Botschafter des Heils in Christo 1871
Die beiden Ehemänner
Dieses Kapitel kann als die Grundlage des apostolischen Beweises für die Rechtfertigung und Fruchtbringung betrachtet werden, und nichts könnte, zeitgemäßer sein, als eine Erläuterung des in den beiden Ehemännern dargestellten Bildes. Dass der inspirierte Beweis unwiderlegbar ist, brauche ich kaum hinzuzufügen.
Es ist von der größten Wichtigkeit, auf die wenigen, in Parenthese eingeschalteten Worte: „Denn ich rede mit denen, die Gesetz kennen“, (V 1) das Augenmerk zu richten. Dieses zeigt, dass in diesem Kapitel sich der Apostel insbesondere an die Gläubigen aus dem Judentum wandte. „Wisst ihr nicht, Brüder, dass ein Gesetz über den Menschen herrscht, solange Zeit er lebt? Denn das Weib, das unter dem Mann ist, ist an den lebenden Mann gesetzlich gebunden; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. Solange denn der Mann lebt, wird sie, wenn sie eines anderen Mannes ist, eine Ehebrecherin geheißen werden; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie frei vom Gesetz, so dass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes ist. Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz gestorben durch den Leib des Christus, dass ihr eines anderen werdet, des aus den Toten Auferweckten, auf dass wir Gott Frucht tragen. Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen. Nun aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, weil wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten waren, so dass wir dienen in dem Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Buchstaben“ (V 1–7). – Hier haben wir also die „beiden Ehemänner“. Mit dem alten Ehemann, nämlich dem Gesetz, waren die Juden verbunden, während der Christ mit dem neuen Mann, nämlich mit dem auferstandenen Christus, in eine eheliche Verbindung getreten ist. Und wie ein Weib nicht gesetzmäßig zu gleicher Zeit mit zwei Ehemännern verheiratet sein kann, so ist auch, wie hier gezeigt wird, ein gleichzeitiges Verbundensein des Gläubigen mit Christus und dem Gesetz eine Unmöglichkeit.
In den Versen 5.7–24 gibt der Apostel eine Beschreibung des Eheverhältnisses mit dem alten Ehemann. Stellen wir uns nun ein Ehepaar vor, deren Gesinnungen einander so gänzlich entgegengesetzt sind, dass das arme Weib, je mehr sie versucht, ihr Möglichstes zu tun, umso mehr Scheltworte und Streiche empfängt, bis schließlich ihr Leben so elend wird, dass sie sich aus diesem jammervollen Streits heraus sehnt – und wir haben ein treues Bild vor uns von den: elenden Zustand derer, die mit dem Gesetz verbunden waren. Indes soll nicht damit gesagt werden, dass das Gesetz solch ein schlechter Ehemann gewesen sei; o nein, es war „gerecht, heilig und gut;“ aber die Natur des Menschen war so gänzlich verdorben, so durchaus fleischlich – unter die Sünde verkauft. Dieses ist es, was Paulus und die jüdischen Gläubigen erfahren hatten, als sie im Fleisch waren, unter dem Gesetz. „Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen“ (V 5). Kein Ehepaar in dieser Welt hätte je einander mehr entgegengesetzte. Gesinnungen haben können, als in der menschlichen Natur und dem heiligen Gesetz Gottes gefunden werden. Der Apostel beschreibt diesen Zustand des Menschen, als im Fleisch und zwar verbunden mit jenem alten Ehemann, dem Gesetz, indem er sagt: „Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft, denn was ich wirke, erkenne ich nicht, denn was ich will, das tue ich nicht, sondern was ich hasse, das übe ich aus“ (V 14–15). So mächtig ist die in ihm wohnende Sünde, dass, obwohl er dem Gesetz völlig beistimmt, dass es gut sei, und ernstlich das Rechte zu tun begehrt, er doch keine Kraft dazu hat. „Das Wirken dessen, was recht ist, finde ich nicht; denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (V 18–19). Er findet, dass Sünde in ihm wohnt, ja sogar? dass die Kraft derselben als ein bestimmtes Gesetz in seiner Natur ist. „So finde ich denn für mich, der ich das Rechte tun will, das Gesetz, dass das Böse bei mir ist“ (V 21). Er ist eine lebendige Seele und vielleicht sich auch der Kindschaft bewusst, aber er steht unter dem Gesetz und, obwohl der Innenmensch das Gesetz zu halten begehrt, so ist doch die sündige Natur viel zu stark, und daher der Ausdruck des tiefen Elends.– „Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem Innenmenschen. Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, welches wider das Gesetz meines Sinnes streitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist“ (V 22–23).
Dieses ist also das Bild, welches der Apostel von dem Eheleben unter dem alten Mann entwirft. Gleich einem armen Weibe, welches sich lange vergeblich abgemüht hat, ihrem Mann zu gefallen, und endlich, anstatt sich nach Hilfsmitteln, um seine Gunst zu erlangen, umzusehen, den Schrei ausstößt: „O ich elendes Weib! wer wird mich erlösen?“ Ebenso fleht auch der unter dem Gesetz Lebende nicht um Hilfe, um dem alten Ehemann zu gefallen, sondern ruft: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ – Der folgende Vers führt den neuen Ehemann ein: „Ich danke Gott durch Jesus Christus unseren Herrn!“ (V 25) Wir werden nun den Ehestand mit dem neuen Mann in demselben Maße gesegnet finden, wie jener unter dem alten elend und beklagenswert war. In Kapitel 8 wird dieses gesegnete Verhältnis besonders durch zwei Dinge gekennzeichnet. Verbunden mit Christus gibt es weder eine Verdammnis, (V 1) noch eine Scheidung (V 35–39). Kehren wir daher zu der Untersuchung zurück, wie diese Verbindung zu Stand kam.
Der Apostel stellt hier mit denen, die unter dem alten Ehemann gewesen waren, seine Forschungen an; und wenn wir die heiligen Aussprüche Gottes sorgfältig prüfen, so werden wir finden, dass die Juden 1500 Jahre lang unter dem Gesetz oder mit dem alten Ehemann verbunden gewesen waren. Es ist höchst befremdend, dass es viele Christen gibt, die es nicht beachtet haben, dass das Gesetz während eines Zeitraums von 2500 Jahren – die Jahre von Adam bis auf Mose – gar nicht existierte. Und würde nicht überhaupt ein Untersuchen der heiligen Schrift in Betreff der Richtigkeit dieser Dinge weit besser sein, als jedes aufregende Hin– und Herreden? Wurde nicht Adam durch ein gegebenes Gesetz geprüft, als er in Unschuld war? Fiel er nicht durch Übertretung? Und fiel nicht seine ganze Nachkommenschaft in ihm, so dass der. Tod zu allen Menschen durch; gedrungen ist? – „Deshalb wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist, und durch die Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist ..“ (Röm 5,12). Es ist sicher durchaus klar, dass das ganze Menschengeschlecht auf diese. Weise unter die Sünde und den Tod gebracht worden ist. Kann nun aber der Leser auch nur eine einzige Schriftstelle anführen, um zu beweisen, dass während der ganzen Dauer der Periode zwischen dem Fall Adams und der Gesetzgebung auf dem Berg Sinai – einem Zeitraum von 2500 Jahren – ein Gesetz oder eine Übertretung vorhanden war? „Denn wo kein Gesetz ist, da ist keine Übertretung.“ Von Adam bis auf Mose war kein Gesetz gegeben; und deshalb konnte keine Übertretung da sein. Aber etliche – unbekannt mit der heiligen Schrift und den Unterschied zwischen Sünde und Übertretung nicht kennend – ziehen hieraus den Schluss, dass, wenn kein Gesetz, auch keine Sünde, und folglich keine Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi vorhanden sei. Allein die heilige Schrift beharrt gerade mit Nachdruck auf diesem Punkt, dass, obwohl – weil das Gesetz noch nicht existierte – keine Übertretung, (Röm 5,13–14) dennoch aber die Sünde da war. „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz umkommen“ (Röm 2,12). Diese und viele andere Schriftstellen beweisen unwiderlegbar, dass das Gesetz nicht allen Menschen gegeben wurde; denn wie hätte sonst jemand ohne Gesetz sündigen können? Wo sind die „Nationen, die kein Gesetz haben“, (Röm 2,14) wenn das Gesetz allen Menschen gegeben worden ist und, wie etliche lehren, sich alle unter dem Gesetz befinden? Es ist von höchster Wichtigkeit, über diesen Punkt klar zu sein. Stellen wir uns einen Lehrer mit einer Anzahl höchst zügelloser Schulknaben vor; er kennt sehr gut die Widersetzlichkeit und Feindseligkeit seiner Schüler, hat aber bisher noch kein bestimmtes Verbot (Gesetz) gegeben. Eines Tages nun verbietet er in der nachdrücklichsten Weise, dass es keinem Knaben gestattet sei, an die Wand zu schreiben. Es mag nun vorher sich allerlei Gekritzel an der Wand gezeigt haben, aber ich bin gewiss (wenn ich anders irgendwie die menschliche Natur kenne), dass, sobald der Lehrer den Rücken wendet, dort zehnmal mehr gekritzelt wird, als vorher. Die Sünde des Schreibens an die Wand war früher da; aber jetzt, nachdem das Verbot gegeben, wird die Sünde zur Übertretung. Das Gewissen wird den Knaben schon oft gesagt haben, dass es Unrecht sei, die Wand durch Kritzeleien zu besudeln; aber dieselben vermehren sich, nachdem das Verbot gegeben ist, und dieses ist Übertretung. Zu demselben Zwecke war „das Gesetz neben eingekommen, auf dass die Übertretung überströmend sei“ (Röm 5,20). „Um der Übertretungen willen ist es gegeben worden, bis der Same gekommen wäre“ (Gal 3,19). Man prüfe sorgfältig den Zusammenhang dieser Schriftstelle. Ich glaube kaum, dass irgendeine Wahrheit in der heiligen Schrift klarer dargestellt ist, als diese – dass weder Gesetz noch Übertretung des Gesetzes vorhanden waren, bis Gott einzig und allem ein Volk unter das Gesetz stellte, und zwar zu dem besonderen Zweck, die sündige Natur des Menschen in offenbarer Übertretung zu beweisen, „auf dass jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei“ (Röm 3,19). das Bedürfnis des Menschen nach jener großen und wunderbaren Gabe des Erlösers Jesus Christus, unseres Herrn, war auf diese Weise völlig erwiesen.
Es ist zum Erstaunen, welche Unwissenheit in Betreff dieser Wahrheit herrscht. Ich richtete vor etlichen Tagen an einen christlichen Bruder die Frage, ob er irgendeinen Grund für die von ihm erfochtene Meinung, dass alle Menschen unter dem Gesetz seien, anzuführen im Stande sei. Die Antwort war: „Weil wir alle Kinder Moses sind.“ Ich muss bekennen, dass ich über diesen angeführten Grund einigermaßen erschrocken war; aber ich weiß nicht, ob ich je einen besseren hörte. „Was wollen Sie damit sagen, dass wir alle Kinder Moses sind?“ forschte ich weiter. – „Ei, haben wir denn nicht alle die Religion Moses?“ war seine Erwiderung. – Ich fühlte mit tiefem Schmerz, dass nur zu viel Wahrheit in diesen seinen Worten enthalten war. Ich bemühte mich, ihm zu zeigen, wie die Schrift deutlich lehre, dass wir, die Glaubenden, im Besitz der Religion seien, die Abraham hatte. Allein er schien nie weder gelesen noch gehört zu haben, dass das Gesetz gar nicht einmal dem Abraham, sondern erst 430 Jahre nach ihm gegeben worden sei. Man findet dieses in Galater 3,16–17 klar ausgedrückt. Wenn aber das Gesetz weder dem Abraham oder irgendeiner der Nationen in seinen Tagen, noch überhaupt während der 2000 Jahre vor ihm oder der 500 Jahre nach ihm gegeben worden ist, wie könnte es denn nachgewiesen werden, dass dasselbe allen Menschen gegeben sei? Sicherlich, teurer Leser, eine solche Behauptung verrät große Unkenntnis der Schrift über diesen Punkt.
Bekämpfen wir indessen mit aller Entschiedenheit den Irrtum, als ob das Nichtvorhandensein des Gesetzes und folglich auch der Übertretung den Beweis in sich schließe, dass darum auch nicht die Sünde und somit keine Notwendigkeit des Versöhnungstodes Christi vorhanden sei. Dieser Tod war von Adam an bis zu Mose hin ein ebenso großes Bedürfnis, als in jeder anderen Periode. „Denn bis zu dem Gesetz war die Sünde in der Welt“ (Röm 5,13). Und obwohl hier die Sünde nicht als Übertretung eines bestimmten Gebots, wie diejenige Adams, betrachtet und als solche auch nicht zugerechnet werden konnte, so herrschte dennoch der Tod von Adam bis auf Mose. Und auf diese Weise war die Notwendigkeit dessen erwiesen, was der Lage des Menschen entsprechend war – nämlich die Notwendigkeit des Todes Christi, des Stellvertreters. Auch ist es wahr, dass, als das Gesetz dem sich selbstvertrauenden Volk an dem Berg Sinai gegeben war, das schwarze Verzeichnis der in offenbare Übertretungen umgewandelten Vergehungen den Zustand des Menschen umso mehr ins Licht stellte. Aber die Gnade war überströmend, als diese des Gesetzes sich rühmende Nation den Sohn Gottes ausgestoßen und ermordet hatte; denn gerade ihr Verkündigt die Gnade Vergebung der Sünden in seinem Namen. Die, welche das Gesetz zu halten sich rühmen, haben van jeher, wie auch in diesen Tagen, die Kinder der Gnade gehasst und verleumdet. Möge der gnädige Gott uns bewahren, dass wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern ihnen vielmehr jene Gnade erweisen, die zuerst in Jerusalem kundgemacht wurde.
Indes möchten wir in keinem Punkt missverstanden werden. Während wir von der Gerechtigkeit und der Stellung des Menschen vor Gott sprechen, darf durchaus nicht vorausgesetzt werden, als ob wir die gerechten Grundsätze der Regierung Gottes, sowohl vor, als auch während der Periode des Gesetzes, auch nur einen Augenblick in Zweifel stellten. Werfen wir einen Blick auf das Buch Hiob oder auf das 1. Buch Mose. Das Gesetz war damals nicht gegeben und wird weder in dem einen, noch in dem anderen dieser beiden Bücher erwähnt. Nichtsdestoweniger sehen wir deutlich die Grundsätze des Rechts und des Unrechts in die Gewissen eingeschrieben, wiewohl das Gesetz nicht gegeben war und, wie es oft unrichtig bezeichnet wird, weder als der Grundsatz, noch als die Kraft der Gerechtigkeit, noch endlich als die Richtschnur des Lebens betrachtet werden konnte.
Die heilige Schrift stellt daher die Tatsache ins Licht, dass in der Geschichte dieser Welt während eines Zeitraums von 3500 Jahren, und zwar von dem Fall Adams an bis zu der Gesetzgebung auf Sinai, das Gesetz nicht gegeben war, dass aber, obwohl während dieser Periode kein Gesetz existierte und mithin auch keine Übertretung „in der Gleichheit der Übertretung Adams“ stattfinden konnte, dennoch die Sünde vorhanden war. „Der Tod ist zu allen Menschen hindurchgedrungen, indem sie alle gesündigt haben.“ Und von den Tagen Abels an bezeichnet die Schrift es als eine Unmöglichkeit für den Menschen, Gott nahen zu können, es sei denn durch den Tod eines Stellvertreters. Dann aber wurde während eines Zeitabschnitts von 1500 Jahren einem Volk das Gesetz gegeben, um den Zustand des Menschen in offenbarer Übertretung klar darzustellen. Alle sind Sünder; die Juden sind Übertreter. Von dem Augenblick an, wo das Gesetz gegeben war, wurde die Sünde zur Übertretung. „Und sie tanzten um das goldene Kalb herum.“
Dieses könnte nun zu folgender Frage Veranlassung geben: Wenn das Gesetz während jener 2500 Jahre nicht vorhanden war, dann aber 1500 Jahre hindurch dem Volk Israel gegeben wie war es denn bezüglich der 1800 Jahre nachher?
Lehrt uns die Schrift, dass, seitdem Christus aus den Toten auferstanden ist, alle Menschen durch Christus oder durch den Heiligen Geist unter das Gesetz gebracht worden sind? oder lehrt sie uns, dass das Gesetz bezüglich jener Gläubigen, welche unter demselben gewesen, abgeschafft ist? Eine höchst ernste und wichtige Frage. Möge der Herr sowohl dem Schreiber, als auch dem Leser dieser Zeilen eine völlige Unterwürfigkeit bezüglich seines Wortes geben; und dieses wird nimmer der Fall sein, wenn wir diesen Gegenstand in einem nur streitsüchtigen Geist zu erörtern suchen. Lasst uns daher im Gebet harren auf den Herrn, damit der Heilige Geist das klare Licht der heiligen Schrift vor unsere Seelen bringen möge!
Der Herr Jesus ward geboren Inmitten jener Nation, welche unter dem Gesetz war; und jedes Pünktchen und jeder Buchstabe des Gesetzes fand in Ihm und durch Ihn eine vollständige Erfüllung. Für die, welche unter dem Fluch eines gebrochenen Gesetzes waren, wurde Er zum Fluch gemacht, – jedoch keineswegs während seines fleckenlosen Lebens, sondern nur als Er am Kreuz hing. Denn es steht geschrieben: „Verflucht jeder, der am Holz hängt?“ (5. Mo 21,23; Gal 3,13) Aber nicht nur trug Er dort den Fluch des Volkes Israel, sondern war auch „für uns zur Sünde gemacht.“ O welche Liebe und welche Gerechtigkeit tritt hier vor unser Auge! Der Sohn Gottes – der Heilige – der Schöpfer und Erhalter aller Dinge hing an dem Holz! Verworfen von den Menschen und ach! für meine Sünden verflucht, verworfen, verlassen von Gott! O mein Heiland, gab es ja eins solch unbegrenzte Liebe wie die deinige? Mein fleckenloser Stellvertreter, anbetend preise und verehre ich dich für immer!
Es ist für uns von außerordentlichem Nutzen, in den Briefen die Anwendung des Versöhnungstodes Christi nachzusuchen – sei es in Bezug auf die Juden als unter dem Gesetz, sei es in Bezug auf die Nationen, als tot in Sünden ohne Gesetz. Zwei Schriftstellen mögen, obwohl viele andere ebenso deutlich und bestimmt sind, genügen, um diese Punkts völlig klar zu legen. Zu den Nationen sprechend, sagt der Apostel: „Auch euch, als ihr tot wärt in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, euch hat Er mit lebendig gemacht mit Ihm, indem Er uns alle Vergehungen vergeben hat.“ – Und zu den gläubigen Juden sprechend, fährt er fort: „Und austilgend die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die wider uns war, hat Er dieselbe auch ans der Mitte hinweggenommen, da Er sie an das Kreuz nagelte“ (Kol 2,13–14). Und wiederum sagt er an einer anderen Stelle zu den gläubigen Juden: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er zum Fluch für uns geworden ist;“ – und zu den Nationen gewendet, setzt er hinzu: „Auf dass der Segen Abrahams in Christus Jesus zu den Nationen käme“ (Gal 3,13–14).
Kehren wir jedoch zu unserer Frage bezüglich jener seit dem Tod und der Auferstehung Christi verflossenen 1500 Jahre zurück. Befinden wir uns als Gläubige unter dem Dienst des in steinerne Tafeln eingegrabenen Gesetzes, oder ist das Gesetz sogar in Betreff derer abgeschafft, welche früher unter demselben waren? – Der Apostel bezeichnet das Gesetz als den „Dienst des Todes in Buchstaben, eingegraben in Steine“, und erklärt es als etwas, „welches hinweg getan ist“, – während der Mensch es als die Regel und Richtschnur des Lebens bezeichnet und uns einen Platz unter demselben anweist. Soll ich nun Gott oder den Menschen glauben? (Siehe 2. Kor 3) Jedoch möchte ich mit aller Vorsicht hinzufügen, dass diese Bemerkungen nur auf die Gläubigen in Christus eine Anwendung finden; denn nur sie sind von dem Geist geleitet und darum nicht unter dem Gesetz. Als Ausdruck der gerechten Regierung Gottes ist das Gesetz sicherlich keineswegs hinweg getan. Die Ansprüche Gottes als Schöpfer bleiben, stets dieselben; und deshalb ist das Gesetz für den Gottlosen und Sünder außer Christus in völliger Kraft (Siehe 1. Tim 1,9).
Unser Kapitel (Röm 7) enthält, wie bereits zu Anfang dieser Zeilen bemerkt, die Grundlage für die Beweisgründe des Apostels. Durch die bildliche Darstellung der beiden Ehemänner zeigt er uns die gänzliche Unmöglichkeit, dass der Gläubige, indem er mit Christus verbunden ist, unter dem Gesetz sein kann. Und dieses ist umso bemerkenswerter, da der Apostel, indem er dieses schreibt, eine der größten Irrlehren seiner Zeit bekämpft, nämlich die, dass es nicht genüge, durch Christus gerechtfertigt zu sein, sondern dass es auch noch durchaus erforderlich sei, das Gesetz in allen seinen Punkten zu halten. Ich habe kaum nötig zu bemerken, dass eine solche Behauptung noch immer einer der größten Irrtümer der Jetztzeit ist. Der Apostel zeigt die Unmöglichkeit einer solchen Doppelstellung und stellt dieses den Juden, die das Gesetz kannten, vor Augen. Unmöglich konnte unter dem Gesetz ein Weib zu gleicher Zeit mit zwei Ehemännern verheiratet sein. „Solange der Mann lebt, wird sie, wenn sie eines anderen Mannes ist, eine Ehebrecherin geheißen werden“, Es ist eine ernstlich zu erwägende Tatsache, dass wenn der Mensch sich als noch lebend im Fleisch und unter dem Gesetz betrachtet, er nicht mit Christus verbunden sein kann. Es würde dieses ebenso verwerflich sein, wie Ehebruch. Der Apostel hatte daher wohl Ursache, mit einem solchen Ernst gegen diese Lehre aufzutreten. Die beiden Zustände sind so sehr voneinander unterschieden, dass es unmöglich ist, sich zu gleicher Zeit in dem einen und dem anderen derselben zu befinden. Der Jude, welcher ehemals als lebend im Fleisch betrachtet worden war, wurde jetzt als tot betrachtet durch den Tod Christi – tot gegenüber dem alten Ehemann, während die Nationen, einst tot in den Sünden und Vergehungen, aus diesem ihrem Zustand auferweckt und mit dem auferstandenen Christus verbunden worden waren (Eph 2 und 5). Auf Letzteres werde ich hier nicht näher eingehen. Zu den Juden aber sagt der Apostel: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz gestorben durch den Leib des Christus, dass ihr eines anderen Werdet, des aus den Toten Auferweckten, auf dass wir Gott Frucht tragen“ (Röm 7,4). Es ist daher klar und unzweideutig, dass die jetzt folgenden Schriftstellen, anstatt eine wirkliche Erfahrung des Christen zu sein, geradezu die stärksten Gegensätze bilden. –Bezieht sich der Apostel bei den Worten: „Denn als wir im Fleisch waren“ – nicht auf einen der Vergangenheit angehörenden Zustand, nämlich auf die Erfahrungen der Juden unter dem ersten Ehemann, dem Gesetz? „Als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen“, – und daher all das Elend des armen, alten „Ich“, als noch im Fleisch unter dem Gesetz. Zeigt aber der Apostel nicht ganz deutlich, dass die, welche sich einst in diesem jammervollen Zustand befanden, hernach davon befreit waren? Ohne Zweifel. Auch bestätigt er dieses in folgendem Vers und bezeichnet Zugleich die Art und Weise, in der diese Befreiung stattgefunden hat, indem er sagt: „Nun aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, weil wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten waren usw.“ Sie waren also dem Gesetz gestorben durch den Leib Christi und mit einem anderen – dem auferstandenen Christus – verbunden worden. Das war in der Tat eine vollständige Befreiung. Wären sie unter dem ersten Ehemann zurückgelassen worden, so hätten sie unmöglich je einen Teil des Leibes Christi, der Braut Christi, bilden können. – O die hartnäckige Blindheit des menschlichen Herzens! Welch ein betrübender Gedanke, dass nach dieser wundervollen Freimachung derer, welche einst unter dem Gesetz waren, Satan jetzt den größten Teil der Christenheit soweit wieder zu verblenden vermocht hat, um dem Irrtum Eingang zu verschaffen, als ob der Gläubige sich noch in diesen elenden Banden befinde.
In welchem Zustand befindest du dich, mein teurer Leser? Hat dieser allgemeine Irrtum auch dein Herz erfasst? Dann ist dein Zustand gleich demjenigen eines armen Weibes, die mit einem Mann verbunden ist, dein sie nichts recht machen kann. Je mehr du dich angestrengt, das Gesetz zu halten, desto mehr siehst du, dass du gefehlt und von Tag zu Tag vergeblich gehofft, hast, es möchte einmal besser mit dir werden; je mehr du auf dich siehst, desto mehr fleischliche Gesinnung und Sünde stellt sich vor dein Auge. Nun aber gilt die Frage: Hast du dich als lebend oder als tot zu betrachten? Ich rede hier von deinem alten, sündigen „Ich“. – Was sagt das Wort Gottes? „Haltet euch für tot“ – tot der Sünde – tot dem Gesetz! – Was aber kann das Gesetz einem toten Menschen nützen? Kann es für einen solchen die Richtschnur des Lebens sein? – Und dieses ist noch nicht alles, meine christlichen Brüder. Du bist auferstanden mit Christus, verbunden mit dem aus den Toten auferstandenen Christus. Nicht während seines Lebens fand diese Vereinigung statt, das war unmöglich; Er musste sterben, denn sonst blieb Er mein (Joh 12,24).
Genau genommen beginnt die richtige, christliche Zeitrechnung nicht mit der Geburt des Herrn, sondern mit dem glorreichen Augenblicke, wo Christus aus den Toten auferstand. Zuerst hatte Er uns mit seinem kostbaren Blut von unseren Sünden völlig losgekauft und – was noch mehr war – Gott in seinem gerechten Gericht, welches unserer Sünden wegen in seiner ganzen Schwere Ihn traf, vollkommen gerechtfertigt. Das Erlösungswerk war vollbracht, bevor das Christentum seinen Anfang nehmen konnte. Möge Gott dem Leser in dieser großen und wichtigen Tatsache Verständnis geben! In dem Heil Gottes gibt es keine Unordnung. Die zuvorbestimmte Braut Christi lag tot in Sünden unter dem Urteilsspruch des Zornes Gottes. Und als Er, der im Anfang bei Gott, und der selbst Gott war, Mensch wurde, kannte Er die ganze Tragweite der Gerechtigkeit Gottes in dem über die Sünden der Menschen gefällten Urteile. Aber alles musste in Ordnung gebracht sein, bevor eine einzige Seele mit dem auferstandenen Christus verbunden werden konnte.
O wie tief ist die Bedeutung der Worte: „Es ist vollbracht!“ Der Kelch war getrunken, der Zorn in unendlicher Liebe getragen: unsere Sünden waren zunichtegemacht und – mehr noch als alles – Er war für uns zur Sünde gemacht, ans dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit Gottes. Wir können nicht genug an der Fundamentalwahrheit festhalten, dass vor Gott nur Er in seinem eigenen Leib an dem Holz das ganzes Gericht Gottes wider unsere Sünden trug, und zwar bevor Er auferstand aus den Toten, und bevor mithin das Christentum seinen Anfang nahm. Es war ein vollkommenes Werk, welches nimmer wiederholt zu werden brauchte. Wir sind nicht mit Christus verbunden, während die Sündenfrage fortdauernd geordnet und wieder geordnet werden muss. Nein, diese Frage war vorher abgemacht; und danach wurden wir mit Christus eins gemacht in der Auferstehung. Wenn wir daher ein richtiges Verständnis über das Christentum besitzen, wenn wir die Wahrheit, mit Christus verbunden zu sein, wirklich begriffen haben, dann wird es uns auch klar sein, dass die Sündenfrage nimmer wieder vor Gott gebracht werden kann. Wenn einmal geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Christi, so ist das Vollkommensein für immer das sichere Resultat (Heb 10,14). Ja, das vollbrachte Werk Christi ist so vollkommen, dass die Sünden des Gläubigen nimmer wieder in die Erinnerung gebracht werden können. „So ist nun keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1). Für die mit dem ersten Ehemann verbundenen Juden gab es nichts anders als Verdammnis; für die mit dem zweiten Ehemann verbundenen Christen gibt es keine Verdammnis.
Ist es nicht höchst verwerflich, diese beiden Zustände, wie dieses leider von vielen Christen geschieht, mit einander zu vermengen? Ist man mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, verbunden, so ist alles neu geworden – eine neue Schöpfung. Sünde, Gesetz, Tod und Verdammnis haben nichts mit der neuen Schöpfung zu tun; sie haben damit keine Verbindung und gehören nicht dazu. Sie sind vergangen. „Wenn jemand in Christus ist – eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe. Alles ist neu geworden“ (2. Kor 5,17). Welch ein Zustand eins mit Christus! – Welch eine Rechtfertigung! Keine Verdammnis! Und welch eines Bildes bedient sich der Heilige Geist, um das innige Verbundensein zu bezeichnen! Nichts auf Erden drückt den Charakter der Einheit so deutlich aus, als das Verhältnis der Ehe. „Und Adam sagte: dies ist Fleisch von meinem Fleisch, und Bein von meinem Bein“ (1. Mo 2,23). Auch wendet der Heilige Geist diese Worte auf uns an, indem Er sagt: „Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Bein“ (Joh 5,30). Wir wissen nun, wenn eine Person in den Brautstand tritt, so geht sie in ein neues Verhältnis; das alte vergeht. Am Tag ihrer Verbindung zeichnet sie zum letzten Male ihren Namen, und dann hört selbst dieser auf zu existieren. Allerdings ist sie noch dieselbe Person; aber sie befindet sich in einer ganz neuen Stellung, und zwar in einem so dauerhaften und unveränderlichen Verhältnis, dass nur der Tod das Band ihrer Verbindung lösen kann.
Wenn wir nun bedenken, dass dieses alles auf den Gläubigen, als verbunden mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, angewandt werden kann, – wie gänzlich neu ist dieses Verhältnis! Das ist nicht das Werk eines Menschen, es ist ganz und gar von Gott selbst. Gott hat unseren Herrn und uns mit Ihm auferweckt und uns mitsitzen lassen in Ihm in den himmlischen Örtern. Hätte der Mensch sich selbst auferwecken können aus dem Zustand des „Totseins in Sünden“ zu einer solch erhabenen Stellung? – Vergessen wir nicht, dass der Apostel uns deutlich die Unmöglichkeit, sogar für die Juden, zeigt, zu gleicher Zeit in Beidem, in dem alten und neuen Zustand, sein zu können. Der alte Zustand ist völlig vergangen durch den Tod Christi. Ein zurückkehren in denselben unter das Gesetz heißt den Tod Christi wirkungslos machen. – Wie die verheiratete Person ihren Namen verliert, so hört auch der Jude auf, ein Jude zu sein, und der Heide hört auf, ein Heide zu sein; und beide werden eins, verbunden mit Christus in der Auferstehung. Und wie dauerhaft ist dieses gesegnete Verhältnis! Selbst nicht der Tod vermag dieses feste Band zu lösen. Wird der aus den Toten auferstandene Jesus je wieder sterben? Nein, denn „wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt“ (Röm 6,9). Und wir, mit Ihm auferstanden, teilen mit Ihm das Auferstehungsleben. Das ewige Leben kann nimmer zerstört werden. Unser Leben ist so unvergänglich, wie das seinige; ja es ist ganz dasselbe Leben. Ich spreche nicht von dem, was Er ist als Gott, sondern was Er ist als auferstandener Mensch; und ich frage: Kann Christus je wieder sterben? Nun, ebenso wenig können jene sterben, welche mit Ihm gestorben, mit Ihm auferweckt, und eins mit Ihm geworden sind; und ich füge kühn und mit der größten Freimütigkeit hinzu, dass, einmal mit Christus vereinigt, keine Macht in: Stand ist, dieses gesegnete und ewig dauernde Band zu zerreißen. Möchte die Festigkeit dieses immerwährenden Verhältnisses doch besser erkannt werden! O mein christlicher Bruder, öffne dein Herz dieser bewundernswürdigen Wahrheit! Du bist nicht für etliche Tage mit Christus verbunden und dann wieder von Ihm aufgegeben. Wohl kannte Er deine ganze Unwürdigkeit und alle deine Sünden; aber alles ist bereits auf dem Kreuz getragen; und jetzt vermag dich nichts zu scheiden von dem auferstandenen Christus. Es ist eine von den unaussprechlichen Segnungen dieser Verbindung, dass sie keine Trennung zulässt. Welch eine Bereinigung! Ja sogar welch eine vollkommene Einheit! In der Tat können keine Worte gefunden werden, um die hier sich kundgebende Liebe Christi zu bezeichnen. „Christus hat die Versammlung (Kirche) geliebt und sich selbst für sie hingegeben. ... Wer sein Weib liebt, liebt sich selbst ... gleich wie auch der Christus die Versammlung“ (Eph 5,25.28.29). Bist du je in diese Gedanken eingedrungen, dass Christus die Kirche liebt, wie Er sich selbst liebt? Kannst du, gestützt auf diese Worte, ausrufen: „Teurer, auferstandener Herr! Du liebst mich, wie du dich selbst liebst“? Welcher Friede, welche Freude, an diese unveränderliche, nimmer endende Liebe Christi zu denken!
Durch diesen Gegenstand sind zwei andere Punkte auffallend klar ins Licht gestellt. In einer Hinsicht sind Rechtfertigung und Gerechtigkeit ein und dasselbe. Nachdem der Apostel die vollständige Befreiung von dem elenden Eheverhältnis unter dem ersten Ehemann – dem Gesetz – dargestellt hat, und zwar als Folge des Gestorbenseins gegenüber dem Gesetz durch den Leib Christi, sowie als Folge des Verbundenseins mit Ihm, dem aus den Toten Auferweckten, fährt er fort: „So ist denn nun keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind.“ Weiter lesen wir in demselben Kapitel: „Gott ist es, der da rechtfertigt!“ und der Apostel fügt hinzu: „Wer ist es, der verdamme?“ (Röm 8)
Ich danke Gott für jeden Widerspruch und jede Streitfrage in der letzten Zeit; denn alles hat in mir die Wirkung hervorgebracht, jeden Gegenstand vor Gott zu bringen und meine Seele, bezüglich solcher Gegenstände, mit seinem Charakter zu beschäftigen. Und darum wollen wir auch diese Frage in Bezug auf Gott näher ins Auge fassen.
Gesetzt, der Sohn einer Familie tritt mit irgendeiner Person in ein Eheverhältnis. Wenn nun der Vater diese Heirat billigt, gutheißt oder rechtfertigt, so hat dieses Bezug sowohl auf den Sohn als auch auf dessen Braut. Er wird beide in seinem Haus aufnehmen; und wie groß auch der Reichtum des Sohnes, und wie groß auch die Armut des jungen Weibes vor der Heirat sein mochte, so wird der Vater, wenn er das Verhältnis gutgeheißen hat, derselben doch nimmer ihre frühere Armut vorwerfen. Beide sind ein Fleisch. Wenn der Sohn reich ist, kann dann sein Weib arm sein? Und wenn der Vater sie unter seinen Schutz nimmt, wer kann eine Anklage wider sie erheben? Es wird kaum nötig sein, eine Anwendung zu machen. Gott war es, der seinen Sohn sandte, und indem dieser uns für sich erwarb, tat Er den Willen des Vaters. Darum liebte Ihn der Vater, weil Er sein Leben für seine Schafe ließ (Joh 10). Wo sind nun meine Sünden? Gott hat sie auf Ihn gelegt. Wie kann ich von meinen Sünden gerechtfertigt sein? „Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt ist.“ Welches ist nun der vollkommenste, deutlichste und sicherste Beweis für meine Rechtfertigung? „Der auch zur Rechten Gottes sitzt, der auch für mich bittet.“ – Und ich wiederhole es, dass Gott es ist, der uns mit Christus auferweckt hat. Ja, Gott hält die Verbindung aufrecht, Gott rechtfertigt sie. Der Mensch mag verachten und verwerfen, er mag toten und kreuzigen; aber hat nicht Gott diese Verbindung gebilligt? Ist Er es nicht, der sie gutheißt und rechtfertigt? Damm: „So ist nun keine Verdammnis mehr.“ Christus hat uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben. Er nahm auf sich unsere Sünden und unsere Schuld; Er trug unser Gericht. Gott hat seine Zustimmung gegeben, indem „er ihn von den Toten auferweckt hat, welcher um unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25). „Gott ist es, der da rechtfertigt.“ Und nun im Auferstehungsleben mit Ihm, dem ans den Toten Auferweckten, verbunden, sind wir eins mit Ihm. Gott hat diese Verbindung gebilligt und gutgeheißen. Und die Gerechtigkeit Gottes? Sie ist aufrechterhalten in ihrer ganzen Tragweite, sowohl bezüglich unserer durch das Blut Christi abgewaschenen Sünden, als auch in Bezug auf unser gegenwärtiges und zukünftiges Leben, als eins mit Christus. Denn unsere neue Schöpfung in Christus Jesus ist in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit. Welch ein herrlicher Gedanke! Wir sind eins mit Christus. Er ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, unsere Herrlichkeit. „Er ist uns geworden Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor 1,30).
Ja, mein teurer, christlicher Bruder, wir sind vollkommen eins mit Christus; wir sind auf der Hochzeitsreise und gehen unserem gesegneten Herrn entgegen. Wir haben die Erlösung durch sein Blut, das ist die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade. Wir sind gerechtfertigt von unseren Sünden und von allem, was mit unserer alten Natur und Stellung in Berührung stand; ja wir sind – und das ist weit mehr als alles – mit ihm auferweckt und in einen ganz neuen Zustand versetzt. Es hat keine Verbesserung der alten Natur stattgefunden, sondern eine neue ist uns gegeben; wir sind eine neue Schöpfung und in diesem neuen Zustand eins mit Christus. Wir sind unseres alten Lebens vollständig verlustig, aber wir besitzen ein neues Leben – ein Auferstehungsleben. Als Auferweckte und als Besitzer dieses neuen Lebens sind wir von Gott gerechtfertigt. „Wer kann nun wider uns sein, da Gott für uns ist?“ Und alles ist aus Gott. Was könnte mehr Frieden geben, als dieses? Sollen wir nun alle diese herrlichen Vorrechte und Segnungen aufgeben und zurückkehren unter den alten Ehemann – das Gesetz? Bedenke wohl, wir können nicht mit beiden verbunden sein. Wenn unter dem Gesetzt, so sind wir nicht mit Christus verbunden; wenn mit Christus verbunden, so sind wir nicht unter dem Gesetz. Wie klar macht dieses den ganzen Gegenstand!
Du wirst nun vielleicht fragen: Was aber ist nun die Regel und Richtschnur des christlichen Lebens und Wandels? – Christus allein. – „Ihr Weiber, gehorcht euren Männern!“ Ist das nicht der Grundsatz des Gehorsams gegen Christus – der Grundsatz der Liebe und nicht des Gesetzes, und dennoch das Gesetz der Liebe? Erkenne ich Christus in dieser bewunderungswürdigen, unwandelbaren Verwandtschaft? Bin ich seiner beständigen, unveränderlichen Liebe mir bewusst? Mit diesem Grundsatz öffne ich die ganze Bibel; und in dem Maße ich seine Liebe kenne, wird jede Andeutung seines Willens meine Freude sein.
Wenn wir indessen von unserem Befreitsein vom Gesetz sprechen, so möge niemand darunter verstehen, als ob wir dabei Gesetzlosigkeit, welches das wahre Wesen der Sünde ist, im Auge hätten. Was wir meinen, ist dieses: Wir stehen nicht in der Prüfung bezüglich des Grundsatzes: „Tue das, so wirst du leben.“ Das Gesetz ist nicht mehr der Prüfstein des Menschen. Es heißt nicht mehr: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen.“ Alles ist Gnade. Gott hat mich geliebt mit seinem ganzen Herzen, da ich noch verloren und schuldig war; und nichts kann mich von seiner Liebe scheiden. Ich liebe Ihn nun, weil Er mich zuerst geliebt hat; und die Liebe freut sich, den Willen Gottes zu tun.
Aber wie steht es in Betreff der Kraft?
Wir haben bereits gesehen, dass der Mensch unter dem Gesetz keine Kraft gegen die Sünde hat, sondern dass das Gesetz die Sünde in mannigfachen Übertretungen zum Vorschein bringt. Unter dem Gesetz herrscht die Sünde, und deshalb zu allen Zeiten das unablässige Bestreben Satans, die Christen unter das Gesetz zu stellen. Die Gnade hingegen ist geradezu das Gegenteil, selbst in Bezug auf die Sünde und den Wandel. „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (Röm 6,14). Noch mehr. Wir sind mit Ihm, der aus den Toten auferstanden ist, verbunden, auf dass wir Gott Frucht bringen (Kap 7,4). „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er, seinen eigenen Sohn in der Gleichheit des Fleisches der Sünde und (als Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte, auf dass das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln“ (Kap 8,2–4). Wir mögen fehlen, das Böse mag hervorbrechen; aber wenn wir unter der Gnade sind, wird die Sünde keine Herrschaft über uns haben. Es mögen harte Kämpfe, böse Lüste zu Zeiten aufkommen; aber der Geist gelüstet wider das Fleisch, auf dass wir nicht tun, was wir sonst getan haben möchten (Siehe Gal 5,17).
Wenn wir daher mit Christus verbunden sind, so ist es nicht nur unsere Freude, seinen Willen zu tun, sondern es ist auch Kraft dazu vorhanden – die Kraft des Geistes des Lebens in Christus Jesus, so dass wir das Gesetz nicht nur übertreten, sondern auch, indem wir nicht unter Gesetz sind, die Gerechtigkeit desselben in uns erfüllt wird.
Unter dem ersten Ehemann war nichts vollkommen gemacht – alles war Elend und Knechtschaft. Sind wir hingegen verbunden mit Christus, so ist alles göttlich vollkommen. Von welcher Seite wir diese gesegnete Einheit auch betrachten mögen, ob in Hinsicht der Rechtfertigung oder des Wandels, – überall zeigt sich göttliche Vollkommenheit – vollkommene Rechtfertigung – keine Verdammnis. Das vollkommene Vorbild und die vollkommene Rege! und Richtschnur des Lebens erblicken wir in Christus; die vollkommene Kraft für den Wandel in dem Geist des Lebens.
O möchten unsere Herzen doch mehr in diese Dinge eindringen! Was ist für uns der Reichtum dieser Welt, die wir auf der Hochzeitsreise sind? Was haben wir mit der Welt zu tun? was sind ihre Ehren für uns? was kümmert uns ihre Politik? und was – lasst es uns hinzufügen – ihre Religion? Wenn wir gestorben sind mit Christus, warum trachten wir noch nach den Dingen, die alle durch den Gebrauch zu verderben sind? (Kol 2,21) Und wenn wir mit Christus auferweckt sind – sollten wir nicht suchen, was droben ist? O betrachten wir doch unseren Ehevertrag in dem Epheserbrief, sowie die Regeln unseres Ehelebens im Kolosserbrief. Der Raum dieser Blätter gestattet uns nicht, näher darauf einzugehen. Aber betrachte für dich, mein Leser, jene kostbare Brief an die Epheser unter Gebet; und du wirst klar erkennen, wozu Gott uns gemacht hat in Christus, wie Er uns auserwählt in Ihm, wie Er uns zuvor erkannt in Ihm, wie Er uns angenommen hat in Ihm. Welch eine Erlösung und Vergebung der Sünden! Welch eine Herrlichkeit und Ehre! Welch eine Weisheit und Gerechtigkeit! Welch ein Reichtum seiner Gnade! Welch ein Siegel und Pfand unseres Erbes! Aber lies weiter, und lerne, welche Sicherheit Gott uns gab, als Er Christus aus den Toten auferweckte. Folgen wir ihm durch den Glauben, Ihm, der hoch erhoben ist über alle Fürstentümer und Gewalten und über jeglichen Namen, und dieses alles für uns, die Kirche, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Das zweite Kapitel dieses Briefes zeigt uns, was wir waren, und was wir jetzt sind, und zwar alles aus Gnaden – alles aus Gott. Im dritten Kapitel finden wir jenes Geheimnis, welches seit Zeitaltern her verborgen, und – wir müssen es leider sagen – für Jahrhunderte wiederum verloren war. Das vierte Kapitel gibt uns beachtenswerte Belehrungen In Betreff unseres Betragens in dieser Verbindung mit Ihm: und endlich offenbart uns das fünfte Kapitel die wunderbare Liebe Christi zu der Kirche, seiner Braut.
Wie es mit unserer Erlösung ist, so verhält es sich auch mit unserer Vereinigung. Wir haben die Erlösung, und dennoch erwarten wir sie noch, d. h. ihre vollständige Erfüllung. Wir sind mit Christus vereinigt, und doch eilen wir der Hochzeit des Lammes entgegen. O, wie unzählig wird die Zahl, und wie groß die Freude derer sein, welche, wenn die Hochzeit des Lammes anbricht, mit starker Stimme rufen: „Halleluja! denn der Herr, Gott, der Allmächtige hat die königliche Herrschaft angenommen. Lasst uns fröhlich sein und jauchzen und Ihm die Herrlichkeit geben! denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und sein Weib hat sich bereitet, und es ist ihr gegeben worden, dass sie angetan sei mit glänzender und reiner Leinwand; denn die Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen“ (Off 19,6–8).
Welch ein Tag der ungetrübten Freude wird dieses sein! Und wie sicher wird es anbrechen! Für diese Freude erduldete der Herr das Kreuz und achtete der Schande nicht und hat sich gesetzt zur Rechten auf den Thron Gottes (Heb 12,2). Sollen wir nicht auf seine Wiederkunft harren? Können wir nicht sagen: „Komm, Herr Jesus?“ Wie wird uns sein, wenn wir Ihn schauen werden von Angesicht zu Angesicht! Kein Wort wird im Stande sein, die Freude des Willkommens auszudrücken. O welch ein herrlicher Triumpf der unaussprechlichen Gnade und der unendlichen Liebe! Es ist eine Gnade von Anfang bis zu Ende – eine Liebe, die nimmer ausgelöscht werden kann. Und welch ein Glück, immer bei dem Herrn zu sein, wo, fern von dem Streit und der Zwietracht einer bösen Welt, alles in ruhigen, ewigen Frieden umgewandelt ist! Dort begegnet man keiner Spur von Sünde, keiner Runzel der Unvollkommenheit, keinem unheiligen Gedanken. Schaue an meine Seele und bewundere diese Szene des reinsten, ungetrübtesten Segens! Alles ist dein. Ja, Er, der Mittelpunkt und die Quelle von allein, Er selbst ist dein, und du bist sein. Was könnte dir noch fehlen?
Hochgelobter Herr! Lass deine Braut aufwachen! Lenke unsere Herzen von allem Sichtbaren ab und erfülle sie mit dir! „O Tiefe des Reichtums, Beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“ (Röm 11,33). Ihm sei Ehre und Herrlichkeit der in Gemeinde durch Jesus Christus in allen Zeitaltern! Amen.
(Nach dem Englischen von C. J.)