Botschafter des Heils in Christo 1874
"Verschlungen ist der Tod in SIeg"
Wenn wir das 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes lesen, so finden wir, dass der Apostel am Schluss desselben von der Ankunft des Herrn redet, und zwar von seiner Ankunft, um die Versammlung oder Kirche zu sich in den Himmel aufzunehmen. Wir lesen dort die Worte: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune. Denn posaunen wird es, und die Toten werden unverweslich auferweckt, und wir werden verwandelt werden“ (V 51–52). Und in Bezug auf diese Letzten, die bis zur Ankunft des Herrn übriggebliebenen Lebenden, sagt der Apostel: „Denn dies Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dies Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: Verschlungen ist der Tod in Sieg.“
Freilich wird auch nach diesem herrlichen Ereignis der Tod als solcher nicht völlig aufgehoben sein, sondern erst nach dem tausendjährigen Reiche seine gänzliche Vernichtung erfahren (V 26); aber bezüglich der Versammlung ist – Gott sei dafür gepriesen! – der Tod von dem Augenblick an, wo sie durch Jesus in die Herrlichkeit aufgenommen ist, in Sieg verschlungen, d. h. völlig überwunden und hinweg getan. Und dieser Sieg hat nicht so sehr seinen Grund in der Auferweckung der Entschlafenen, als vielmehr in der augenblicklichen Verwandlung der Lebenden, ohne dass diese es nötig haben, durch den Tod zu gehen. Alle Gläubigen, welche bis zu dem Augenblick, wo Jesus kommt, auf Erden am Leben bleiben, werden nicht sterben. „Wir werden nicht alle entschlafen.“ Ohne durch den Tod gehen zu müssen, werden sie „in einem Nu, in einem Augenblick verwandelt werden“, das will mit anderen Worten sagen: ihre Seele wird nicht von dem Leib geschieden, und ihr Leib wird nicht in die Erde gelegt werden, sondern in einem Augenblick wird das Sterbliche oder Verwesliche aus dem Leib hinweggenommen sein.
Wie bewundernswürdig und herrlich ist dieser Sieg! Der Tod ist der Sold der Sünde; und alle Menschen sind von Natur dem Tod unterworfen. Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben (Heb 9,27). Und dennoch braucht der an Christus Glaubende nicht zu sterben; er ist nicht an den Tod gebunden. Es werden solche sein, die, wenn der Herr Jesus kommt, nicht zu sterben nötig haben; und dieses liefert uns den Beweis, dass sie, ja dass wir, dass alle Gläubigen nicht mehr dem Tod unterworfen sind. Der Tod – ein König des Schreckens für die Ungläubigen – hat keine Macht, keine Gewalt mehr über uns. Und was ist die Ursache? Weil Christus an unserer statt den Tod erduldet hat. Er, für uns zur Sünde gemacht, unterwarf sich dem Tod als dem Lohn der Sünde. Der Apostel sagt: „der Stachel des Todes“– das heißt das, wodurch der Tod herrscht – „ist die Sünde.“ Aber Christus hat den Stachel des Todes hinweggenommen; denn Er ward für uns zur Sünde gemacht. Er trug unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz und starb an unserer statt unter dem Zorn eines gerechten und heiligen Gottes. Alle, die an Ihn glauben, sind dadurch von der Sünde freigemacht und von dem Tod erlöst. Darum kann Paulus und darum können alle Gläubige mit ihm ausrufen: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Hades, dein Sieg?“ (V 55)
Welch eine herrliche und vollkommene Erlösung! Und diese Erlösung wird in ihrer ganzen Tragweite und Fülle bei der Ankunft unseres Herrn und Heilands geschaut werden, wenn die übriggebliebenen Lebenden nicht sterben, sondern ohne dem Tod unterworfen zu werden, Zur Herrlichkeit eingehen. Ja, dann wird es geschaut werden, dass alle, die mit Christus Jesus durch den Glauben verbunden sind, durch Ihn für immer der Macht des Todes entrückt sein werden. Im Blick auf diese unendlich herrliche Tatsache und im Vorgenuss der unaussprechlichen Freude dieser Zukunft rufen wir mit dem Apostel freudig aus: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Hades, dein Sieg?“ Und dieses ist und bleibt der Ton unseres Jubels, ob auch der Tod noch täglich um uns her wütet und seine Macht übt, und ob er auch noch manchen aus unserer Mitte hinwegnimmt.
„Aber“ – könnte vielleicht jemand einwenden – „enthalten diese letzten Worte keinen offenbaren Widerspruch?“ Keineswegs, mein teurer Leser. Wiewohl in unseren Tagen die Reihender Gläubigen noch durch den Tod gelichtet werden, und wie wohl die Möglichkeit vorhanden ist, dass auch wir durch den Tod abgerufen werden, so befinden wir uns dennoch nicht mehr unter der Macht des Todes. Vielmehr liegt die Wahrheit gerade im entgegengesetzten Fall. Nicht wir sind dem Tod, sondern der Tod ist uns unterworfen. Man lausche nur auf die Worte des Apostels Paulus, wenn er in 1. Korinther 3,22 sagt; „Alles ist euer; es sei Paulus, oder Apollos, oder Kephas, oder die Welt, oder Leben, oder Tod, oder Gegenwärtiges, oder Zukünftiges: Alles ist euer.“ – Habt ihr es verstanden? Alles gehört uns, selbst der Tod. So wie Paulus, Apollos und Kephas unsere Diener sind, so steht auch der Tod in unserem Dienst. Und inwiefern ist er unser Diener? Er entrückt die Gläubigen dieser armen Erde und führt sie in das Paradies zu Jesu.
Dass die Gläubigen nun noch sterben, ist nicht darum, weil sie dem Tod unterworfen sind, – o nein, denn bei der Ankunft Jesu zeigt sich gerade das Gegenteil – sondern weil Gott, um noch viele zu erretten, bis jetzt diese Ankunft verzögert hat. Kommt der Herr noch heute, wohlan, wir werden dann nicht sterben; dann wird die Wahrheit aus uns hervorstrahlen, dass der Tod durch Christus vollkommen überwunden ist, und dann wird das Wort an uns erfüllt werden: „Verschlungen ist der Tod in Sieg.“ All' unsere Sünd'
Ist längst gesühnt;
Der Kerker gekettet,
Der Tod ist getötet;
In Jesu ward Heil uns und Leben.