Botschafter des Heils in Christo 1870

Das Haus Gottes

In der heiligen Schrift sehen wir, wie Gott in dem Haus einkehrt, welches der Glaube und der Dienst seiner Heiligen für Ihn errichtet; und Er tut dieses, wie Er selbst sagt, „von ganzem Herzen und ganzer Seele“ (Jer 32,41).

Wir finden dieses zunächst in der Wüste. Das Lager Israels erbaute und richtete im Gehorsam des Glaubens die Stiftshütte ein. Mose hatte das Werk der Erbauer als – durchaus Gott gemäß bezeichnet; denn wir lesen: „Und Moses sah an all dies Werk, dass sie es gemacht, wie der Herr geboten hatte; und er segnete sie“ (2. Mo 39,43). Und dann füllte die Herrlichkeit des Herrn die Wohnung so völlig, dass für eine Zeit niemand, selbst Moses nicht, einen Platz darin finden konnte.

Dasselbe finden wir in den Zeiten des Königreichs, nachdem das Haus von gehauenem Stein und Zedernholz durch den König Salomo erbaut worden war. Die Herrlichkeit füllte den Tempel, wie sie einst die Stiftshütte erfüllt hatte; sie befand sich jetzt bei Israel im Land, wie sie einst bei Israel in der Wüste gewesen war. Dort zeigte sich nicht irgendein Widerstreben oder eine Abneigung, sondern ganz und gar das Gegenteil. Der Gott vom Himmel, dessen Macht und Herrschaft grenzenlos ist, tritt in sein Haus unter den Kindern der Menschen, inmitten des Ruins der Erde, und zwar in einer Meise, welche Er in den Worten ausdrückt: „Hier will ich wohnen; denn ich habe meine Wonne daran.“

Es ist sehr lehrreich, diese gnadenreiche Vertraulichkeit Gottes mit den Menschen zu sehen. Indes besitzen wir in dieser Beziehung noch andere Zeugnisse im Neuen Testament.

Nachdem, wie wir in Apostelgeschichte 2 sehen, der Tempel, der lebendige Tempel, aufgerichtet ist, zieht auch die Herrlichkeit wieder ein. Der Heilige Geist nimmt Platz in der Versammlung der Heiligen, in dem lebendigen Tempel des Neuen Testaments mit einem „Brausen aus dem Himmel wie eines rauschenden, gewaltigen Windes“, während zerteilte Zungen, wie von Feuer, sich auf einen jeglichen von ihnen setzten. Das war jene die Hütte bedeckende Wolke und jene du Wohnung füllende Herrlichkeit, (2. Mo 40) ein sicheres Zeugnis, dass der Herr „von ganzem Herzen und von ganzer Seele“ Besitz genommen von einem Platz, den der Glaube Ihm bereitet hatte.

Dieses ist in der Tat also. Und ebenso finden wir es in Offenbarung 21: „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen!“ (V 3) Gott ist im Begriff, bei ihnen zu wohnen – nicht nur dann und wann, wie einst in den patriarchalischen Tagen, in dem Zelt Abrahams zu Mamre, sie zu besuchen, oder die Tür der Arche hinter Noah zu verschließen; auch will Er nicht nur, wie einst in den Tagen der Wüste, sein Zelt unter ihnen aufschlagen, sondern bei ihnen bleiben, sich wohnlich bei ihnen einrichten und hier seine Heimat haben. Und dieses wird, wie es immer geschehen, nach dem Wunsch seines Herzens ausgeführt werden; denn eine „starke Stimme aus dem Himmel“ kündigt frohlockend dieses große Ereignis an (Off 21,3–4).

Es ist indessen der Glaube, welcher dieses sein Haus entdeckt, wo es auch sein mag; denn es ist der Glaube, und nur der Glaube, der Ihn kennt. Wenn Er nicht gekannt ist, so kann auch sein Haus nicht entdeckt werden.

In dieser Weise entdeckte in den patriarchalischen Tagen Jakob das Haus Gottes. Er war in jenem Moment der Repräsentant einer Generation, die sich selbst verdorben hatte – er war ein Sünder. Er war wenigstens für die Gegenwart ein ruinierter Mann, und dieser Zustand war die Frucht seiner eigenen Gottlosigkeit, das Ende des von ihm eingeschlagenen Weges. Anstatt als der Erbe des Landes und der Segnung in der Heimat in seines Vaters Haus zu bleiben, irrte er ohne Freund und Begleiter umher und wurde dann ein Tagelöhner, abhängig von der Gunst eines ungerechten Herrn. Aber der Gott aller Gnade war ihm erschienen. Und wie niederdrückend seine Erfahrungen im fremden Land auch sein mochten, so war die Hand Gottes doch weit gegen ihn geöffnet, und die Heere des Himmels hatten ihm die Sorge der Vorsehung zugesichert. Um aber diese zu Gunsten des Sünders geschehene Gnaden Offenbarung zu krönen, gab die Stimme des Herrn die Zusage, ihn samt all den zu erwartenden Segnungen schließlich wiederherstellen zu wollen.

Dieses war ein völliges und reiches Zeugnis von dem, was Gott ist. Dieses war eine Gnade, die das Gericht, welchem der Mensch, der Sünder, verfallen war, weit überströmte. Es war das Evangelium: und das Evangelium ist die Offenbarung Gottes. Es war daher Gott selbst.

Jakob entdeckte dieses alles. Er schaute den geheimnisvollen Ort; er schaute ihn vollkommen. „Hier ist nichts anderes, denn Gottes Haus!“ rief er. Gott war ihm offenbart worden; und der Glaube, wie immer, verstand diese Offenbarung. In dem Auge des Glaubens ist die öde Stätte, genannt Lus, ein Bethel geworden. Wie dürre und wüste sie auch an und für sich sein mochte, so war sie doch das Haus Gottes; denn gerade dort hatte Gott seinen Namen verkündigt.

Es ist schön zu sehen, wie der Glaube Gott entdeckt, selbst wenn zu gleicher Zeit, wie es sicher bei Jakob der Fall war, menschliche Schwachheiten das Herz bestürmen. Er nannte die Stätte das „Haus Gottes“, die „Pforte des Himmels“. Die Einfachheit und Bestimmtheit, womit dieses geschieht, ist bewundernswürdig. Wenn wir, selbst inmitten des menschlichen Ruins, im Haus Gottes sind, wenn wir das Anrecht auf seinen in einer Welt voll Sündern veröffentlichten Namen empfangen haben, so stehen wir an der Pforte des Himmels. Befinden wir uns in dem Königreich des viel geliebten Sohnes, so sind wir an den Grenzen des Erbteils der Heiligen im Licht (Kol 1). „Sind wir gerechtfertigt, so sind wir auch verherrlicht“ (Röm 8). Dasselbe zeigte sich auch im Glauben des Patriarchen. Nachdem Jakob entdeckt hatte, dass er im Haus Gottes war, wusste er auch, dass er an der Pforte des Himmels stand. In dem Augenblick, wo er die Gnade erkannt hatte, war er auch „passend“ für die Herrlichkeit. Gott hatte ihm Errettung, Vergebung und Frieden zugesichert; und das war für ihn genug, um versichert zu sein, dass er sich für immer bei Ihm zu Haus, in seinem eigenen Himmel befinde.

Viele Jahre nach den patriarchalischen Tagen Jakobs finden wir dasselbe. Ich meine bei David und in den Tagen des Königreichs Israel.

Die Sünde war überschwänglich; aber die Gnade zeigte sich weit überströmender. David hatte sich, wie Jakob, selbst verdorben; aber Gott hatte ihn mit Rettung besucht. Die Dreschtenne des Jebusiters (1. Chr 22) bezeugte dieses jetzt, wie einst die Wüste und die Stätte Lus es bezeugt hatten. Gott hatte wieder sein Haus angekündigt; und es ist immer dasselbe Haus. Die Zeit hatte es nicht geändert; denn „er ist gestern und heute und in die Zeitalter derselbe“. Gott war offenbart worden, sowie Er stets gewesen, und wie Er stets ist, und David zögerte nicht einen Augenblick. „Hier soll das Haus Gottes, des Herrn, sein“, (Kap 23,1) sagte er im Geist des Patriarchen. Er hatte dieselbe Offenbarung Gottes empfangen, wie einst der Patriarch; und obwohl Jahrhunderte zwischen diesen und jenen Tagen dahingerollt waren, so handelte doch der Glaube mit jener Offenbarung in demselben Vertrauen.

Dieses ist einfach und höchst segensreich. Auch ist es sehr lieblich zu sehen, mit welch einem eifrigen, sorgfältigen und ungeteilten Herzen David sich dieser Stätte zuneigt. Er scheute sich, dieselbe zu verlassen – und das ist eine gute Belehrung für uns alle. Andere Plätze hatten ihre Berechtigung und ihre Reize. Der höchste Platz Gibeons war die Stätte der Stiftshütte und ihres Altars; und das Zelt, welches David auf dem Berg Zion errichtet hatte, war damals die Wohnstätte der Lade des Zeugnisses. Aber da, wo Gott dem Zustand eines verlorenen Sünders in Gnade begegnet, wo das Schwert des Gerichts eingesteckt und das Opfer durch das Feuer des Himmels angenommen worden war, da musste David bleiben. Gott setzte in Betreff des Platzes, genannt Golgatha, des Berges Moria, wo Er sich selbst ein Lamm ausersehen, die Offenbarung seiner selbst fort; und David oder vielmehr der Glaube folgte Ihm. Der Glaube muss mit der Offenbarung Schritt halten. „Hier soll das Haus Gottes, des Herrn, sein, und dies der Altar des Brandopfers Israels“, rief David mit Bestimmtheit. Auf der Dreschtenne Ornans musste er sein Ebenezer errichten. Die Priester der Stiftshütte hätten sagen können, dass ihnen ein solcher Platz nicht bekannt sei; aber Gott kannte denselben, und der Glaube musste ihn anerkennen.

Fügen wir jetzt hinzu, dass es sich mit uns ebenso verhält. Wir haben das Haus Gottes entdeckt; denn Gott selbst hat es uns offenbart. Er hat, und zwar für immer, in der Dreschtenne des Jebusiters, auf dem Berg Moria, d. h. auf jener „Stätte, genannt Golgatha“, Seinen Namen angekündigt; denn dort erscheint Er als der gerechte Gott, aber auch als der Heiland, als der Gott des Friedens, welcher sich dort für seinen Altar ein Lamm ausersehen und das Opfer angenommen hat, indem Er den Vorhang zerriss und Ihn, der von Sünden reinigte, in die höchsten Himmel setzte. Der Glaube sitzt, wenn die vollbrachte Rettung gefeiert ist, an der Tafel im Haus Gottes und sagt mit den Patriarchen und mit dem Königs Israels: „Dies ist das Haus Gottes, dies ist die Pforte des. Himmels, dies ist der Altar des Brandopfers Israels.“ Der Glaube verkündigte bis zu dieser Stunde den Tod des Lammes Gottes, verkündigte ihn mit einem Opfer des Lobes, und wird ihn verkündigen, „bis er kommt“, indem er mit Bewusstsein steht an der Pforte des Himmels, oder an den Grenzen der Herrlichkeit (1. Kor 11). 1

Fußnoten

  • 1 Erinnern wir uns, dass der Berg Moria, die Dreschtenne Ornans und die Stätte, genannt Golgatha, dieselben Dinge sind.
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