Die Offenbarung Jesu Christi
Einleitung
Offenbarung 1,4–20
Die Einleitung enthält als erstes den Gruß (V. 4–6), dann das allgemeine Thema des Buchs, das Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit (V. 7,8) und schließlich die Vision von Jesus als dem Sohn des Menschen in richterlicher Gestalt inmitten der goldenen Leuchter (V. 9–20).
DIE BEGRÜSSUNG
(Verse 4–6)
„Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (V. 4,5).
Hier finden wir die bekannte Begrüßung „Gnade euch und Friede“, jedoch nicht, wie in Paulus' Briefen „von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus“. Hier wird Gott bezeichnet als Der, „der da ist und der da war und der da kommt“. Das ist die neutestamentliche Entsprechung des „Ewig-Seienden“ („Jehova“). Er ist der „ich bin“, er ist selbst-existent, und deshalb heißt es zuerst „der da ist“. Als der „ich bin“ war Er von Ewigkeit und wird in Ewigkeit sein, deshalb wird hier ergänzt „der da war und der da kommt“. Der Ausdruck „der da kommt“ bezieht sich nicht auf sein zukünftiges Kommen, um zu richten, sondern auf seine ewige Existenz als der, der immer ist, immer war und immer sein wird. Das ist nicht die übliche Art und Weise, in der Gott sich im Neuen Testament offenbart, sondern Er offenbart sich hier in dem Charakter, in dem Er sich zeigt, wenn er im Alten Testament sein Handeln mit der Welt erklärt, und ist daher in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Geltungsbereich und Thema des Buchs, das Gottes Regierungswege mit der Welt und der Kirche als bekennendes System in der Welt offenlegt.
Der Heilige Geist wird hier wieder beschrieben als die „sieben Geister, die vor seinem Thron sind“. Nachher finden wir ihn in dem Bild der „sieben Feuerfackeln“, die vor dem Thron brannten, „die die sieben Geister Gottes sind“ (Off 4,5), ein Hinweis auf die sieben Lampen des goldenen Leuchters im Heiligtum. Die Zahl Sieben, die wir in diesem Buch sehr häufig finden, ist ein bekanntes Bild göttlicher Vollkommenheit in der Schrift. Der Geist wird hier also eher in dem vollen Umfang seines Wirkens gesehen und weniger als Teil der göttlichen Einheit, die in Verbindung mit der Kirche als Leib Christi so nachdrücklich betont wird. Die Tatsache, dass die sieben Geister „vor dem Thron“ sind, zeigt außerdem, dass sie mit Gottes Handeln mit der Welt in Verbindung stehen und nicht mit dem Bild der Kirche.
Darüber hinaus ist bei diesem Gruß die Erwähnung Gottes nicht, wie sonst üblich, begleitet von dem Namen Jesu Christi. Er wird hier nicht in seiner Gottheit gesehen, sondern als Sohn des Menschen. Er ist der „treue Zeuge“, der seinen Knechten die Offenbarung, die Er von Gott empfangen hat, mitteilt – „Was er gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er“ (Joh 3,32). Als Mensch ist Er nun der Auferstandene „der Erstgeborene aus den Toten“ und in dieser Eigenschaft wird Ihm Herrschaft gegeben und Er wird zum „Fürst der Könige der Erde“ gemacht, wie in Philipper 2,8–10, da Er sich bis in den Tod erniedrigte „darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge“. Von den drei Charakteren, die der Herr Jesus in diesem Buch offenbart – der treue Zeuge, der, der tot war und wieder lebendig wurde und der gerechte Herrscher und Richter – steht keiner in ausschließlicher Verbindung mit der Kirche. Der letztgenannte zeigt Ihn ganz klar als Messias, den Menschen, der Gottes Absichten mit der Erde ausführen wird.
In all diesen Titeln und Attributen, ob sie Gott, den Geist oder Jesus Christus betreffen, sehen wir ein Verlassen der Stellung der Kirche im Neuen Testament und die Rückkehr zu den Grundsätzen, Symbolen und Verbindungen des Alten Testaments. Wir werden von der himmlischen Haushaltung, die Paulus anvertraut war, zu den Ratschlüssen und Absichten geführt, die die Erde betreffen und die in den Psalmen und Propheten dargelegt werden. All das ist, wie bereits zuvor angemerkt, in vollkommener Übereinstimmung mit dem Geltungsbereich und Charakter dieses Buchs.
Aber dann finden wir eine wunderschöne Einschaltung. Obwohl in der Ausdrucksweise alttestamentlich, richtet sich die Begrüßung an die sieben Versammlungen und die Versammlung muss auf den Namen des Herrn Jesus antworten. Daher bricht auf einmal ein Lobgesang aus:
„Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (V. 5,6).
Die Versammlung ist auf den Herrn Jesus als „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ gegründet (Mat 16,16–18). Das Wort Vater, das in diesem Buch niemals auf Gottes Beziehung zu den Gläubigen angewandt wird, wird nur fünfmal für seine Beziehung zu Christus gebraucht und in keiner dieser Stellen wird Christus als Richter gesehen, sondern in Verbindung mit der Versammlung oder einem auserwählten Volk. Hier finden wir die freudige Antwort der Versammlung auf die Erwähnung seines Namens und seiner Titel. Danach finden wir es dreimal in der Verheißung an die Überwinder der verschiedenen Versammlungen. Einmal wird es erwähnt in Verbindung mit dem geretteten Überrest, der mit dem Lamm auf dem Berg Zion steht „die seinen Namen und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben trugen“ (Off 14,1). Hier wird Er als der von Gott gesalbte König, der in Zion gesetzt ist, gesehen unter Verkündung des Beschlusses „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“.
Wie schön zu sehen, dass Gläubige, selbst bei der Betrachtung des Herrn als Richter in Jubel ausbrechen müssen. Für sie hat das Gericht nichts Beängstigendes, denn sie kennen Ihn als den „der uns geliebt und von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut“. Das gibt dem Gewissen Frieden und Vertrauen in das Herz. Sie können dem noch hinzufügen „und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater“. Petrus nennt die Gläubigen eine „königliche Priesterschaft“. Sie haben das Recht, mit Christus zu regieren und sind Priester „um darzubringen geistliche Schlachtopfer“ (1. Pet 2,5.9). Sie sind auch die Verwalter der Ratschläge Gottes in Bezug auf Christus und können Ihm, sogar in der Zeit seiner Verwerfung „Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“ zuschreiben.
DAS THEMA
(Verse 7, 8)
Dem Gruß folgt eine Aussage über das große Thema, dem sich das ganze Buch widmet:
„Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.“ (V. 7).
Das ist nicht das Kommen des Herrn für die Seinen, denn dann wird Er nur denen erscheinen „die ihn erwarten“ (Heb 9,28). Noch ist es sein Kommen am Ende der Welt um die Toten vor dem großen weißen Thron zu richten. Das Kommen hier ist, ist, wie wir später in der Offenbarung finden, das Kommen, das seinem tausendjährigen Reich auf der Erde vorausgehen wird.
Das wird deutlich, wenn wir andere Stellen der Schrift zum Vergleich heranziehen. Der Herr Jesus sagte zu den Juden: „Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,39). In den vor uns stehenden Versen der Offenbarung sehen die Juden Ihn, denn „jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben“. Das ist ein Zitat aus Sacharja, in dem die Auswirkungen der Erscheinung Christi auf den treuen jüdischen Überrest zum Zeitpunkt ihrer nationalen Errettung beschrieben werden: „Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich alle Nationen zu vertilgen suchen, die gegen Jerusalem herankommen. Und ich werde über das Haus David und über die Bewohner von Jerusalem den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen; und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt“ (Sach 12,9.10). Dieses Zitat zeigt uns, dass es hier um die Zeit geht, wenn der gläubige Überrest aus den Juden über seine Sünde den Messias abgelehnt zu haben, trauern wird und Ihn als Den „der da kommt im Namen des Herrn“ anerkennen wird. Dann wird Jerusalem erlöst und der Segen Judas wird erfüllt, denn Gott wird „alle Nationen zu vertilgen suchen, die gegen Jerusalem herankommen“.
Der Tag der Buße und Errettung der gläubigen Juden ist jedoch ein Tag des ernsten Gerichts für die anderen. „Siehe, er kommt mit den Wolken“. Das erinnert uns an die Worte, die sicher nicht als Verheißung gegeben wurden, zu Kajaphas und dem Rat, die die ungläubige Masse der Menschen repräsentieren. „Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mt 26,64). Es ist aber auch nicht nur für die Juden ein ernstes Ereignis. Er wird zu den Ungläubigen auf der ganzen Welt kommen „in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus [Christus] nicht gehorchen“ (2. Thes 1,8).
„Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.“ (V. 8)
Es ist nicht Christus, der spricht, sondern Gott, der Herr, der Allmächtige. Nun, die Namen Gottes werden nicht willkürlich verwendet, sondern sind Titel, die zu dem Wesenszug passen, in dem Er in diesem Moment handelt. Im zwischenmenschlichen Umgang kennt jeder Unterschiede bei der Anrede je nach Art der Beziehung, die die Personen zueinander haben. Man stelle sich zum Beispiel zwei Brüder im britischen Parlament vor, der eine ist z. B. Stadtverordneter eines Bezirks. Im familiären Umgang nennen sie sich beim Vornamen. Bei der Arbeit wird der eine den anderen mit „euer Gnaden“ ansprechen. Im Unterhaus würden sie sich beide mit „Herr Abgeordneter“ anreden. Jeder Titel hat seinen eigenen Platz, und passt nur zu dieser Position und zu keiner anderen. Jeder kann daher aus der Anrede erkennen, ob der andere seinen Bruder als Bruder, Stadtverordneten oder Mitglied des Parlaments anspricht. Die Schrift ist ganz gewiss nicht weniger genau in dem Gebrauch von Titeln Gottes als die Menschen bei dem Gebrauch der Anrede untereinander.
Es ist eine wichtige Feststellung, dass viele der Titel, die Gott in diesem Buch gegeben werden, nirgendwo sonst im Neuen Testament gefunden werden, jedoch immer wieder im Alten Testament auftauchen. So steht zum Beispiel der Name „Allmächtiger“ in keinem andern Buch des Neuen Testaments, mit Ausnahme eines Zitats. Die Bezeichnung „Herr, Gott“, die oft in der Offenbarung verwendet wird, findet sich an keiner weiteren Stelle des Neuen Testaments, außer es handelt sich um Zitate aus dem Alten Testament oder um Prophezeiungen, wie Sacharjas Vorhersage über Israel, die durch und durch alttestamentlichen Charakter haben und zum großen Teil aus Zitaten des Alten Testaments bestehen.
Was bedeutet nun das Verlassen der neutestamentlichen Formen der Anrede Gottes und die Rückkehr zu alttestamentlichen Titeln? Diese Namen haben eine Bedeutung. Gott sagte zu Mose: „Ich bin der HERR. Und ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige; aber mit meinem Namen HERR habe ich mich ihnen nicht kundgegeben“ (2. Mo 6,2.3). Der „Allmächtige“ war der Titel, unter dem Er den Bund mit Abraham einging, „Gott, der HERR“, war der Titel, mit dem Er den Bund mit Israel schloss. Beide Bündnisse sind mit der Erde verbunden und haben ihre Erfüllung in der Herrschaft des Messias auf der Erde. Die Bedeutung dieser Rückkehr zu alttestamentlichen Titeln ist immens. Es ist ein Zeichen dafür, dass Gott sich nun seinen Absichten mit der Erde zuwendet und dass Er sich nun in anderer Art wie wir Ihn kennen offenbart, nämlich in der Stellung, die Er nach der Entrückung der Versammlung in den Himmel einnehmen wird, wenn Er die langersehnten Beziehungen mit Israel wieder aufnimmt und die Welt für die Herrschaft des Messias vorbereitet.
DIE VISION CHRISTI
(Verse 9–20)
„Ich Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Drangsal und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus, war auf der Insel, genannt Patmos, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.“ (V. 9)
Der dritte Teil der Einleitung ist das Gesicht der Herrlichkeit Christi. Johannes war wegen seiner Treue zur Wahrheit auf die Insel Patmos verbannt worden. Da er sich an Gläubige richtet, bezeichnet er sich als ihren Bruder, er war aber auch ihr „Mitgenosse in der Drangsal und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus“. Die Begriffe sind hier auf einzigartige und überaus eindrucksvolle Art und Weise angeordnet. Zunächst ist da die Gemeinschaft der Gläubigen in den Leiden um Christi willen. Das führt uns zu der Tatsache, dass, „wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen“, folglich kommt das „Königtum“ nach der „Drangsal“. Das Königtum wurde aber noch nicht errichtet. Christus hat seinen Thron noch nicht eingenommen, sondern sitzt zur Rechten Gottes und wartet „bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße“. Noch haben sie die Oberhand und das Volk Gottes wird zum Ausharren des Christus aufgerufen. Dass sie das Wort seines Ausharrens bewahrt hatten, ist eine der höchsten Auszeichnungen der Versammlung in Philadelphia (Off 3,10). In all diesen Dingen, sowohl in der Drangsal als auch im Königtum und im Ausharren, ist es das Privileg des Knechtes mit seinem Herrn verbunden zu sein. Drangsal und Ausharren sind sein gegenwärtiges Teil, das Königtum wird zu der von Gott bestimmten Zeit kommen.
„Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie die einer Posaune“ (V. 10).
Das beschreibt nicht Johannes' gewöhnlichen geistlichen Zustand, sondern er befand sich hier in einem Zustand unter der Macht des Geistes und empfing inspirierte Mitteilungen Christi. „Des Herrn Tag“ ist nicht gleichbedeutend mit dem „Tag des Herrn“, diese unterscheiden sich im Grundtext sehr deutlich sowohl in der Form als auch in ihrer Bedeutung. Der Tag des Herrn ist die Zeit der Macht und Herrlichkeit Christi auf der Erde. Des Herrn Tag war ein Tag, den Johannes in Patmos verbrachte. Als Gott die Erde schuf, bestimmte Er einen Ruhetag und in seinem Bund mit Israel beanspruchte Er diesen Tag speziell für sich. Der Bund besteht nun nicht mehr und der Rest der alten Schöpfung ist vergangen. Gott aber fordert uns nicht auf, diesen Ruhetag aus der alten Schöpfung einzuhalten, sondern ruft uns auf, seine Freude an der neuen Schöpfung zu teilen. Die neue Schöpfung begann mit der Auferstehung Christi aus den Toten und dieser Tag wird „des Herrn Tag“ genannt. Es ist keine Übertragung des Sabbat von dem letzten Tag der Woche auf den ersten, denn das würde die Bedeutung beider Tage zerstören, sondern etwas völlig Neues, das auf einer vollkommen neuen Grundlage ruht.
Während Johannes also „an des Herrn Tag im Geist“ war, fügt er hinzu:
„Und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie die einer Posaune, die sprach: Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Versammlungen: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamus und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea“ (V. 10,11).
Die Posaune veranschaulicht Gottes Reden in Macht und Hoheit. Mit einer Stimme wie eine Posaune hatte Er das Gesetz am Sinai gegeben, mit dem Schall der Posaune wird Christus die gestorbenen Gläubigen rufen, um ihnen in der Luft zu begegnen.
Als er sich umsieht, stellt Johannes fest, von wem die Stimme ausgeht.
„Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter, und inmitten der Leuchter einen gleich dem Sohn des Menschen, angetan mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel; sein Haupt aber und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser; und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“ (V. 12–16)
Christus erscheint hier als der Sohn des Menschen in richterlichem Gewand. Er ist „inmitten der Leuchter“, die, wie wir später lernen, die hier angeschriebenen „sieben Versammlungen“ repräsentieren (V. 20). Seine Erhabenheit entspricht einem, dem jedes Gericht überlassen ist. Das „bis zu den Füßen reichende Gewand“ ist die richterliche Robe, die sich von dem Gewand des Kriegers „einem in Blut getauchten Gewand“ unterscheidet, das Er nachher bei der Ausübung des Gerichts tragen wird (Off 19,13), da hier das Gericht nur angekündigt, jedoch nicht ausgeführt wird. Er ist „an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel“, dem Symbol göttlicher Gerechtigkeit, denn, wenn Er in richterlicher Funktion auftritt, wird „Gerechtigkeit ... der Gurt seiner Lenden sein“ (Jes 11,5).
Seine Erscheinung weist genauso auf das Gericht hin, wie seine Kleidung und zeigt sowohl seine göttliche Herrlichkeit als auch seine Erhöhung als Mensch. „Sein Haupt aber und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee“. In Daniels Vision beim Beginn des Gerichtes über die Erde schaute er, wie „ein Alter an Tagen sich setzte: Sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle“ (Dan 7,9). Daher ist die Herrlichkeit, die im Buch Daniel dem Alten an Tagen gehörte, hier in der Kleidung dessen gesehen, der „gleich dem Sohn des Menschen“ ist.
„Seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen“. Beide Bilder sprechen von Gericht. Kupfer war das Material, aus dem der Altar gemacht war, auf dem das Opfer verbrannt wurde, um die Ansprüche göttlicher Gerechtigkeit zu erfüllen. Die Augen wie eine Feuerflamme zeigen ein erforschendes und unterscheidendes Gericht, denn Feuer prüft, bringt das Gute hervor und vernichtet das Schlechte. In Maleachi heißt es von Christus, dass Er „wie das Feuer des Schmelzers“ sein wird (Mal 3,2) und wenn Israel wiederhergestellt ist, wird der Herr „die Blutschulden Jerusalems aus dessen Mitte weggefegt haben ... durch den Geist des Gerichts und durch den Geist des Vertilgens“ (Jes 4,4)1. Paulus spricht auch davon: „So wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer offenbart wird; und welcherart das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben“ (1 Kor 3,13).
„Und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser“. Dieses Bild spricht offensichtlich von Macht und Hoheit. In Hesekiel 1 Vers 24 wird das Rauschen der Flügel der Cherubim, mit dem „Rauschen großer Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen“ verglichen und später heißt es: „Die Herrlichkeit des Gottes Israels kam von Osten her; und ihr Rauschen war wie das Rauschen großer Wasser“ (Hes 43,2). Eine Stimme wie das Rauschen großer Wasser ist also ein Bild, das die Schrift benutzt, um die Herrlichkeit und Majestät Gottes darzustellen und in dieser Herrlichkeit erscheint, zwar als Mensch, Christus hier.
„Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne“. Von ihnen heißt es später, dass sie „die Engel der sieben Versammlungen“ sind (V. 20). Diese ausdrucksstarken Worte bedeuten nichts weniger als dass die Macht, die Christus hier in seiner rechten Hand hält, die volle Autorität über die Versammlungen darstellt, sei es in Bezug auf den Dienst oder administrativer Hinsicht.
„Und aus seinem Mund ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert“. Das Wort Gottes wird mit einem scharfen, zweischneidigen Schwert verglichen und obwohl es von der Macht spricht, die es auf das Gewissen ausübt, ist es nicht weniger scharf was seine Urteilskraft angeht. „Wer mich verwirft“, sagt unser Herr, „und meine Worte nicht annimmt, hat den, der ihn richtet: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am letzten Tag“ (Joh 12,48). Denen, die Böses tun in Pergamus sagt Er: „Tu nun Buße; wenn aber nicht, komme ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes“ (Off 2,16) und die Anhänger des Tieres „wurden getötet mit dem Schwert dessen, der auf dem Pferd saß, dem Schwert, das aus seinem Mund hervorging“ (Off 19,21). Jesaja schreibt, als er sein Kommen ankündigt: „Und er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten“ (Jes 11,4).
„Und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft“. Es gibt wohl kein treffenderes Symbol seiner Macht und Herrlichkeit als dieses Bild der Sonne. Sie ist eine der großartigsten sichtbaren Werke Gottes und das Symbol höchster Autorität, „das große Licht“, das Er schuf „zur Beherrschung des Tages“. Das war die Herrlichkeit, in der Johannes und seine Begleiter Ihn sahen „und er wurde vor ihnen verwandelt und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne“ (Mt 17,2). Diese Umgestaltung war das Zeugnis, das Gott auserwählten Zeugen der „Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (2. Pet 1,16) gab und in diesem Buch, wo Er „mit den Wolken“ kommt, ist es der großartige Höhepunkt auf den alles hinausläuft und wo wir Ihn mit der gleichen Herrlichkeit bekleidet sehen.
So sind die richterlichen Gewänder und die Majestät Christi in Verbindung mit dem „was ist“, Er „inmitten der sieben goldenen Leuchter“. Sie passen zu Ihm in seiner Funktion als Richter im Haus Gottes, sind aber weder Insignien des „Fürstens der Könige der Erde“ noch des Ausführers der Pläne Gottes hinsichtlich seines irdischen Volks. Wenn Er in diesen Funktionen erscheint, die Er einnehmen wird bei dem, „was nach diesem geschehen wird“, werden wir bei der Betrachtung feststellen, dass sowohl seine Kleider als auch seine Titel vollkommen andere sein werden.
„Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen nieder wie tot“ (V. 17).
Kein Wunder! Wer kann Christus anschauen, wenn Er die Versammlung nach ihrer Verantwortlichkeit richtet, ohne dabei erbärmliches Versagen festzustellen? Aber seine Worte nehmen die Furcht:
„Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades.“ (V. 17,18).
Wie beruhigende Worte! Gewiss, Christus ist der Richter, seinem Amt entsprechend gekleidet in Autorität und Erhabenheit, zu Johannes sagt Er jedoch: „Fürchte dich nicht!“ Warum sagt Er das? Weil Er der Erste und der Letzte, der Lebendige ist. Er ist Mensch geworden, gestorben und auferstanden. Er „der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25). Somit können „wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). Er hat Satan seine Macht, dem Tod den Stachel genommen. Er hat das Grab besiegt und hält nun „die Schlüssel des Todes und des Hades“ in seinen Händen. Dieser Sieg, den Er durch seinen Tod und seine Auferstehung errungen hat, gibt der Seele Frieden und nimmt die Angst vor dem Gericht.
Dann gibt der Herr Johannes folgende Aufgabe:
„Schreibe nun das, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird“ (V. 19).
„Was du gesehen hast“, sind Dinge, die bereits berichtet wurden. Es bleibt daher noch das, „was ist und was nach diesem geschehen wird“. Im vierten Kapitel (Vers 1) wird Johannes gebeten, in den Himmel hinauf zu kommen und die Dinge zu sehen, die nach diesem geschehen werden. Das „was ist“ finden wir also in dem zweiten und dritten Kapitel; „was nach diesem geschehen wird“, ist in den nachfolgenden Kapiteln enthalten. Das Erste sah Johannes auf der Erde, letzteres im Himmel.
Dann werden die Symbole erklärt:
„Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Versammlungen, und die sieben Leuchter sind sieben Versammlungen“ (V. 20).
Es hat bereits viele Diskussionen darüber gegeben, was mit Engeln gemeint ist. Sie sind eindeutig keine Engel im gewöhnlichen Sinn, denn es gibt keine Stelle in der Schrift, die uns Engel zeigt, die Aufgaben in einer örtlichen Versammlung wahrnehmen und es wird wohl keiner annehmen, dass Christus durch einen Propheten zu Engeln spricht? Der Engel ist hier außerdem durch den moralischen Zustand der Versammlung gekennzeichnet und muss daher Teil derselben sein, d. h. es handelt sich um eine oder mehrere Personen, die einen Platz besonderer Verantwortung in der Versammlung einnehmen. Einige haben daraus gefolgert, dass es sich um einen Pfarrer oder offiziellen Geistlichen handelt, das ist aber eine bloße Vermutung und noch dazu eine Vermutung, die im Widerspruch zu der gesamten heiligen Schrift steht. Hätte Gott derartige offizielle geistliche Ämter eingerichtet, hätte Er dies in seinem Wort deutlich mitgeteilt und nicht aus einem Abschnitt mutmaßen lassen, dessen symbolhafter Charakter offensichtlich ist. Der Begriff „Engel“ spricht von Vertretung und wird hier sinnbildhaft zur Benennung von Personen gebraucht, die durch ihre Gabe oder ihren Einfluss besonders für den Zustand der Versammlung verantwortlich sind. Damit sind ohne Zweifel Lehrer und Führer in einer Versammlung gemeint, es wird aber nichts über deren Ernennung oder ihre Aufgaben gesagt. Dazu äußert sich die Schrift an anderen Stellen.
Die sieben goldenen Leuchter – ein Bild, das aus den sieben Lampen der Stiftshütte entliehen wurde – symbolisieren die sieben Versammlungen. Sie sind „golden“, da die Versammlung auf Gottes Gerechtigkeit gegründet ist und somit den Stempel göttlichen Ursprungs trägt. Sie sind jedoch Leuchter und keine Kerzen. Die Versammlung ist keine Quelle des Lichts und der Anspruch, eine solche zu sein, ist ein stark wuchernder Keim des Bösen in der Christenheit. Der Leuchter ist vielmehr dafür verantwortlich, das Licht zu halten und wenn er darin versagt, ist er nutzlos. Daher die Androhung, dass der Leuchter von seinem Platz weggerückt wird.
Fußnoten
- 1 In der englischen Bibelübersetzung heißt es: „Geist des Feuers“ anstelle Vertilgens.