Botschafter des Heils in Christo 1876

Gedanken über das Kommen des Herrn - Teil 2/6

2. Die doppelte Tragweite dieser Tatsache

Nachdem wir, wie wir hoffen, die Tatsache der Ankunft des Herrn klar dargestellt haben, werden wir jetzt die doppelte Tragweite dieser Tatsache – ihre Tragweite bezüglich der Kinder Gottes, sowie auch der Kinder dieser Welt – vor das Auge des Lesers zu bringen trachten. Erstere wird in dem Neuen Testament als die Ankunft Christi, um die Seinen aufzunehmen, vor unsere Augen gestellt, und letztere findet in dem im Alten Testament oft gebrauchten Ausdruck: „der Tag des Herrn“, ihre Bezeichnung.

Diese beiden Dinge sind, wie wir bei Betrachtung verschiedener Stellen sehen werden, in der Heiligen Schrift nie mit einander verwechselt. Leider geschieht dieses dennoch von vielen Christen; und daherkommt es, dass wir unsere herrliche Hoffnung so oft mit schweren Wolken umhüllt und mit Umständen von Schrecken, Zorn und Gericht begleitet finden, die doch gar nicht mit der Ankunft Christi zur Aufnahme der Seinen, wohl aber mit dem Tag des Herrn enge verbunden sind.

Möge der christliche Leser, gestützt auf die Autorität der Heiligen Schrift, es ein für alle Mal in seinem Herzen festgestellt haben, dass die große, ihm gehörende Hoffnung, welche er stets hegen und pflegen sollte, die Ankunft des Herrn für die Seinen ist. Es gibt für uns nichts anderes mehr zu erwarten – weder Ereignisse, die vorher unter den Nationen stattfinden, noch Begebenheiten, die sich in der Geschichte des Volles Israel oder in der Regierung Gottes bezüglich der Welt vollziehen müssten; nein, es gibt nichts, gar nichts, was in irgendeiner Form oder Gestalt zwischen das Herz des Gläubigen und seine himmlische Hoffnung treten darf. Christus kann für die Seinen noch in dieser Nacht kommen. Es steht Ihm nichts im Weg. Niemand kann sagen, wann Er kommen wird: aber wir können freudig sagen, dass Er jeden Augenblick kommen kann. Und – gepriesen sei sein Name! – diese seine Ankunft wird nicht von Schrecken, Zorn und Gericht begleitet und nicht in Dunkel, Finsternis und Sturm eingehüllt sein; denn diese Umstände sind die Begleiter des „Tages des Herrn“, wie der Apostel Petrus den Juden in seiner ersten großen Predigt am Pfingsttag deutlich mitteilt, indem er die Worte der feierlichen Prophezeiung Joels anführt: „Und ich werde Wunder geben in dem Himmel oben, und Zeichen auf der Erde unten, Blut und Feuer und Rauchdampf. Die Sonne wird verwandelt werden in Finsternis und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt“ (Apg 2,19–20). Es heißt nicht: „Ehe der Herr zur Aufnahme der Seinen“, sondern: „Ehe der Tag des Herrn kommt.“ Man beachte es wohl!

Wenn der Herr zur Aufnahme der Seinen kommen wird, so wird Ihn, außer seinem erlösten und erkauften Volk, kein Auge sehen, und kein Ohr seine Stimme vernehmen. Erinnern wir uns an die Worte der himmlischen Zeugen im ersten Kapitel der Apostelgeschichte. Wer sah den Herrn gen Himmel fahren? Niemand außer den Seinen. Wohlan, „Er wird also kommen, wie ihr Ihn habt auffahren sehen.“ Wie sein Hingang war, so wird seine Wiederkunft sein. Eine Vermengung des „Tages des Herrn“ mit der „Ankunft des Herrn“ für seine Versammlung ist eine Geringachtung der deutlichen Lehre der Heiligen Schrift und für den Gläubigen eine Beraubung seiner einzig wahren, ihm gehörenden Hoffnung.

Und hier können wir vielleicht nichts Besseres tun, als die Aufmerksamkeit unserer Leser auf eine höchst wichtige und lehrreiche Stelle in der zweiten Brief des Petrus zu lenken. „Denn wir sind nicht künstlich erdichteten Fabeln gefolgt, als wir euch kundtaten die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, sondern als die da Augenzeugen seiner Majestät gewesen sind. Denn Er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an Ihn erging: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe. Und diese Stimme hörten wir vom Himmel erlassen, als wir mit Ihm auf dem heiligen Berge waren. Und wir haben das prophetische Wort befestigt, auf welches zu achten ihr wohltut, (als auf eine Lampe, welche leuchtet in einem dunklen Ort) bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen“ (Kap 1,16–19).

Diese Stelle erfordert die aufmerksamste Erwägung des Lesers. Sie stellt in der klarsten Weise den Unterschied zwischen dem prophetischen Worte und dem „Morgenstern“, der eigentlichen Hoffnung des Christen, vor unser Auge. Wir müssen uns erinnern, dass der große Gegenstand der Prophezeiung die Regierung Gottes über die Welt in Verbindung mit dem Samen Abrahams umfasst. „Da der Höchste das Erbteil austeilte den Nationen, da Er voneinander schied die Menschensöhne, da stellte Er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel. Denn Jehovas Teil ist sein Volk, Jakob die Schnur seines Erbteils“ (5. Mo 32,8–9).

Hier haben wir also den Umfang und den Zweck der Prophezeiung; sie umfasst Israel und die Nationen. Ein Kind vermag dieses zu begreifen. Wenn wir die Propheten vom ersten Kapitel Jesajas bis zum letzten Kapitel Maleachis durchlesen, so finden wir auch nicht eine einzige Zeile in Bezug auf die Kirche oder Versammlung – auf ihre Stellung, ihr Teil, ihre Hoffnung. Ohne allen Zweifel ist die Prophezeiung von hoher Wichtigkeit und großem Nutzen für den Gläubigen, um sie zu untersuchen: aber er wird sie nur verstehen in dem Verhältnis, wie er ihren eigentlichen Umfang und ihren Zweck auffasst, und wird finden, dass dieselbe mit seiner eigenen speziellen Hoffnung im Widerspruch steht. Wir dürfen kühn behaupten, dass es für jemanden, der nicht den wahren Platz der Versammlung kennt, unmöglich ist, die Prophezeiungen des Alten Testaments richtig aufzufassen.

Wir dürfen in dieser kurzen Betrachtung uns nicht weiter über diesen Gegenstand ausbreiten. Derselbe ist immer wieder in anderen Schriften berührt und entfaltet worden; und wir können nur den Leser bitten, sich selbst von unserer Behauptung, dass nämlich vom ersten bis zum letzten Blatte des Alten Testamentes hin die Versammlung Gottes, der Leib Christi, nicht mit einer Silbe berührt wird, überzeugen zu wollen. Zwar sind Vorbilder, Schatten, Andeutungen darin enthalten, welche wir, nachdem wir das Neue Testament besitzen, verstehen und schätzen können. Aber für einen Gläubigen des Alten Testaments war es unmöglich, das große Geheimnis des Christus und der Versammlung zu sehen, da dasselbe nicht offenbart war. Der Apostel Paulus sagt ausdrücklich, dass es „verborgen“ war, und zwar nicht in den Schriften des Alten Testaments, sondern, wie wir im dritten Kapitel des Epheserbriefes lesen, „in Gott.“ Paulus war dazu ausersehen, „den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen und alle zu erleuchten, welches da sei die Verwaltung des Geheimnisses, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat.“ Auch in dem Kolosserbrief lesen wir: „Das Geheimnis, das verborgen war von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her, jetzt aber offenbart worden ist seinen Heiligen“ (Kap 1,26).

Diese beiden Stellen bestätigen ohne allen Zweifel die Wahrheit unserer Behauptung für einen jeden, der sich der Autorität des Wortes Gottes unterwirft; sie belehren uns in der bestimmtesten Weise, dass das Geheimnis – Christus und die Versammlung – nicht im Alten Testamente gefunden werden konnte. Wo finden wir im Alten Testament ein Wort betreffs der Tatsache, dass Juden und Heiden einen Leib bilden und durch den Heiligen Geist mit einem lebendigen Haupt im Himmel verbunden werden sollten? Wie hätte dieses auch stattfinden können, solange noch die „Zwischenwand der Umzäunung“ (Eph 2,14–15) als ein unübersteigbares Hindernis zwischen der Beschneidung und der Vorhaut bestand? Wenn man uns fragt, welches der besondere Zug der alten Haushaltung gewesen sei, so werden wir sofort antworten: „die strengste Absonderung des Juden von dem Heiden.“ Wenn man aber andererseits den besonderen Zug der Versammlung oder der Christenheit zu kennen wünscht, so müssen wir erwidern: „die engste Verbindung des Juden und des Heiden zu einem Leib“ (Eph 3,6). Kurz, diese beiden Zustände stehen im grellsten Gegensatz zu einander; und es war gänzlich unmöglich, dass beide Zustände zu gleicher Zeit bestehen konnten. Solange die „Zwischenwand der Umzäunung“ bestand, konnte die Wahrheit der Versammlung nicht offenbart werden; aber der Tod Christi hat diese Zwischenwand abgebrochen, und der Heilige Geist ist vom Himmel gekommen, um einen Leib zu bilden und durch seine Gegenwart denselben mit dem auferstandenen und verherrlichten Haupt zu vereinigen. Das ist das große Geheimnis des Christus und der Versammlung (Eph 5,32), für welches es keine andere Grundlage geben konnte, als das vollbrachte Werk der Erlösung.

Möge der Leser diese Sache für sich selbst untersuchen. Er forsche in der Schrift, ob es sich also verhalte. Das ist der einzige Weg, die Wahrheit kennen zu lernen. Wir müssen unsere eigenen Gedanken, unsere Vorurteile und die uns so liebgewordenen Ansichten bei Seite legen und wie ein Kind die Heilige Schrift betrachten. Auf diese Weise werden wir die Gedanken Gottes über diesen köstlichen und wichtigen Gegenstand kennen lernen. Wir werden finden, dass die Versammlung Gottes, der Leib Christi, erst nach der Auferstehung und Himmelfahrt, sowie nach der notwendig darauffolgenden Ausgießung des Heiligen Geistes als eine Tatsache existiert. Ferner werden wir finden, dass die Lehre in Bezug auf die Versammlung erst in den Tagen des Apostels Paulus offenbart worden ist (vgl. Röm 16,36; Eph 1–3; Kol 1,25–29). Und endlich werden wir in Pfingsten (Apg 2) und in der Verwandlung oder Entrückung der Heiligen (1. Thes 4,13–17) die beiden entgegengesetzten wirklichen und unverkennbaren Endpunkte der irdischen Geschichte der Versammlung finden.

In dieser Weise erreichen wir einen Standpunkt, von wo aus wir eine Aussicht auf die besondere Hoffnung der Versammlung gewinnen; und diese Hoffnung ist: „der glänzende Morgenstern.“ Die Propheten des Alten Testaments berühren diese Hoffnung auch nicht mit einer Silbe. Sie reden klar und ausführlich von dem „Tage des Herrn“, von dem Tag des Gerichts über die Welt und ihre Wege (Siehe Jes 2,12–22 und ähnliche Stellen); aber der „Tag des Herrn“ mit all den ihn begleitenden Umständen des Zorns, des Gerichts und des Schreckens darf niemals verwechselt werden mit der „Ankunft des Herrn für die Seinen.“ Wenn der Herr für die Seinen kommen wird, so wird nichts Erschreckendes damit verbunden sein. Er wird kommen in der ganzen Köstlichkeit und Anmut seiner Liebe, um sein geliebtes, erkauftes Volk zu sich aufzunehmen. Er wird kommen, um die herrliche Geschichte seiner Gnade zur Vollendung zu bringen. Christus wird erscheinen zum zweiten Male, ohne Sünde denen, die Ihn erwarten zur Seligkeit. 1 (Heb 9,28) Er wird als Bräutigam kommen, um die Braut zu empfangen; und wenn Er also kommt, werden nur die Seinen sein Antlitz sehen und seine Stimme hören. Wenn Er – und nichts könnte Ihn daran hindern – noch heute käme, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes noch heute vernommen würden, dann würden die in Christus Entschlafenen, alle die Heiligen Gottes der alt– und neutestamentlichen Zeiten, von ihrem Schlaf erwachen, die noch lebenden Heiligen in einem Nu verwandelt, und alle Zugleich aufgenommen und ihrem herniederfahrenden Herrn entgegen geführt werden, um mit Ihm in das Haus seines Vaters einzutreten (Joh 14,3; 1. Thes 4,16–17; 1. Kor 15,51–52).

Das ist es, was unter der Aufnahme oder Entrückung der Heiligen verstanden wird und hat unmittelbar nichts mit den Juden oder den Nationen zu tun. Dieses ist die bestimmte und eigenartige Hoffnung der Versammlung, eine Hoffnung, die im Alten Testament nicht mit einer Silbe erwähnt wird. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, so liefere er den Beweis. Wir erklären ernst und wohlüberlegt, dass kein Beweis dieser Art existiert. In Betreff der Versammlung, in Betreff ihrer Stellung, ihrer Berufung, ihres Teils, ihrer Hoffnung, müssen wir unsere Blicke dem Neuen Testament und vor allem den Briefen des Paulus zuwenden. Eine Vermengung des prophetischen Wortes mit der Hoffnung der Versammlung ist eine Beeinträchtigung der Wahrheit Gottes, um die Seelen der Seinen irrezuführen. Leider ist es wahr, dass dieses dem Feind in der ganzen bekennenden Christenheit gelungen ist; und das ist die Ursache, dass so wenige Christen wirklich biblische Gedanken über die Ankunft des Herrn besitzen. Sie suchen in den Propheten nach der Hoffnung der Versammlung; sie verwechseln die „Sonne der Gerechtigkeit“ mit dem „Morgenstern;“ sie vermischen die Ankunft des Herrn für die seinigen mit der Ankunft des Herrn mit den Seinen; sie stellen jene Ankunft mit seiner „Erscheinung“ oder „Offenbarung“ auf gleichen Boden.

Dieses alles ist ein höchst beklagenswerter Irrtum, vor welchem wir unsere Leser warnen möchten. Wenn Christus mit den Seinen kommt, dann wird jedes Auge Ihn schauen. „Wenn Er offenbar werden wird, dann werden wir mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Wenn Er zur Ausführung des Gerichts erscheint, dann werden seine Heiligen mit Ihm erscheinen. „Siehe der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausenden, Gericht auszuführen“ (Jud 14–15). Gleicherweise folgen in Offenbarung 19,11–15 dem Reiter auf dem weißen Pferd die Kriegsheere im Himmel auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Leinwand. Diese Heere aber sind keine Engel; denn wir lesen nicht, dass sie mit „weißer Leinwand“, welche in diesem Kapitel ausdrücklich als „die Gerechtigkeiten der Heiligen“ bezeichnet wird, bekleidet sind (V 8).

Nun ist es klar, dass, wenn die Heiligen ihren Herrn auf seinem Weg zum Gericht begleiten werden, sie vorher bei Ihm sein müssen. Die Tatsache ihres Hingangs zu Ihm wird in dem Buch der Offenbarung nicht dargestellt, es sei denn, dass sie – woran wir nicht zweifeln – in der Entrückung des männlichen Kindes mit einbegriffen ist (Kap 12). Das „männliche Kind“ ist ohne Zweifel Christus; und da Christus und die seinigen unzertrennlich in eins vereinigt sind, so sind Letztere auch – gepriesen sei sein heiliger Name! – mit Ihm vollständig identifiziert. Indes ist es nicht der Zweck der Offenbarung, uns über die Ankunft Christi für die Seinen, oder über ihre Entrückung zu Ihm und über ihre Einkehr in das Haus des Vaters Mitteilungen zu machen. Diese gesegneten Ereignisse oder Tatsachen müssen wir anderswo suchen; wie z. B. in Johannes 14,3; 1. Korinther 15,33.51–52; 1. Thessalonicher 4,14–17. Der Leser betrachte diese drei Stellen und nehme diese kostbaren Wahrheiten in sich auf. Es finden sich darin weder Schwierigkeiten noch Unsicherheiten, weder Nebel noch Dunkelheiten. Ein Kind in Christus kann sie verstehen. Sie stellen uns in der klarsten und einfachsten Weise die wahre christliche Hoffnung vor Augen; und diese Hoffnung ist – wir wiederholen es mit Nachdruck und stellen es als die unmittelbare und bestimmte Lehre der Heiligen Schrift vor das Auge des Lesers – die Ankunft Christi, um die Seinen, alle die Seinen zu sich aufzunehmen und sie mit sich in das Haus seines Vaters zu führen, wo sie mit Ihm weilen werden, während Gott in seiner Regierung mit Israel und den Nationen handelt und durch sein Gericht den Weg bereitet, um seinen Erstgeborenen in die Welt einzuführen.

Wenn jemand fragt, warum die Ankunft des Herrn für die seinigen nicht in der Offenbarung enthalten sei, so antworten wir: Darum, weil dieses Buch – wenigstens vom ersten bis zum zwanzigsten Kapitel – in hervorragender Weise ein der Regierung Gottes entsprechendes, gerichtliches Buch, also ein Buch des Gerichts ist. Denn selbst die Versammlung wird nicht, wie wir im zweiten und dritten Kapitel sehen, als der Leib oder als die Braut Christi, sondern vielmehr als der verantwortliche Zeuge auf Erden betrachtet, dessen Zustand durch Ihn, welcher zwischen den Leuchtern wandelt, sorgfältig geprüft und streng gerichtet wird. Die Entrückung der Heiligen direkt anzuführen, würde daher dem Zweck und dem Charakter dieses Buches keineswegs entsprechen. Es zeigt uns die Versammlung im zweiten und dritten Kapitel unter „den Dingen, die da sind“, in der Stellung der Verantwortlichkeit. Aber von da an bis zum 19. Kapitel finden wir die Versammlung auf Erden mit keiner Silbe mehr erwähnt. Die einfache Tatsache ist, dass die Versammlung während dieser ernsten Periode nicht mehr auf Erden, sondern mit ihrem Haupt und Herrn im Haus des Vaters sein wird. Die Erlösten werden unter dem Titel der 24 gekrönten Ältesten im Himmel gesehen (Kap 4 und 5); sie werden dort sein, während die Siegel geöffnet, die Posaunen geblasen und die Schalen des Zornes ausgegossen werden. Wer sich die Versammlung vom sechsten bis zum achtzehnten Kapitel auf Erden denkt, wer sie als unter die apokalyptischen Gerichte gestellt, als durch die „große Trübsal“ gehend, und sie als der „Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um alle zu versuchen, die auf Erden wohnen“, unterworfen betrachtet, – der verfälscht ihre Stellung, beraubt sie ihrer heiligen Vorrechte und widerspricht den klarsten und unzweideutigsten Verheißungen ihres Herrn. 2

Nein, mein geliebter Leser, lass dich durch niemanden in irgendeiner Weise täuschen. Im zweiten und dritten Kapitel sehen wir die Versammlung auf Erden: aber im vierten und fünften Kapitel sehen wir sie mit den Heiligen des Alten Testaments im Himmel vereinigt. Es ist uns in diesem Buch nicht gesagt worden, wie sie dort hingekommen sind; aber wir sehen sie dort in inniger Gemeinschaft und Anbetung, bis der Reiter auf dem weißen Pferde mit seinen Heiligen erscheint (Kap 19), um das Gericht über das Tier und den falschen Propheten auszuführen, um jeden Feind, jedes Nebel nieder zu werfen, und um während der gesegneten Periode von tausend Jahren über die Erde zu herrschen.

Das ist die einfache Lehre des Neuen Testaments, auf welche wir ernstlich die Aufmerksamkeit des Lesers zu lenken trachten. Niemand aber lasse die Meinung in sich aufkommen, dass, wenn wir – was wir mit allem Nachdruck tun – lehren, dass die Versammlung nicht die „große Trübsal“ durchmachen und nicht in die „Stunde der Versuchung“ kommen werde, es unsere Absicht sei, für den Christen einen bequemen Pfad ausfindig machen zu wollen. Das sei ferne. Es ist eine unumstößliche Wahrheit, dass die Trübsal den wahren und normalen Zustand der Versammlung und mithin auch jedes einzelnen Gläubigen kennzeichnet. „In der Welt habt ihr Trübsal;“ und wiederum: „Wir rühmen uns der Trübsal“ (Joh 16,33; Röm 5,3). Aber das ist nicht die in der Offenbarung bezeichnete, gerichtliche „große Trübsal.“ Es kann sich daher nicht darum handeln, das beseitigen zu wollen, was, wenn wir dem Herrn treu sind, unser bestimmtes Teil in dieser Welt sein wird; aber es ist Tatsache, dass die ganze Wahrheit der Stellung und Hoffnung der Versammlung durch eine falsche Auffassung in Frage gestellt wird. Aus diesem Grund fordern wir den Leser zu einer ernsten, mit Gebet begleiteten Prüfung und Forschung dringend auf.

Es ist die unverkennbare Absicht des Feindes, die Versammlung Gottes auf den niedrigen Standpunkt der Erde herabzuziehen, die Gläubigen in ihrer göttlich festgestellten Hoffnung irrezuführen, sie zu leiten, die Dinge, die Gott als verschieden bezeichnet, zu vermengen und mit irdischen Dingen auszufüllen, und sie schließlich dahin zu bringen, die Ankunft des Herrn für die Seinen mit seiner Erscheinung zum Gericht zu verwechseln und dadurch ihre himmlische Sehnsucht und innige Zuneigung, die den Gliedern seines Leibes geziemen, der Nahrung zu berauben. Ja, es ist sein stetes Bestreben, ihre Blicke auf die kommenden irdischen Ereignisse zu lenken, um dieselben zwischen ihre Herzen und ihre herrliche Hoffnung zu schieben, damit sie nicht, wie Gott es wünscht, auf hohem Wartturm stehen und mit sehnsuchtsvollem Herzen der Erscheinung des „glänzenden Morgensterns“ entgegen harren möchten.

Der Feind weiß wohl, was er tut; aber auch wir sollten über seine List nicht in Unwissenheit sein, sondern uns vielmehr der ernsten Forschung des Wortes Gottes hingeben und auf diesem Weg die „doppelte Tragweite der herrlichen Tatsache des Kommens unseres Herrn“ kennen lernen. 3. Die „Ankunft“ und der „Tag“

Wir bitten den Leser, mit uns zu den beiden Briefen an die Thessalonicher zurückzukehren. Wie bereits bemerkt, waren diese Gläubigen zu der gesegneten Hoffnung der Wiederkunft des Herrn geführt. Sie wurden belehrt, Ihn von Tag zu Tage zu erwarten. Sie hatten nicht nur die Lehre der Ankunft des Herrn empfangen und in ihrem Geist aufgenommen, sondern ihre Herzen, welche gelernt hatten, Ihn zu lieben und nach seiner Ankunft auszuschauen, erwarteten beständig eine göttliche Person.

Allein die Gläubigen zu Thessalonich befanden sich, wie wir leicht begreifen, über manche, mit dieser gesegneten Hoffnung verknüpften Dinge noch in Unwissenheit. Sie waren – zwar nicht dem Herzen, aber dem Angesicht nach – des Apostels für eine kurze Zeit beraubt (1. Thes 3,17). Es war ihm nicht vergönnt gewesen, lange genug unter ihnen verweilen und sie mit allen Einzelheiten des Gegenstandes ihrer Hoffnung bekannt machen zu können. Sie wussten, dass Jesus aus den Himmeln zurückkehren werde, um sie von dem kommenden Zorn zu erretten; aber in Bezug auf den Unterschied zwischen seiner Ankunft für die Seinen und seinem Kommen mit den Seinen – zwischen seiner Ankunft und seinem Tag – waren sie anfänglich noch ganz in Unwissenheit. Das war die Ursache, dass sie, wie man nicht anders erwarten konnte, in verschiedene Irrtümer und Missverständnisse verfielen. Es ist wunderbar, wie schnell der menschliche Geist zur seltsamsten und gröbsten Verwirrung und Verirrung fortgerissen werden kann. Wie sehr bedürfen wir es auf allen Seiten, durch die reine, unerschütterliche und alles entscheidende Wahrheit Gottes bewahrt zu werden! Wir müssen unsere Seelen durch die göttliche Offenbarung beständig im Gleichgewicht erhalten; denn anders fallen wir sicher in alle Arten falscher und törichter Meinungen. So hatten etliche der Thessalonicher der Idee Raum gegeben, ihre ehrliche Hantierung zu verlassen. Sie hörten auf, mit ihren Händen zu arbeiten und liefen müßig umher.

Das war ein grober Irrtum. Selbst wenn wir völlig gewiss wären, dass der Herr in der nächsten Nacht kommen werde, so würde das sicher kein Grund sein, unsere tagtäglichen Pflichten nicht treu und fleißig zu erfüllen und etwas zu unterlassen, was uns in der besonderen Sphäre, in welche seine gütige Hand uns gestellt, zu tun obliegt. Im Gegenteil sollte gerade die Tatsache der Erwartung des Herrn den Wunsch in uns verstärken, bis zu dem Moment seiner Ankunft alles, wie es sein musste, getan zu haben, damit auch nicht eine einzige an uns gestellte gerechte Forderung vernachlässigt worden sei. Die Hoffnung der baldigen Wiederkehr des Herrn übt, wenn die Seele sie in Kraft besitzt, einen heiligenden, reinigenden und alles ordnenden Einfluss auf unser christliches Leben und Betragen und auf unseren Charakter aus. Ach, wir wissen wohl, dass die herrlichste Wahrheit mit dem Verstand erfasst und geläufig mit der Zunge bekannt werden kann, während das Herz und das Leben, die Gewohnheiten, das Betragen und der Charakter gänzlich dabei unberührt bleiben. Der Apostel Johannes aber gibt uns mit Nachdruck die Belehrung: „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleich wie Er rein ist“ (1. Joh 3,3); und sicher schließt dieses „Reinigen“ alles in sich, was sich auf unser praktisches, tagtägliches Leben bezieht.

Es gab aber noch eine anders Verirrung, in welche diese teuren Thessalonicher verfielen, und aus welcher sie der gesegnete Apostel, gleich einem wahren und treuen Hirten, zu befreien suchte. Sie stellten sich vor, dass die entschlafenen Gläubigen an der Freude der Wiederkunft des Herrn keinen Teil haben würden. Sie fürchteten, dass dieselben den Genuss dieses herrlichen und solange ersehnten Augenblicks entbehren müssten. Wie sehr nun zwar dieser Irrtum den Beweis liefert, wie lebhaft diese Gläubigen ihre gesegnete Hoffnung verwirklichten, so war derselbe dennoch ein Irrtum und bedurfte der Berichtigung. Betrachten wir sorgfältig, wie diese stattfand. „Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf dass ihr euch nicht betrübt, wie auch die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die Entschlafenen durch Jesus mit Ihm bringen“ (1. Thes 4,13–14).

Wir sehen hier, dass der Apostel die trauernden Freunde nicht mit der Versicherung zu trösten sucht, dass sie bald den Heimgegangenen; folgen würden; im Gegenteil versichert er sie, dass der Herr Jesus die Entschlafenen mit sich bringen werde. Das ist klar und bestimmt und auf die große Tatsache gegründet, dass „Jesus für uns gestorben und auferstanden ist.“ Doch der Apostel bleibt hier nicht stehen, sondern fährt fort, einen Strom frischen Lichts auf das Verständnis seiner Kinder im Glauben auszuschütten. „Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen durchaus nicht zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus, werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, Zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft: und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (1. Thes 4,15–18).

Hier sehen wir also jenes große Ereignis, welches wir die Entrückung der Heiligen zu nennen pflegen – in der Tat ein herrlicher, ermunternder und erfreulicher Gegenstand – die glänzendste Hoffnung der Versammlung Gottes und mithin jedes einzelnen Gläubigen, vor unsere Augen gestellt. Der Herr selbst wird vom Himmel herniederkommen mit einer Vorladung, die nur für die Ohren und Herzen der Seinen bestimmt ist. Kein unbeschnittenes Ohr wird diese himmlische Stimme vernehmen; kein nicht wiedergeborenes Herz wird durch diesen göttlichen Posaunenschall bewegt werden. Die Toten in Christus – sowohl die Heiligen des Alten, wie die des Neuen Testaments, welche im Glauben an Christus dahin geschieden sind – werden alle die mächtige Stimme hören und aus ihren Gräbern hervorkommen; und auch die lebenden Heiligen werden sie hören und in einem Nu verwandelt werden. Und welch eine Veränderung! Der arme Leib der Niedrigkeit wird umgestaltet sein zur Gleichförmigkeit seines Leibes der Herrlichkeit.

Schaut dort jene gebeugte und abgezehrte Gestalt, jenen durch Schmerzen und jahrelange Leiden erschöpften Leib. Es ist der Leib eines Heiligen. Nie demütigend! Doch gedulde dich eine kleine Weile. Wenn die Posaune erschallt, wird in einem Moment die gebeugte und hinwelkende Gestalt verwandelt und dem verherrlichten Leib unseres herniedersteigenden Herrn gleichförmig sein. Und schaue dort, in jenem Asyl schleicht ein armer Geisteskranker seit Jahren umher. Er ist ein Heiliger Gottes. Wunderbar! Unmöglich können wir es erfassen; es übersteigt unser Verständnis. Aber es ist so: dieser Geisteskranke ist ein Heiliger Gottes, ein Erbe der Herrlichkeit. Auch er wird die Stimme des Erzengels, die Posaune Gottes vernehmen und die Störungen seines Geistes für immer zurücklassen, während er in einem verherrlichten Leib mit seinem Herrn dem Vaterhaus entgegeneilt.

Ja, mein teurer Leser, welch ein glanzvoller Augenblick! Wie herrlich ist der Gedanke an jene Tausende und aber Tausende, die dem Herrn entgegen gerückt werden, und welch eine Freude, in ihrer Mitte zu sein! Wie süß ist die Hoffnung, Ihn zuschauen, „der uns geliebt und sich selbst für uns dahingegeben hat!“ Das ist die Hoffnung des Christen – eine Hoffnung, von der sich in den Blättern des Alten Testaments auch nicht eine Spur finden lässt. Das prophetische Wort ist von großer Wichtigkeit, und wir tun wohl, darauf zu achten. Es ist für die, welche sich an einem dunklen Orte befinden, eine höchst schätzbare Wohltat, wenn sie eine hell scheinende Lampe besitzen, die ihr Licht in die Finsternis hineinstrahlen lässt: aber der Christ vergesse nicht, dass es für ihn nötig ist, den „in seinem Herzen aufgehenden Morgenstern“ zu haben, oder dass, mit anderen Worten, sein ganzes Herz durch die Hoffnung, Jesus als den glänzenden Morgenstern zu sehen, beherrscht sein muss. Nur in diesem Fall kann er das ganze Feld der Prophezeiung, sowie Gott es gnädig dem Auge geöffnet hat, überschauen und auf jedem Blatt Interesse und Nutzen finden, während er irregehen würde, wenn er die Prophezeiungen betrachtet, um die Versammlung und ihre Hoffnung darin zu suchen. Er wird darin „Israel“ und die „Nationen“ finden, aber nimmer die Versammlung Gottes. Wir hoffen alles Ernstes, dass jeder unserer Leser sich diese Wahrheit zu Nutze machen möge: denn sie ist von der höchsten Wichtigkeit.

Nun könnte vielleicht jemand fragen: „Wozu denn das prophetische Wort? Welchen Nutzen hat es für den Christen, wenn sich nichts von der Versammlung darin findet? Warum werden wir aufgefordert, darauf zu achten, wenn sein Inhalt uns nicht unmittelbar betrifft?“ Wir erwidern: Hat nur das einen Wert für uns, was uns direkt angeht? Haben wir nur ein Interesse für Dinge, welche uns zu ihrem unmittelbaren Gegenstand machen? Ist es uns gleichgültig, in die Ratschlüsse, Absichten und Pläne Gottes einen Blick tun zu dürfen? Achten wir das Vorrecht gering, die Gedanken Gottes in seinem heiligen Worte der Prophezeiung aufgezeichnet zu finden? Sicher, Abraham betrachtete die göttlichen Offenbarungen nicht mit solcher Geringschätzung (1. Mo 18): „Und Jehova sprach: Soll ich vor Abraham verbergen, was ich tue?“ Und was beabsichtigte Gott zu tun? Betraf es Abraham unmittelbar? Keineswegs. Es handelte sich um Sodom und die umliegenden Städte; und Abraham hatte dort nichts zu verlieren oder zu gewinnen. Aber verminderte dieses sein Interesse an der göttlichen Mitteilung? O nein, gewiss wird er diesen Beweis der besonderen Gunst, mit den Gedanken Gottes betraut zu werden, hochgeschätzt haben.

Und sollten daher nicht auch wir mit dem größten Interesse die Prophezeiungen untersuchen, die vor unseren Blicken mit göttlicher Bestimmtheit enthüllen, was Gott uns dieser Erde mit Israel und den Nationen zu tun beabsichtigt? Die Prophezeiung ist die Geschichte Gottes in Betreff der Zukunft; und in demselben Verhältnis wie wir Gott lieben, wird es uns auch eine Freude sein, diese Geschichte zu betrachten, und zwar nicht, wie etliche behauptet haben, damit wir die Wahrheit derselben durch ihre Erfüllung erkennen, sondern damit wir jene völlige, göttliche Gewissheit bezüglich der Zukunft besitzen, welche das Wort Gottes allein uns mitzuteilen vermag. Nichts könnte in dem Urteil des Glaubens widersinniger sein, als anzunehmen, dass man auf die Erfüllung einer Prophezeiung warten müsse, um von deren Wahrheit überzeugt zu sein. Welch eine – vielleicht unbewusste – Schmähung, gegenüber den unvergleichlichen Offenbarungen unseres Gottes!

Wenden wir uns jetzt für einige Augenblicke zu dem ernsten Gegenstand – „dem Tag des Herrn.“ Es ist dieses ein Ausdruck, der in den alttestamentlichen Schriften oft vorkommt. Wir können unmöglich alle die darauf bezüglichen Stellen anführen, sondern wir beschränken uns darauf, nur auf zwei Stellen hinzuweisen und überlassen es dem Leser, den Gegenstand weiter zu verfolgen.

In dem zweiten Kapitel des Propheten Jesajas lesen wir: „Denn der Tag Jehovas der Heerscharen wird kommen über alles Hoffärtige und Hohe und über alles Erhabene, und es wird gedemütigt werden ... und es wird gebeugt werden der Hochmut des Menschen und erniedrigt die Hoheit des Mannes, und Jehova allein wird erhaben sein an selbigem Tag. Und die Götzen werden gänzlich verschwinden. Und man wird gehen in die Höhlen der Felsen und in die Klüfte der Erde vor dem Schrecken Jehovas und vor der Herrlichkeit seiner Majestät, wenn Er sich aufmachen wird, zu schrecken die Erde.“

Und wiederum im zweiten Kapitel des Propheten Joels: „Stoßt in die Posaune zu Zion, und blast Lärm auf dem Berg meiner Heiligkeit; lasst erbeben alle Bewohner des Landes; denn es kommt der Tag Jehovas, denn er ist nahe; ein Tag der Finsternis und Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und tiefer Nacht, wie die Morgendämmerung ausgebreitet ist über die Berge – ein großes, mächtiges Volk, desgleichen von alters her nicht gewesen, und nach ihm nicht mehr sein wird bis in die Jahre von Geschlecht zu Geschlecht. ... Vor ihnen erbebt die Erde, der Himmel erzittert: Sonne und Mond werden verfinstert, und die Sterne verhalten ihren Schein ... denn der Tag Jehovas ist groß und sehr schrecklich; und wer wird ihn ertragen?“

Aus diesen und ähnlichen Stellen ersehen wir, dass der „Tag des Herrn“ in Verbindung ist mit dem tiefernsten Gedanken des Gerichts über die Welt, über das abtrünnige Israel, über die Menschen und ihre Wege, ja über alles, was das menschliche Herz schätzt und sucht. Kurz, der Tag des Herrn steht in grellstem Gegensatz zu dem Tag des Menschen. Jetzt hat der Mensch die Oberhand, später wird der Herr die Oberhand haben.

Während es nun völlig wahr ist, dass alle Kinder Gottes im Hinblick auf diesen Tag, welcher, obwohl er mit Gericht über diese Erde hereinbricht, dennoch durch eine Regierung in Gerechtigkeit gekennzeichnet wird, sich freuen dürfen, so müssen wir uns nichtsdestoweniger erinnern, dass nicht dieser in Gericht, Zorn und Schrecken gehüllte „Tag“, sondern die von Frieden, Freude, Liebe und Herrlichkeit begleitete „Ankunft oder Gegenwart Jesu“ die besondere Hoffnung des Christen ausmacht. Die Versammlung wird dem Herrn begegnen und mit Ihm in das Haus des Vaters eingetreten sein, bevor dieser schreckliche Tag über die Welt hereinbricht. Es wird ihr gesegnetes Teil sein, während einer unbestimmten Periode, welche dem Hereinbrechen des „Tages“ vorangeht, die süße Gemeinschaft ihrer himmlischen Heimat zu kosten. Ihr Auge wird sich weiden an dem Anblick des „glänzenden Morgensterns“, lange bevor die „Sonne der Gerechtigkeit“ mit ihrer Wiederherstellungskraft über den gottesfürchtigen Überrest des Samens Abrahams aufgehen wird.

Wir wünschen aufrichtig, dass der christliche Leser diesen großen und wichtigen Unterschied verstehen möge. Wir sind überzeugt, dass ein richtiges Verständnis dieser Wahrheit einen mächtigen Einfluss auf seine Gedanken, Anschauungen und Hoffnungen bezüglich der Zukunft ausüben wird; es wird ihn befähigen, den wahren Endpunkt seines Pfades als Christ ohne verhüllende Wolken in der Ferne zu sehen; es wird ihn von aller Ungewissheit und Verwirrung, ja von jener Furcht befreien, mit welcher leider viele sonst liebe Kinder Gottes in die Zukunft schauen; es wird ihn lehren, seinen Heiland – Ihn, der seine Seele von Ewigkeit her geliebt – und nicht Gerichte, Schrecken, Finsternis, Erdbeben und Umwälzungen aller Art zu erwarten; ja, es wird seinen Geist ruhig und glücklich machen in der sicheren und gewissen Hoffnung, dass er bei dem Herrn sein wird, bevor der große und schreckliche Tag hereinbricht.

Welche Mühe gab sich der treue Apostel, um seine teuren Thessalonicher in das klare Verständnis dieses Unterschieds zwischen der „Ankunft“ und dem „Tage“ einzuführen!

„Was aber Zeit und Zeiten betrifft. Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben werde. Denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn also kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Friede und Sicherheit! Dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, gleich wie die Geburtswehen auf die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife, denn ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages; wir sind nicht von der Nacht, noch von der Finsternis. Also lasst uns nun nicht schlafen, wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, schlafen des Nachts, und die da trunken sind, sind des Nachts trunken. Wir aber, die von dem Tag sind, lasst uns nüchtern sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung der Seligkeit. Denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Seligkeit, durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, auf dass wir, sei es, dass wir wachen oder schlafen, zusammen mit Ihm leben. Deshalb ermuntert einander und erbaut ein jeder den anderen, wie ihr auch tut“ (1. Thes 5,1–11).

Hier finden wir den Unterschied in einer Weise dargestellt, die sicher nicht missverstanden werden kann. Der Herr selbst wird kommen für uns als der Bräutigam: der Tag des Herrn aber wird über die Welt kommen wie ein Dieb in der Nacht. Könnte der Kontrast noch greller sein? Wie kann jemand diese beiden Dinge mit einander vermengen? Sie könnten in der Tat nicht verschiedener sein. Ein Bräutigam und ein Dieb sind sicher zwei ganz verschiedene Personen. Ebenso unterscheidet sich die Ankunft des Herrn für sein wartendes Volk von dem Kommen seines Tages über eine schlummernde, trunkene Welt (Fortsetzung folgt).

Fußnoten

  • 1 Der Ausspruch: „Denen, die Ihn erwarten“, bezieht sich auf alle Gläubigen und nicht nur, wie etliche meinen, auf solche, welche die Wahrheit der Wiederkunft des Herrn festhalten. In letzterem Fall würde unser Platz mit Christus von unserer Erkenntnis abhängig sein, anstatt von unserer Vereinigung durch die Gegenwart und Macht des Heiligen Geistes. Der Geist Gottes setzt in obiger Stelle voraus, dass das Volk Gottes in irgendeiner Weise den Herrn erwarte. Und dieses geschieht in der Tat. Sie mögen nicht alle die Einzelheiten kennen, mögen sich nicht einer gleichen Klarheit erfreuen und diese Wahrheit nicht in derselben Tiefe und Fülle auffassen. Aber gewiss werden sich alle Gläubigen in irgendeiner Zeit freuen, den zu sehen, welcher sie liebt und sich selbst für sie hingegeben hat.
  • 2 Wir werden später Gelegenheit finden, zu zeigen, dass der Geist Gottes, nachdem die Versammlung aufgenommen ist, unter den Juden und Nationen handeln wird (Siehe Off 7).
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