Botschafter des Heils in Christo 1871
Die Entmutigung des Propheten Elia
Wie schwerfällt es dem menschlichen Herzen, sich auf die Höhe der Gedanken Gottes und besonders sich auf der Höhe der Gedanken seiner Gnade zu halten!
Elia hatte die gottlose Königin Isebel gegen sich und fühlte sich allein und verlassen. – Wenn große Begebenheiten vorüber sind und wir die Geschichte derselben lesen können, so lernen wir, dass das, was gesehen wird, das Nichtgesehene verdeckt, so dass es zwar leicht ist, selbst in Bezug auf Gott ein Urteil zu fällen, nicht aber den Weg selbst zu machen. Scheint es doch zuweilen, als ob Gott die Welt gehen lasse und kein Ausweg da sei, während bei Gott doch alle Dinge möglich sind.
Es ist bereits oben erwähnt worden, dass es schwer ist, auf dem Weg des Glaubens auszuharren; denn je weiter man auf diesem Weg fortschreitet, desto schwieriger wird er. Wenn wir nicht auch selbst vor gewissen Hindernissen zurückweichen, so begegnen wir vielleicht dem Glaubensmangel anderer, sodass mir oft gezwungen sind, unseren Weg allein gehen zu müssen. So sehen wir, wie Jonatan sich nicht mit Fleisch und Blut berät und auf dem Weg des Glaubens weit genug vorangeht, um nicht durch den Unglauben und durch den im fleischlichen Sinne dem Volk auferlegten Schwur Sauls behindert zu werden.
Man begegnet fortwährend den Schwierigkeiten auf dem Weg des Glaubens. Paulus musste sagen: „Alle haben mich verlassen.“ – Sicher hatten diejenigen, von welchen der Apostel dieses sagt, den Herrn nicht gänzlich verlassen; aber sie vermochten nicht auf der Höhe der Lage zu bleiben, auf welcher Paulus sich befand. Sie bedurften dazu des Maßes seines Glaubens, und dieses mangelte ihnen.
Moses und Elia, diese bedeutendsten Männer des Alten Testaments, die sich auch mit Jesu auf dem Berg der Verklärung befanden, und wovon der Erstere von Gott selbst begraben und der Letztere in den Himmel gerückt worden war – auch sie haben gefehlt.
In seinen Proben hat der Mensch sich nimmer bis zur Höhe der Gnade erheben können – jener Gnade, welche die Probe besteht und Erbarmung übt. Wenn der Glaube mangelt und man die Höhe der Gnade nicht erreicht, so erbittert man sich gegen diejenigen, welche die Veranlassung zu unseren Schwierigkeiten sind. Moses sprach zum Volk: „Ihr Widerspenstigen!“ (4. Mo 20,10) Gott aber wollte ihr Murren stillen, indem Er Gnade erzeigte. Es ist uns nicht von Nutzen, dass Gott, wenn unser Herz nicht in seiner Nähe ist, uns segnet. – Moses sprach nur ein Wort, und die Erde spaltete sich; aber bald darauf, als es an Wasser gebrach, fehlte ihm der Glaube.
Wenden wir uns jetzt zu unserem Kapitel. In Vers 2 lesen wir: „Da sandte Isebel Boten zu Elia und sprach: So sollen mir die Götter tun und so ferner! Morgen will ich dein Leben machen, gleich dem Leben eines jeglichen von ihnen.“ – dieses geschah nachdem Gott ihm auf eine so wunderbare Weise geantwortet hatte, als nämlich Elia die Propheten Baals versammelt, einen Altar gebaut, Wasser darum gegossen, und Gott Feuer gesandt hatte, um alles zu verzehren. Dies war ein glänzender Sieg des Glaubens gewesen; und Gott hatte gezeigt, dass Elia wirklich sein Prophet war. Elia hatte gebetet: „Jehova antworte mir, dass dieses Volk erkenne, dass du Jehova Gott bist. Da fiel Feuer Jehovas herab und fraß das Brandopfer und das Holz und die Steine und die Erde; und das Wasser im Graben bedeckte es“ (1. Kön 18,37–88).
Nach einer solchen Dazwischenkunft Gottes hätte man voraussetzen müssen, dass Elia nun völlig gestärkt sei. Keineswegs. Isebel ward zornig, sandte Boten zu Elia und drohte ihn zu töten. Mm: wird stets die Erfahrung machen, dass ein über Satan erlangter Sieg zur Folge hat, seine Wut zu entstammen, und dass man sich dann anderen Feinden gegenüber befindet. Ist nun das Auge auf Gott und nicht auf den Sieg gerichtet, so erlangt man einen neuen Sieg. Man darf sich nimmer auf den errungenen Sieg verlassen, denn sonst büßt man einen anderen ein, weil man sich erhoben und nicht in der Gegenwart Gottes geblieben ist. Und dieses war bei Elia der Fall. Er spricht: „Ich bin nicht besser als meine Väter.“ Er Verzichtet auf die Stellung, die ihm Gott und der ihm von Gott geschenkte Glauben gebracht hatte; und nach dem Sieg wünscht er sich den Tod.
Es ist sehr gesegnet für uns, wenn wir lernen, dass wir ohne Gott nichts vermögen. Man muss im Gefühl der eigenen Schwachheit mit Demut bekleidet sein; denn sonst wird man angesichts der Feinde geschlagen. Josua befand sich zu Gilgal, an der Stätte des Gerichts des Fleisches, ehe er den Gibeonitern zu Hilfe zog, und er kämpfte siegreich. Hernach kehrte er nach Gilgal zurück und konnte neue Siege davontragen.
Ich kann, selbst ohne mich auf Gott zu stützen, ruhig sein, wenn die Umstände günstig sind; sind aber die Umstände stärker als ich, so werde ich zornig und bitter. Ist Gott mit mir, so bin ich unter allen Umständen ruhig, weil Gott handelt; es ist Glaube da. Im entgegengesetzten Fall aber erbittert man sich gegen die, welche uns Böses tun. Moses Zürnte über das Volk Gottes. In seinem Urteil über Israel hatte er Recht, denn es war ein böses Volk; aber Moses vermochte sich nicht bis zur Höhe der Gnade Gottes zu erheben. – Als der Herr Jesus vom Berg herabstieg und den Unglauben seiner Jünger sah, sprach Er: „Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen?“ Aber Er fügt hinzu: „Bringt mir ihn her!“ (Mt 17,17) Trifft Er eine Übereinkunft mit der Sünde? Gewiss nicht; aber die Gnade kennt keine Schranken. – Und wie verhielt es sich mit den Siebentausend zurzeit des Elia? Dienten sie wirklich Gott? Mit Nichten. Aber die Liebe Gottes war stark genug, und seine Gnade mächtig genug, um sich über alles zu erheben. Hat man einen Glauben, der alles zu überwinden vermag, so unterscheidet man viele Seelen; es waren deren Siebentausend, von welchen Elia nichts wusste. Wenn man an seine eigene Treue denkt, so ist man von sich selbst erfüllt; und sicher ist es eine traurige Erscheinung, wenn es so oft heißt: „Ich habe dieses, ich habe jenes getan!“ Je mehr man sich diesem Geist überlässt, desto mehr wünscht man sich den Tod; aber nur, um dem Kampf des Glaubens auszuweichen. Wünscht man nicht den Tod, um bei dem Herrn zu sein, so hat dieser Wunsch seinen Grund in der Trägheit. Paulus aber sagte: „Sei es, dass wir leben, wir leben dem Herrn, sei es, dass wir sterben, wir sterben dem Herrn“ (Röm 14,8). Möge der Herr uns fähig machen, seine Wahrheit zu lernen!
Elia sagte: „Nicht besser bin ich, als meine Väter“ (V 4). Er hatte das Bewusstsein seiner Stellung verloren, in welcher Gott ihn segnen konnte. Welch eine Gnade erweist uns Gott, wenn Er uns in eine Lage bringt, in welcher Er uns brauchen kann! Und welch ein Verlust für uns, wenn mir aus derselben heraustreten! Wir haben hiervon ein Beispiel in der Geschichte des Barnabas, welcher sich von Paulus trennte, um nach Zypern zu gehen, wohin er auch den Markus mitnahm (Apg 15,39). Er hatte in Zypern Besitzungen gehabt; (Apg 4,36–37) und Markus war sein Vetter; (Kol 4,10) Barnabas hatte gefehlt, und wir hören nichts weiter von ihm; er blieb in seinen Verbindungen nach dem Fleisch, und der Segen seiner Berufung als eines Arbeiters im Werk des Herrn ging für ihn verloren. Ohne Zweifel ist er errettet worden; wenn man aber in der Offenbarung der Stellung, in welcher Gott uns haben will, der Treue ermangelt, so ist man für sich und für andere nur eine Last.
„Und Elia legte sich und schlief ein unter einem Ginsterstrauch. Und siehe da, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Stehe auf, iss! – Und er blickte hin, und siehe, zu seinem Haupt lag ein Kuchen auf heißen Steinen gebacken, und ein Krug Wasser. Und er ah und trank und legte sich wieder“ (1. Kön 19,5–6). – Wir sehen hier nicht mehr die übernatürliche Kraft, vermöge welcher Moses vierzig Tage lang bei Gott verweilte, ohne zu essen. – Gott stärkt seinen Diener Elia; seine Güte beseitigt die Schwierigkeiten; und die rührende Weise, in welcher Gott dieses tut, hätte in Elia ein Gefühl für diese Güte erwecken sollen. Allein dieses war nicht der Fall: „Und er stand auf und aß und trank und ging durch Kraft selbiger Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes Horeb“ (V 8).
Es ist wichtig zu bemerken, dass verhältnismäßig nicht oft von den Königen in Juda erwähnt wird, dass sie richtig wandelten. Doch hatte Gott dem Haus Davids eine Leuchte bewahrt. Aber in Israel finden wir die Geschichte des Abfalls; und Elia, welcher sich inmitten all des Bösen befindet, ist ein Zeugnis von Seiten Gottes. In Jerusalem war alles in Ordnung; dort waren der Tempel, die Bundeslade, die Priester usw. Aber keine Wunder wurden dort verrichtet. In Israel verhielt es sich anders; dort war ein Zeugnis, das nur von Gott abhing und welches Er durch Wunder bestätigte.
Elia sprach: „Sie haben deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten mir nach dem Leben“ (V 10). Wenn der Herr Jesus sagt: „O ungläubiges, verkehrtes Geschlecht! bis wann soll ich euch ertragen?“ (Mt 17,17) – so ist es der Unglaube der Jünger, der dem Zeugnis Einhalt tat, und nicht das Böse, welches sie umgab. Wegen des Bösen war der Herr in die Welt gekommen. Wenn hingegen Elia sagt: „Sie haben deine Altäre zerstört“, – so verrät dieses nur die Schwäche seines Glaubens. Wenn es aber an dem mangelt, wodurch das Zeugnis aufrechterhalten wird, dann ist in dieser Beziehung alles zu Ende. Elia kam nach Horeb, er ward dahin zurückgeführt; und Jehova sprach zu ihm, wie zu Adam: „Was machst du hier?“ Wenn wir bei Gott sind, so ist es nicht nötig, dass Er diese Frage an uns stellt und uns zuruft: „Was machst du hier? offenbare dem Herz!“ – Handelt es sich darum, das Herz des Menschen und nicht das Herz Gottes zu offenbaren, so findet sich das Böse, der Unglaube darin. „Ich bin allein übriggeblieben!“ (V 10) dieses unglückselige „Ich“. Elia denkt an sich; und dieses ist nicht mehr das Zeugnis Gottes. In Römer 11,2 sieht man die Tragweite dieser traurigen Worte. Welch ein Unterschied zeigt sich hier zwischen Elia und dem Herzen des Apostels Paulus. Jener tritt vor Gott wider Israel, und dieser tritt vor Gott für Israel. Wenn das Herz sich gegen den Unglauben empört, wenn es sich so sehr erbittert, dass es seine Unzufriedenheit vor Gott kundgibt, so ist dieses nicht mehr der Glaube. Wohl kann man dem Volk den Unglauben desselben, sowie auch die in Gott vorhandenen Hilfsmittel vor Augen stellen, nicht aber die Sünde des Volkes in der Weise vor Gott bringen, wie Elia dieses in Vers 10 tut. Aber Gott spricht zu ihm: „Gehe hinaus und tritt auf den Berg vor Jehova! Und siehe, Jehova ging vorüber und ein großer und starker Wind, Berge zerreißend und Felsen zerschmetternd, ging vor Jehova her; nicht in dem Wind war Jehova“ (V 11). dieses waren Zeugnisse Gottes; aber Gott befand sich nicht in denselben. Es hätte Elia gefallen, wenn sich die Macht Gottes im Gericht kundgegeben hätte; seine Langmut stellt ihn nicht zufrieden; – und das finden wir im Fleisch selbst der Vorzüglichsten. –
Gott kann die Torheit vernichten; Er kann dem Felsen gebieten zu bersten; aber in diesem allen befindet er sich nicht. Er kann durch solche Mittel den Leichtsinn des Menschen beseitigen; aber das sanfte, stille Säuseln offenbart Ihn, der nicht nötig hat, sich solcher Mittel zu bedienen. „Was machst du hier?“ Elia weih (V 14) keine andere Antwort zu geben, als die wir bereits aus seinem Mund vernommen haben. Es ist in der Tat traurig, wenn sich alles, was man zu Gott sagen kann, sich auf das eigene Ich bezieht, selbst dann, wenn man treu gewesen ist. Uno Jehova gebot ihm, seinen Rückweg anzutreten und Elisa an seiner Stadt zum Propheten zu salben. Mit dem Zeugnis des Elia war es also zu Ende. Elisa, sowie Hasael und Jehu, die beiden Könige von Syrien und Israel, sollten hinfort sein Werk ausführen. Gott konnte ein in gewisser Hinsicht mächtigeres Zeugnis einführen; aber Er gebrauchte den Elia nicht mehr dazu. Dieser war nach Horeb gekommen, aber nicht in dem Gefühl, dass Gott ihm nahe sei, um ihn zu stärken. Jehova sprach zu ihm: „Ich lasse übrig in Israel Siebentausend, alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor dem Baal“ (V 18). Die Zeit der Ausführung seiner Gerichte war von Ihm und nicht von einem Menschen zu bestimmen. Wenn man das Bewusstsein der wirksamen Gnade Gottes nicht hat, so glaubt man sich allein, und Gott spricht: „Wenn du niemanden gefunden hast, als dich und dein armes Herz, so habe ich Siebentausend gesunden.“ Dieses war niederdrückend und beschämend für Elia; denn mit seinem Zeugnis war es für immer zu Ende, wiewohl vielleicht niemand, den Moses ausgenommen, gefunden ward, der sich als Diener so sehr ausgezeichnet hatte, als Elia. Er war in der Tat ein Mann des Glaubens; sein glänzendes Leben zeugt hiervon.
Wir sind unglücklich, so oft wir sagen: „Ich kann nicht mehr!“ Es geschieht dieses, wenn wir Gott nicht vor Augen haben, es irgendeine Sache, die Gott nicht auszuführen vermöchte? nicht. – Als die Jünger den Teufel nicht auszutreiben vermochten, sagte Jesus: „Bringe deinen Sohn her!“ – Als das Volk Israel in der Wüste murrte und Moses den Felsen schlug, anstatt ihm im Auftrag Gottes zu gebieten, so gab Gott dennoch Wasser. – Als Elia sich allem sah, kannte Gott noch Siebentausend, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt hatten. – Sicher nichts anders tut uns noch, als das einfache Bewusstsein jenes Wortes zu haben, welches Gott an Paulus richtete: „Meine Gnade ist dir genug!“ – Es ist nicht das Gefühl eines errungenen Sieges, welches uns bewahrt, sondern dasjenige unserer Schwachheit. „Bin ich schwach, so bin ich stark.“ – Denken wir an uns und an unsere Siege, so liegen wir schon am Boden. Satan vermag uns immer zu stürzen, wenn wir nicht in gänzlicher Abhängigkeit von Gott und seiner Macht sind. Diese Macht bewahrt uns vor allem Wortgezänk. Mag die Not groß oder klein sein – für Gott ist das gleichviel. In den Schwierigkeiten und Versuchungen ist es das Wichtigste für uns, dass wir Gott schauen. „Moses schaute den Unsichtbaren“ (Heb 11,27). Was kümmert mich der Unglaube anderer, wenn ich sehe, dass Gott mir zur Seite steht? Ich weiß um die Torheit derer, die Ihn nicht kennen; aber die Gnade ist da, welche sie trägt.
Wunderbare Langmut dessen, mit dem wir zu tun haben! Und wenn wir im. Gefühle unserer eigenen Schwachheit aber im Vertrauen auf seine Kraft unseren Weg fortsetzen, so werden wir, mit Gnade erfüllt, für das Zeugnis seiner Liebe, seiner Gnade und Güte bewahrt bleiben (Aus dein Französischen).