Botschafter des Heils in Christo 1876
Gedanken, gesammelt aus Vorträgen von George Vicesimus Wigram - Teil 16/18
Muss ich die Welt in meinem Herzen umhertragen, weil ich einen Leib der Sünde und des Todes habe? O nein; Gott sei dafür gepriesen! Der Strom des Lebens fließt von Christus im Himmel herab und ergießt sich in die Herzen der Seinen auf Erden, so dass sie dem, der ihnen das Leben mitteilt, Frucht bringen können.
Ein alter Christ kann zu einem jüngeren sagen: „Es gibt nichts in der Welt, was dein Herz befriedigen kann; ich habe nie etwas für das Meine darin gefunden; nur ein Bleiben in Ihm, der die Welt überwunden hat, stillt alle Bedürfnisse.“ Aber wenn ein alter Christ, gegenüber einem jüngeren, ein reicheres Maß von Einsicht und Erfahrung bei sich erblickt, so kann dasselbe nur darin bestehen, dass er jetzt sowohl den Herrn als auch die Verderbtheit seiner Natur besser kennt, als in seinen früheren Tagen.
Worin besteht die Kraft meines Wandels? Gott hat mich mit Christus auferweckt und mir seinen Geist gegeben. Geleitet durch diesen Geist, werde ich alles richten und mich von allem trennen, was nicht vom Vater ist. Das Bewusstsein, mit Christus gestorben, begraben, auferstanden und mit meinem himmlischen Bräutigam verlobt zu sein, lässt mich sagen: „Ich kann das nicht tun, was Ihm missfällt.“ Die Natur mag ihre Wünsche und Neigungen haben; aber ich werde ihnen nicht gehorchen, wenn sie mit den Wünschen und dem Willen des Herrn in Widerspruch stehen. Wir sind in den Wirkungskreis einer wunderbaren Macht eingetreten – der Macht dessen, der das Leben gibt. Für einen jeden, der im Besitz dieses Lebens ist, ist eins Kraft vorhanden, die ihn in das Bild Christi von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt.
Welches war der moralische Zustand jener wenigen Männer, die den Herrn hienieden begleiteten? Sie waren lebendig gemacht; und durch das Licht des Lebens, dessen sie teilhaftig geworden, hatten sie die Kostbarkeit Christi erkannt. Der Herr hatte sich ihrer Herzen bemächtigt. Es ist ja das Geheimnis der Liebe, dass sie das Herz gewinnt. Die Widmung hat es mehr mit den Zuneigungen als mit dem Verstand zu tun. Die Männer sahen ihren Herrn und Lehrer, den sie liebten, gen Himmel auffahren. Wo waren ihre Herzen von jenem Augenblick an? Der Himmel hatte sich ihnen geöffnet. Er, welcher ihre Herzen schon hingenommen, war dort; und ihre Herzen folgten Ihm nach. Der Grundzug der himmlischen Berufung ist die dankbare Anhänglichkeit an eine göttliche Person – an Ihn, der uns geliebt, und der im Himmel ist, wo unsere Blicke Ihn suchen. Die geistliche Dürre so vieler Christen unserer Tage erklärt sich durch den Mangel an Verständnis in dieser Hinsicht. Sie sind nicht himmlisch in ihrem Wesen und Wandel; und dennoch hat Christus das Recht, ein himmlisches Volk zu besitzen, ein Volk, welches in seinen Fußstapfen wandelt.
Bei der Steinigung des Stephanus beherrschte Christus in der Herrlichkeit die ganze Szene und ließ diese Herrlichkeit sogar bis in das Herz eines Menschen strahlen. Aus dieser Begebenheit verstehe ich, wie wir von der Liebe Jesu umringt sind, und wie Er droben mit uns beschäftigt ist, und zwar nicht nur, um uns zu segnen, sondern um uns sein volles Mitgefühl genießen zu lassen, wie Er dieses hinsichtlich seines gesteinigten Dieners tat.
Wenn du dich mit dem verworfenen Christus vereinigst, so wird das Licht deinen Pfad erleuchten, und das Mitgefühl Jesu dich begleiten. Zeugt dein Wandel von einem unverwandten Hinschauen gen Himmel und von einem Erblicken Jesu in der Herrlichkeit? Ist derselbe ein Abdruck des Lebens Christi hienieden? Bei Stephanus erwies sich die Kraft, welche der Anblick der Herrlichkeit Gottes ihm verliehen, durch alle Umstände hindurch, in welche Satan und die Menschen ihn gebracht hatten. Kann ich nicht mit derselben Kraft durch meine Umstände hindurchgehen? Sind meine Gedanken, meine Zuneigungen droben? Ist dieses der Fall, so werde ich, was auch mein Dienst sein mag, stets im Licht wandeln. Ich weiß, dass ich Widerstand erfahren, dass ich eine Menge solcher antreffen werde, die fern von Gott ihren Weg gehen, und denen ich entgegentreten muss; denn das aus uns vom Himmel herniederströmende Licht stellt uns in einen Gegensatz zu allem, was uns umgibt.
Jede Falte unseres Herzens liegt offen vor dem Auge Gottes. Er kennt unsere Mängel und Gebrechen und will, dass auch wir sie kennen lernen sollen. Als Johannes zu den Füßen Jesu niederfiel (Off 1,17), empfand er seine eigene Ohnmacht: aber er erfuhr auch die stützende Kraft der mächtigen Hand des Herrn. Alle, welche Christus kennen, machen diese Erfahrung in immer zunehmendem Maß, je mehr sie vorangehen. Auf dem ganzen Wege durch die Wüste ist Christus für uns; und wenn Er uns auch zeigt, dass wir ohne Ihn keinen Schritt zu tun vermögen, so hört Er doch nicht auf, uns zu leiten und zu schirmen. Der Friede, den Er gibt, ist nie so spürbar, als wenn hienieden alles stürmt und braust: denn Er, unser Friede, ist noch näher bei uns, als der Sturm und erfüllt die Seele mit Frieden.
Wenn Gott von allen gesagt hat: „Alles Fleisch ist wie Gras – das Gras ist verdorrt“, so liegt darin sicher ein tiefer Ernst. Doch es wird dazu dienen, dass wir uns unserer Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi uns innewohne.
Man spricht oft von der himmlischen Berufung, als ob sie eine Sache oder Lehre wäre, die mit dem Verstand zu erfassen sei. Aber hat Henoch, als er mit Gott wandelte, oder Moses, als er standhaft aushielt, als sähe er den Unsichtbaren (Heb 11,29), die himmlische Berufung in dieser Weise betrachtet? Ist es denn nicht der Mensch vom Himmel, der zur Rechten Gottes sitzt, der mich bei meinem Namen gerufen hat? Und noch mehr. Trägt Er nicht meinen Namen vor Gott als den Namen einer Person, für die Er viel getan, und für die Er noch viel tun wird? Kann ich dabei gleichgültig sein? Nein, meine Seele erhebt sich zu Ihm und sehnt sich nach Ihm (Fortsetzung folgt).