Botschafter des Heils in Christo 1874
Das Kommen des himmlischen Bräutigams
Welch eine herrliche Offenbarung bezüglich der Wiederkunft Jesu liefert uns der oben bezeichnete Abschnitt des Thessalonicherbriefes! Die Traurigkeit der Thessalonicher über ihre entschlafenen Brüder war die Veranlassung der Mitteilung dieser Offenbarung. Weder sie, noch die Korinther hatten bis zu dieser Zeit die Offenbarung bezüglich der Aufnahme der Versammlung empfangen. In 1. Korinther 15 sagt Paulus: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis.“ Bis zu diesem Augenblick war die Aufnahme der Versammlung für sie ein Geheimnis geblieben. Hier zu den Thessalonichern sagt, der Apostel: „Dieses sagen wir euch im Wort des Herrn.“ Zwar glaubte man in beiden Versammlungen an die Ankunft Christi, und die Thessalonicher sehnten sich mit großem Verlangen nach derselben; aber weder die näheren Umstände dieser Ankunft, noch der Unterschied zwischen dem Kommen Jesu in die Luft für die Versammlung, und seinem Kommen auf die Erde zur Aufrichtung seines Königreichs waren ihnen offenbart. Diese Offenbarung empfingen sie erst jetzt.
Wie gesagt, die Gläubigen zu Thessalonich waren über die Brüder betrübt, welche entschlafen waren, weil sie meinten, dass dieselben bei der so sehr ersehnten Ankunft des Herrn nicht gegenwärtig sein würden. Sie hingen an den Entschlafenen mit solcher Liebe und schätzten die Ankunft des Herrn so hoch, dass der Gedanke, jene bei der herrlichen Erscheinung Jesu nicht in ihrer Mitte zu sehen, ihnen fast unerträglich war. Dieses liefert den klarsten Beweis, dass sie noch nichts von der Aufnahme der Versammlung wussten; denn hätten sie dieselbe gekannt, so würden sie nicht traurig gewesen sein. Wir können unmöglich um dieser Ursache willen über die Entschlafenen traurig sein, da wir wissen, dass sie, ebenso wie wir, dem Herrn entgegen gerückt werden in die Luft.
Der Apostel ist nun bemüht, die trauernden Thessalonicher zu trösten. Zunächst sagt er ihnen, dass es mit den Entschlafenen ebenso gehen werde, wie es mit dem Herrn Jesus selbst gegangen sei. „Wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch die, welche entschlafen sind, mit ihm bringen.“ Der Herr Jesus ist gestorben und auferstanden, und Er kommt wieder. Denselben Verlauf wird es mit den Entschlafenen nehmen; sie sind gestorben, und sie werden auferstehen und mit Jesu wiederkommen. Welch ein Trost war dieses für die Thessalonicher! Die entschlafenen Brüder sollten, ebenso wie sie, der herrlichen Erscheinung Jesu auf Orden beiwohnen. „Seid nicht betrübt“, sagt der Apostel, „die Brüder sind zwar gestorben; aber sie werden auferstehen. Denkt nur an den Herrn Jesus selbst, der auch gestorben und auferstanden ist, und seid versichert, dass, wenn Er wiederkommt, Gott auch die Entschlafenen mit Ihm zurückkehren lassen wird.“ – Nie erfreut werden diese Gläubigen gewesen sein, als sie diese Zeilen lasen! Ihre teilnehmende Liebe war betrübt gewesen, weil nach ihrer Meinung die Entschlafenen einer großen Freude beraubt waren; aber jetzt wurde ihr Herz wieder erquickt und erfreut.
Jedoch geht der Apostel noch einen Schritt weiter. Er sagt nicht allein, dass die Entschlafenen bei der Ankunft des Herrn auf Erden erscheinen werden, sondern er teilt ihnen auch mit, dass dieselben mit den übrig gebliebenen Lebenden Zugleich dem Herrn in die Luft entgegen gerückt werden sollen. Dieses musste vor allem zuerst geschehen. Denn um mit dem Herrn bei seiner Ankunft auf Erden erscheinen zu können, müssen wir vorher bei dem Herrn sein. Und wie kommen wir zum Herrn? Dieses beantwortet der Apostel dadurch, dass er ihnen eine direkte Offenbarung mitteilt, indem er sagt: „Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen durchaus nicht zuvorkommen werden“ (V 15). Es gibt also Gläubige, die auf der Erde leben bleiben bis der Herr kommt. Ja, der Apostel sagt sogar in 1. Korinther 15 ausdrücklich: „Wir werden nicht alle entschlafen.“ Keineswegs werden daher alle Gläubige sterben; o nein, es werden Gläubige übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn. Diese werden nicht sterben, sondern in einem Augenblick, in einem Nu verwandelt werden. Die Gläubigen nun, welche bis zur Ankunft des Herrn übrigbleiben, werden nicht für sich allein und auch nicht früher, als die in Jesu Entschlafenen, dem Herrn entgegengehen. Sie werden denen nicht zuvorkommen, die entschlafen sind. Sie werden zusammen und in demselben Augenblicke den Herrn sehen und Ihm begegnen.
Und wie wird dieses geschehen? Der Apostel offenbart uns dieses Geheimnis. Der Herr wird vom Himmel herniederkommen. Der geliebte Bräutigam kommt selbst, um seine Braut abzuholen und in das Haus des Vaters zu führen. Er sendet keine Engel, um uns abzuholen; und auch keinen feurigen Wagen mit feurigen Pferden, wie dieses bei Elia der Fall war, o nein – Er kommt selbst. Sobald der vom Vater bestimmte Augenblick da ist, sobald Er der Versammlung das letzte Glied beigefügt hat, verlässt Er selbst den Thron des Vaters, um seine Braut zu sich zu nehmen. Wie unaussprechlich groß ist seine Liebe gegen uns! Und wo erscheint Er? Nicht auf der Erde, sondern in der Luft. Erst dann, wenn Er erscheint, um sein Reich aufzurichten, wird Er auf die Erde kommen. Aber wenn Er kommt, um seine Braut abzuholen, dann steigt Er hernieder vom Himmel und bleibt in der Luft, wo wir Ihm entgegen gerückt werden. Und in welcher Weise kommt Er? Er kommt „mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes.“ Die in Christus entschlafen sind, werden auferweckt werden. Die Stimme des Sohnes des Menschen wird sie aus ihren Gräbern hervorrufen. Es ist der vollkommene Triumph über den Tod. Dann ist der Tod verschlungen in den Sieg. Die Posaune Gottes wird das Signal sein. In einem Augenblick, in einem Nu werden die Tausende und aber Tausende der Gläubigen in neuen, verherrlichten Leibern ihre Gräber verlassen; und in demselben Moment werden auch die noch übrig gebliebenen Lebenden verwandelt werden (1. Kor 15). Ihre sterblichen und verderblichen Leiber werden plötzlich in unsterbliche und unverderbliche Leiber umgewandelt sein. Dann ist die ganze Versammlung zusammen; dann ist die Braut nicht nur gerettet, sondern auch, selbst in Betreff des Leibes, Jesu gleichförmig. Denn Er wird „unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit seines Leibes der Herrlichkeit“ (Phil 3,21). Und dann werden die auferweckten Entschlafenen Zugleich mit den verwandelten Lebenden „in Wolken dem Herrn entgegen gerückt werden in die Luft, und also allezeit bei dem Herrn sein.“
Wie herrlich wird dieses sein? Welch eine Freude, Jesus zu sehen von Angesicht zu Angesicht und Ihm gleich zu sein! Welch eine Freude, dort mit allen Erlösten bei Ihm zu sein! Keiner von ihnen wird fehlen. Die Entschlafenen sind auferweckt, die übrig gebliebenen Lebenden verwandelt; alle sind bei einander und Jesu gleich. Und in Wolken gehüllt, damit die Welt nicht ihre Aufnahme sehe, Zerlassen sie diese Erde und eilen mit der Stimme des Jubels dem Herrn entgegen, um bis in alle Ewigkeit in seiner Gemeinschaft, in seiner unmittelbaren Nähe zu bleiben und Ihn zu umringen. Wie wird das Herz der Thessalonicher voll seliger Freude geklopft haben, als sie diese Worte lasen, wie wird ihr Antlitz in himmlischem Entzücken gestrahlt haben! Fortan hatten sie nicht mehr nötig, über die entschlafenen Brüder zu trauern; ihr Herz war völlig zur Ruhe gebracht. „So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (V 18).
Sind jene Worte nicht auch eine Ermunterung für uns? Ja, in der Tat, die Predigt von der Wiederkunft Jesu ist ein wahrer Trost für das müde Herz eines Pilgers. „Siehe, ich komme bald!“ ruft der Bräutigam uns zu. „Amen, ja komm, Herr Jesu!“ antwortet die Braut. Ein Glück ist es, wenn wir in diesen Ruf mit einstimmen. Lange genug hat die Kirche diese glückselige Hoffnung und Erwartung aus dem Auge verloren. Haben wir sie kennen gelernt, nun dann lasst uns auch mit Freude rufen: „Komm!“ O mochten auch wir uns diese Worte zum Trost dienen lassen! Möchten auch wir uns einander zurufen: „Der Herr kommt bald!“ Was kann ein Herz mehr erfrischen und beleben, als der Glaube an diese selige Ankunft? Was ist mehr geeignet, uns von der Welt los zu machen? Was vermag uns bei allen Leiden und Mühsalen dieser Erde mehr zu trösten. Ja, mit diesen Worten verscheucht man die Sorgen und die Traurigkeit, man lindert die Schmerzen und die Leiden, man belebt den Mut und das Vertrauen. Rufen wir uns daher beständig die Worte zu: „Der Herr Jesus kommt; ja, Er kommt bald!“ Und der Herr wolle geben, dass unser Herz jedes Mal, bei jeder Erinnerung daran mit brünstigem Verlangen sagen möchte: „Amen, Ja, komm, Herr Jesu!“