Botschafter des Heils in Christo 1872
Die Entschuldigungen des Unglaubens
Das natürliche Herz strengt, wie seltsam dieses auch scheinen mag, stets seinen Scharfsinn an, um Weg ausfindig zu machen, auf denen es der Annahme der größten Gabe, welche ihm je angeboten wurde, ausweichen kann. Sicher hat Satan seine Hand in diesen Entschuldigungen; denn „der Gott dieser Welt hat den Sinn der Ungläubigen verblendet, damit der Lichtglanz des Evangeliums nicht ausstrahle“ (2. Kor 4,4).
Der eine hält es für Anmaßung, eine solche Gabe, wie Christus, – eine Gabe, in deren Annahme die Vergebung und die Gunst Gottes, sowie unendliche Segnungen eingeschlossen sind, so auf einmal, unmittelbar und umsonst anzunehmen. Nach seinem eigenen, beschränkten Verstand beurteilt er die Liebe Gottes und bedenkt nicht, dass seine Entschuldigung nur Schein, Hochmut und gänzliche Unkenntnis in Betreff seines verlorenen Zustandes ist. – Ein anderer sagt: „Mein Zustand ist von ganz außergewöhnlicher Art; und wenn Christus einen Menschen, wie ich einer bin, annähme, so würde das ein unvergleichlicher Akt von Gnade sein.“ – Aber war der Zustand, in dem sich die vor dem roten Meer stehenden Israeliten befanden, nicht von ganz außergewöhnlicher Art, und musste nicht ein unvergleichliches Ereignis zu ihrer Rettung stattfinden? Aber auf die Gültigkeit des Zeugnisses des Herrn hin, der in seinen Hilfsmitteln unerschöpflich ist, erwarteten sie seine Rettung. Sie glaubten den Worten des Herrn, und ihre Rettung war da. Sie hatten richtige Gedanken von der Liebe Gottes. – Ein Dritter spricht von den Schwierigkeiten auf dem Weg. Er glaubt, gleich den Kundschaftern und dem Volk in 4. Mose 13, die „Söhne Enaks“ und die „Städte mit himmelhohen Mauern“ zu erblicken, gegen welche er wie eine „Heuschrecke“ ist. Aber er vergisst, dass der Herr stärker ist als alles, und die Städte nicht so hoch sind, wie der Himmel, dass Gott es übernimmt, die Schwierigkeiten hinwegzuräumen, und dass für den Glauben sich Gott zwischen ihm und den Umständen befindet. Man schaue auf das kanaanitische Weib! Auch sie hatte Schwierigkeiten; aber sie überwand sie alle bei dem Gedanken an die Person und an die Hilfsmittel des Herrn. Sie erprobte die Tiefe des Erbarmens im Herzen Jesu, und sie erwarb ihrer Tochter Rettung aus schrecklichem Nebel, indem sie alle ihre Schwierigkeiten in die Tiefen seiner Vollkommenheiten versenkte. – Ein Vierter sagt: „Wie aber könnte Gott einem so großen Sünder, wie ich bin, vergeben?“ Es ist die Sprache des armen Fischers Petrus: „Herr, gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.“ Aber ist das nicht der Weg, um die Worte des Herrn zu bezweifeln, die Tiefe der Quelle göttlichen Erbarmens zu leugnen, und sich dem Verderben in die Arme zu stürzen? Der Apostel Paulus gibt für diese Frage eine laute Antwort, wenn er sagt: „Er kam, um Sünder zu erretten, von welchen ich der Vornehmste bin.“ – Ein Fünfter deutet auf die Gefahr einer falschen Sicherheit, eines trügerischen Selbstvertrauens und einer verwerflichen Übereilung und Selbsttäuschung hin. Es ist wahr, Täuschungen sind vorgekommen, wie z. B. bei Simon dem Zauberer. Aber solche Fälle sollten nur die Wirkung haben, uns vorsichtig zu machen. Ebenso war der Tod Usas (2. Sam 6) nicht bestimmt zu hindern, dass die Bundeslade auf dem rechten Weg hinaufgebracht wurde, sondern nur um diejenigen zu bewahren, welche Teil nahmen an dem rechten Wege. Drum, mein Freund, fasse die Bundeslade an; aber fasse sie an mit Ehrfurcht. Sich zu weigern, Christus zu erfassen, ist der höchste Grad von Geringschätzung und der gröbste Irrtum; denn es heißt, sich trennen von der unaussprechlichen Gabe Gottes. – Ein Sechster endlich macht die Einwendung, dass der Weg zur Erlösung unmöglich so einfach und glatt sein könne. Aber welche Worte sind wo! so tief und erhaben, als die von Christus? Und dennoch wie einfach und schlicht sind diese Worte! Welch eine Kraft liegt in dem Ausspruch: „Durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden!“ Der Glaubende ist im Besitz alles dessen, was die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes befriedigt. Das ist ein einfacher, aber auch der einzig richtige Weg. – Wenn man das Wort Entschuldigung überhaupt betrachtet, so sieht man schon etwas Böses darin, obwohl es im bürgerlichen Leben Entschuldigungen gibt, die gerechtfertigt werden müssen. Nicht so ist es, wenn der Mensch Gott gegenüber Entschuldigungen macht, sie sind alle grundlos und pharisäisch. Betrachten wir nur das Wort „Entschuldigung“ – man will sich ohne Schuld hinstellen und von der Schuld los, also schuldlos machen – und bei genauer Prüfung findet man, dass der sich Entschuldigende die Schuld auf einen anderen, das ist auf Gott selbst schiebt. Ich meine nicht die Sündenschuld, um verstanden zu werden, sondern die Ursache, warum man die Gnade Gottes nicht sucht, erfasst oder annimmt. Gott ist vollkommen rein; der Mensch aber, wenn er Entschuldigungen macht, sucht sich rein zu machen, weil er unrein und unaufrichtig ist; dies ist das Pharisäische dabei. Würde man einen jeden, der irgendeine Entschuldigung macht, klar durchschauen können, man würde bei manchem Sünden erblicken, die er nicht aufgeben will. Möchte sich ein jeder, der bis jetzt die eine oder die andere Entschuldigung vorbrachte, sich vor Gott stellen und prüfen, woran die Schuld liegt; er wird bald finden, dass er unaufrichtig war und wegen dieser oder jener Sache nicht wahrhaft gewollt hat. Der Herr Jesus sucht die Verlorenen und wenn ein Verlorener den Herrn sucht, so werden diese beide bald zusammentreffen.
Lass daher alle Entschuldigungen fahren, mein Leser. Komm zu Jesu; Er ruft dich! Komm, wie Petrus auf dem Wasser kam als er die Stimme seines Meisters hörte. Komm; denn Jesus hat nicht nur die Macht, sondern auch den Willen dich zu retten. Er sagt: „Kommt her zu mir, ich will euch Ruhe geben.“