Botschafter des Heils in Christo 1871
Die Reise durch die Wüste - Teil 1/2
Die Geschichte Israels – von seinem Auszug aus Ägypten bis zu seiner Ankunft in Kanaan – ist ein Bild des Zustandes der Gläubigen in Christus und ihrer Stellung in dieser Welt. Israel war in jener Schreckensnacht durch das an die Türpfosten gestrichene Blut von dem Tod seiner Erstgeborenen befreit worden. Während alle Erstgeborenen der Ägypter starben, ging überall, wo Gott das Blut sah, der Würgengel vorüber. Geschützt durch das Blut konnte man das Passah feiern. Dann verließen die Israeliten Ägypten. – Ebenso ist der Gläubige durch das Blut Christi, des Lammes Gottes, in vollkommener Sicherheit. Alle seine Sünden sind für ewig ausgewischt; und er hat Ägypten, die Welt, verlassen. Gott sieht das Blut Christi; Und darum ist der Gläubige sicher. Ebenso ruhig, wie der Israelit, gesichert durch das Blut, in seiner Wohnung das Passah feiern konnte, können auch wir, vertrauend auf das Blut Christi, frohlocken und uns freuen. Die Frage ist nicht, ob wir, sondern ob Gott befriedigt ist. Und Er ist es durch das Blut Christi.
Auf der Reise gab es bald eine neue Schwierigkeit. Gott führte die Kinder Israel ans rote Meer; und Pharao jagte hinter ihnen her. Sie standen zwischen den Fluten des roten Meeres und dem feindlichen Lager. Vor und hinter ihnen lauerte der Tod; hier drohte das Meer, sie zu verschlingen, dort Pharao, sie zu vernichten. Was beginnen? Gott bahnte einen Weg durch das rote Meer; und trocknen Fußes gingen sie hindurch, während Pharao mit seinem Heer im Meer den Tod fand. Am jenseitigen Ufer stehend, waren sie nicht nur von den Ägyptern getrennt, sondern auch von der Macht Pharaos befreit. Sie befanden sich in einem neuen Zustand. Ebenso ist es mit uns. Nicht nur haben wir, durch das Blut von unseren Sünden gereinigt, die Welt verlassen, sondern sind auch der Macht Satans entrückt und in einen ganz neuen Zustand gebracht, und zwar durch den Tod und die Auferstehung Christi. Am Kreuz hat Christus die Fürstentümer und Gewalten ausgezogen und einen Triumph aus ihnen gemacht. Wir sind mit Christus gestorben und auferstanden. Das Alte ist vergangen, siehe. Alles ist neu geworden. Am Kreuz ist unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt, und als eine neue Schöpfung haben wir mit Christus das Grab verlassen. Wir sind also vor Gott eine neue Schöpfung, über welche der Teufel keine Macht mehr hat. Wie die Israeliten am jenseitigen Ufer des roten Meeres, können auch wir den Lobgesang unserer Befreiung anstimmen. Alle Unruhe der Christen hat darin ihren Grund, dass sie sich durch die Wasser des roten Meeres von dem Teufel und der Sünde nicht geschieden sehen, oder dass sie, mit anderen Worten, in dem Tod und der Auferstehung Christi nicht ihre Befreiung vom ewigen Gericht und von der Macht Satans und der Sünde erblicken. Nach ihren Gedanken und ihrem Gefühl befinden sie sich noch immer zwischen dem roten Meer und Ägypten. Dabei kann unmöglich das Herz glücklich sein. Wenn du, mein Leser, noch in diesem Zustand bist, so lass dich durch die Wahrheit freimachen. Gehe noch einen Schritt weiter und glaube, dass du mit Christus gestorben und auferstanden bist, und dass du in Ihm als eine neue Schöpfung vor Gott stehst. Der Weg durch das rote Meer ist gebahnt; du kannst trockenen Fußes hindurchgehen. Christus ist dieser Weg; alle Feinde sind hinter uns.
Nach dem roten Meer folgte für die nach Kanaan reisenden Israeliten die Wüste. So sind auch wir, die Erlösten in Christus, in der Wüste der Welt auf der Reise nach dem himmlischen Kanaan. Früher war die Welt mit ihren Vergnügungen und Genüssen unsere Heimat. Nun ist diese Welt eine Wüste für uns. Wir sind nicht von der Welt. Sie bietet nichts, was unser Herz befriedigen oder glücklich machen könnte. Sie hat nur Mühsale und Leiden, Gefahren und Sünde für uns; und unser Herz sehnt sich nach dem Land himmlischer Ruhe. Freilich zeigen leider viele Christen eine weltliche Gesinnung und verraten dadurch, wie wenig sie ihre Stellung kennen und genießen. Für den geistlichen Christen aber ist die Welt eine Wüste, wie sie es für den Herrn Jesus war.
In 5. Mose 8 finden wir die Kinder Israel am Ende ihrer vierzigjährigen Reise durch die Wüste. Sie stehen auf dem Punkt, das verheißene Land zu betreten. Ebenso verhält es sich mit uns. Wie? Stehen wir denn auf dem Punkt, in den Himmel zu gehen? Könnte es denn nicht der Fall sein, dass wir noch etliche Jahre hienieden bleiben müssten? – Ei freilich; und dennoch haben wir kein Recht, einen Raum zu gestatten zwischen dem gegenwärtigen Augenblicke und der Ankunft Jesu, um uns aufzunehmen. „Siehe, Ich komme bald!“ hat der Herr gesagt. Nichts steht seinem Kommen zur Aufnahme seiner Kirche im Weg. Alle prophetischen Ankündigungen betreffs der letzten Tage werden nach dieser Aufnahme ihre Erfüllung finden. Wir haben weder die Rückkehr Israels in sein Land, noch die Wiederherstellung des römischen Reiches, noch endlich die mit diesen Ereignissen verbundenen Gerichte zu erwarten, sondern wir harren der Ankunft Jesu zur Abholung der Seinen entgegen. Für Paulus gab es keinen Raum zwischen dem Augenblick, worin er lebte, und der Ankunft des Herrn. Er hoffte unter der Zahl derer zu sein, die bis zu dieser glorreichen Ankunft übrigblieben; und von Tag zu Tag wartete er auf diese Erscheinung. In der Tat ist die Ankunft des Herrn die einzige Hoffnung und Erwartung des Christen. Er kann ebenso gut heute, wie morgen kommen. Kein Zwischenraum darf gestattet werden; und darum stehen wir jeden Tag auf dem Punkt, in den Himmel zu gehen. Wie glücklich ist unser Herz selbst inmitten der Schwierigkeiten dieser Wüste, wenn das Auge auf die herannahende Herrlichkeit gerichtet ist! Noch wenige Augenblicke, und wir schütteln den Staub von unseren Füßen, um für immer bei Jesu von allen Kämpfen auszuruhen.
Angekommen an der Grenze Kanaans, des Landes der irdischen Ruhe, forderte Gott durch den Mund Moses das Volk auf, zurückzuschauen auf die. Reise durch die Wüste und alles dessen zu gedenken, was geschehen war. Ebenso werden auch wir, stehend an der Grenze des himmlischen Kanaans, aufgefordert, unseren Blick auf die zurückgelegte Reise durch die Wüste der Welt zu richten. Der Herr sagte: „Du sollst gedenken all des Weges, den dich der Herr, dein Gott, geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, da feurige Schlangen und Skorpionen und eitel Dürre und kein Wasser war.“ – Aber der Herr war ihr Führer und Begleiter. – Auch unsere Wüste ist groß und furchtbar; hier gibt es nicht nur Schlaugen, Skorpionen und dürre Sandflächen, sondern Satan selbst mit seinem ganzen Heer ist da; (Eph 6) und kein Labsal für die Seele ist zu finden. Aber getrost! der Herr, unser Gott, ist unser Führer und Leiter. Und dieser Gott – dieses konnte Israel nicht sagen – ist unser Vater. Ja, in Christus ist Gott unser Vater. Welch ein Trost für unser Herz! Und mit welch väterlicher Liebe und Treue hat Er uns durch alle Schwierigkeiten bisher hindurch geholfen! Dieser unser Gott und Vater aber wird uns sicher auch ferner nicht verlassen noch versäumen. Wir dürfen stets auf seine gnadenreiche Führung rechnen. Mag die Wüste auch groß und furchtbar sein, so ist Gott doch größer; mag auch der Feind mit seinem ganzen Heer uns umgeben, so hat doch Gott alle in seiner Macht; mag es auch an Entbehrungen nicht fehlen, so lässt uns doch Gott keinen Mangel leiden (Schluss folgt).