Botschafter des Heils in Christo 1878
Das Buch der Erfahrung - Teil 4/5
Kapitel 3,15–21; 4,1–7
Wir haben bereits oben gesehen, geliebte Brüder, in welcher Weise Christus, wenn das Auge auf Ihn gerichtet ist, den ernsten Vorsah wachruft, der Herrlichkeit entgegen zu eilen. Paulus war hierzu von Christus ergriffen worden; und er wollte Christus in der Herrlichkeit ergreifen. Wir haben ferner gesehen, dass diese Brief den Christen als einen Wanderer betrachtet, der die Wüste durchschreitet und am Ende seines Weges alles zu finden erwartet. Vergessen wir jedoch nicht, dass der Apostel, da die Kraft der Auferstehung Christi in ihm war, schon die Macht des Lebens besaß und dieselbe in der Herrlichkeit zu besitzen wünschte. Die praktische Folge war, dass er vorwärts eilte wie jemand, der nur die Herrlichkeit im Auge hat. Für ihn gab es nur eine Sache, Christus zu gewinnen und selbst zur Herrlichkeit auferweckt zu werden. Gott hat uns „zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29); aber dieses findet seine Erfüllung nicht dann, wenn unsere Leiber im Grab und wir im Paradies sind, sondern „wenn Er offenbart ist, werden wir Ihm gleich sein denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Joh 3,2). Jedoch ist „unser Wandel“ oder, wie andere übersetzen, „unser Bürgerrecht“ jetzt in den Himmeln. Ich mochte hier bemerken, dass weder das eine noch das andere Wort den Sinn des Grundtextes genau wiedergibt. Der griechische Ausdruck bezeichnet unsere bürgerlichen Verhältnisse, wie wir von jemandem sagen: Er ist ein Deutscher oder ein Engländer, wenn wir das hervorheben wollen, was ihn kennzeichnet. Was uns kennzeichnet, ist, dass wir vom Himmel sind. Deshalb sagt Paulus: „Eins aber tue ich“, indem ich dem herrlichen Ziele entgegeneile; es hat meinem ganzen Leben seine Richtung gegeben: „ich jage hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“ Für uns gibt es keine andere Vollkommenheit als die in der Herrlichkeit. Sobald ich Christus als den erkannt habe, der herniederkam und um unsertwillen gehorsam war bis zum Tod, verstehe ich, dass als Antwort hierauf keine Herrlichkeit zu groß ist; denn alles ist die Frucht der Arbeit seiner Seele.
Die Heilige Schrift weiß nichts von einem Unterpfand seiner Liebe. Dieser Ausdruck ist, wie ich glaube, irgendeinem Lied entnommen. Das Unterpfand der Herrlichkeit besitzen wir, die „Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen.“ Paulus empfand die Macht, welche die Herrlichkeit auf seinen Geist ausübte, und in gleicher Weise sind wir zu laufen berufen; doch nicht alle Christen wissen es. Ist jemand wirklich ein Christ, so muss er das Kreuz als das kennen, wodurch er erlöst worden ist; hingegen weiß er vielleicht nicht, dass er mit Christus eins sein wird in der Herrlichkeit. Die Kinder wissen, dass ihre Sünden vergeben sind (1. Joh 2,12). Dieses zu wissen, ist das gemeinsame Teil aller. Die „Kindlein“ kennen den Vater (1. Joh 2,13), sie haben den Geist der Kindschaft. Die Vollkommenen in Christus aber, wie der Apostel sie hier nennt, kennen die Verderbtheit ihres eigenen Herzens weit besser und sehen Zugleich die vollkommene Liebe Gottes, der Christus auf dem Kreuz für uns dahingegeben hat – eine Liebe, die herniederkam zu dem Sünder in seinen Sünden. Sie wissen nicht nur, dass sie Vergebung ihrer Sünden haben, sondern auch, dass sie als Kinder Adams völlig beseitigt sind. „Die Kindlein“ wissen dieses nicht; sie wissen nicht, dass sie bezüglich ihrer adamitischen Natur gänzlich bei Seite gesetzt sind. Die alte Natur ist für den Glauben tot, und „wenn Christus, der unser Leben ist, offenbar werden wird, dann werden auch wir mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Und diesen Platz hat der Glaube schon jetzt. „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, ... dass gleich wie Er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). Das ist der vollkommene Mensch, von dem der Apostel spricht, wenn er sagt: „So viele nun vollkommen sind, lasst uns also gesinnt sein, und wenn ihr etwas anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch dies offenbaren.“ Es mag vielleicht jemand noch beim Anfang stehen, während du weiter fortgeschritten bist; und wenn dies der Fall ist, so hast du jenem umso mehr Gnade zu erweisen, denn Christus hat ihn ergriffen und ihm seine Sünden vergeben; er wird noch eine andere Sache verstehen lernen, nämlich dass er mit Christus gestorben ist – dass nicht nur seine Sünden vergeben sind, sondern dass auch die Sünde im Fleisch gerichtet, ja dass er selbst, jenes Ich, welches ihn mehr beunruhigte, als seine Sünden, für immer hinweggetan ist. Wir sollen alle gleichgesinnt sein, als solche, welche wissen, dass sie mit dem zweiten Adam vereinigt sind; und wenn dieses nicht von allen verstanden wird, so sollen doch alle in denselben Fußstapfen wandeln; und was etliche noch nicht verstehen, wird Gott ihnen offenbaren.
„Seid zusammen meine Nachfolger ...“, sagt der Apostel und stellt sich damit auf bemerkenswerte Weise zum Vorbild der Heiligen hin. Er zeigt den Gegensatz zwischen denen, deren „Wandel in den Himmeln ist“, und denen, „die auf das Irdische sinnen.“ Das Ende der Letzteren ist das Verderben – sie sind Feinde des Christentums. Hier handelt es sich nicht um den Besitz von mehr oder weniger Licht, sondern um solche, deren Sinn auf das Irdische gerichtet ist und nicht auf Christus in der Herrlichkeit. Man kann seinen Sinn nicht zu gleicher Zeit auf das Irdische und auf Christus richten; „die Freundschaft der Welt.“ sagt Jakobus, „ist Feindschaft wider Gott.“ „Alles, was in der Welt ist ... ist nicht von dem Vater“ (1. Joh 3,16). Die Kinder sind vom Vater. Als ich erweckt wurde, wunderte ich mich sehr darüber, dass im Wort Gottes so viel von der Welt die Rede war; nach dem ich aber mit anderen Christen verkehrt hatte, sah ich bald, wie sehr die Welt sie stets zurückzog und ihre Herzen fort und fort reizte.
Die, welche auf das Irdische sinnen, sind „Feinde des Kreuzes Christi“, so sprach der Apostel mit Weinen. Was war das Kreuz? Es hatte dieses alles verurteilt. Der Sohn Gottes ist die Quelle, die Wurzel, die Pflanze, aus welcher alle Herrlichkeit hervorsprießen sollte. Er hat in dieser Welt nur das Kreuz gefunden. Und was ist die Welt? Sie wollte Christus um keinen Preis haben, und deshalb habe ich als Christ nichts mehr mit ihr zu schaffen. „Die Welt sieht mich nicht mehr“, sagte der Herr (Joh 14,19). Der Heilige Geist ist nicht gekommen, um gesehen zu werden; „die Welt kann Ihn nicht empfangen, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt. Ihr aber kennt Ihn; denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,17). Auf diese Weise kennen wir den Heiligen Geist.
Das Gute und das Böse begegneten sich auf dem Kreuz; dort wurde die Frage zwischen beiden entschieden, und jetzt handelt es sich für einen jeden darum, ob er sich zu der Welt hält, die Christus verworfen hat, oder zu Christus, den die Welt verworfen hat? Nichts ist dem Kreuz zu vergleichen: es ist sowohl die Gerechtigkeit Gottes wider die Sünde, als auch seine Gerechtigkeit im Vergeben der Sünde; es ist das Ende der Welt des Gerichts und der Anfang der Welt des Lebens, es ist das Werk, das die Sünde hinweggenommen hat und Zugleich die größte Sünde, die je begangen worden ist. Je mehr wir das Kreuz betrachten, desto mehr erkennen wir, dass es der große Wendepunkt von allem ist. Darum, wer sich zur Welt hält, ist ein Feind des Kreuzes Christi. Als Christen haben wir wohl darauf zu achten, dass nicht etwa der eitle Tand dieser Welt einen Schleier über unsere Herzen wirft, der uns zu sehen verhindert. Wenn ich die Ehre der Welt, die Christus gekreuzigt hat, annehme, so ist meine Ehre in meiner Schande. Wo ist unsere Heimat? In unseres Vaters Haus, nicht in der traurigen Wüste, die wir zu durchwandern haben, um dorthin zu gelangen.
Im 2. Kapitel haben wir die Sanftmut des Wandels gesehen; hier erblicken wir die Macht und Energie, welche von der Welt befreit, die uns hindern möchte, Christus ähnlich zu sein. „Unser Wandel ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird usw.“ Jetzt habe ich den Leib Adams, dann werde ich den Leib Christi haben; alle unsere Lebens Verbindungen sind dort, wo Christus ist. Er wird als Heiland kommen und alles erfüllen, indem Er unseren Leib der Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit des Leibes seiner Herrlichkeit umgestalten wird. Der Preis ist bezahlt worden, aber die endliche Befreiung, für die er bezahlt worden, ist noch nicht gekommen. „Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott“ (2. Kor 5,5); doch die Sache selbst haben wir noch nicht empfangen; wir warten, bis Christus kommt, um uns in den Besitz derselben zu setzen.
Geliebte Brüder, wenn unsere Herzen wirklich von dem Bewusstsein durchdrungen wären, dass Gott uns Christus gleichmachen will, wenn wir in praktischer Weise glauben würden, dass Gott uns dahin bringen will, um als Brüder bei und gleich Christus zu sein – dann würden wir ganz andere Gedanken über die Welt haben, wir würden vollkommen sein und nach dem vorgesteckten Ziel uns ausstrecken. Sollte ich auf meinem Weg dem Tod begegnen, so bin ich dennoch stets voll Vertrauen. Ich wünsche nicht, zu sterben; ich wünsche, dass „das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben“ (2. Kor 5). Sollte aber der Tod kommen, so erschüttert er mein Vertrauen nicht im Geringsten, denn „ausheimisch von dem Leib“ ist „einheimisch bei dem Herrn sein.“
In 3. Korinther 5 spricht der Apostel zuerst von der Hoffnung – von dem, was ich wünsche; hernach richtet er seinen Blick auf die beiden Dinge, welche das Teil des Menschen sind, auf den Tod und das Gericht; denn „es ist dem Menschen gesetzt einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27). Handelt es sich nun um den Tod – er ist ein Gewinn für mich; denn für mich ist „ausheimisch vom Leib, einheimisch bei dem Herrn sein.“ Handelt es sich um das Gerichtes ist eine feierliche Sache, es ist „das Schrecken des Herrn.“ Es richtet meine Gedanken auf diejenigen, die noch nicht errettet sind, und „ich überrede die Menschen.“ Der Richterstuhl lässt Paulus nicht an sich selbst denken, sondern an die übrigen Menschen, obgleich er sagt: „Wir müssen alle offenbart werden vor dem Richterstuhl des Christus.“ „Wir überreden die Menschen und sind Gott offenbar geworden.“ Der Tag des Gerichts übte seinen Einfluss auf den Apostel aus; er ließ ihn die Wirkung der Gegenwart Gottes so fühlen, wie es am Tag des Gerichts der Fall sein wird. Der Gedanke an diesen Tag erhält das Gewissen wach und lebendig; er ist eine Macht, die mich heiligt, aber nicht erschreckt. Die göttliche Macht wird uns ergreifen, und so wie Eva dem Adam dargestellt wurde, so wird Christus, welcher Gott ist, sich selbst, dem zweiten Adam, seine Eva, seine Versammlung darstellen.
Die Frage ist aufgeworfen worden, ob die Worte: „Zu kennen Ihn und die Kraft seiner Auferstehung“ die Gegenwart oder die Zukunft betreffen. Ich antworte: Es ist die gegenwärtige Kraft, die dadurch hervorgebracht wird, dass mein Blick auf Christus und seine Auferstehung gerichtet ist. „Ein jeglicher, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleich wie Er rein ist“ (1. Joh 3,3). Dies wird dadurch bewirkt, dass das Auge stets auf Ihn gerichtet bleibt und wir Ihn erwarten. Die endliche Erlösung wird kommen und für den Leib das vollbringen, was hinsichtlich der Seele jetzt schon geschehen ist. Er wird uns sich gleichmachen in dem Haus des Vaters und – was ich so überaus köstlich finde – Er will uns dort haben, ohne ein Gewissen zu bedürfen. Hienieden muss mein Gewissen stets auf der Hut sein, wenn ich nicht unversehens in eine Schlinge Satans geraten will; droben aber, wo ich nur von Segnungen umgeben sein werde, ist dies nicht mehr notwendig. Wir werden auch dann den Heiligen Geist haben, und seine ganze Macht wird dazu dienen, uns zum Genuss der Herrlichkeit zu befähigen. Jetzt „ist die Liebe Gottes ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist.“ Allein ein großer Teil seiner Macht wird dazu verwendet, das Schiff flott zu erhalten.
Die meisten unter uns haben Sorgen, Prüfungen und Versuchungen, – doch Gott hat an dies alles gedacht. Er hat selbst die Haare unseres Hauptes gezählt und uns etwas gegeben, das uns durch alles hindurchhilft. Er denkt sogar an das Wetter für die seinen: „Betet, auf dass eure Flucht nicht geschehe in Winter.“ Nicht einmal ein „Sperling fällt zur Erde ohne den Willen eures Vaters.“ Gott denkt an alles und befähigt uns, über allem zu stehen.
Es ist gesegnet, zu sehen, wie der Apostel von den erhabensten Gedanken der Offenbarung Gottes übergeht zu den gewöhnlichsten Dingen, die einem Heiligen auf seinem Weg begegnen. Von jenen herrlichen Wahrheiten, die ihn soeben beschäftigt hatten, wendet er sich zu zwei Frauen, die nicht in gutem Einverständnis mit einander waren. So ist es noch immer. Die Gnade vergisst nichts: sie erhebt in den dritten Himmel und steigt hinab bis zu den niedrigsten Dingen; sie beschäftigt sich sogar mit einem entlaufenen Sklaven, und zwar mit einer Zartheit, welche die Bewunderung aller Jahrhunderte auf sich zieht. Welches war der Trost Christi auf dem Kreuz? Er konnte dem armen Räuber nicht sagen, dass er ins Paradies gehen werde, ohne hinzuzufügen, dass Er selbst auch hingehe: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 33,43). So sagte auch Paulus, wenn er der Frauen gedachte, die mit Ihm gearbeitet hatten: „Deren Namen im Buch des Lebens sind“ (Kap 4,2–3). Da, wo Gott ist, sind göttliche Zuneigungen vorhanden, und wir sind zu Trägern derselben gemacht.
Wenn ich einen Besuch mache, so liegt mir nichts mehr am Herzen als der Wunsch, Christus möchte so gegenwärtig sein, dass alles, was zum Vorschein kommt, das sei, was Er selbst kundgeben würde, und nicht meine eigenen Gedanken. Wir kennen nur wenig von dem Glück, die Gedanken Christi zu haben, und seine Gedanken waren, sich bis zum Kreuz zu erniedrigen.
„Freut euch in dem Herrn allezeit.“ Wer war fähig, so zu reden? War es der Mann, der im dritten Himmel gewesen war? Nein, es war der Gefangene zu Rom. Das hieß sich allezeit im Herrn freuen, wie auch der Psalmist sagt: „Jehova will ich preisen allezeit“ (Ps 34,1). Wenn ich den Herrn als den Gegenstand meines Herzens habe, so ist im Gefängnis mehr vom Himmel zu finden als außerhalb desselben. Nicht die grünen Auen und die Wasser der Ruhe erquicken die Seele; die Freude meines Herzens besteht darin, dass „der Herr mein Hirte ist“, und nicht in den grünen Auen, wiewohl dieselben sehr schön sind. Und wenn ich mich von diesen entfernt haben sollte, so „stellt Er meine Seele wieder her.“ Ist der Tod auf meinem Weg, ich fürchte ihn nicht, denn „du bist bei mir.“ Bin ich von schrecklichen Feinden umgeben, so ist mir angesichts derselben ein Tisch bereitet. Und jetzt heißt es: „Mein Becher fließt über.“ Mein Hirte führt mich durch alle Schwierigkeiten und Prüfungen meiner Schwachheit hindurch und legt die Worte in meinen Mund: „Fürwahr, Güte und Huld werden mir folgen alle die Tage meines Lebens, und ich werde wohnen im Haus Jehovas in Länge der Tage.“
Je größer die Trübsal desjenigen ist, der auf den Herrn vertraut, in desto reichlicherem Maß macht er die Erfahrung, dass alles zum Guten mitwirkt. Paulus konnte sagen: Ich kenne den Herrn als ein Freier und ich kenne Ihn als ein Gefangener. Er war ihm genügend, sowohl wenn er Mangel litt, als auch wenn er Überfluss hatte. Deshalb sagt er: „Freut euch in dem Herrn allezeit.“ Was konnte man einem solchen Menschen zufügen? Tötete man ihn, so schickte man ihn in den Himmel; ließ man ihn frei, so war er mit aller Hingebung bemüht, um Seelen zu Christus zu führen, dessen Namen man auszurotten suchte.
Es ist schwieriger, sich im Wohlergehen im Herrn zu freuen als in den Trübsalen, denn die Trübsale werfen uns auf den Herrn. Die Gefahr ist größer für uns, wenn keine Trübsale vorhanden sind. Doch die Freude im Herrn befreit uns völlig von der Macht der gegenwärtigen Dinge. Wenn Gott uns unserer Stützen beraubt, dann erst gewähren wir, wie sehr selbst die Geistlichsten unter uns sich darauf verlassen haben. Freuen wir uns aber allezeit in dem Herrn, so besitzen wir eine Kraft, die uns nie genommen werden kann.
„Lasst eure Gelindigkeit kund werden allen Menschen.“ Sollten die Menschen wohl denken, dass unser Wandel in den Himmeln ist, wenn wir den irdischen Dingen so eifrig nachjagen? Es wird nur dann der Fall sein, wenn sie sehen, dass das Herz nicht sein eigenes Interesse sucht. „Der Herr ist nahe.“ Bald wird alles in Ordnung gebracht werden. Wie werden unsere Herzen und Sinne bewahrt werden, wenn wir inmitten der Menschen unseren Weg in Milde, in Sanftmut und ohne auf unserem Recht zu bestehen verfolgen! Die Welt wird es sehen, wenn unsere Gedanken und unser Sinn nicht auf sie gerichtet sind. Wir sollen, wie der Apostel sagt, ein Brief Christi sein, „gekannt und gelesen von allen Menschen“ (2. Kor 3,2).
„Seid um nichts besorgt.“ Dieses Wort ist mir zu reichem Trost gewesen, selbst inmitten großer Trübsale. „Seid um nichts besorgt.“ Du denkst vielleicht, es handle sich hier nicht um deine geringfügigen Umstände, sondern um Heilige, die in einem schlechten Zustand sind. Ganz recht, aber – „seid um nichts besorgt.“ Das will nicht sagen, du sollst gleichgültig sein; allein du strengst dich an, die Last selbst zu tragen, und ermattest und quälst dein Herz auf diese Weise. Wie oft lastet eine Bürde auf dem Herzen eines Menschen, und wenn seine Bemühungen, sie abzuwerfen, vergeblich sind, so fällt sie auf ihn zurück, und ihr Druck bleibt. Doch es ist uns geboten: „Seid um nichts besorgt“, und es ist gesegnet für uns, solch ein Gebot zu haben. Was soll ich denn tun, wenn Sorgen auf mich eindringen wollen? Gehe zu Gott: „in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden.“ Dann werdet ihr inmitten all eurer Sorgen danken können. Nur sehen hierin die wunderbare Gnade Gottes. Wir brauchen nicht zu warten, bis wir erkannt haben, dass unsere Wünsche wirklich nach seinem Willen sind; nein, er sagt: „Lasst eure Anliegen vor Gott kundwerden.“ Liegt eine Last auf deinem Herzen? Gehe mit derselben zu Gott. Er sagt nicht, dass Er deinen Wunsch erfüllen werde. Als Paulus den Herrn dreimal bat, dass Satans Engel von ihm abstehen möge, erhielt er zur Antwort: „Meine Gnade genügt dir“ (2. Kor 12,8–9). Wohl aber wird „der Friede Gottes eure Herzen und eure Sinne bewahren in Christus Jesus;“ nicht ihr werdet diesen Frieden bewahren. Wird Gott je beunruhigt durch die kleinen Dinge, welche uns beunruhigen? Erschüttern sie seinen Thron? Gott denkt an uns, wir wissen es, aber Er ist nicht beunruhigt, und der Friede, der im Herzen Gottes ist, wird unsere Herzen bewahren. Mit allem, was mein Herz bedrückt, gehe ich zu Gott und finde Ihn nicht im Geringsten darüber beunruhigt. Alles ist schon geordnet. Gott weiß sehr wohl, was Er tun will; ich habe meine Bürde auf den Thron niedergelegt, der nie erschüttert werden wird, und zwar mit der völligen Gewissheit, dass Gott Anteil nimmt an mir; und der Friede, in welchem Er ist, bewahrt mein Herz, und ich kann Ihm schon danken, bevor die Schwierigkeit beseitigt ist. Ja, Gott sei dafür gepriesen, Er nimmt Anteil an mir. Es ist sehr gesegnet, diesen Frieden genießen zu können und also mein Anliegen – vielleicht ein sehr törichtes – vor Gott kund werden zu lassen und, anstatt über die Widerwärtigkeiten zu brüten, mit Gott darüber verkehren zu dürfen.
Es ist überaus köstlich für uns, zu sehen, dass Gott, während Er uns in den Himmel erhebt, zu uns herniederkommt und sich mit all unseren Angelegenheiten beschäftigt. Während unser Herz mit himmlischen Dingen beschäftigt ist, können wir auf Gott rechnen in Betreff der irdischen; Er bekümmert sich um alles, selbst um unsere kleinsten Angelegenheiten hienieden. Paulus sagt: „... von außen Kampf, von innen Furcht; der aber die Niedrigen tröstet, Gott, tröstete uns ..“ (2. Kor 7,5–6). Es war der Mühe wert, erniedrigt zu sein, um auf solche Weise getröstet zu werden. Ist Er ein Gott der Ferne und nicht ein Gott der Nähe? Gott erlaubt uns keine Voraussicht, weil dann das Herz nicht geübt würde; aber wiewohl wir Gott nicht sehen, Er sieht uns und kommt zu uns hernieder, um uns inmitten der Schwierigkeiten jegliche Art des Trostes zu Teil werden zu lassen (Schluss folgt).