band zwischen unseren Seelen und Gott (Schluss)