Botschafter des Heils in Christo 1874
Die Grundwahrheiten der Versammlung Gottes - Teil 2/3
3. Die Versammlung und der Dienst (1. Kor 14)
Wie verschieden diese beiden Gegenstände auf den ersten Blick auch zu sein scheinen, so ist doch der zur Rechten erhöhte Christus die Quelle von beiden; und wir können sie deshalb zusammen betrachten. Beide sind gegründet auf die vollendete Tatsache seines Werkes und zwar zu dem ausdrücklichen und hauptsächlichen Zwecke seiner Verherrlichung. Denn was auch die Macht des Geistes im Dienst und was die Vorrechte der Kirche oder der Versammlung sein mögen, so hat doch die Herrlichkeit Christi in den Gedanken Gottes den ersten Platz und ist von höchster Wichtigkeit für die praktische Wirksamkeit des Geistes Gottes, sowohl in den einzelnen Gliedern, den Dienern Christi, als auch in der Versammlung, seinem Leib, dessen Haupt Er ist. Wir werden jetzt im Wort Gottes sehen, inwiefern diese beiden Gegenstände voneinander abweichen, und auch wie sie sich in ein und demselben Grundsatz verbinden, um ihren gemeinsamen Zweck und die daraus entspringende Verantwortlichkeit des Christen kennen zu lernen.
Wir haben schon in den beiden vorhergehenden Betrachtungen gesehen, dass die Kirche oder Versammlung Gottes auf das vollbrachte Werk Christi und auf seine Erhöhung zur Rechten Gottes gegründet ist. Diese Wahrheit wird uns in Matthäus 16 klar bestätigt. Alle die überschwänglichen göttlichen Beweise, alle die Zeichen und Wunder von Seiten des Herrn, und vor allem die moralische Macht und Herrlichkeit, womit Er bekleidet war, hatten umso mehr den völligen Unglauben des jüdischen Volkes ans Licht gestellt. Aber nachdem der Herr, so zu sagen, alle Mittel erschöpft, welche seine Güte und Weisheit in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters Ihm eingeben konnten, und nachdem, als das Resultat seiner geduldigen Gnade, die Verachtung des wahren Messias einem Geist tödlicher Feindschaft gegen Ihn immer entschiedener Platz machte, gab Er durch jene an seine Jünger gerichtete, alles entscheidende Frage eine Veranlassung zu dem ergreifenden Bekenntnis des Petrus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Und im Blick auf dieses Bekenntnis sagt der Herr: „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen.“ Der Messias in seiner Schmach und Erniedrigung war der Stein des Anstoßes für Israel; aber Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, ist der Felsen, worauf die Versammlung gebaut ist. Verworfen und getötet von Seiten seines irdischen Volkes, ist Christus als der Sohn des lebendigen Gottes aus dem Grab hervorgegangen; und siegreich triumphierend über die Pforten des Hades, ist Er der unerschütterliche Felsen geworden, worauf die Versammlung gegründet ist. In diesem Kapitel wird also zum ersten Male die Versammlung erwähnt, nicht als eine schon existierende, sondern als eine noch zukünftige Tatsache. Denn der Herr sagt: „Auf diesen Felsen will ich bauen usw.“ Erst in Apostelgeschichte 2 haben wir ihre Existenz auf der Erde, und zwar gegründet durch den vom Himmel herniedergekommenen Heiligen Geist; und am Ende desselben Kapitels lesen wir die Worte: „Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten“ – d. h. gerettet von den Gerichten, die über eine Nation kommen sollten, welche den Sohn Gottes, ihren Messias, verworfen hatte.
Wir haben also hier die Versammlung in Verbindung mit der Gegenwart des Heiligen Geistes und somit die Bestätigung dessen, was in 1. Korinther 12,13 gesagt ist, wo wir lesen: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft usw.“ Die Bildung des Leibes war, so zu sagen, von der Taufe des Geistes abhängig. Zugleich aber ist die Versammlung auch das Haus Gottes auf der Erde. Die lebendigen Steine, welche schon vorher da waren – zunächst der Überrest Israels – werden gesammelt und zu einem göttlichen Haus aufgebaut. Doch mögen wir die Versammlung als das Haus Gottes, oder als den Leib Christi betrachten, so waren es doch immer die durch den Heiligen Geist in eins versammelten Gläubigen, die, welche von dem kommenden Zorn gerettet werden sollten und die alle in einem Geist zu einem Leib getauft worden waren; und in ihnen erblicken wir nach dem neutestamentlichen Sinn des Wortes die „Kirche oder die Versammlung Gottes.“ Es ist dieses umso mehr von höchster Wichtigkeit, weil man jetzt von einer „unsichtbaren“ Kirche spricht – ein Ausdruck, welchen man nirgends in der Heiligen Schrift findet und in welchem man einen Zustand darstellen will, dem der Herr gerade durch die Gründung der Versammlung ein Ende gemacht hat. Wir wissen z. B. dass, während Israel das allein anerkannte Volk Gottes war, es in und außer den Grenzen Israels Kinder Gottes gab, die vereinzelt und überall umher zerstreut waren. Aber eben deshalb, wie wir in Johannes 11,52 lesen, starb Jesus, „auf dass Er die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte.“ Am Pfingsttag sehen wir die Verwirklichung. Es ist also offenbar ein Irrtum, wenn man im Blick auf die Versammlung von einer sichtbaren und unsichtbaren Kirche redet, und zeigt nur, dass man unter der Versammlung nichts als eine Vermischung von Gläubigen und Ungläubigen versteht. Aber durch diesen Irrtum ist es gekommen, dass man die Kirche als eine bloße Fortsetzung des Judentums betrachtet hat, und aus diesem Grund den gegenwärtigen Zustand der Kirche zu rechtfertigen sucht, den das Wort Gottes so entschieden verurteilt.
Solche traurige Resultate können indes nirgends Anklang finden, wo man die Absicht des Heiligen Geistes versteht, sowohl die Herrlichkeit Christi in Betreff seiner Person als auch seine Herrschaft in Betreff seiner Stellung unveränderlich aufrecht zu erhalten. Die Versammlung Gottes ist berufen, Christus als Herrn und Haupt anzuerkennen; und in dieser Beziehung hat der Herr seine Versammlung nicht ohne Unterweisung gelassen. Wie, sollte Er etwa die Heiligen sich selbst überlassen haben, so dass sie sich nach den verschiedenen Zeiten und Ländern, in denen sie gerade leben, nach Belieben einrichten und bilden könnten? Kein ernster Christ, wird solche, offenbar aus dem Fleisch stammenden Gedanken zugeben. Jeder Gläubige sollte vielmehr verstehen und festhalten, dass, wenn es noch etwas Teures und Wertvolles auf der Erde für Gott gibt, dieses seine Versammlung, die Herrlichkeit Christi ist, über welche Er mit Eifersucht wacht. Darum erwartet Er auch zu allen Zeiten von der Versammlung, dass sie Christus als Herrn und Haupt anerkenne. Dieses wird uns durch die Betrachtung des Wortes klarwerden.
Wenige Versammlungen waren so reichlich mit Gaben gesegnet, wie die zu Korinth. Aber was sehen wir dort? Leider ein Schauspiel von Unordnung und Sittenlosigkeit, welches den augenscheinlichsten Beweis liefert, dass die Ordnung und der Segen in der Versammlung nicht durch die Gaben, sondern allem durch die Unterwerfung unter Christus, als den Herrn, aufrechterhalten wird. Die Korinther mussten daher wieder zu den Wegen Gottes zurückgeführt werden; und wir finden deshalb in dem ersten an sie gerichteten Briefe öfters und mit besonderem Nachdruck Christus als den Herrn bezeichnet, namentlich in Bezug auf die Mitteilung, den Charakter und die Ausübung der Gaben. War auch jemand im Besitz irgendeiner Gabe, so durfte er sich doch derselben nicht nach seinem Gutdünken, sondern nur in der Abhängigkeit vom Herrn zur Auferbauung der Versammlung bedienen; in jedem anderen Fall war die Ausübung derselben untersagt. Dieses sehen wir sehr deutlich in Kapitel 14, wo er diese Tätigkeit regelt. So war z. B. die Gabe, in Sprachen zu reden, obwohl offenbar ein Erzeugnis des Heiligen Geistes und nicht der Natur, in Betreff ihrer Ausübung gänzlich der göttlichen Ordnung unterworfen. Alles mühte zur Auferbauung der Versammlung geschehen. Aus demselben Grund sollten die in Sprachen Redenden diese Gabe nur zu je zweien oder höchstens zu dreien ausüben, und einer sollte auslegen. War kein Ausleger anwesend, so sollten sie schweigen. Auch sollten die Propheten zu je zweien oder dreien reden und die anderen sollten urteilen. Wurde einem anderen, der zugegen war, etwas offenbart, so musste der erste schweigen. Sie mussten sich gegenseitig einander unterworfen sein und einer nach dem anderen reden. Warum diese Beschränkung der Gaben? Damit die Versammlung nicht etwa ermüdet, sondern erbaut wurde. Alles musste anständig und in Ordnung geschehen. Alles war abhängig gemacht vom Herrn.
Aber, mochte jemand fragen, wie können solche Regeln in unseren Tagen, wo nur noch so wenige Gaben vorhanden sind ihre Anwendung finden? Die Antwort ist: Wenn auch viele Gaben, wie z. B. die des Wundertuns und des Sprachenredens usw., welche, in den ersten Tagen des Christentums als Zeugnisse dienten, verschwunden sind, so ist doch das geblieben, was den Kernpunkt dieses Kapitels bildet, nämlich die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung; und wenn Er damals alles in der Versammlung ordnete und regelte, sollte Er es jetzt nicht mehr tun? Wir haben denselben Geist und müssen daher auch auf seine Gegenwart rechnen. Wenn wir glauben, dass es Ihm gefällt, auch jetzt noch in der Versammlung zu wirken, so lasst uns auch diesen Glauben durch hie Tat verwirklichen. Oder sollte der Unglaube sich erkühnen dürfen, den Heiligen Geist zu einem stummen Götzen herab zu würdigen? Sollte der Heilige Geist das Wort Gottes, als die alleinige Richtschnur unseres Glaubens und Wandels bei Seite gesetzt haben? Ist es nicht vielmehr die Verschlagenheit der Menschen, welche allerlei Beweisgründe zu ersinnen weiß, um sich der Unterwerfung unter das Wort zu entziehen? Ist es möglich, dass Kinder Gottes sich mit solchen Beweisgründen zur Rechtfertigung ihres Ungehorsams begnügen können? Ist es nicht betrübend, dass Christen, welche vielleicht oft die Worte: „Alles geschehe zur Auferbauung!“ „Lasst alles anständig und in Ordnung geschehen“, und: „Gott ist ein Gott der Ordnung“, – im Mund führen, jeden Tag durch ihre althergebrachten Gewohnheiten etwas tun, das nicht im mindesten in Übereinstimmung mit dem Heiligen Geist und der Ordnung Gottes ist, und somit die Ordnung in der Versammlung Gottes in einer Weise übertreten, wie es die Korinther durch ihr ungeziemendes Verhalten nicht getan haben? Man hat Kirchen eingerichtet, die durchaus nicht den Charakter der Kirche oder der Versammlung Gottes an sich tragen, und die nichts weniger als den Grundsatz der Freiheit, darin zu wirken, durch welchen Er will, in sich schließen. Man hat religiöse Körperschaften gegründet und sie den Ländern, denen sie angehören, anzupassen gesucht; aber dieselben entsprechen in keiner Beziehung weder der Versammlung Gottes als solcher, noch den Versammlungen der Heiligen Schrift. Wie ganz anders war es im Anfang! Wenn jemand der Versammlung Gottes zu Jerusalem angehörte, so war er auch Glied der Versammlung zu Rom. Es war bloß eine Frage der Örtlichkeit. Die Schrift weiß nichts von der Mitgliedschaft einer Kirche, sondern kennt nur die Mitgliedschaft der Kirche. Wie ist es dagegen in unseren Tagen? Gehört man einer Religionsgesellschaft an, so muss man selbstredend von jeder anderen getrennt sein. Wie weit ist doch die Kirche vom Wort Gottes abgewichen! Sie bildet einen vollständigen Trümmerhaufen. Aber müssen wir deshalb ratlos zu irgendeinem System unsere Zuflucht nehmen? Wenn wir es tun, so liefern wir nur den Beweis, dass wir dem Wort Gottes nicht unterworfen sind. Doch das sei ferne. Vielmehr gilt für uns alle, gegenüber dem, was mit dem Wort Gottes im Widerspruch steht, der eine Wahlspruch: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes!“ Ohne Zweifel werden wir auf einem solchen Wege vielen Schwierigkeiten und Hindernissen begegnen; aber vor dem Willen Gottes müssen alle anderen Bedenken in den Hintergrund treten.
Es ist nicht unsere Aufgabe, eine neue Kirche oder Versammlung zu gründen, sondern uns einfach im Namen Jesu zu versammeln, so wie es uns das Wort Gottes vorgeschrieben hat. Vielleicht sagt jemand: Zeiten und Umstände haben sich verändert, und wie können sich zwei oder drei Christen, welche sich hier oder dort versammeln, den Namen „Versammlung Gottes“ beilegen? – Ich erwidere: Ohne Zweifel hat eine traurige Veränderung stattgefunden; allein die Frage ist: „Hat sich der Wille Gottes bezüglich seiner Versammlung verändert?“ Was ist richtig – die Veränderung der Menschen anzuerkennen, oder zu dem Willen Gottes zurück zu kehren, und wäre dies auch nur mit zweien oder dreien, die sich in der Unterwerfung unter sein Wort im Namen Jesu versammeln? Wenn ich nun mit solchen im Namen des Herrn versammelt bin, und zwar in Anerkennung der Glieder seines Leibes und wartend auf die Wirksamkeit Gottes durch seinen Geist und sein Wort, ist dann Jesus nicht in unserer Mitte? Ohne Zweifel? Und welch ein großer Trost ist dieses für unsere Seelen! Ich hoffe, in unserer nächsten Betrachtung zeigen zu können, dass dieses gerade die gnadenreiche Vorsorge des Herrn für die letzten Tage ist. Die freie, unumschränkte Wirksamkeit des Geistes unter den versammelten Gliedern Christi bleibt stets ein durch das Wort Gottes festgestellter Grundsatz in der Versammlung Gottes. Und wenn wir bemüht sind, treu für den Herrn zu sein, so wird, wie sehr wir auch Ursache haben, uns über den Zustand der Versammlung zu betrüben, der Segen nicht ausbleiben. Wir bedürfen eines gläubigen, demütigen Herzens, um trotz aller Hindernisse und Prüfungen in dieser bösen Welt alles für den Gehorsam gegen den Herrn einzusetzen. Es gibt für uns nur einen Fußpfad; und wie verleugnungsvoll er auch sein mag, so wird es uns doch nicht schwer werden, ihn zu gehen, wenn wir anders das Bewusstsein haben, ein Eigentum dessen zu sein, der sich für uns hingab und alles erduldete, und wenn wir in der Gewissheit seiner unendlichen Liebe Ihn kostbarer finden, als alles in dieser Welt. Alles, was Er jetzt von den Seinen erwartet, ist – Treue. Wenn wir den Willen des Herrn kennen, so lasst uns nicht warten bis zum nächsten Tage unter dem Vorwand, dass uns noch nicht alles klar sei. Denn wenn Gott uns ausgehen heißt, so ist es nicht Glauben, wenn wir zu Ihm sagen: „Zeige uns zuerst das Land!“ Wir haben seinem Willen zu folgen, insoweit wir denselben erkannt haben. Es ist traurig, jemanden sagen zu hören: „Ich weiß, dass ich bekehrt bin und in den Himmel komme, und dieses ist die Hauptsache; alles andere aber ist Nebensache und kümmert mich nicht.“ – Wie weit ist es mit solchen gekommen! Nicht nur kennen sie den Willen des Herrn nicht, sondern sie wollen ihn auch nicht kennen.
Für den Treuen hingegen besteht der Grundsatz der Trennung, und dieses nicht allein in Hinsicht des draußen herrschenden Bösen, sondern auch hinsichtlich des Bösen innerhalb der Kirche oder Versammlung, wenn solches durch die Macht Satans und durch die Nachlässigkeit der Menschen eingeschlichen ist. Selbst wenn eine Versammlung es mit dem Bösen halten sollte, so hat man sich, falls sich alle Ermahnungen und Versuche zur Wiederherstellung als fruchtlos erweisen, auch von dieser zu trennen; denn der Heilige Geist ist nicht nur der Geist der Wahrheit, sondern auch der Geist der Heiligkeit. Sicher hat das Böse bei denen, welche die Wahrheit erkannt haben, stets einen verwerflicheren Charakter in den Augen Gottes, als bei denen, die den Wert des Namens Jesu bezüglich der Versammlung nicht kennen. Ebenso wichtig ist es aber auch andererseits, mit unseren Urteilen über eine Versammlung, wie auch über ein einzelnes Glied derselben vorsichtig zu sein, und nicht eine Sünde vorzuwerfen, bevor dieselbe klar und bestimmt offenbar geworden ist, sondern in solchem Fall auf den Herrn zu warten. Der Herr erwartet, dass seine Versammlung nicht nur der Ort der Auferbauung der Heiligen, sondern auch die Offenbarung seines Charakters vor den Augen der Menschen sei.
Der Herr wolle uns geben, treu zu sein. Der Streit, ob eine Sache alt oder neu, ob sie noch in der Kraft des Jünglingsalters von drei Jahrhunderten steht, oder das graue Haar eines fünfzehnhundertjährigen Greisentums trägt, ist nutz– und fruchtlos. Für uns gilt nur die eine Frage: „Stehen wir auf dem allein göttlichen Grund der Kirche?“ Wir können uns mit nichts wenigerem begnügen. Wir haben kein Vertrauen in uns selbst, sondern befehlen uns Gott und dem Wort seiner Gnade als unserer alleinigen Sicherheit und Kraft.
Ich möchte nun noch etliche Augenblicke bei dem Dienst verweilen. Derselbe hat, wie die Versammlung selbst, seine Quelle in Christus. Sowohl die Berufung, als auch die Aussendung geht vom Herrn und nicht von der Versammlung oder von den Heiligen aus. Ich rede hier von dem Dienst des Wortes. Denn es gab verschiedene Dienstverrichtungen, wie z. B. der Dienst der Diakonen, wozu die Versammlung nach ihrer Weisheit die passenden Werkzeuge auserwählte. So lesen wir in Apostelgeschichte 6, dass die ganze Menge die Diakonen der Versammlung aus ihrer Mitte wählte, denen die Apostel die Hände auflegten um, den Tischen zu dienen. Ebenso hatten die Versammlungen, wie wir in 2. Korinther 8 lesen, Brüder ausgesandt, um ihre Gaben den Heiligen zu überbringen. Epaphroditus war von den Philippern als Diener für die Bedürfnisse des Apostels abgesandt worden (Phil 4). Aber wir finden nie, dass die Erwählung und Berufung zum Dienst des Wortes von der Versammlung abgeht. Im Gegenteil sagt der Herr Jesus selbst zu seinen Jüngern: „Bittet den Herrn der Ernte, dass Er Arbeiter aussende in seine Ernte.“ Er ist immer der Herr der Ernte; und demgemäß zeigt uns auch das Gleichnis in Matthäus 25, dass der Herr vor seiner Abreise in ein fernes Land seine Knechte beruft und ihnen Gaben verleiht. Wie verschieden ist auch hier die reine göttliche Berufung zum Dienst des Wortes nach der Schrift von dem, was wir in unseren Tagen in der Christenheit sehen! Wie sehr ist ihre Würde und insbesondere jene heilige Unabhängigkeit des Menschen beeinträchtigt, welche so wesentlich notwendig zur kräftigen Ausübung des Dienstes und vor allem für die Herrlichkeit des Herrn ist! Die Aussendung und Anstellung von Predigern durch Menschen ist von Seiten der letzteren nur eine widerrechtliche Anmaßung von Vorrechten, welche dem Herrn allem angehören, und gereicht allen, die sich einer solchen Autorität unterwerfen, zum größten Nachteil.
Worin besteht denn in Wahrheit ein in Übereinstimmung mit dem Wort ausgeübter Dienst? Er besteht in der von Gott gegebenen vollkommensten Freiheit, für das Heil der Seelen tätig zu sein. Dieses bestätigt uns im Einklänge mit der allgemeinen Lehre der Brief die Apostelgeschichte. Wir haben bereits in 1. Korinther 12 und 14 gesehen, dass es dem Wesen der Versammlung Gottes und der Gegenwart des Heiligen Geistes entsprechend ist, in voller Freiheit für die Herrlichkeit des Herrn und zum Segen aller zu wirken, durch welche Er will. Ebenso setzt die Ermahnung in 1. Petrus 4,10–11, sowie die Warnung in Jakobus 3,1 dieselbe Freiheit, sowie die damit verbundene Gefahr im Dienst voraus. Weiter sehen wir in Apostelgeschichte 8 bei Gelegenheit der Verfolgung die dadurch Zerstreuten überall das Wort predigen; und obwohl, wie ich glaube, diese nicht alle Diener des Wortes waren, so ist dieses doch ein Beweis, dass der Herr jeden Christen anerkennt, der die frohe Botschaft verkündet. Ganz besonders aber begegnen wir in demselben Kapitel dem Philippus, wie er mit Freimütigkeit das Wort redet. „Aber“, könnte man sagen, „dieser war doch von der Versammlung gewählt.“ Es ist wahr, er war erwählt, aber als Diakon und nicht zum Dienst des Wortes, wozu ihn der Herr später berief, demzufolge er die Stellung als Diakon aufgab und von Jerusalem nach Samaria ging und unter dem Segen des Herrn das Wort predigte. In Kapitel 9 sehen wir einen Mann auf der Reise nach Damaskus mit Vollmacht von den Hohepriestern, um die Christen zu verfolgen. Dieses war der einzige Auftrag, den Paulus von Menschen empfangen hatte; er war autorisiert, das Evangelium nicht zu verkündigen, sondern es zu vernichten. Aber der Herr in seiner unumschränkten Gnade bekehrte ihn nicht nur, sondern sandte ihn auch aus als einen Prediger und Apostel und Lehrer der Nationen in Glauben und Wahrheit. Später führte der Herr noch mehrere in das Werk ein, unter anderen namentlich den Apollos, welchen Aquilla und sein Weib zu sich nahmen und ihm den Weg Gottes noch genauer auslegten. Und ob auch in der Schrift in Betreff seiner nirgendswo über eine menschliche Einweihung oder Anstellung Erwähnung geschieht, so zollt ihm doch Paulus dennoch völlige Anerkennung, indem er diesen nicht ordinierten Diener sich und dem Petrus zur Seite stellt (1. Kor 3). Und sogar in dem letzten Kapitel dieser Brief sagt er, dass er Apollos viel zugeredet habe nach Korinth zu gehen, dass es aber dessen Wille nicht gewesen sei, jetzt zu kommen (1. Kor 16). Ein inspirierter Apostel gibt also dem Apollo einen Rat, welchen dieser nicht befolgt. Da der Apostel ihn deswegen nicht tadelt, so können wir nicht beurteilen, wer von ihnen Recht oder Unrecht hatte; aber dieser Vorfall zeigt uns doch, im Gegensatz zu den Träumereien der Menschen über apostolische Oberherrschaft, dass der Herr der alleinige Meister und Leiter seiner Diener ist und diese nur Ihm verantwortlich sind. Das ist ein für alle Zeiten geltender Grundsatz; und wir haben die Frage an uns zurichten: „Dienen wir dem Herrn und nur Ihm allein, oder sind mir Diener der Menschen oder irgendeiner Benennung?“ Ist letzteres der Fall, dann lasst uns bedenken, dass „niemand zweien Herren dienen kann.“ Man kann nicht ein Diener Christi und Zugleich der Diener irgendeiner Partei sein; eins von beiden muss aufgegeben werden.
Wir sehen also, dass der Dienst des Wortes einen von der Versammlung unabhängigen Platz einnimmt, indem derselbe nicht allen, sondern nur einzelnen Gliedern zum Nutzen aller anvertraut ist. Die Versammlung hat ihrerseits die Diener anzuerkennen; und andererseits haben die Diener die Versammlung anzuerkennen. Man darf diese beiden Dinge ohne bedenkliche Folgen nicht aus dem Auge verlieren. Ohne Zweifel ist die Aufgabe eines Dieners, in der Unterwürfigkeit unter Christus zu predigen oder zu lehren, sowie zu ermahnen, zu unterweisen oder zu regieren, je nachdem er eine Gabe vom Herrn empfangen hat. Aber was auch die Ratschläge und Urteile eines Dieners sein mögen, so kann doch nichts die unmittelbare Verantwortlichkeit, Christus gegenüber, auflösen. Derselbe Jesus, welcher der Herr des Dieners ist, ist auch als Herr durch die Versammlung Gottes anerkannt.
Endlich wild uns sogar noch in Apostelschichte 13 und 15 gezeigt, wie wir selbst in Bezug auf einen Begleiter oder Mitarbeiter im Dienst nicht nach Willkür, sondern in der Abhängigkeit vom Herrn zu handeln haben. Paulus und Barnabas nahmen auf ihrer Missionsreise den Markus mit, welcher sich jedoch, indem er sich von ihnen trennte und wieder zurückkehrte, als unfähig erwies, weshalb Paulus sich später weigerte, ihn wieder mit zu nehmen, und sich sogar, da Barnabas, ein Verwandter des Markus, auf dessen fernere Begleitung bestand, zwischen beiden ein so harter Wortwechsel erhob, dass sie sich voneinander trennten. Paulus wählte Silas zu seinem Reisegefährten und diese beiden reisten ab, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen, indem dieselben jedenfalls überzeugt waren, dass das Recht von Seiten des Apostels war. Von Barnabas wird nichts weitergesagt. Sicherlich ist in der Wahl eines Mitarbeiters ein geistliches Urteil erforderlich; und es ist klar, dass eine gezwungene Verbindung nicht nach den Gedanken des Herrn ist. Jedenfalls stand es Barnabas frei, immerhin wirksam zu sein; aber Paulus wollte sich Markus nicht aufzwingen lassen und wählte sich einen anderen Begleiter. Ist dieses nicht ein wichtiges Beispiel der Vorsorge Gottes, welche Er in seinem Wort getroffen hat, selbst hinsichtlich der Mitwirkung oder der Zurückweisung des Dienstes eines Mitarbeiters. Der Herr Jesus bewahrt stets seinen Ihm allein gebührenden Platz, nicht allein in Bezug auf die Versammlung, sondern auch bezüglich des Dienstes, und Er lehrt uns, wie wir sein Wort auf der Erde auszuführen haben. Freilich unterliegt es durchaus keinem Zweifel, dass wir einander unterwürfig sein sollen; sicher steht dieses mit der Unterwerfung unter den Herrn in Verbindung; aber zu allen Zeiten und unter allen Umständen müssen wir dem Herrn zu gefallen bemüht sein.
Wir sehen also, dass sowohl die Versammlung, wie auch der Dienst nach dem Wort Gottes ihre Quelle in Christus haben und beide unter eine Verantwortlichkeit gestellt sind, die nicht geschwächt oder bei Seite gestellt werden darf. Die Versammlung hat die Pflicht, die Diener Christi aufzunehmen, hat aber nicht das Recht, sie zu wählen; und der Diener ist dem Herrn verantwortlich, von welchem er seine Kraft empfängt.
Ganz besonders aber bedürfen wir eines einfältigen Klammerns an den Herrn, an seine Gnade und sein Wort, um nicht durch die Schwierigkeiten, die nimmer ausbleiben, entmutigt zu werden. Denn wie der Weg des Herrn in seine himmlische Herrlichkeit durchs Kreuz führte, so trägt auch jeder wahre Dienst für Christus den Stempel des Kreuzes an der Stirn; aber es ist der Herr und sein Kreuz. Lasst uns dem Herrn unterworfen sein und Ihm dienen. Ich zweifle nicht an dem Triumph in Christus; aber sicher können wir in dieser Welt auf Trübsale und Prüfungen rechnen; und auch in der Versammlung Gottes wird es an Schwierigkeiten nicht fehlen. Jeder, welcher Christus gedient hat, weiß etwas davon; aber Er, welchem die Versammlung angehört und welchem wir dienen, „bleibt gestern und heute und in die Zeitalter derselbe.“ 4. Der Kultus, das Brotbrechen und das Gebet (Joh 4,10–24)
Unter den jetzt von uns zu betrachtenden Gegenständen nimmt der eigentliche Gottesdienst oder der Kultus den ersten und wichtigsten Platz ein; und da uns derselbe am meisten mit Gott selbst in Beziehung bringt, so ist er für unsere Seelen auch der erhabenste und gesegnetste Gegenstand. Jedenfalls ist der Tisch des Herrn in den Kultus miteingeschlossen, erfordert jedoch wegen seiner unterschiedlichen Natur und seiner besonderen Beziehung zu den Heiligen eine spezielle Betrachtung, während der Kultus als solcher zu Gott in wesentlicher Beziehung steht.
Das oben angeführte Kapitel zeigt uns nicht nur, dass der Kultus ein erhabenes, gesegnetes und hinsichtlich unseres Wandels fruchtbringendes Vorrecht für uns ist, sondern lässt uns auch den Gegensatz desselben zu dem jüdischen Kultus erkennen. Zu besserem Verständnis muss ich jedoch einige Bemerkungen über den zur Ausübung des Kultus erforderlichen Seelenzustand vorausschicken. Der Vater erwartet die Anbetung seiner Kinder; und es ist dieses eine Pflicht, worin sie alle ein persönliches und unmittelbares Interesse haben. Wie aber hinsichtlich der Versammlung Gottes und der Gabe des Heiligen Geistes, so ist auch in Bezug auf den Kultus, sowohl von Seiten Gottes, als auch der Seinen, eine feste Grundlage zu einer wirklichen, eigentlich christlichen Ausübung desselben nötig. Wenn es je ein Gebiet gibt, wo die Zulassung des menschlichen Willens eine Sünde und eine Entehrung Gottes ist, so ist es vor allen dasjenige des Kultus. Und dennoch geschieht nichts so häufig und mit weniger Gewissen, als gerade dieses. Gibt es wohl eine Sache, wo der Mensch sich mehr erhebt und den Geist der Gnade mehr verachtet, als es hier geschieht? Niemand halte diese Sprache für eine übertriebene Härte. Kann man eine Sache scharf genug bezeichnen, wodurch die Welt betrogen, die Kirche geschändet und die moralische Herrlichkeit Christi vernichtet wird, und worin der Mensch aus einem falschen Grund oder ohne Grund beschäftigt ist, Gott zu entehren, und zwar angesichts der glänzendsten Offenbarung, welche Gott von sich selbst in seinem Sohn gegeben hat und geben kann?
Diese vollkommene Offenbarung Gottes allein ist sowohl die Quelle unserer Hoffnung und Segnung, als auch die Grundlage des christlichen Kultus. Wie wesentlich jedoch dieselbe auch für den Kultus und wie unendlich sie auch in ihrem Wesen sein mag, so würde sie doch an und für sich allein nicht genügend sein. Es musste auch den Bedürfnissen des Menschen in Übereinstimmung mit der göttlichen Herrlichkeit begegnet werden. Nun, Gott hat nichts fehlen lassen; und alles, was Er getan hat, ist selbstverständlich absolut vollkommen.
Vor der Erscheinung Christi war ohne Zweifel die Offenbarung Gottes nur eine stufenweise. Nun aber der Sohn Gottes gekommen ist, können wir als Gläubige ohne Anmaßung sagen: „Er hat uns ein Verständnis gegeben, dass wir den Wahrhaftigen kennen.“ Welch ein Glück, in dieser finsteren Welt sagen zu dürfen: „Wir kennen Ihn!“ Wie gesegnet, ein göttliches Buch zu besitzen und, geleitet durch den Geist, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Licht Gottes betrachten zu können! Köstlicher aber als alles, ist das Wort: „Wir kennen den Wahrhaftigen und sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesu Christi“ (1. Joh 5).
Jedenfalls findet ein Wachstum in der Erkenntnis statt; jedoch müssen wir die Grundwahrheit festhalten, dass jeder, welchen Gott in seine Gemeinschaft gebracht, „die Salbung von dem Heiligen Geist hat und alles weiß.“ – alle besitzen die geistliche Fähigkeit, welche über jeden Unterschied der praktischen Entwicklung hinausgeht. Gott hat den Seinen eine neue Natur gegeben, welche durch den Geist fähig ist, Ihn selbst zu verstehen, zu schätzen und zu genießen. Diese Vorrechte aber lassen uns in etwa erkennen, was durchaus erforderlich ist, um ein Anbeter Gottes zu sein. In einem nicht wiedergeborenen Menschen einen Anbeter zu suchen, wäre die verwerflichste Torheit. Sind wir nicht eine neue Schöpfung in Christus, und sind wir nicht im Besitz einer neuen Natur aus Gott, so können wir Ihn weder kennen, noch anbeten. Nicht als ob der Besitz des ewigen Lebens, welches jede Seele durch den Glauben an den Sohn Gottes empfängt, an und für sich schon zur Anbetung befähige; nein, Gott gibt mehr als dieses. Der Herr sagt zu der Samariterin: „Wenn du die Gabe Gottes kanntest, und wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken! so würdest du Ihn gebeten haben, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“ Hier haben wir, so zu sagen, den Kern des Kultus. Zuerst bedurfte sie der Erkenntnis der „Gabe Gottes“, und dann der Erkenntnis dessen, der zu ihr sprach.
Gott gab das Gesetz; aber Er verbarg sich hinter dem Vorhang. Doch als der eingeborene Sohn den Vater offenbarte, nahm Gott nicht länger eine durch das Gesetz charakterisierte Stellung ein als solcher, welcher eine Gerechtigkeit von Seiten des Menschen forderte, sondern Er begegnete, als das Licht und die Liebe, dem Sünder in der Tiefe des Elends mit seiner freien Gabe, die seiner selbst würdig ist. Das ist passend für Ihn und darin findet Er seine Wonne. Doch war dieses nur möglich durch die Herrlichkeit und Erniedrigung des Sohnes Gottes, der für Sünder in den Staub des Todes hinabstieg. Wie köstlich sind daher die an jenes Weib gerichteten Worte des Herrn! Sicher, hätte sie die Gnade Gottes und die Herrlichkeit dessen erkannt, der mit ihr redete, so würde sie alles, was sie wünschte, bei Ihm gesucht und gefunden haben. Wie wenig ahnte sie die Person dessen, in welchem sie nur einen Juden erblickte, obwohl es ihr Erstaunen erregte, dass ein Jude so liebevoll und herablassend mit ihr, einer Samariterin, verkehrte und redete! Wie wenig dachte sie daran, dass Er Gott, der Herr des Himmels und der Erde, der eingeborene Sohn aus dem Schoß des Vaters war. Hätte sie nur eine Ahnung davon gehabt, so würde sie Ihn sicher um lebendiges Wasser gebeten haben. Wir erblicken hier die ganze Gottheit in ihrer Dreieinigkeit. Zuerst die Gnade Gottes als die Quelle, dann die Herrlichkeit der Person des Sohnes und seine Gegenwart in Niedrigkeit unter den Menschen auf der Erde, sowie endlich den Sohn, der nach seiner eigenen Herrlichkeit bedürftigen und dürstenden Seelen das „lebendige Wasser“, den Heiligen Geist, gibt.
Zunächst – Gott offenbart durch das Evangelium in Gnade im Gegensatz zum Gesetz; dann – der Sohn Gottes, herniedergekommen in vollkommener Güte und völlig bereit, allen Bedürfnissen des Menschen durch eine Liebe zu begegnen, die selbst das gleichgültigste und verhärtetste Herz zu gewinnen vermag, und endlich – die Gegenwart des Heiligen Geistes. Hier haben wir die notwendige Grundlage des Kultus. Bei Ausübung desselben muss ich verstehen, dass von Seiten Gottes eine völlige Offenbarung dessen geschehen, was Er in seiner eigenen Natur und Gnade für den Menschen ist, sowie dass der Sohn, in Übereinstimmung mit dieser Offenbarung, unter die Menschen gekommen ist, um durch das Opfer seiner selbst die Sünde gänzlich hinweg zu nehmen, und endlich dass das Herz, nachdem seine Bedürfnisse erweckt sind, von dem Herrn lebendiges Wasser begehrt und empfangen hat, und zwar nicht nur als die Kraft des Lebens und der Erneuerung, sondern auch als die Quelle unaufhörlicher Erfrischung, welche in das ewige Leben quillt.
Die Frage des in ihrem Gewissen getroffenen Weibes über den Ort der Anbetung gibt dem Herrn Veranlassung, die Dämmerung eines glänzenden Tages feierlich anzukündigen mit den Worten: „Weib, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg, noch zu Jerusalem den Vater anbeten werdet. ... Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater im Geist und in Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter.“ – das ist der völlige und klare Ausdruck des Kultus. Gott ist als Vater offenbart, der seine Kinder nicht nur beruft, und annimmt, sondern sie vielmehr sucht, und zwar in der Fülle einer Liebe, deren Ausgang und Ziel der Himmel ist. In Israel hatte der Mensch Jehova zu suchen und konnte nur unter Beobachtung feierlicher Gebräuche und strenger Zeremonien vor Ihm erscheinen und anbeten. Da konnte von einem Nahen in seine unmittelbare Gegenwart durchaus nicht die Rede sein; und wäre es selbst möglich gewesen, so hätte man dennoch Ihm, als dem Vater, nicht nahen können. Gott war so wenig der Vater Aarons, als sonst des schwächsten Gliedes eines der geringsten Stämme Israels. Aber jetzt war die Stunde gekommen, wo der Vater Anbeter suchte. Das jüdische System war gewogen und zu leicht befunden und verurteilt worden. In den Augen Gottes war das weltliche Heiligtum schon gefallen, um Christus, dem wahren Tempel, Platz zu machen. Die Erscheinung Jesu hatte alles verändert. Sowohl auf dem Berg Garizim, wie in Jerusalem musste die irdische Anbetung schwinden, um die Anbetung des Vaters im Geist und in Wahrheit auf ihre Stätte zu setzen; denn „der Vater sucht solche als seine Anbeter.“ Dieser Grundsatz bildete einen entschiedenen Gegensatz sowohl zu der Natur als auch zu dem Judaismus. Nicht nur trat ein ganz neuer Charakter von Anbetung, der eine ganz neue passende Offenbarung Gottes erforderte, in die Erscheinung, sondern auch die alten Lampen des bis dahin im Judentum anerkannten Heiligtums mussten erlöschen. Nicht nur wie Anbetung Samarias fand eine vollständige Verurteilung, sondern auch die schwachen Strahlen, welche, als ein Zeugnis eines zukünftigen besseren Lichts, die Bestimmung hatten, in Israel die Finsternis zu erleuchten, mussten in dem jetzt ungeschwächt ausstrahlenden Glänze des Himmels erbleichen. Die Juden hatten durch ihr Betragen das letzte Band zerrissen, welches ein Volk nach dem Fleisch mit Gott verbinden konnte, und hatten sich durch die Verwerfung ihres Messias selbst verworfen. Doch diese Verwerfung hatte die Erlösung durch das Kreuz eingeführt, und alle Glaubenden finden nicht nur Vergebung der Sünden in dem Blut Jesu, sondern Er offenbart ihnen auch Gott selbst als seinen und als ihren Vater, als seinen und als ihren Gott, und dieses in der Macht und Gegenwart des vom Himmel hernieder gesandten Heiligen Geistes, so dass sie in die heilige und wahre Anbetung des wahren Gottes eintreten, um durch Ihn und mit Ihm sagen zu können: „Abba, Vater!“
Wir bedürfen also nicht nur eines geistlichen Lebens und der Erlösung, sondern auch des Heiligen Geistes, und darum fügt der Herr hinzu: „Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in Wahrheit anbeten.“ Beachten wir es wohl! Wenn der Herr vom Vater spricht, welcher Anbeter sucht, so ist alles reine Gnade; denn Er ist der Suchende. Aber nichtsdestoweniger ist es Gott, den wir nach seiner unendlichen Barmherzigkeit Vater nennen dürfen; und dieses Vorrecht darf das Verständnis bezüglich seiner Majestät nicht im geringsten schwächen, sondern muss es sogar vermehren; und deshalb steht geschrieben: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in Wahrheit anbetend“
Wo ist dein Platz, mein christlicher Leser? Bist du mit solchen vereinigt, die also im Geist und in Wahrheit anbeten, oder nimmst du Teil an einem Kultus, der, anstatt die Herzen im Geist und in Wahrheit zu Gott zu erheben, sie, falls Jerusalem nicht erreicht werden kann, zu dem Berg von Samaria, d. h. Zu einem so genannten Gottesdienst zurückführt, der eine bloße Form und ein System ist, welches etliche wahre mit einem Haufen falscher Anbeter vermischt? Für ein einfältiges Auge ist es nicht schwer, den wahren von dem falschen Kultus zu unterscheiden. Wie kann wahre Anbetung an einem Platz sein, wo die Trennung des Gläubigen von der Welt nicht anerkannt wird, wo menschliche Vorschriften und Einrichtungen das göttliche Wort ersetzen, wo der Heilige Geist keinen Raum findet, dem Wort gemäß zu wirken, und woselbst ein Unbekehrter ein Teilnehmer und gar der Leiter in den ernstesten Dingen sein kann? Was wird da die unausbleibliche Folge sein? Jedenfalls werden die Gläubigen in dieser Vermischung mit der Welt, anstatt diese zu der Hohe des Glaubens zu erheben, zur Gleichförmigkeit mit derselben herabgezogen werden. Ist es da ein Wunder, wenn stattliche Gebäude, kirchliche Feste, sinnberauschende Kirchenkonzerte usw. den wahren Kultus verdrängen und seinen Platz ausfüllen? Man mag christliche Anbeter in solchen Zuständen finden, aber sicher keine christliche Anbetung. Bei vielen Christen ist das Verständnis über den Kultus so unklar und dunkel, dass sie ein Gebäude, wohin sie zum Anhören einer Predigt gehen, als den Ort ihres Gottesdienstes bezeichnen. Das Anhören einer Predigt nennen sie Gottesdienst, und dieses beweist, wie sehr die wahre Idee des christlichen Kultus ganz verloren gegangen ist. Sicher haben wir Gott dafür zu danken, wo nur irgend Christus gepredigt wird, indem dadurch Seelen bekehrt werden können. Aber was wir wünschen ist, dass die Seelen nicht nur zur Erkenntnis ihrer Sünden und deren schrecklichen Folgen gebracht werden, sondern dass sie die Verkündigung des Evangeliums Gottes hören, wie es in den Briefen dargestellt ist – die frohe Botschaft, dass das Werk Christi nicht nur unsere Sünden getilgt hat, sondern wir auch des Besitzes eines neuen Lebens teilhaftig geworden, und, versiegelt durch den Heiligen Geist, mit Gott in Gemeinschaft getreten sind. Wo dieses vorhanden ist, da kann – indem das durch die Gnade befreite Herz sich mit Danksagung zu Gott erhebt – die Anbetung, als einfache, notwendige Frucht, nicht ausbleiben. Der Gläubige besitzt das neue Leben als eine Quelle, die in das ewige Leben quillt; er genießt einen vollkommenen, unzerstörbaren Frieden, dessen Bewusstsein ihm den Mund zum Preis seines Heilands öffnet. Ist die Verkündigung des Evangeliums kein deutlicher, klarer Ton, der die Seelen ergreift, dann werden sie, obwohl sie eine gewisse Vorstellung von Christus haben, bald das Gesetz an die Stelle des Heiligen Geistes setzen und, anstatt sich der Macht des Lichtes und des Friedens in Christus, als einer Frucht des Zeugnisses und der Innewohnung des Heiligen Geistes, zu erfreuen, in einem trostlosen Zustand der Ungewissheit verkümmern. Darum kann, wie bereits bemerkt, der wahre Kultus nur auf die Offenbarung der Gnade in dem gestorbenen, auferstandenen und zum Himmel erhöhten Christus gegründet sein und durch die Kraft des Geistes Gottes von den Gläubigen genossen werden. Irdische Formen und menschlicher Wille finden hier keinen Platz; denn „Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in Wahrheit anbeten.“
Dann finden wir in 1.Korither 14, welchen Platz die Danksagung, in Verbindung mit der Wirksamkeit Gottes in der Versammlung, in dem Kultus einnimmt. Wir lesen: „Was ist es denn? Ich will beten mit dem Geist und will auch lobsingen mit dem Verstand“, Der Herr erwartet einen einsichtsvollen Dienst von den Seinen. Wenn z. B., wie der Apostel in Vers 16 anführt, während des Kultus in einer fremden Sprache Danksagung oder Anbetung dargebracht wurde, dann war die Erbauung der Versammlung gestört, weil diese, der fremden Sprache unkundig, nicht mit Einsicht ihr „Amen“ hinzufügen konnte. Wie wachte doch der Geist Gottes über den Kultus der ersten Versammlungen! Die wenig aber achtet man in unseren Tagen darauf! Wo sehen wir die Anbetung der Familie Gottes? Doch wie trostlos der Verfall unter uns auch sein mag, so erwartet dennoch Gott von uns, seinen Kindern, dass wir Ihn im Geist und in, Wahrheit anbeten und folglich allein auf die Gegenwart und Zeitung des Heiligen Geistes in der Versammlung rechnen. Lassen wir unsere eigenen Gedanken und Meinungen zu Haus. So würde es z. B. nicht am Platz sein, wenn jemand in der Versammlung irgendein Lied, wodurch sein Herz erquickt worden ist, bei einer Gelegenheit vorschlagen würde, ohne zu prüfen, ob dasselbe auch bei dieser Gelegenheit passend wäre, oder wenn jemand nur deshalb ein Kapitel lesen oder einen Vortrag halten wollte, um das für einen zufällig anwesenden Fremden so auffällige Schweigen zu unterbrechen. Würde man von einem solchen Bruder denken, dass er sich der Gegenwart des Heiligen Geistes bewusst wäre? Wird sich der Heilige Geist, der die Gedanken Christi mitzuteilen beabsichtigt, mit dem beschäftigen, was die, welche draußen sind, über die Versammlung reden oder denken mögen? Geziemt es sich in solchen Umständen nicht vielmehr, von uns selbst und von anderen abzusehen und mit unseren Herzen auf die Christus betreffenden Gedanken des Heiligen Geistes zu lauschen? Wie einfach ist in diesem Fall der Ausfluss der Danksagung für die Barmherzigkeiten, die Gott uns und allen seinen Heiligen erwiesen hat! Und wie lieblich wird dann das Verständnis sein, welches Gott uns von seiner Wonne in Christus gibt!
Auch dürfen wir in der Versammlung nimmer einem kritisierenden Geist Raum geben, oder gar denken, dass hier der Ort sei, wo jemand seine vermeintliche Weisheit zur Schau stellen könnte. Im Gegenteil sollte gerade hier selbst der Größte sein. Nichts vor Gott erkennen, denn sonst wird bald der Samen der Zwietracht und der Zerrüttung gerade dort gesät sein, wo Eintracht und Harmonie Vorherrschend sein sollten. „Wenn es aber jemandem gut dünkt, streitsüchtig zu sein, so haben wir solche Gewohnheit nicht, noch die Versammlungen Gottes“, sagt der Apostel. Wir alle sind Mängeln und Irrtümern unterworfen und bedürfen gelegentlich der Ermahnung; aber ein liebloses Richten und Tadeln in der Versammlung verleugnet ihren wahren Charakter.
In Betreff des Brotbrechens wird die Anführung einiger Schriftstellen genügen. Der Apostel Paulus hat das Abendmahl des Herrn der Versammlung überliefert, wie er es von dem Herrn empfangen hatte (1. Kor 11). Es ist eine heilige Anordnung und ist nicht nur mit der Einheit des Leibes Christi innig verbunden, sondern ist auch der deutliche Ausdruck dieser Einheit, zu deren Offenbarung der Apostel besonders berufen war. Während die Taufe für jeden einzelnen Gläubigen das Bekenntnis des Todes und der Auferstehung mit Christus ist, indem er durch dieselbe bezeugt, dass er an den gekreuzigten und auferstandenen Christus glaubt und demzufolge weder Jude noch Heide, sondern ein Jünger Christi ist, so gehört der Tisch des Herrn der Versammlung, als solcher, an und bildet einen wesentlichen Teil in dem Kultus der Heiligen Gottes. Derselbe ist zunächst und eigentlich das beständige Symbol unseres einzigen Fundaments, das Zeugnis seiner Liebe bis in den Tod und seines Werkes, kraft dessen solche, wie wir sind, anbeten können. Es ist daher kein Wunder, wenn der Apostel zeigt, welch einen feierlichen und gesegneten Platz unter der ihm vom Herrn gemachten Offenbarungen der Tisch des Herrn einnimmt. Er sagt: „Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, da Er überliefert ward, Brot nahm und, als Er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dieses tut zu meinem Gedächtnis. Gleicherweise auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dieses tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt.“ Angesichts dieser Mitteilung ist es augenscheinlich, dass der Tod des Herrn in seinem Abendmahl einen hervorragenden Gegenstand bildet. Wie erhaben auch die Wonne oder der Glanz der Gunst unseres Gottes im Himmel und die daraus entspringende Gemeinschaft, sowie unsere herrliche Hoffnung der ewigen Segnung mit Ihm auch sein mögen, so darf doch nichts von diesem allen, auch nur für einen Augenblick, von dem Tod des Herrn getrennt sein, oder denselben in Schatten stellen. Im Gegenteil wird, je mehr wir den Wert des Todes des Herrn anerkennen, alles dieses nicht nur an Glanz gewinnen, sondern auch für unsere Herzen lieblicher und köstlicher sein. Der Tod des Herrn erinnert uns beständig an das, was wir als verlorene Sünder waren, an die völlige Tilgung aller unserer Sünden durch sein Blut, an die damit verbundene Verherrlichung Gottes, und vor allem sowohl an die in seinem Tod selbst offenbarte unbedingte Gnade, als auch an die uns in demselben rechtfertigende Gerechtigkeit Gottes. Alle diese Dinge, und in einem unendlichen Maße die vollkommene Herrlichkeit Christi, werden dem Glaubensauge vorgeführt durch die einfachen aber wunderbaren Worte: „Des Herrn Tod“ (Fortsetzung folgt).