Botschafter des Heils in Christo 1877
Die verschiedenen Perioden der Auferstehung
Man kann mit Recht sagen, dass in dem 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes tiefe und herrliche Wahrheiten verborgen liegen, die es in der Tat verdienen, dass wir einige Augenblicke unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten. Man könnte diesem Abschnitt die Überschrift geben: „Die Geschichte der Gnade und der Herrlichkeit, betrachtet im Licht der Auferstehung.“ Zunächst wünsche ich den Inhalt dieses Kapitels in Kürze anzudeuten, um dann in einer mehr ausführlichen Weise bei den Versen 20–28 zu verweilen.
In den Versen 1–4 wird die Auferstehung des Herrn Jesus als eine vollendete Tatsache dargestellt.
Dann finden wir in den Versen 5–11 diese Tatsache gleichsam durch verschiedene Zeugen bestätigt, und Zwar durch diejenigen, welche Ihn nach seiner Auferstehung hier auf Erden geschaut haben, und überdies durch jemanden, der Ihn, nachdem Er bereits gen Himmel gefahren war, in der Herrlichkeit gesehen hat.
Nachdem der Apostel in dieser Weise die Tatsache der Auferstehung durch viele Beweise befestigt und bestätigt hat, zeigt er uns in den Versen 12–19 das große Gewicht der Auferstehung Christi. Alles hängt von der Wahrheit dieser Tatsache ab sowohl das Heil solcher, die bereits gestorben sind, als auch solcher, die noch auf dieser Erde pilgern, ja mit einem Wort, das Heil aller Sünder, jedes Menschen. Hiermit endet der erste Teil dieses Abschnittes der „Geschichte der Gnade“, wie wir denselben oben bezeichneten.
Mit dem 20. Vers beginnt die „Geschichte der Herrlichkeit im Licht der Auferstehung.“ Der auferstandene Christus wird uns hier als der Erstling derer, welche entschlafen sind, vor Augen gestellt, als die Erstlingsfrucht der Ernte, die am Tag seiner Wiederkunft eingesammelt werden wird, um sie mit sich aufzunehmen nach oben in die ewigen Scheunen, wo Gott alles in allem sein wird. Vergleiche (1. Thes 4 und Off 20 und 21)
Die Verse 29–33 zeigen uns, welch ein großes Gewicht der Heilige Geist auf die Auferstehung legt. Der Apostel versichert, dass er, wenn die Toten nicht auferweckt würden, ein Tor wäre, Leiden und Banden zu erdulden. „Warum“ – sagt er – „sind wir jede Stunde in Gefahr? Lasst uns essen und trinken; denn morgen sterben wir.“ – Aber mit welchem Ernst warnt er vor Verführung von Seilen jener unwissenden Menschen, die Gott und sein Wort nicht kennen!
In den Versen 39–49 teilt uns der Apostel mit, mit welchen Leibern diejenigen, welche in Christus entschlafen sind, auferweckt werden. „Es wird gesät in Verwesung, es wird auferweckt in Unverweslichkeit.“ Jedoch hat dieses nur Bezug auf die Leiber derer, die in Christus entschlafen sind. Beachten wir es wohl, denn „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“ (V 50).
Endlich in den Versen 51–57 spricht der Apostel von dem großen Geheimnis, von dem wunderbaren Ereignis, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, nicht entschlafen, sondern in einem Nu verwandelt werden sollen, so dass wir mit Recht ausrufen können: „Verschlungen ist der Tod in Sieg. Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Hades, dein Sieg?“ Der Apostel schließt dann dieses Kapitel mit der Ermahnung: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (V 58).
Doch lasst uns die Verse 20–28 etwas näher betrachten. Wie bereits bemerkt, belehrt uns darin der Apostel, nachdem er in dem ersten Teil dieses Kapitels die Wahrheit und die Notwendigkeit der Auferstehung dargetan hat, über die verschiedenen Perioden dieser Auferstehung, sowie über die Dinge, welche damit in Verbindung stehen.
Zunächst ersehen wir aus diesen Versen, dass der Herr Jesus im Augenblick seiner Auferstehung ganz allein war. Keiner der Seinen befand sich dort bei Ihm; keiner war in dieser Beziehung mit Ihm vereinigt. Er stand dort allein als ein Auferweckter. „Christus war der Erstling“, sagt der Apostel. Es war eine Auferstehung aus den Toten, eine siegreiche Auferstehung: das Leben triumphierte über die Macht des Todes; „wie es denn nicht möglich war, dass Er von dem Tod behalten würde“ (Apg 2,24). Und warum nicht? Weil Er selbst den Sieg davongetragen, weil Er alle Forderungen eines gerechten Gottes befriedigt hatte. Darum ist Er auch auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters (Röm 6,4); darum konnte Er sogar vor seinem Leiden und Sterben sagen: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn ausrichten“ (Joh 2,19).
Dieses alles konnte nur von Ihm gesagt werden; nur auf Ihn allein – ich brauche dieses kaum zu wiederholen – war dieses alles anwendbar. Kein anderer besaß oder besitzt in sich selbst die Macht, um aus den Toten aufzuerstehen. Diese Macht war nur in Christus. Darum sehen wir Ihn am ersten Auferstehungsmorgen allein; darum wird Er der Erstling genannt. Herrlich und sehr treffend wird uns dieser Standpunkt, den Christus allein einzunehmen würdig war, durch die „Garbe der Erstlinge“ vorgestellt, welche die Kinder Israel vor dem Einsammeln der Ernte, ja bevor sie noch eine einzige Ähre genossen hatten, dem Priester darbringen mussten, um dieselbe vor dem Angesicht Jehovas zu weben (3. Mo 23,9–14).
Jedoch hat das Wort „Erstling“ auch noch eine anders Bedeutung. Ja, es verkündigt uns noch eine andere Wahrheit; es deutet uns an, dass auch eine Ernte sein wird, denn wo es keine Ernte gibt, da schneidet man auch keine Erstlingsgabe ab. Ja sicher, es wird eine Ernte stattfinden. Wir lesen am Ende des 23. Verses unserer Betrachtung: „Sodann die, welche des Christus sind bei seiner Ankunft.“ Unzählige Scharen werden dort anwesend sein: alle die Auserwählten vom Beginn der Welt an bis zu diesem Augenblick; denn alle diese sind „Kinder der Auferstehung“ (Lk 20,36). Auch diese Auferstehung wird, gleich derjenigen von Christus, eine Auferstehung aus den Toten sein, ein Triumph über Tod und Teufel; eine Auferstehung, die sich von der Auferstehung Christi nur dadurch unterscheidet, dass sie ein Triumph ist, den die Gläubigen nicht durch sich selbst erlangt haben, sondern der ihr Teil aus freier Gnade geworden ist, – eine Auferstehung, deren sie nicht gleich Christus würdig sind, sondern die ihnen aus unaussprechlicher Liebe geschenkt ist, geschenkt durch Ihn, der der „Erstling“ oder, wie Er an einer anderen Stelle genannt wird, der „Erstgeborene aus den Toten“, gewesen ist. Sie stehen, triumphierend über die Macht des Todes, auf aus den Toten, weil sie, wie wir hier lesen, „des Christus sind.“ Christus ist auferstanden, weil in Ihm das Leben war, während sie auferstehen werden, weil sie die Seinen sind. Das ist die in 3. Mose 23 vorbildlich angedeutete Ernte, welche der Darbringung der Erstlingsgabe folgt. Herrliche Wahrheit! Wir, von Natur arme, verlorene Sünder, sollen dereinst als Sieger über Tod und Sünde auferstehen durch Ihn, der uns erlöst und auf einen solch erhabenen Standpunkt gestellt hat. „Neun aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, wegen seines in euch wohnenden Geistes“ (Röm 8,11).
Aber dann, nachdem alle, die des Christus sind, aus den Toten auferweckt sind, (ein Ereignis, welches Paulus in 1. Thessalonicher 4 noch näher bespricht) folgt eine neue, man könnte sagen, eine dritte Auferstehungsperiode, die in unserem Kapitel das „Ende“ genannt wird (V 24). Doch diese Auferstehung trägt einen ganz anderen Charakter, als die, von welcher bisher die Rede war. Sie ist keineswegs eine Auferstehung aus den Toten, keineswegs ein Triumph über Sünde, Tod und Teufel, o nein, sie ist nur eine Auferstehung der Toten, ein Verlassen des Grabes von Seiten derjenigen, deren Namen nicht geschrieben sind in dem Buch des Lebens, um durch Ihn, der sich gesetzt hat auf den großen, weißen Thron, nach ihren Werken gerichtet zu werden. Sie ist keine Auferstehung des Lebens, sondern eine Auferstehung des Gerichts (vgl. Joh 5,29 mit Off 20,11–15).
Dieses Ereignis trägt einen ganz besonderen Charakter: und es ist der Mühe wert, einige Augenblicke dabei zu verweilen. Die Auferstehung aus den Toten, worüber wir zuerst gesprochen haben, und diese Auferstehung, welche die Toten vor den Thron des Gerichts ruft, sind zwei ganz und gar voneinander unterschiedene Tatsachen und werden zu ganz verschiedenen Zeiten stattfinden. Die ganze Schrift stellt uns diesen Unterschied klar vor Augen. Der Psalmist sagt: „Das Gedächtnis deiner großen Güte werden sie hervorströmen lassen und deine Gerechtigkeit jubelnd preisen.“ Es ist daher von großem Gewicht, dass wir verstehen lernen, wie die Schreiber der Heiligen Schrift, getrieben durch den Heiligen Geist, sich Mühe geben, um uns einerseits die Freude der Auferstehung aller Erlösten, die Freude der „ersten Auferstehung“ vor Augen zu stellen (Off 20,6), und uns andererseits das entsetzliche Ende derer zu zeigen, die, weil sie in dieser „Zeit der Gnade“ und an diesem „Tage des Heils“ Christus als ihren Erlöser nicht annehmen wollen, keinen Teil an der ersten Auferstehung haben. Ja, wir wiederholen es, überall in der Schrift ist die Rede von einer Auferstehung aus den Toten und von einer Auferstehung der Toten zum Gericht. „Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden; und es werden hervorkommen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse getan haben, zur Auferstehung des Gerichts“ (Joh 5,28–29).
Jedoch werden wir durch den Apostel nicht nur einfach auf die Tatsache der Auferstehung der Toten am letzten Tage hingewiesen, sondern der Heilige Geist richtet unsere Gedanken auch noch auf besondere Einzelheiten in Bezug auf das Verfahren Gottes mit dieser Welt und in Bezug auf die Entfaltung seiner Majestät und Kraft. Nicht nur wird die Welt unter die Regierung irdischer Personen und Gesetze kommen, sondern es wird auch die Zeit hereinbrechen, wo Christus auf Erden sein Reich in Besitz nehmen, wo Er als König über alle Völker herrschen wird, und wo alle, die jetzt seine Feinde sind, seinen Füßen unterworfen sein werden. Ja, selbst der größte, der schrecklichste und Zugleich der letzte Feind – der Tod – wird durch Ihn vernichtet werden. Aber, wenn Er dann, wie Er dieses in jedem anderen Verhältnis getan, als König seinen Vater verherrlicht haben wird, wird Er sein Königreich den Händen Gottes, seines Vaters, übergeben, damit Gott sei alles in allem. Die Herrlichkeit Gottes wird dann in einer unaussprechlich schönen Weise, die seiner würdig ist, entfaltet werden, weil Christus, sowohl in Gnade während des Tages des Heils, als auch in Macht während der zukünftigen herrlichen Regierung hier auf Erden, in jeder Beziehung den Willen seines Vaters vollbracht hat.
Mit dieser Übergabe des Königreichs wird zu gleicher Zeit die dritte Auferstehungsperiode, die oben angedeutete Auferstehung der Toten zum Gericht stattfinden. Die Toten werden vor den großen weißen Thron gerufen und dort gerichtet werden, um für ewig von Gott getrennt zu sein und ihr Teil im Feuersee zu empfangen. Alles dieses wird den Beweis liefern, dass der Herr Jesus alles seinen Füßen unterworfen hat, und dass Er die Macht hat, dieses tun zu können (Phil 3,21). Ist dieser Beweis geliefert, dann ist für Christus die rechte, die herrliche Zeit gekommen, um alle Macht bei Seite zu stellen und sein Königreich dem Vater zu übergeben. Dann wird das Herrschen der Gerechtigkeit dem Wohnen der Gerechtigkeit Platz machen (Heb 1,8 und 2. Pet 3,13).
Jedoch wünsche ich noch auf etliche Dinge, die mit unserer Betrachtung in naher Verbindung stehen, die Aufmerksamkeit des Lesers zu richten. Christus wird also, wie wir hier lesen, das Königreich übergeben. Dieses wird während des ganzen Verlaufs der Weltgeschichte, in der langen Kette von Reichen und Thronen das erste Mal sein, dass eine Herrschaft den Händen dessen zurückgegeben wird, der sie anvertraut hat. In dem Buch Daniels lesen wir, dass allen unter dem Bild von Tieren dargestellten Reichen der Reihe nach die Herrschaft weggenommen wird. Und warum? Weil sie nicht treu geblieben waren und nicht taten, was ihnen befohlen war. So ist es allezeit gewesen, und so ist es noch. Kein einziges Reich hat existiert, welches die Forderungen Gottes erfüllte; und darum ist auch allen die Herrschaft weggenommen. Noch niemand hat das „Zepter der Aufrichtigkeit“ geführt, und darum ist auch jedes Reich zertrümmert worden. Dieses sehen wir deutlich in Jesaja 15–24 und Jeremia 25, wo Gott einem Volk nach dem anderen seinen Zorn ankündigen lässt, wo über alle das Urteil ihres Verfalls ausgesprochen wird. Ja, es braucht kaum erwähnt zu werden, auch Israel machte keine Ausnahme; auch dieses Volk hat treulos gehandelt; auch die Herrscher dieses Volkes haben gefehlt und selbst mehr gefehlt als viele andere. Doch einmal, wenn Christus auf diese Erde kommt, dann wird eine Herrschaft geübt werden, die allen Forderungen Gottes entspricht. Er, der Messias seines Volkes, wird den Namen führen: „Treu und Wahrhaftig“ (Off 19,11). Er allein ist es, der mit Gerechtigkeit herrschen, der sein Zepter mit Weisheit führen und alles nach dem wohlgefälligen Willen Gottes tun wird (Ps 101). Darum kann auch keinem anderen, der dessen so würdig wäre, das Reich gegeben werden: denn Er allein kann vollkommen Rechenschaft geben von all seinem Tun, oder, um die Worte in Lukas 16 zu gebrauchen, von seiner Verwaltung: an seiner Herrschaft wird nichts auszusetzen sein (Ps 72). Von Ihm wird und kann die Herrschaft nicht weggenommen werden; nein, Er selbst wird sie den Händen Gottes, seines Vaters, übergeben.
Schließlich möchte ich die Aufmerksamkeit des Lesers noch gern auf einen Punkt lenken, nämlich darauf, dass der einzige Feind, der hier als derjenige, den Christus unter seine Macht bringen will, genannt wird, der „Tod“ ist. Es ist zwar im Allgemeinen gesagt, dass alle Feinde vernichtet werden sollen, doch hier wird nur der Tod als solcher angeführt. Dieses ist nicht ganz ohne Bedeutung, zumal wenn es sich um den Gegenstand unserer Betrachtung handelt. Die Propheten des Alten und teilweise auch des Neuen Testaments reden zu uns von anderen Feinden, über welche Christus triumphieren wird. Daniel teilt uns mit, dass Er jedes andere Königreich zerstückeln und zerstören, aber dass sein Reich die ganze Erde erfüllen werde. Jesajas sagt uns, dass in jenen Tagen die Erde voll sein werde der Erkenntnis des Herrn, wie die Wasser das Meer bedecken. In den Psalmen finden wir zu wiederholten Malen, dass die ganze Schöpfung Ihm in seiner Herrschaft huldigen werde. Johannes nennt Ihn „den König der Könige, den Herrn der Herren;“ und er Hort, wie die ganze Kreatur ausruft: „Halleluja! denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die königliche Herrschaft übernommen.“ – Dieses alles und noch viel mehr wird uns durch die Schreiber der Heiligen Schrift mitgeteilt: aber von diesem allen ist in dem vorliegenden Kapitel keine Rede. Keine andere Macht, kein anderer Feind, der durch Christus vernichtet werden soll, wird hier genannt, als nur der „Tod.“ Und dieses ist, wie schon gesagt, nicht ohne Bedeutung im Blick auf die Auferstehung, wovon das ganze Kapitel handelt. Gott sei Dank, dass nicht nur einmal eine Auferstehung stattfinden, sondern dass auch der Tod, dieser entsetzliche Feind, für immer vernichtet werden soll. Wir können daher mit Recht ausrufen: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Hades, dein Sieg?“