Botschafter des Heils in Christo 1877
Die Versammlung Gottes nach der Schrift
1. Was ist die Versammlung?
Die erste Andeutung bezüglich der Versammlung finden wir in Matthäus 16,18 Nachdem Petrus das Bekenntnis: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, abgelegt, und der Herr Jesus diese Erkenntnis seiner Person als eine Offenbarung des Vaters bezeichnet hat, fügt der Herr hinzu: „Auch ich sage dir, dass du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Versammlung, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.“ Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, offenbart durch den Vater, war der Felsen, auf welchen die Versammlung gebaut werden sollte. Petrus sollte ein Stein in diesem zukünftigen Gebäude sein. Dass dieses die wahre Deutung der Worte des Herrn ist, beweisen andere Schriftstellen. „Denn einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor 3,11). Jesus Christus selbst ist der Eckstein (Eph 2,20). Es ist daher klar, dass zurzeit, als der Herr auf Erden war, die Versammlung noch nicht bestand. „Ich will meine Versammlung bauen.“ Er sagt nicht: „Ich habe gebaut“, oder „ich baue“, sondern: „Ich will bauen.“
Die darauffolgende Stelle, welche auf die Versammlung Bezug hat, zeigt sich in Matthäus 18,17 Auch hier handelt es sich um die Zukunft; denn solange der Herr auf Erden war, wurde die Angelegenheit eines Bruders, der gesündigt hatte, vor Ihn gebracht. Hier aber sagt Er: „Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Versammlung; wenn er aber auf die Versammlung nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner.“
Andere auf die Versammlung bezügliche Schriftstellen finden wir nicht eher, als bis zur Auferbauung derselben am Pfingsttag.
Im Alten Testament können wir zwar viele Vorbilder auf die Versammlung, als den Leib oder die Braut Christi, anwenden: allein diese konnten nicht verstanden werden, bevor es Gott gefiel, den einen Leib durch die Apostel und Propheten des Neuen Testaments zu offenbaren (Eph 3). Beantworten wir nun, mit dem Wort Gottes in der Hand, einige Fragen über diesen höchst wichtigen Gegenstand.
1. Was ist die eigentliche Bedeutung des Wortes ecclesia, welches durch „Kirche“, oder „Gemeinde“, oder „Versammlung“ übersetzt wird?
Bei einer sorgfältigen Prüfung jeder Stelle in der Schrift, wo wir dieses Wort finden, tritt es klar an den Tag, dass dieser Ausdruck im allgemeinen eine Versammlung bezeichnet. Aus Apostelgeschichte 19,32.39.41 wird es klar, dass eine andere Übersetzung dieses Wortes unzulässig ist. Das griechische Wort bezeichnet, also im Allgemeinen eine Versammlung von Menschen und wird durch den Heiligen Geist gebraucht, um damit in ganz besonderer Weise die Versammlung, die Vereinigung der Glieder Christi, zu kennzeichnen.
2. Finden wir im Wort Gottes, dass, wie oben erwähnt, das Pfingstfest der Geburtstag der Versammlung ist?
Nichts ist deutlicher in der Schrift, als diese höchst wichtige Tatsache. Die Apostel mussten in Jerusalem bleiben, bis sie „mit Kraft aus der Hohe angetan“, oder „mit dem Heiligen Geist getauft“ sein würden (Lk 24,49; Apg 1,5). „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle an einem Ort beisammen. Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie eines rauschenden, gewaltigen Windes ... und sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,1-4). Dann folgt eine ausführliche Geschichte des ersten Tages der Versammlung Gottes. Es war die erste Verkündigung des Evangeliums von dem gekreuzigten und auferweckten Christus, aufgefahren zur Rechten Gottes. Und Gott bediente sich dieser Predigt zur Bekehrung von 3000 Seelen. „Und es wurden hinzugetan an jenem Tag bei dreitausend Seelen. Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten. Es kam aber jegliche Seele Furcht an, und es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle die Gläubigen aber waren zusammen und hatten alles gemein“ (Apg 2,41-44). Ein solch wunderbares Ereignis hatte bisher noch nie stattgefunden. „Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten“ (V 47). Es war einzig und allein das Werk Gottes. Der Heilige Geist stieg vom Himmel hernieder. Der Herr führte die Seinen zur Versammlung. Darum war diese Versammlung vom ersten Tage ihres Bestehens an die Versammlung Gottes. Sie konnte nicht mit dem Heiligen Geist getauft werden, bevor der Heilige Geist ausgegossen war: und derselbe konnte nicht ausgegossen werden, bevor der Herr Jesus verherrlicht war (Joh 7,39). Jesus aber konnte nicht als unser Stellvertreter verherrlicht werden, bevor Gott auf dem Kreuz verherrlicht war. Nachdem jedoch dieses geschehen, konnte der Vater Ihn sofort verherrlichen, und zwar nicht nur dadurch, dass Er Ihn aus den Toten auferweckte, sondern auch dadurch, dass Er Ihn in seine Herrlichkeit aufnahm; und nun konnte die Versammlung auferbaut werden. Wir werden später in den Briefen finden, wie die Versammlung mit der Herrlichkeit Gottes verbunden ist.
3. Aber wurde denn niemand errettet, bevor Christus aus den Toten auferstanden und der Heilige Geist ausgegossen war? Und wenn die Gläubigen der früheren Zeit nicht zu der Versammlung Gottes gehörten, wozu gehörten sie dann?
Sicher waren alle, welche an die Verheißung Gottes glaubten, durch den Glauben gerettet und gerechtfertigt: aber auch als Gerettete blieben sie auf sich selbst beschränkt und waren entweder gerettete Juden oder gerettete Heiden. Jetzt aber heißt es: „Da ist nicht Jude noch Grieche, ... denn ihr alle seid einer in Christus“ (Gal 3,26).
4. Wenn nun das Pfingstfest der Anfang der Versammlung Gottes ist und wenn sie in Folge der Ausgießung des Heiligen Geistes auferbaut wurde, was ist demzufolge in der Apostelgeschichte zu finden?
Die Apostelgeschichte teilt uns in der Tat die Handlungen des Heiligen Geistes mit, welcher die von der Welt auserwählten Gläubigen, als einen Leib, versammelt. Er bediente sich dazu verschiedener Mittel; jedoch wenn man die Geschichte dieser wunderbaren Vereinigung liest, so wird man finden, dass, wo immer der Heilige Geist wirkte, es stets sein Zweck war, die Versammlung Gottes aufzubauen. Die Kraft Gottes und nicht die eines Menschen wurde überall gesehen. In Apostelgeschichte 3 lesen wir von einem Menschen, welcher sagen konnte: „Silber und Gold habe ich nicht;“ aber die Offenbarung der Kraft des Namens Jesu war so groß, dass ganz Jerusalem in Bewegung kam: und obwohl alle sich wider diesen heiligen Namen auflehnten, so konnte doch niemand die Kraft Gottes leugnen.
Die Versammlung war die Offenbarung der Kraft Gottes. Lesen wir nur das in der Apostelgeschichte aufgezeichnete Gebet in der ersten Betstunde der Versammlung. „Und nun, Herr, siehe an ihre Drohungen und gib deinen Knechten, dein Wort zu reden mit aller Freimütigkeit, indem du deine Hand ausstreckst zur Heilung, und dass Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesu. Und als sie gebetet hatten, bewegte sich die Stätte, wo sie versammelt waren; und sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit. Die Menge aber derer, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern es war ihnen alles gemein. Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus; und große Gnade war auf ihnen allen“ (Apg 4,29-33).
Welch eine Szene! Eine Versammlung, ein Herz, eine Seele, die Verherrlichung Jesu! Der Heilige war in ihrer Mitte. Ach, tiefe Traurigkeit muss unser Herz erfüllen, wenn wir jene liebliche Erscheinung mit dem gegenwärtigen Zustand des Christentums vergleichen. Und wie vermochte diese Versammlung dem Hass und der Feindschaft der ganzen Welt Widerstand zu bieten! Gott – die göttliche Person des Heiligen Geistes – war mit ihnen.
Es ist von großer Wichtigkeit, in der Geschichte der Versammlung Gottes wahrzunehmen, dass der Heilige Geist stets gegenwärtig ist, um die Versammlung zu leiten. Diese Gegenwart ist die Grundlage der Auferbauung der Versammlung auf Erden.
Petrus sagt zu Hananias: „Warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen hast?“ (Apg 5,3) Stephanus sagt: „Ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist“ (Kap 7,51). Der Geist sagte zu Petrus: „Siehe, drei Männer suchen dich. Stehe aber auf, gehe hinab und ziehe mit ihnen, nicht zweifelnd, weil ich sie gesandt habe“ (Kap 10,19–20). Und Petrus selbst teilt mit: „Und der Geist hieß mich mit ihnen gehen, ohne zu zweifeln.“ In Kapitel 11 werden die gläubigen Heiden durch den Heiligen Geist in die Versammlung zu Antiochien eingeführt. In Kapitel 13 nimmt der Heilige Geist denselben Platz göttlicher Leitung ein, wie in der Versammlung zu Jerusalem. „Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, wozu ich sie berufen habe. Da fasteten und beteten sie; und als sie ihnen die Hände aufgelegt hatten, entließen sie sie. Sie nun, ausgesandt von dem Heiligen Geist, kamen hinab nach Seleuzia.“
Wenn durch die Versammlung zu Jerusalem über eine Sache von hoher Wichtigkeit ein Beschluss gefasst werden musste, so gewahrte man deutlich die Gegenwart des Heiligen Geistes; denn wir lesen: „es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen ... usw“ (Kap 15,28). Auch die Apostel standen unter der Leitung dieser göttlichen Person. „Als sie aber Phrygien und die Landschaft von Galatien durchzogen hatten und von dem Heiligen Geist verhindert wurden, das Wort in Asien zu reden, kamen sie nach Mysien und versuchten nach Bithynien zu reisen, und der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht“ (Kap 16,6–7).
Kurz, wir sehen überall in der Apostelgeschichte die Versammlung Gottes unter der bestimmten Leitung des Heiligen Geistes. Die traurige Abweichung von dieser Regel wird uns in Kapitel 20,28–30 deutlich vor Augen gestellt. Nichtsdestoweniger aber verändert die Untreue und Unvollkommenheit des Menschen die Wahrheit Gottes nicht. Christus ist verherrlicht; der Heilige Geist ist ausgegossen und hat seine Wohnung in der Versammlung. Ach, wie groß ist der Irrtum der Christenheit, wenn sie die göttliche Gegenwart und Leitung des Heiligen Geistes in Frage stellt! Ich bitte dich, lieber Leser, vergleiche einmal deinen Zustand und den Zustand derer, mit denen du Gemeinschaft pflegst, mit dem, was wir in der Apostelgeschichte vorgezeichnet finden. Die durch den Heiligen Geist gebildete Versammlung Gottes ist ein unzertrennliches Ganzes. Sekten und Parteien sind nicht aus Gott; sie sind fleischlich und aus dem Menschen.
5. Ist dieses deutlich offenbart in dem Wort Gottes?
Nichts könnte deutlicher sein. „Ich sage aber dieses, dass jeder von euch sagt: Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber Christi. Ist der Christus zerteilt? Ist Paulus für euch gekreuzigt, oder seid ihr auf Paulus Namen getauft worden?“ (1. Kor 1,12-13) „Denn ihr seid noch fleischlich. Denn da Eifer und Streit unter euch ist, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise?“ (1. Kor 3,3) O möchten wir doch alle, die Gott so sehr verunehrende Sünde der Trennung erkennen und in aufrichtigem Selbstgericht zu Ihm zurückkehren! Wie traurig, dass die Christenheit den herrlichen Standpunkt jener gläubigen Menge, die ein Herz und eine Seele war, verlassen hat! Zu jener Zeit gab es nur ein Ziel – die Verherrlichung Christi; und alle waren erfüllt mit dem Heiligen Geist. Welch eine Verschiedenheit zwischen damals und jetzt! Kann Gott diesen Ungehorsam gutheißen?
6. Was lehren uns die Briefe in Bezug auf die Versammlung?
Sie richten das Wort an die Kinder Gottes, als an die eine Versammlung Gottes. „An die Versammlung Gottes, die in Korinth ist usw.“ „An die Versammlung der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ usw. Wir hören, dass die Versammlung vor Grundlegung der Welt von Gott in Christus auserwählt und durch Gott „mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus gesegnet“ war, und zwar „zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, worin er uns begnadigt hat in dem Geliebten, in welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade.“ In Epheser 1 wird dieses alles deutlich vor unsere Augen gestellt. Dort sehen wir Ihn auferweckt aus den Toten und zur Rechten Gottes gesetzt, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles unterworfen unter seine Füße und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (V 21–22).
War Er denn nicht stets im Besitz dieser Herrlichkeit? Freilich. Als der ewige Sohn Gottes besaß Er bei dem Vater die Herrlichkeit, ehe die Welt gegründet war. Allein jetzt hat Gott Ihm als dem Menschen, der nach den Schriften für unsere Sünden starb, als dem Stellvertreter, der auf dem Kreuz von Gott verlassen ward, die höchste Herrlichkeit gegeben, nachdem Er Gott verherrlicht und das Werk vollbracht hatte. Und dieses alles um derer willen, welche glauben; dieses alles als dem Haupt der Versammlung, welche sein Leib ist.
In der Apostelgeschichte haben wir die Person des Heiligen Geistes in seiner göttlichen Kraft, und zwar als den Gründer der Versammlung auf Erden gesehen; hier begegnen wir dem Herrn der Herrlichkeit, der als das Haupt der Versammlung über jede Macht und Herrschaft erhoben ist.
7. Gehören denn nur die würdigsten unter den Menschenkindern zu der Versammlung Gottes?
Wenn wir Epheser 2 lesen, so finden wir gerade das Gegenteil. Dort hören wir: „Euch, als ihr tot wärt in euren Vergehungen und Sünden“, und uns, die wir „von Natur Kinder des Zornes waren, wie auch die Übrigen“, hat Gott mit Christus lebendig und mit Ihm eins gemacht in seiner Herrlichkeit. Es ist einzig und allein Gottes Werk – Gottes neue Schöpfung. Ja, die Versammlung ist eine neue Schöpfung Gottes. Der ehemals verworfene Jesus ist jetzt der Herr der Herrlichkeit. „Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher ist der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, auf dass Er in allen Dingen den Vorrang habe“ (Kol 1,18). Beachten wir es wohl: Er ist das Haupt des Leibes, nicht das Haupt verschiedener Leiber oder verschiedener Körperschaften in der Christenheit. Davon finden wir in der Schrift keine Spur. Dergleichen ist nicht aus Gott, sondern aus dem Menschen und aus dem Teufel, der stets beschäftigt ist, um die Versammlung Gottes, den Leib Christi, wo möglich zu verderben. O möchten wir ihn doch darin nicht unterstützen! Diese wunderbare Offenbarung der reichsten Gnade übersteigt alle menschlichen Gedanken. Wer die Unterscheidung des Geistes besitzt, möge die Worte beachten: „Denn gleich wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle die Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind, also auch der Christus“ (1. Kor 12,12). Ist das nicht wunderbar? Sowie die Glieder des menschlichen Leibes mit dem Haupt vereinigt sind und gemeinsam einen Leib ausmachen, so sind auch die Gläubigen mit Christus, dem aus den Toten Auferweckten und zur Rechten Gottes Verherrlichten, vereinigt, und sind eins mit Ihm.
8. Aber ist es denn möglich, dass, wie oben behauptet worden ist, alle Gläubigen dem einen Leib angehören?
Untersuchen wir die Schrift! „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle zu einem Geist getränkt“ (1. Kor 12,13). Das ist die Versammlung Gottes, sowie die Schrift sie uns kennzeichnet: es ist die Versammlung Gottes, weil sie aus Gott ist. „Gott hat die Glieder gesetzt, ein jedes von ihnen an dem Leib, wie Er gewollt hat.“ „Gott hat den Leib zusammengefügt, ... auf dass keine Spaltung in dem Leib sei.“ – „Ihr seid der Leib Christi, und Glieder in Sonderheit“ (1. Kor 12,18.24-25.27). „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph 4,1-6) Wenn jemand die solange verdeckte und dennoch ungeschwächte kostbare Wahrheit versteht und glaubt, dass, wie es nur einen Herrn und einen Gott gibt, auch nur ein Leib besteht, und dass in der Schrift nimmer von mehreren Leibern oder kirchlichen Körperschaften die Rede ist, dann ist die Verherrlichung Gottes die notwendige Folge davon. Erkennt man es als eine Wahrheit an, dass dieser eine Leib aus Gott, ein Werk Gottes ist, so folgt daraus, dass jede Sekte und jede Partei ein Zeichen der Empörung wider Gott ist. Wahrlich – bekennen wir es – es ist eine traurige und beschämende Entdeckung, dass das, worauf wir so oft mit Stolz geblickt haben, eine Frucht der Sünde und der Auflehnung gegen Gott ist. Bekennen wir es mit einem demütigen Herzen.
Auch wird die Versammlung Gottes in der Schrift als die Braut Christi, das Weib des Lammes, dargestellt. Sicher übersteigt eine solche Gnade alle menschlichen Begriffe. Und obschon das Geheimnis dieser göttlichen Liebe solange verborgen blieb, bis es den Aposteln und Propheten der Versammlung gestattet wurde, es zu offenbaren (Eph 3), so liefert uns dennoch das Alte Testament die trefflichsten Vorbilder davon.
Schon im Paradies sagt Gott: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, seines Gleichen“ (1. Mo 2,18). Gott wollte in seiner Liebe dem Adam einen Gegenstand geben, welchem derselbe seine Liebe mitteilen konnte. In diesem Vorbild dessen, der kommen sollte, machte Gott seinen ewigen Ratschluss kund: die Versammlung, den einen Leib, die Braut, das Weib zu bilden, damit der in Herrlichkeit aufgenommene Mensch nicht allein sein, sondern einen Gegenstand besitzen sollte, an welchem die unendliche Liebe seines Herzens ein ewiges Wohlgefallen finde. Und wie bezeichnend ist die Art und Weise der Schöpfung des Weibes von Seiten Gottes! Adam war in einen tiefen Schlaf gefallen – ein Vorbild von den Tiefen des Todes, in welche Jesus, um seine Braut zu erlangen, hinabsteigen musste. Als Vorbild ward aus der toten Rippe das lebende Weib geschaffen, welches dem Adam, da er erwachte, als eins mit ihm vorgestellt wurde. „Es ist Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch“, – ruft er aus. Es gab in dem Paradies viele herrliche Geschöpfe; aber nur eines derselben entsprach den Gefühlen und Neigungen Adams. Gott schuf eine Eva; und Gott schuf eine Braut für Christus.
Welch ein Gedanke! „Gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, auf dass Er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, auf dass Er sich selbst die Versammlung verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel, oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“ – „Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,25-27.30).
Es ist gesegnet, wenn der Gläubige auf Christus, den Gegenstand seiner Liebe, schaut; aber hier finden wir etwas ganz anderes. Hier ist die Versammlung Gottes, die Braut Christi, der Gegenstand der Liebe und der Wonne Christi. Wer daher aus dem Tod in das Leben hinübergegangen ist, der hat Teil an diesem einen Leib, an dieser einen Versammlung, der Braut Christi, dem Gegenstand seiner Liebe. Welch ein köstlicher Gedanke!
Auch in der Berufung Rebekkas finden wir ein treffendes Vorbild von der Braut Christi, Isaak musste zuvor geopfert und im Gleichnis aus dem Tod zurückgegeben werden. Sara ein Bild der jüdischen Haushaltung wurde bei Seite gesetzt. Danach sandte Abraham den Elieser aus Kanaan nach fernem Land, um für Isaak eine Braut zu holen. Zunächst empfing Rebekka Kleinodien und Kleider; dann verließ sie alles mit Freuden um dem Bräutigam entgegen zu gehen, den sie liebte, wiewohl sie ihn nimmer gesehen hatte. Dann folgte die Begegnung. Sie ist der Gegenstand der Liebe Isaaks; sie ist seine Braut. Ebenso hat Gott, nachdem Er seinen viel geliebten Sohn aus dem Tod empfangen und Ihn in das himmlische Kanaan aufgenommen, den Heiligen Geist in das fern gelegene Land gesandt, um eine Braut für Christus zuzubereiten. Zunächst empfängt sie ihre Kleinodien, die in dem Kreuzestod offenbarte Gerechtigkeit Gottes, sowie ihre Kleider, nämlich Christus, aus den Toten auferweckt, als ihre Rechtfertigung. Dann findet die Trennung statt von allem, was hienieden ist; und wie einst Elieser, so geleitet jetzt der Heilige Geist die Braut durch die Wüste, um sie dem himmlischen Bräutigam entgegen zu führen. Der Schrift gemäß hat die Versammlung die Stellung des Harrens auf Christus. Den Schluss von allem bildet – o herrlicher Augenblick! – die Begegnung. Wie Isaak ihr entgegenkam, so kommt Christus seiner Braut entgegen. Und wie Rebekka werden auch wir bald unsere Blicke erheben und „Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Mo 24; 1. Joh 3,2).
Noch ein bemerkenswertes Vorbild liefert uns das Alte Testament in Rut. In ihr finden wir eine Person, die durch ihre Geburt keinen Anteil an den Bündnissen der Verheißung Israels hatte, und über deren Hauspforte der Tod geschrieben stand. Sie war eine Moabitin, und ihr Mann war gestorben. Ihre Geschichte stellt uns in treffender Weise die Gnade Christi bezüglich der Zubereitung einer Seele vor Augen. In der Traurigkeit ihres Herzens wird sie durch Noomi in die Felder des Boas geführt. Erinnern sich meine Leser der Traurigkeit nicht, in der sie sich befanden, als der Heilige Geist sie zu Christus führte? Wie willkommen war Rut in den Feldern des Boas! Hat sie Durst? Sie darf trinken. Hat sie Hunger? Sie darf essen. Also offenbart sich die Gnade unseres hochgelobten Heilands. Bist du niedergebeugt in der Erkenntnis deines verlorenen Zustandes? Bei Jesu bist du willkommen. Bist du durstig? Bei Ihm ist das Nasser des Lebens. Bist du hungrig? Bei Ihm ist das Brot des Lebens. Hat Er nicht Hände voll Korn auf deinen Pfad gestreut? Doch es folgt noch mehr. „Meine Tochter, sollte ich dir nicht Ruhe suchen, dass es dir wohlgehe?“ sagt Noomi. Und was sie als eine Blutsverwandte nicht hatte tun können, das tat Boas. Er erwählte sie zu seiner Braut. Die Nettesten waren seine Zeugen (Kap 4,9). Wie sie vorher ein Gegenstand seines Erbarmens gewesen, so war sie jetzt ein Gegenstand seiner Liebe. War sie vorher eine Fremde gewesen, so hatte sie jetzt den besten Platz auf Erden als die geliebte Braut des Boas, deren Spross David war.
Hat Gott nicht ebenso mit uns gehandelt? Wir sollen in den Feldern Christi nicht eine bloße Nachlese halten, sondern sollen mit Ihm eins sein, die Braut des Lammes.
Während uns nun in der Apostelgeschichte die Art und Weise mitgeteilt wird, in welcher Gott die Versammlung gegründet und gebaut hat, finden wir in den Briefen die herrliche Offenbarung dessen, was die Versammlung ist.
Bevor wir nun aber auf die Bedienung übergehen, müssen wir auf zwei Dinge in der Schrift unsere Aufmerksamkeit richten, und zwar zunächst auf des Herrn Abendmahl. „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen, denn wir sind alle des einen Brotes teilhaftig“ (1. Kor 10,16-17). Ist das nicht die vollkommene Gemeinschaft des einen Leibes Christi? Ist nicht jeder Gläubige zu derselben Gemeinschaft der göttlichen Segnungen gebracht worden? Und sondert uns diese Gemeinschaft nicht gänzlich von der Welt ab. „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Teufel Kelch: ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Tisches der Teufel“ (V 21). In dem folgenden Kapitel wird diese Gemeinschaft durch Paulus noch deutlicher entwickelt. Was aber bezüglich der Verkündigung des Todes Jesu, bis Er kommt, ganz besonders ins Licht tritt, ist der Umstand, dass dieses die Handlung der ganzen einen Versammlung ist. Hier finden wir keinen Priester mit seiner Messe, keinen Prediger mit seinem Sakrament. Sowohl der Eine wie der Andere würde die Gemeinschaft aufheben. Die Schrift zeigt uns weder den römisch–katholischen Priester, die kirchlichem Zeremonien mit all ihren Überlieferungen, noch irgendeinen anderen Pfarrer, der den Auftrag hätte, das Sakrament zu verabreichen: vielmehr erkennen wir, dass dieses alles von dem Menschen eingeführt ist. Nicht eine Spur findet sich davon im Wort Gottes. Ach, welch eine traurige Dazwischenkunft von Seiten des Menschen! Welch eine Anmaßung, in einer solchen Weise gegen Gott zu handeln!
Das Zweite, worauf wir unser Augenmerk zu richten haben, ist, dass die Schrift uns den Abfall der Versammlung auf Erden deutlich vorausgesagt hat. Schon zu Lebzeiten der Apostel zeigte sich der Anfang dieses Abfalls (Siehe 1. Kor 11,18-21). Von schändlichen Sünden, von Spaltungen, von Trunkenheit ist die Rede. In Titus hören wir von zügellosen Schwätzern und dergleichen reden; und Petrus und Judas sprechen von den scheußlichsten Sünden. Doch vor allem beschreibt der Heilige Geist in 2. Timotheus 3 genau den entsetzlichen Abfall in den letzten Tagen. „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden“, lesen wir und dann folgt bis zum Ende des Kapitels die ausführliche Beschreibung dieser letzten Tage. Die Christenheit ist gleich einem Baum geworden, in dessen Zweigen die Ungerechtigkeit wohnt, oder, wie wir in 2. Timotheus 2 lesen, gleich einem großen Haus mit allerlei Gefäßen. Wie hat nun der Gläubige in diesen letzten Tagen zu wandeln? Muss er in Gemeinschaft mit dem Bösen bleiben oder muss er sich davon trennen?
Hören wir die Antwort Gottes!
„Der Herr kennt, die sein sind; und: Ein jeglicher, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit. In einem großen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene; und die Einen zur Ehre, die Anderen aber zur Unehre. Wenn sich nun jemand von diesen reinigt, der wird ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet“ (2. Tim 2,19-21). Und wiederum: „Von diesen wende dich weg“ (2. Tim 3,5). II. Die Bedienung der Versammlung
Ich erinnere den Leser daran, dass, indem wir in der Apostelgeschichte die Geschichte der Versammlung verfolgen, ein höchst wichtiger Grundsatz bezüglich der Bedienung der letzteren vor unser Auge tritt, nämlich die Gegenwart der Person des Heiligen Geistes. Im Blick auf diese Tatsache wird es nötig sein, dass wir den drei Kapiteln, 1. Korinther 12-13-14, die ich durchzulesen bitte, eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. In Kapitel 12 finden wir die Grundsätze der christlichen Bedienung, in Kapitel 13 den Geist, in welchem dieselbe geübt werden muss, und in Kapitel 14 die Art und Weise ihrer Ausübung. Der Geist Gottes wird nimmer die Person Jesu erniedrigen oder geringschätzen – wahrlich, ein wichtiger Grundsatz in unseren Tagen! Und niemand kann die Gottheit Jesu erkennen, als nur durch den Heiligen Geist. Es ist daher von großer Wichtigkeit, zu verstehen, dass die verschiedenen Gaben der Bedienung nicht einer Person anvertraut sind. „Es sind Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist; und es sind Verschiedenheiten von Diensten, aber derselbe Herr; und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt ... Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, jeglichem insbesondere austeilend, wie Er will“ (Kap 12,6–11).
In Bezug auf den Dienst in der Versammlung finden wir also Jesus, als den Herrn im Himmel, und den Heiligen Geist als den, welcher die Gaben auf Erden nach seinem Gutdünken austeilt. Wenn man behauptet, dass etliche dieser Gaben nicht mehr vorhanden seien, so ist das eine Wahrheit; allein daraus folgt keineswegs, dass der Heilige Geist nicht jetzt wie damals die Gaben austeilt, wie Er will. Wir lesen: „Und Gott hat etliche in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer“ usw.; aber nirgends finden wir den Gedanken, dass Gott eine Person angestellt hat, um Priester oder Prediger der Versammlung zu sein. Wie wichtig ist dieses für alle, welche über das, was die Schrift über diesen Gegenstand lehrt, unterwiesen zu werden wünschen.
Ferner finden wir in 1. Korinther 13, welchen Platz die Liebe in der christlichen Bedienung einnimmt.
Der Grundsatz, dass der Heilige Geist als der, welcher nach seinem Willen die verschiedenen Gaben austeilt, in der Versammlung wohnt, ist uns also deutlich vor Augen gestellt. Alles ist aus Gott, doch hier auf Erden unter der Leitung des Heiligen Geistes. Obwohl in Korinth – wer könnte es leugnen? – große Verwirrung herrschte, so wurde die Anordnung Gottes dennoch durch den Heiligen Geist gehandhabt (Siehe 1. Kor 14,26). Gott hat nicht etwa gesagt: „Da meine bisherige Vorschrift nicht beachtet worden ist, so stellt euch jemanden zu eurem Prediger an.“ O nein, vielmehr lesen wir: „Propheten aber lasst zwei oder drei reden, und die Anderen lasst urteilen. Wenn aber einem anderen, der da sitzt, eine Offenbarung wird, so schweige der Erste. Denn ihr könnt Einer nach dem Anderen alle weissagen, auf dass alle lernen und alle getröstet werden. ... Wenn sich jemand dünkt, er sei Prophet oder geistlich, der erkenne, was ich euch schreibe, dass es Gebote des Herrn sind“ (Kap 14,29–37).
Das ist die bestimmte Ordnung Gottes in Bezug auf den Dienst. Und wie wir in Epheser 4 lesen, hat Christus, der hinaufgestiegen ist über alle Himmel, „etliche gegeben als Apostel und etliche als Propheten und etliche als Evangelisten und etliche als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen: für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi.“ Die Gaben sollen bleiben. Es sind die Gaben Christi; und der Heilige Geist teilt sie einem jeglichen insbesondere aus, wie Er will. Vergessen wir seine persönliche Gegenwart nicht.
Aber lesen wir denn in Apostelgeschichte 14,33 nicht, dass Paulus und Barnabas in jeder Versammlung Älteste wählten, und dass dem Titus dasselbe zu tun befohlen wurde (Tit 1,5)?
Allerdings; aber wir werden nirgends lesen, dass Paulus oder Barnabas oder Titus einen Hirten oder einen Evangelisten oder einen Lehrer angestellt haben. Das sind Gaben des verherrlichten Christus.
Aber gibt es denn in der Schrift durchaus keinen Befehl zur Anstellung eines Hirten oder Lehrers für eine Versammlung?
Nirgend findet sich in der Schrift eine Spur eines solchen Befehls. Die ganze Sache ist eine rein menschliche Erfindung. Älteste und Aufseher wurden angestellt. Ein Ältester und Aufseher ist dieselbe Person; dieses sehen wir deutlich in Titus 1,5-7. Dieselbe Person ist in Vers 5 ein Ältester und in Vers 7 ein Aufseher.
Die also gewählten oder angestellten Ältesten traten in ein Amt; zu der Stellung eines Hirten, Lehrers oder Evangelisten aber berechtigen nur die von Gott verliehenen Gaben. Ich bewege mich, indem ich dieses behaupte, strenge in den Grenzen der Heiligen Schrift, in welcher der Älteste stets eine von einem Hirten, Lehrer oder Evangelisten unterschiedene Stellung einnahm. Die Ältesten der Versammlung zu Ephesus waren Aufseher (Apg 20), (episkopos) und als solche berufen, die Versammlung Gottes zu hüten.
Aber schließt das Wörtchen „hüten“ nicht den Begriff in sich, dass sie Lehrer oder Hirten waren?
Dieses durch hüten oder weiden übersetzte Wort wird im Neuen Testament durch den Heiligen Geist elfmal gebraucht: Matthäus 2,6; Lukas 17,7: Johannes 21,16: Apostelgeschichte 20,33; 1. Korinther 9,7; 1. Petrus 5,2; Judas 12; Offenbarung 2,27:7,17; 12,5; 19,15. Eine sorgfältige Prüfung dieser Stellen wird zeigen, dass hier weniger von einer Darreichung geistlicher Speise die Rede ist, sondern dass sie vielmehr im Sinn von Verwaltung oder Regierung aufzufassen sind. Die Ältesten waren mithin Brüder, die, mit Weisheit ausgerüstet, den Beruf hatten, auf die Versammlung Acht zu haben und ihre Angelegenheiten zu verwalten. Der für dieses Amt berufene und befähigte Älteste musste seinem eigenen Haus wohl vorstehen und musste das Maul der Zügellosen Schwätzer zu stopfen wissen.
Konnte denn dieselbe Person nicht ein Ältester und Zugleich ein Lehrer sein?
Ohne Zweifel ebenso gut, wie eine und dieselbe Person Dichter und Zugleich Kaufmann sein kann. Aber beweist dieses, dass ein Dichter ein Kaufmann ist? Während daher Älteste – mochten sie Gaben, um zu lehren oder zu evangelisieren, empfangen haben, oder nicht – von den Aposteln und ihren Gesandten angestellt wurden, um in jeder Stadt auf die Versammlung Acht zu haben und sie zu hüten, so finden wir doch nirgends in der Schrift irgendeine Anleitung, um jemanden, der eine Gabe von Christus empfangen, anzustellen oder zu ordinieren, oder in der Ausübung seiner Gaben zu hindern.
Finden wir denn nirgends ein solches Beispiel in der Schrift?
Nein nirgends. Um also zu handeln, muss man zwei Dinge außer Acht lassen, nämlich die Regierung des Herrn der Herrlichkeit und die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung. Das ist höchst ernst und beachtenswert. Sicher gibt uns keine einzige Stelle in der Schrift das Recht, einen Priester oder einen Prediger anzustellen.
Aber gibt uns Apostelgeschichte 6, wo mehrere Personen angestellt werden, nicht eine Anleitung dazu?
Keineswegs. Jene „Männer von gutem Zeugnis, voll Heiligen Geistes und Weisheit“, wurden einfach angestellt, um die Tische zu bedienen und für die Armen Sorge zu tragen. Sie als Prediger der Versammlung anzustellen, davon ist durchaus nicht die Rede. Wie die Ältesten, so konnten auch diese Diener Gaben empfangen haben, um zu lehren oder das Evangelium zu verkündigen ja, etliche von ihnen besaßen sogar solche Gaben; aber niemand dachte daran, sie als Prediger anzustellen. Es ist eine Gott entehrende Handlung, wenn ein Lehrer, Hirte oder Evangelist, der mit Gaben ausgerüstet und durch den Heiligen Geist befähigt ist, Christus zu verkündigen, durch die Kirche oder durch irgendeine Person angestellt oder ordiniert wird; denn dadurch bezeichnet man Christus, der die Gaben verliehen, als nicht genügend. Die Versammlung Gottes ist berufen, die Gaben, welche Christus der Versammlung gibt, anzuerkennen; denn eine Nichtanerkennung würde Ungehorsam gegen Christus sein.
Aber finden wir denn nicht in Apostelgeschichte 13 eine Aufforderung, einen Lehrer oder einen Hirten für die Versammlung anzustellen?
Man betrachte die dortigen Vorgänge mit einiger Aufmerksamkeit, und es wird klarwerden, dass von einer Anstellung eines Predigers in der Versammlung durchaus nicht die Rede ist. Jene gottesfürchtigen Männer, Paulus und Barnabas, waren schon längst als Propheten und Lehrer anerkannt; sie wurden durch den Heiligen Geist zu einem besonderen Werk ausgesondert, und in diesem Sinn legte man ihnen von Seiten der Versammlung in feierlicher Weise die Hände auf. Es ist traurig, dass so viele der Anstellung von Predigern ihre Zustimmung geben, ohne je das Wort Gottes zu untersuchen.
Gibt es denn durchaus keine Schriftstelle, welche annähernd beweist, dass eine Person der Lehrer einer Versammlung sein muss?
Nirgend ist eine solche Stelle zu finden. Es ist unmöglich, dass Gott mit sich selbst in Widerspruch sein kann. Sobald wir anerkennen, dass die Anordnung der Versammlung aus Gott ist, dass, wie wir gesehen, Jesus das Haupt der Versammlung ist, und dass der Heilige Geist, als der Leiter derselben, Gaben, die zur Auferbauung der Versammlung dienen sollen, austeilt, wie Er will, so wird es uns klar sein, dass wir durch die Anstellung eines Lehrers, als eines ausschließlichen Vorgängers in der Versammlung, die Gegenwart des Heiligen Geistes und die durch Christus verliehene Freiheit des Redens Zweier oder Dreier geradezu leugnen und bei Seite setzen. Unmöglich kann eine Person ausschließlich der Vorgänger sein; der Heilige Geist ist frei, um zu gebrauchen, wen Er will.
Wissen denn die Vorsteher des kirchlichen Systems, dass sie für ihr sogenanntes Amt keinen Grund im Wort Gottes haben?
Wie seltsam es klingen mag, so muss dennoch leider behauptet werden, dass viele es wissen. Mehrere von ihnen, welche über kirchliche Zustände geschrieben haben, erkennen es völlig, dass die Schrift nicht ihre Grundlage ist.
Aber worauf gründen sie sich denn?
Auf geschichtliche Überlieferungen. Etliche behaupten, dass die jetzige Ordnung der kirchlichen Verhältnisse am Ende des apostolischen Zeitalters, andere, dass sie in einer noch späteren Periode ihren Anfang genommen habe. Mehrere sogar leiten den Ursprung derselben aus den letzten Tagen des Apostels Johannes in Kleinasien her, mit dem Hinzufügen, dass dieser Apostel sie anerkannt und gutgeheißen habe.
Die Briefe des Apostels Johannes zeigen uns jedoch gerade das Gegenteil. Man lese nur seinen dritten Brief. Er gibt dort dem geliebten Gajus das Zeugnis, dass er in der Wahrheit wandle. Seine größte Freude bestand darin, wenn die Kinder Gottes in der Wahrheit wandelten. Er sagt: „Geliebter, du tust treulich, was irgend du an den Brüdern, und zwar an den Fremden, tust“ (V 5). Diese Brüder waren um des Namens Jesu willen ausgegangen, ohne etwas von den Nationen genommen zu haben, und hatten von der Liebe des Gajus vor der Versammlung Zeugnis gegeben. Wandelnd in der Wahrheit, erkannte er die Ordnung Gottes, und geleitet durch den Grundsatz der Liebe (1. Kor 13), nahm er diese unter der Leitung des Heiligen Geistes stehenden Brüder, die um des Namens Christi willen ausgegangen waren, mit Freuden auf; und Johannes schreibt: „Wir nun sind schuldig, solche aufzunehmen, auf dass wir Mitarbeiter der Wahrheit werden“ (V 8). O wie köstlich ist diese Gemeinschaft im Dienst der Wahrheit! Wir haben diese Brüder, die um des Namens Christi willen ausgehen, aufzunehmen, auf dass wir mit der Wahrheit Gemeinschaft haben. Dieses war ein durch Gott eingesetzter christlicher Dienst. „Wir sind schuldig, solche aufzunehmen.“
Jetzt kommen wir zu einem anderen Zeugnis. Johannes schreibt: „Ich schrieb etwas an die Versammlung, aber Diotrephes, der gern unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht an“ (V 9). Beachten wir diese Worte wohl! Hier ist ein Mann, der in der Versammlung der Erste sein will. Um dieses sein zu können, musste er dem Heiligen Geist widerstehen, die Freiheit der Bedienung verkennen und sogar den alten und geliebten Apostel Johannes und die mit ihm verbundenen Brüder verleugnen. Die erste Offenbarung eines klerikalen Geistes zeigt sich unzweideutig im Widerspruch mit der Verordnung Gottes. Hat Johannes dieses gutgeheißen? Im Gegenteil sagt er: „Deshalb, wenn ich komme, will ich seiner Werte gedenken, die er tut, indem er mit bösen Worten wider uns schwatzt, und, sich hiermit nicht begnügend, nimmt er selbst die Brüder nicht auf und wehrt denen, die es wollen, und stoßt sie aus der Versammlung“ (V 10). Und fragen wir uns: Bezeichnen diese Worte nicht genau den hochmütigen Geist einer geistlichen Anmaßung in unseren Tagen?
Das ist wahr. Aber kann man denn behaupten, dass jeder in der Versammlung oder Kirche angestellte Prediger den Geist eines Diotrephes besitzt?
Das sei ferne. Mancher geliebte, demütige Diener des Herrn seufzt unter diesem verkehrten Zustand. Aber wir ersehen aus jenen Worten, dass ein jeder, der diesen ersten und ausschließlichen Platz im Dienst einnimmt, sich in direktem Widerspruch mit dem Geist und dem Wort Gottes befindet.
Es hat Gott gefallen, die Versammlung, in Bezug auf deren Einrichtung und Bedienung, zur Kenntnis seiner Vorschriften zurückzuführen. Man fängt an, die Gegenwart des Heiligen Geistes und die Freiheit des christlichen Dienstes anzuerkennen. Wie in den Tagen Nehemias zeigt sich ein geringer und unscheinbarer Überrest, der, wiewohl er sich vieler Schwachheiten bewusst ist, dennoch von Gott gesegnet wird. Dieser geringe Überrest liefert den Beweis der Allgenügsamkeit Gottes. Aber welche Erfahrungen macht dieser kleine Bruchteil der Versammlung Gottes? Auf allen Seiten, in allen kirchlichen Parteien regt sich die Feindschaft gegen das kleine Häuflein, und Flugschriften, Bücher, Traktate, voll von den verkehrtesten Darstellungen, verlassen die Presse, um der freien Wirksamkeit des Geistes Gottes in den Weg zu treten.
Der angeführte dritte Brief des Johannes beschreibt sehr genau den Streit unserer Tage. Auf der einen Seite befinden sich einige wenige, die, wie Gajus, gelernt haben, den Geboten Christi in Betreff des Dienstes Gehör zu geben: auf der anderen Seite, ach! eine große Schar, die den festen Entschluss gefasst zu haben scheint, dem Gebot Gottes Widerstand zu bieten und die durch Diotrephes begonnene menschliche Verordnung zur Bedienung zu handhaben – sicher in vielen Fällen aus Unwissenheit. Das Wort Gottes nennt das Eine gut, das Andere schlecht. Gott zu gehorchen, ist gut; den Menschen zu folgen ist böse.
Wenn nun nach der Schrift Älteste angestellt wurden, warum tut es denn jetzt die Versammlung nicht?
Einfach weil dieses nicht eine Sache der Versammlung, sondern der Apostel und ihrer Gesandten war. Nirgend lesen wir, dass die Versammlung Älteste angestellt habe.
Wie deutlich ist doch alles, wenn wir in Wahrheit dem Wort Gottes unterworfen sind! Lasst uns daher, geliebte Brüder, zum Herrn zurückkehren! Die Verheißung, dass da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, Er in ihrer Mitte sein will, ist immer noch in Kraft. Er allein genügt vollkommen. O wie sehr wünschen wir, dass alle Kinder Gottes die unaussprechliche Freude seiner Gegenwart genießen möchten! Eine Stunde in dieser kostbaren Gemeinschaft, ist besser, als alles.
Jeder Christ, der zur Wahrheit der Schrift zurückkehrt, wird sich ohne Zweifel irgendeiner Art von Verfolgung aussetzen, aber keine Feder vermag den Segen und die Freude zu schildern, die in Gemeinschaft mit Christus genossen wird, und die das Teil jedes Gläubigen ist, der sich in seinem gesegneten Namen versammelt.
O möchte doch niemand denken, dass es eine geringfügige Sache sei, die durch Christus verliehenen Gaben, sowie die Leitung des Heiligen Geistes in der Versammlung zu missachten und an ihren Platz irgendeine angestellte Person zu setzen! Wird nicht in dieser Weise der Heilige Geist betrübt und ausgelöscht? Ohne Zweifel. Möchte doch jeder Gläubige diese Wahrheit beherzigen! Mein teurer Leser, untersuche die Schriften! Oder fühlst du kein Bedürfnis dazu? Willst du dem Wort Gottes nicht gehorchen? Erkennst du die Autorität des Wortes Gottes nicht an? Der Herr gebe dir Entschiedenheit und einen festen Herzensentschluss. Durch die Liebe Christi gedrungen, schreibe ich diese Zeilen. Von ganzem Herzen wünsche ich deine Befreiung: und ich bin nicht unbekannt mit den Listen Satans, die er anwendet, um dich zu halten, wo du bist. Meine Worte sind ernst; aber für die Kinder Gottes liegt die Kraft in der Wahrheit.
Bedenke einmal: Wenn alle Gläubigen in einer Stadt im Namen des Herrn Jesus versammelt wären, Ihn in Wahrheit als das Haupt anerkennend, wenn alle der Leitung des Heiligen Geistes unterworfen wären und alle, ein Herz und eine Seele, nur einen Gegenstand – die Verherrlichung Christi und die freie Ausübung seiner Gaben – im Auge hätten, welch einen Einfluss würde das auf die Welt haben! Ach, die Gaben werden so sehr bei Seite gestellt und verworfen, dass wir uns kaum eine Vorstellung davon machen können, wie viele derselben unbenutzt bleiben. Man kann sich kaum etwas Traurigeres vorstellen, als den durch Menschen eingerichteten Dienst, der in Rom seinen Ursprung hat, und der die Ausübung der Gaben völlig verhindert und ausschließt.
Möge der Herr in seiner Gnade die Augen der Seinen öffnen, damit sie diesen großen Verfall in der Christenheit erkennen, und möge Er ihnen ein Herz geben, das die Wahrheit liebt und mit göttlichem Eifer für die Ehre des Herrn erfüllt ist! (Schluss folgt)