Botschafter des Heils in Christo 1874
Unsere wahre Stellung
Der Übergang über den Jordan war für die Kinder Israel die Erfüllung der von Gott dem Mose gegebenen Verheißung, sie, das Volk Gottes, aus der Hand der Ägypter zu befreien und in ein gutes, gesegnetes Land – „in ein Land von Milch und Honig fließend“ – zu führen. Gott hatte sich ihrer erbarmt und, in Gnaden zu ihnen herniedergekommen, aus ihrer Mitte einen Mann zu ihrer Leitung und Führung gewählt. Wie tröstend musste für die armen, unterjochten Israeliten die Kunde sein, dass sie bald, aus ihren Leiden, aus allem Elend erlöst, ein Land betreten würden, wo alle ihre Bedürfnisse befriedigt und jeder Schmerz gestillt sein sollte! Und, geliebter Leser, befinden wir uns nicht in einem ähnlichen Verhältnis? Hat Gott nicht verheißen, uns bald in ein Land, weit herrlicher und schöner als das irdische Kanaan, einzuführen, in ein Land, wo wir weder Schmerz, noch Trauer, noch Thronen, sondern wo wir ewige Freude finden werden? Hat Er nicht gesagt, dass jeder, der an den Sohn glaube, in Ewigkeit nicht verloren sei? Weshalb sollten wir uns denn noch fürchten? Ist sein Wort nicht völlig genügend für uns? Oder soll ein anderer dasselbe noch bestätigen? Nein, sein Wort steht ewig fest; Er kann nicht lügen. Er liebte uns, bevor wir noch an Ihn dachten. Er erwies seine Liebe darin gegen uns, dass Christus, sein geliebter Sohn, für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Es ist nicht die Frage, was du darüber dankst, sondern welches die Gedanken Gottes sind. Gott sagt, dass das Werk Christi genug für dich sei; und möchtest du nun durch deinen Unglauben Gott zum Lügner machen? Nein, der Herr wolle vielmehr geben, dass du dich auf das vollbrachte Werk Christi völlig stützen möchtest und dein Herz von jener Freude erfüllt sei, welche die Welt nicht kennt.
Ja, Gott hatte das Geschrei seines Volkes gehört; und jetzt befand sich dasselbe in der Wüste. Das rote Meer war überschritten. Die Kinder Israel hatten die Macht und die Liebe ihres Gottes geschaut, und alle ihre Feinde waren vernichtet. Der Weg zum verheißenen Land stand ihnen offen; alles war für sie in Ordnung gebracht; sie bedurften nur des Glaubens, um von allem Besitz zu nehmen. Ebenso verhält es sich mit uns. Der Weg ist uns geöffnet; denn Christus starb am Kreuz. Nichts steht uns mehr im Weg; denn Christus hat unsere Sünden auf dem Kreuz getragen. Er hat die Sünde zunichtegemacht, und – alles ist vollbracht.
Der Jordan war, so zu sagen, die letzte Schranke, wodurch die Israeliten von den ihnen von Jehova bereiteten Segnungen getrennt waren (Siehe Jos 3,3–4 und 15–17). Alles hatte Jehova bereits angeordnet; und das Volk wurde aufgefordert, den Befehlen seines Gottes im Glauben nachzukommen. So ist es auch jetzt für uns, eine Sache des Glaubens, dass alles vollbracht ist. Christus, die wahre Lade des Bundes Jehovas, ist für uns in den Tod gegangen; und bevor Er diese Welt verlieh, konnte Er die Worte sagen: „Das Werk habe ich vollendet, welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte.“ – Ja, Gott sei gepriesen! Christus hat uns den Weg völlig geöffnet; und wenn du dich, mein christlicher Leser, dessen nicht erfreust, so hat das seinen Grund darin, dass du dein Auge nicht auf Ihn gerichtet hast. Wie aber kannst du noch länger so furchtsam und ungewiss deinen Weg fortsetzen, da Er doch stets bereit ist, uns glücklich zu machen, und es sein Wunsch ist, dass wir schon hier auf Erden uns freuen und Ihn also verherrlichen!
Lasst uns wohl darauf achten und es ernstlich erwägen, dass sich der Weg nicht erst später, wenn die finsteren Wasser des Todes zu unseren Füßen rollen, öffnen wird – nein, er ist bereits geöffnet. Wenn eine Seele dieses nicht versteht und nicht einsieht, so kann sie unmöglich glücklich sein und wird sich sehr oft vor dem Tod fürchten; wenn hingegen das Auge auf die Lade des Bundes, auf Christus, gerichtet ist, so sieht sie den Weg offen und ist sich ihrer Errettung ebenso gewiss, wie Stephanus, oder wie Paulus es war. Es gibt in Wahrheit keine einzige Schranke auf der Seite Gottes zwischen seinem Thron und den Gläubigen. Nur unser eigenes Ich steht uns im Weg, wenn wir uns nicht als mit Christus gestorben und vom Gericht befreit betrachten. Was sagt die Schrift? Sie sagt es geradezu, dass ich mit Ihm gestorben bin, und zwar jetzt schon, während ich noch auf der Erde wandle. Wenn aber jemand behaupten wollte, dass der Weg sich erst bei unserem Tod öffnen werde, so wäre derselbe folglich jetzt noch nicht geöffnet, und es müsse in diesem Fall noch etwas von Christus vollbracht werden. Wer könnte je einem solchen Gedanken Raum geben!
Vielleicht sagst du: „Ich fürchte mich nicht vor dem Gericht, aber ich fürchte den Tod.“ – Aber auch dann siehst du nicht auf Christus, der für jeden Gläubigen, er mag stark oder schwach sein, den Tod auf sich genommen und überwunden hat. Stephanus schaute über den Tod hinaus in die Herrlichkeit, wo Jesus zur Rechten seines Vaters stand. Und wer hatte ihm diesen Weg gezeigt? Hatte er es selbst getan? O nein; Jesus war es, der ihm denselben geöffnet hatte, und daher konnte Er mit Ruhe und mit einem auf den Herrn gerichteten Blicke in den Tod gehen; ja mit dem Ausruf: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ konnte er Zugleich für seine Feinde beten: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu.“
Das Evangelium hat nicht nur den Zweck, uns aus unseren Ängsten zu bringen und uns aus unserem elenden Zustand zu befreien; o nein – es verkündigt uns noch weit mehr; es sagt uns, dass wir uns seiner ewigen unerschöpflichen Liebe erfreuen und mit Ihm die innigste Gemeinschaft pflegen dürfen; es sagt uns, dass wir mit Christus gestorben und auferweckt sind und jetzt von dem himmlischen Kanaan, wo Christus ist, Besitz nehmen können.
Sicher wirst du nimmer wahre Ruhe für dein Herz und dein Gewissen haben können, solange du nicht die wunderbaren, köstlichen Gedanken Gottes bezüglich der Seinen einigermaßen verstehst. Aus freier, vollkommener Gnade sandte Gott seinen einzigen, viel geliebten Sohn, um das Werk der Erlösung zu vollbringen auf diese Erde und bestätigte dieses Werk dadurch, dass Er Ihn aus dem Tod, den Er zur Befriedigung der Gerechtigkeit Gottes erduldet, wieder auferweckte. Der Herr wolle in deinem Herzen, geliebter Leser, eine klare Erkenntnis des vollbrachten Werkes Christi wirken, auf dass du dich einer wahren Glückseligkeit erfreuen mögest, und der Name des Herrn dadurch verherrlicht werde!