Botschafter des Heils in Christo 1878
Christus alles und in allen
Zwischen den beiden Wahrheiten: „Christus ist alles“ und „Christus ist in allen“, gibt es, obwohl sie ein harmonisches Ganzes bilden, doch einen bemerkenswerten Unterschied. Wenn der Geist Gottes sagt, dass Christus alles sei, so setzt Er dadurch in den Dingen Gottes alles, was wir von Natur waren, alles, was von der Welt ist, völlig bei Seite; Er schließt jede Frage über den Unterschied zwischen Juden und Nationen aus, selbst zwischen denen, welche die Gedanken Gottes besahen und sich durch einen Bund oder ein Gesetz über andere erhaben dünkten. Es kommt nicht in Betracht, ob jemand weise oder unweise, gelehrt oder ungelehrt ist, ob Barbar, Skythe, Sklave oder Freier – alles, was mit der gesellschaftlichen Stellung in dieser Welt in Verbindung steht, verliert völlig seinen Wert. Der Heilige Geist wirft ein helles Licht auf alle die Dinge, wodurch die Menschen Grenzlinien zwischen sich gezogen haben. Es bestehen natürliche Beziehungen, und auch mit völligem Recht, doch ist es nicht so im Himmel. Und wir müssen uns erinnern, dass die Anbetung des Christen auf Grund dessen geschieht, was wahr ist im Himmel. Deshalb ermahnte Paulus die Hebräischen Christen, in das Heiligtum droben einzugehen; denn dorthin versetzt uns der Glaube. Unsere Leiber mögen an einem Ort auf der Erde beisammen sein, die wahre Anbetung jedoch wird im Geist im Himmel dargebracht, in „der wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch.“ Wir können daher sagen, dass der einzige, wahre Platz der Anbetung jetzt der Himmel ist, wo unser Hohepriester ist und wo unsere Opfer des Lobes dargebracht werden. Dort stehen wir durch den Glauben in der Gegenwart Gottes selbst; und in Folge dessen ist in dem, was nur mit Gott zu tun hat, Christus alles. Alles, was uns in dem Fleisch angehörte, verschwindet völlig.
Betrachten wir jetzt den zweiten Teil unseres Gegenstandes: „Christus ist in allen.“ Bei einem jeden, der den Namen Christi tragt, kommt nur das in Betracht, was Er in Ihm ist. Auf diesem Grund handelt der Glaube; und dies ist es, was die Liebe hervorbringt, die allein des Besitzens wert ist und die Gott anerkennt in den Dingen, welche Ihn betreffen – jene Liebe, die von Gott, ja Gott selbst ist. Es ist nicht eine bloße Sympathie, welche aus einer Übereinstimmung der Gefühle hervorkommt und der Ursprung aller Sektiererei ist. Das einzige Mittel, solche zu vereinigen, die in natürlicher Beziehung durchaus nichts Übereinstimmendes haben, ist, dass Christus in allen ist. Dies ruft aber auch eine höchst ernste Verantwortlichkeit hervor. Wenn sich in einem Christen irgendetwas zeigt, was nicht von Christus ist, so darf es nicht übersehen oder geringgeschätzt werden. Christus ist in ihm, auf dass alles, was sich in ihm vom Fleisch oder im Widerspruch mit Christus, der unser Leben ist, findet, gerichtet und weggetan werde. Ist ein anderer Grundsatz in unserer Seele, wie dieser, so kann es nur der sein: „Wir wollen Böses tun, auf dass die Gnade überströme.“ Doch es bleibt wahr und ist sehr köstlich für uns, dass Christus alles und in allen ist. Die eine Wahrheit macht nichts aus uns, die Andere alles. Die Eine setzt das, was von dem ersten Adam ist, völlig bei Seite, während die Andere ebenso sehr den ganzen und besonderen Wert Christi einem jeden verleiht, der Gott angehört, obwohl bei dem Einzelnen manches vorhanden sein kann, was nicht gut ist. Der Charakter des zweiten Adam ist allen Heiligen beigelegt.
In unseren gegenseitigen Beziehungen haben wir die meisten Proben zu bestehen. Denken wir uns, um dies zu erklären, einen Familienkreis. Viele Glieder desselben sind außerhalb des Hauses vielleicht sehr freundlich und gefällig, während innerhalb gerade das Gegenteil der Fall ist. Sicher ist das eine sehr traurige Erscheinung: aber hat es nicht darin seinen Grund, dass jene im häuslichen Kreise viel mehr auf die Probe gestellt werden, weil der Eine an dem Anderen mancherlei Fehler und Mängel entdeckt? Dasselbe ist der Fall in dem Haus Gottes. Wir werden durch unsere Beziehungen zu den übrigen Heiligen auf die Probe gestellt. Verstehen wir wohl alle, diese beiden Wahrheiten – Christus „alles“ und „in allen“ – zu vereinigen? Lieben wir Christus in allen und erheben wir zu gleicher Zeit nichts außer Ihm? Ich spreche natürlich von den gegenseitigen Beziehungen der Heiligen in den Dingen Gottes Ich möchte noch über eine andere Schriftstelle einige Worte hinzufügen, da sie oft mit einer der beiden Wahrheiten, die wir eben betrachten, vermischt wird. In 1. Korinther 15 findet sich ein Ausdruck, mit dem wir alle genau bekannt sind: „Auf dass Gott sei alles in allem.“ Es ist das eine Wahrheit, die völlig verschieden ist von dem, was wir soeben besprochen haben; sie bezieht sich auf eine ganz andere Zeit. Sie hat durchaus nichts mit dem gegenwärtigen Zeitlauf zu tun, sondern bezieht sich auf einen Zustand der Dinge, der, wie wir sagen können, noch in weiter Ferne liegt. Diese Wahrheit, wird sich erst später erfüllen, obwohl sie für den Glauben jetzt schon wahr ist, da der Glaube allen Wahrheiten eine gegenwärtige Existenz verleiht. Doch wann wird Gott „alles in allem“ sein? Nicht dann, wenn wir aufgenommen werden, um bei dem Herrn zu sein, noch auch, wenn Er Israel. Sein irdisches Volk, zurückgebracht, dessen Ungerechtigkeiten hinweggetan und es zu dem großen Werkzeug seiner Segnungen hienieden gemacht haben wird. In jener Zeit kann man nicht sagen, dass Gott „alles in allem“ sei. Es ist erst dann wahr, wenn der Herr das Reich seinem Gott und Vater übergeben haben wird. Christus wird es empfangen in der bestimmten Absicht, alle Verheißungen Gottes zu erfüllen und alles Böse, das sich gegen Gott erhebt, niederzuwerfen. Das wird der Gegenstand des irdischen Reiches Christi sein. Wenn aber alles niedergeworfen und der letzte Feind bezwungen sein wird – wenn es keinen Tod mehr gibt, um den Leib zu zerstören, und keinen Teufel, die Seele zu versuchen, (ich spreche nicht von dem tausendjährigen Gebundensein Satans, sondern von der Zeit, wenn er völlig beseitigt und in den Feuersee geworfen ist) dann, und nicht eher, wird Gott alles in allem sein. Im tausendjährigen Reich, wo im Himmel eine völlige und auf der Erde eine reichliche Segnung vorhanden sein wird, da wird doch noch eine Überwachung des Bösen unter der Herrschaft Christi stattfinden. Der Mensch, in der Person Christi, wird alles in allem sein. Als Mensch wird Er das Reich an sich nehmen, und das wird seine Rechtfertigung sein, die Rechtfertigung dessen, der gekreuzigt wurde. Als Mensch hat Er gelitten, und als Mensch wird Er in jenes Reich eingesetzt werden, was, wenn ich so sagen soll, die Darstellung von Ihm – als einem Menschen, der alles in allem ist – sein wird. Und wenn Er die ganze Macht und Herrlichkeit, mit der Er bekleidet ist, dazu gebraucht haben wird, um alles zur Unterwerfung unter Gott zurückzuführen, dann wird die ewige Szene kommen, wo Gott alles in allem ist. Dies wird die gesegnete Antwort auf das sein, was der Mensch von Anfang an getan hat – sich selbst das anzumaßen, was Gott angehört. Wenn Jesus in jene gesegnete Herrschaft eingesetzt sein wird, dann wird der Gegenstand und das Resultat seiner Herrlichkeit zur Verherrlichung Gottes, des Vaters sein. Und wenn alles völlig niedergeworfen und kein Flecken mehr auf dem ganzen Weltall zu finden ist, wenn alles Böse gerichtet und das Gute in der völligen Herrlichkeit Gottes ans Licht gestellt ist, wenn die Schöpfung sogar herrlicher sein wird wie damals, als sie zuerst hervorgebracht wurde, (denn die neue Schöpfung ist herrlicher als die alte) dann wird die große Wahrheit aller Ewigkeit hervorstrahlen: „Gott alles in allem“, Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dies müssen wir stets festhalten; denn die Schrift sagt nie: „Gott, der Vater, wird alles in allem sein“; sie würde dadurch die Rechte des Sohnes und des Heiligen Geistes schmälern; sondern Er, der als Mensch das Reich an sich genommen hat, wird es übergeben, damit Gott Vater(, Sohn und Heiliger Geist) sei alles in allem – das Lob einer jeden Kreatur, ohne dass in alle Ewigkeit irgendetwas im Stande wäre, die Szene zu verdunkeln und zu trüben.