Botschafter des Heils in Christo 1870
Josia und seine Zeit - Teil 2/3
In 2. Könige 23 finden wir ein noch viel ausführlicheres Verzeichnis der Gräuel, mit denen dieser ergebene Diener Gottes zu kämpfen hatte. Wir wollen jedoch nichts weiter daraus anführen; denn das bereits Erwähnte ist hinreichend, um uns die schreckliche Ausdehnung zu zeigen, zu welcher selbst das Volk Gottes sich verirren kann, wenn es einmal auch nur in dem geringsten Gerade von der Autorität der heiligen Schrift sich abwendet. Wir fühlen, dass es eine ganz besondere Unterweisung ist, welche uns die höchst interessante Geschichte dieses besten der Könige von Juda liefert. Es ist in der Tat eine ernste Unterweisung. Von dem Augenblick an wo jemand um ein Haar breit von der Schrift abweicht, gibt es keine Berechnung für die ungeheuer großen Ausschreitungen, in welche er fallen kann. Es mag unser Erstaunen erregen, dass ein Mann wie Salomo dahin gebracht werden konnte, „Höhen für Astarte, den Gräuel der Sidonier, für Kemosch, den Gräuel der Moabiter, und für Milkom, den Gräuel der Kinder Ammon“ zu bauen. Aber wenn wir bedenken, dass er zuerst gegen des Herrn Wort Weiber aus den Nationen nahm, so kann es uns nicht befremden, dass er auch in den tieferen Irrtum fiel, den Gottesdienst derselben anzunehmen.
Ja, mein christlicher Leser, lass es uns nicht aus den Augen verlieren, dass alle diese Missgriffe, all dieses Verderbnis und diese Verwirrung, all diese Schmach und Entehrung ihren Ursprung in der Vernachlässigung des Wortes Gottes hatten. Es ist dieses eine ernste, beachtenswerte Tatsache. Es war stets die besondere Absicht Satans, das Volk Gottes von der Schrift wegzuführen. Zu diesem Zweck benutzt er alles: die Überlieferung, die so genannte Kirche, die Zweckmäßigkeit, die menschliche Vernunft, die öffentliche Meinung, den Ruf, den Charakter, den Einfluss und die Stellung eines Menschen; – alles dessen bedient er sich, um das Herz und Gewissen von dem wahrhaft göttlichen Wahlspruch: „Es steht geschrieben!“ abzulenken. Der ungeheuer große Haufen von Irrtümern, die unser jugendlicher, frommer König „in Staub zu zermalmen“ und zu Pulver zu mahlen vermochte, hatte seinen Ursprung in der Vernachlässigung des göttlichen Buches. Es kümmerte Josia wenig, dass all diese Dinge sich des Alters und der Autorität der Väter des jüdischen Volkes rühmen konnten; und er war auch ebenso wenig durch den Gedanken bewegt, diese Altäre und Höhen, diese Haine und Bilder als Beweise der Weitherzigkeit und eines freisinnigen Geistes, gegenüber der Beschränkung, Frömmeln und Unduldsamkeit, zu betrachten und in ihnen die Spender des Fortschrittes zu sehen, welche nicht in die engen Grenzen jüdischer Vorurteile eingeschlossen sein sollten, sondern durch die weite Welt reisen und alles in den Kreis der Liebe und der Brüderschaft einschließen konnten. Nichts beeinflusste ihn. Alles, was nicht in dem: „So spricht der Herr!“ seine Grundlage hatte, „das zermalmte er in Staub.“
Die verschiedenen Abschnitte im Leben Josias sind scharf gezeichnet. „In dem ersten Jahr seiner Regierung sing er an, den Gott seines Vaters David zu suchen.“ – „In dem zwölften Jahre fing er an, Juda und Jerusalem zu reinigen.“ – Und „in dem achtzehnten Jahre seiner Regierung, als er das Land und das Haus gereinigt hatte, sandte er hin Saphan, den Sohn Azaljas, und Maeseja, den Obersten der Stadt, und Joha, den Sohn Joahas, den Kanzler, zu bessern das Haus des Herrn, seines Gottes.“
Aus all diesem können wir nun jenen Fortschritt wahrnehmen, welcher immer aus einer wirklichen Herzensabsicht, dem Herrn zu dienen, entspringt. „Der Gerechten Pfad glänzt wie ein Licht, das da fortgeht und leuchtet, bis auf den vollen Tag.“ Solch ein Pfad war derjenige von Josia; und so kann auch der Pfad des Lesers sein, wenn er unter dem Einfluss derselben ernsten Absicht steht. Es liegt nichts daran, wie auch die Umstände beschaffen sein mögen. Wir können von den feindseligsten Einflüssen umgeben sein, wie Josia zu seiner Zeit es war; aber ein sich hingebendes Herz, ein ernster Wille, eine bestimmte Absicht werden uns durch die Gnade über alles emporheben und uns befähigen, von Stufe zu Stufe auf dem Pfad der Jüngerschaft vorwärts zu dringen.
Wenn wir die ersten zwölf Kapitel des Buches Jeremia durchgehen, so werden wir im Stande sein, uns eine Vorstellung von dem Zustand der Dinge in den Tagen Josias zu machen. Dort lesen wir: „Ich will das Recht über sie gehen lassen, um aller ihrer Bosheit willen, dass sie mich verlassen, und räuchern anderen Göttern, und beten an ihrer Hände Werk. So umgürte nun deine Lenden und mache dich auf, und predige ihnen alles, was ich dich heiße! Fürchte dich nicht vor ihnen, als sollt ich dich abschrecken!“ Und wiederum: „Ich muss immer mit euch und euren Kindeskindern schelten, spricht der Herr. Geht hin zu den Inseln Chittim und schaut, und sendet gen Kedar, und merkt mit Fleiß und schaut, ob es daselbst so zugeht, ob die Heiden ihre Götter ändern, wiewohl sie doch nicht Götter sind. Und mein Volk hat doch seine Herrlichkeit verändert wegen eines unnützen Götzen.“ – So finden wir auch beim Beginn des 3. Kapitels ein schreckliches Bild gebraucht, um das schlechte Betragen von „dem abtrünnigen Israel und dem verstockten Juda“ darzustellen; und im 4. Kapitel hören wir die Sprache: „Das hast du zum Lohn für dein Wesen und dein Tun; dann wird dein Herz fühlen, wie deine Bosheit so groß ist. Wie ist mir so herzlich wehe! Mein Herz pocht mir im Leib und habe keine Ruhe; denn meine Seele hört der Posaune Hall und eine Feldschlacht und ein Mordgeschrei über das andere; denn das ganze Land wird verheert. Plötzlich werden meine Hütten und meine Zelte verstört. Wie lange soll ich noch das Panier sehen und der Posaunen Hall hören? Aber mein Volk ist toll und glaubt mir nicht. Töricht sind sie und achtens nicht; weise sind sie genug, Nebels zu tun; aber wohltun wollen sie nicht lernen. Ich schaute das Land an, siehe, das war wüste und öde, und den Himmel, und er war finster. Ich sah die Berge an, und siehe, die bebten und alle Hügel zitterten. Ich sah, und siehe, da war ein Mensch; und alles Gevögel unter dem Himmel war weggeflogen. Ich sah, und siehe, das Baufeld war eine Wüste, und alle Städte darin waren zerbrochen vor dem Herrn und vor seinem grimmigen Zorn.“
Welch eine lebendige Sprache! Die ganze Szene scheint in dem Gesicht des Propheten auf den ursprünglichen chaotischen Zustand und die Finsternis zurückgebracht zu sein. Nichts konnte trüber sein, als der hier geschilderte Anblick. Das Ganze dieser Kapitel muss sorgfältig betrachtet werden, wenn wir ein richtiges Urteil über die Zeit, in welcher Josias Los geworfen war, uns bilden wollen. Es war augenscheinlich eine Zeit von tiefgewurzelter und allgemein verbreiteter Verderbnisse in jeder Gestalt. Hohe und Niedere, Reiche und Arme, Gelehrte und Ungelehrte, Propheten, Priester und Volk – alle stellten ein abschreckendes Bild von Falschheit, Betrug und herzloser Bosheit dar, welches nur von einer inspirierten Feder treu dargestellt werden konnte.
Warum verweilen wir hierbei? Warum führen wir Beweise an von dem moralisch niederen Zustand Israels und Judas in den Tagen des Königs Josia? Hauptsächlich um zu zeigen, dass, wie auch unsere Umgebung sein mag, wir dennoch persönlich für uns dem Herrn dienen können, wenn nur das Herz die Absicht hat, es zu tun; denn sicher in den dunkelsten Zeiten scheint das Licht treuer Hingebung sehr glänzend hervor, es sticht von der es umgebenden Dunkelheit umso mehr ab. Gerade die Umstände, welche Gleichgültigkeit und Untreue als Vorwand für die Nachgiebigkeit, dem Strom zu folgen, gebrauchen wollen, liefern einem ergebenen Gemüt einen Grund, um sich dagegen zu stemmen. Wenn Josia um sich geschaut hätte, was würde er gesehen haben? Verrat, Betrug, Verderbnis und Gewalttat. So war der Zustand der öffentlichen Sittlichkeit. Und wie stand es um die Religion? Irrtümer und Übel in jeder nur denkbaren Form. Etliche davon stammten aus sehr alter Zeit. Sie wurden von Salomo eingeführt, und selbst Hiskia hatte sie stehen lassen. Ihr Grund wurde inmitten der glänzenden Regierung des weisesten und reichsten Königs von Israel gelegt; und der frommste ergebenste unter den Vorfahren Josias hatte sie stehen lassen, wo er sie fand.
Wer war denn Josia, dass er sich anmaßte, solch ehrwürdige Einrichtungen umzustoßen? Welches Recht hatte er, der noch so junge, unerfahrene, ungeübte Mann, sich in Widerspruch zu setzen mit Männern, die ihn an Weisheit, Einsicht und reifem Urteil weit übertrafen? Warum ließ er die Dinge nicht, wie er sie fand? Warum erlaubte er dem Strom nicht, ruhig weiter durch solche Kanäle zu stießen, die ihn seit Menschenaltern und Geschlechtern leiteten? Eingriffe sind gewagt. Es ist ein großes Wagnis, allen Vorurteilen entgegenzutreten. Diese und tausend verwandte Fragen hätten ohne Zweifel das Herz Josias bewegen können; aber die Antwort war einfach gerade, klar und entscheidend. Es war nicht das Urteil Josias gegenüber dem Urteil seiner Vorfahren, sondern es war das Urteil Gottes gegen alles. Das ist ein sehr wichtiger Grundsatz für jedes Kind Gottes und für jeden Diener Christi. Ohne denselben vermögen wir niemals uns dem Strom des Bösen, welcher um uns her fließt, entgegen zu stellen. Dieser Grundsatz hielt Luther aufrecht in dem harten Streit, den er mit der ganzen Christenheit zu führen hatte. Auch er hatte, wie Josia, die Axt an die Wurzel alter Vorurteile zu legen und gerade an der Grundlage der Meinungen und Lehren zu rütteln, welche allgemein in der Kirche seit mehr als tausend Jahren Geltung hatten. Nie konnte dieses geschehen? Etwa dadurch, dass man das Urteil Martin Luthers gegen das Urteil der Päpste und Kardinale, der Rat und Konzil, der Bischöfe und Lehrer stellte? Gewiss nicht; das würde sicher die Reformation nicht herbeigeführt haben. Es war nicht Luther gegen das Christentum, sondern die heilige Schrift gegen den Irrtum.
Mögen wir es tief erwägen! Es ist dieses für unsere Zeit eine ebenso so wichtige Lektion, wie es für die Tage Luthers und für die Tage Josias gewesen ist. Wir fordern die Oberherrschaft der heiligen Schrift, die oberste Autorität des Wortes Gottes, die unumschränkte Herrschaft der göttlichen Offenbarung, ehrfurchtsvoll anerkannt in ganzer Ausdehnung von der Kirche Gottes. Wir sind überzeugt, dass man fleißig aller Orten und durch alle Mittel bestrebt ist, die Autorität des Wortes zu untergraben und seinen Einfluss auf das menschliche Gewissen zu schwächen. Und weil wir dieses fühlen, so suchen wir immer wieder den Ruf einer feierlichen Warnung zu erheben und ebenso nach unserer Fähigkeit die Wichtigkeit der Unterwerfung in allen Dingen unter das inspirierte Zeugnis, unter die Stimme Gottes in der Schrift hervorzuheben. Wir bedürfen in allen Dingen unumschränkt von der Autorität der Schrift geleitet zu werden, nicht durch die Auslegung der Schrift mittelst sterblicher Menschen, sondern durch die Schrift selbst. Wir bedürfen es, der Lehre des göttlichen Wortes zu allen Zeiten und in jeder Lage, den ersten und letzten Platz einzuräumen.
Dies finden wir in lebendigster Weise dargestellt in dem Leben und den Zeiten Josias, und besonders in den Vorgängen des achtzehnten Jahres seiner Regierung, auf welche wir nun die Aufmerksamkeit des Lesers richten wollen. Dieses Jahr war eines der denkwürdigsten, nicht nur in der Geschichte Josias, sondern auch in den Zeittafel Israels. Es war durch zwei große Tatsachen ausgezeichnet, nämlich durch die Entdeckung des Gesetzbuches, und durch die Feier des Passahs. Wunderbare Ereignisse! Ereignisse, welche ihren Eindruck auf diesen sehr wichtigen Zeitabschnitt zurückgelassen und ihn überaus fruchtbar in der Belehrung für das Volk Gottes zu allen Zeiten gemacht haben.
Es ist erwähnenswert, dass die Entdeckung des Gesetzbuches gerade in der Zeit gemacht wurde, während die reformatorischen Maßregeln Josias ihren Fortgang nahmen. Es liefert dieses einen jener Tausende von Beweisen des großen praktischen Grundsatzes, dass „dem, der da hat, gegeben wird, dass er die Fülle habe.“ – Und wiederum: „Wenn jemand will seinen Willen tun, wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist.“
„Im achtzehnten Jahre seines Königreichs, da er das Land, und das Haus gereinigt hatte, sandte er Saphan, den Sohn Azaljas und Maeseja, den Obersten der Stadt, und Joah den Sohn Joahas, den Kanzler, zu bessern das Haus des Herrn seines Gottes. Und sie kamen zu dem Hohepriester Hiskia. Und man gab ihnen das Geld, das zum Haus Gottes gebracht war. ... Und da sie das Geld Herausnahmen, das zum Haus des Herrn gebracht war, fand Hiskia, der Priester, das Buch des Gesetzes des Herrn, durch Mose gegeben. Und Hiskia antwortete und sprach zu. Saphan, dem Schreiber: Ich habe das Gesetzbuch gefunden im Haus des Herrn. Und Hiskia gab das Buch Saphan, und Saphan brachte das Buch zum König. ... Und Saphan las darin vor dem König. Und da der König die Worte des Gesetzes hörte, zerriss er seine Kleider“ (2. Chr 34,8–19).
Hier haben wir ein zartes Gewissen, das sich unter die Wirkung des Wortes Gottes beugt. Das war ein besonderer Zug in dem Charakter Josias. Er war in der Tat ein Mann mit einem demütigen und zerschlagenen Geist, welcher bei dem Wort Gottes zitterte. Möchten wir alle mehr davon kennen! Es ist ein sehr wertvoller Zug des christlichen Charakters. Wir haben sicher nötig, weit tiefer das Gewicht, – die Autorität und den Ernst der Schrift zu fühlen. Josia hatte in seinem Herzen keine Frage über die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Worte, welche Saphan ihm vorgelesen hatte. Wir lesen nicht, dass er gesagt habe: Wie kann ich wissen, dass dieses das Wort Gottes ist? Nein, er zitterte davor. Er beugte sich vor ihm. Er mir durch dasselbe niedergeschlagen. Er zerriss seine Kleider. Er maßte sich nicht an, über das Wort Gottes zu Gericht zu sitzen, sondern – wie es geziemend und recht war – er erlaubte dem Warte Gottes, ihn zu richten.
So sollte es stets sein. Wenn der Mensch die Schrift beurteilen kann, dann ist die Schrift keineswegs das Wort Gottes. Aber wenn die Schrift in Wahrheit das Wort Gottes ist, dann muss sie den Menschen beurteilen. Und das tut sie. Die Schrift ist das Wort Gottes und beurteilt den Menschen gründlich. Sie legt die wahren Wurzeln seiner Natur bloß; sie schließt die Grundlagen seines moralischen Seins auf; sie hält ihm den alleinigen, treuen Spiegel vor, in welchem er sich in seiner wirklichen Gestalt sehen kann. Das ist der Grund, warum der Mensch die Schrift nicht liebt, sie nicht ertragen kann, sie bei Seite zu setzen bemüht ist, seine Freude darin findet, sie mit Geringschätzung zu betrachten, und es wagt, über sie zu Gericht zu sitzen. Er macht es nicht so mit anderen Büchern. Aber das ist erklärlich. Denn die Schrift beurteilt ihn, richtet seine Wege, seine Lüste. Daher kommt die Feindschaft des natürlichen Herzens gegen dieses so kostbare und wunderbare Buch, welches, wie wir bereits bemerkt haben, seine eigene Beglaubigung für jedes göttlich zubereitete Herz bei sich führt. Es ist eine Macht in der Schrift, welche alles vor ihr niederdrücken muss. Alles muss früher oder später sich vor ihr beugen. „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Zerteilung der Seele und des Geistes, der Gelenke und des Markes, und ist ein Richter der Überlegungen und Gesinnungen des Herzens, und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir zu tun haben“ (Heb 9,12–13).
Josia fand, dass es gerade so sein müsse. Das Wort Gottes durchbohrte ihn durch und durch. „Und es geschah, als der König die Worte des Gesetzes gehört hatte, dass er seine Kleider zerriss. Und der König gebot Hiskia, und Ahikam, dem Sohn Saphans, und Abdon, dem Sohn Michas, und Saphan, dem Schreiber, und Asaja, dem Knecht des Königs, und sprach: Geht hin, fragt den Herrn für mich, und für die Übrigen in Israel und in Juda um die Worte des gefundenen Buches; denn groß ist der Grimm des Herrn, der über uns ausgegossen ist, darum dass unsere Väter nicht gehalten haben das Wort des Herrn, dass sie taten nach allem, was geschrieben ist in diesem Buch“ (V 19–21). – Welch ein auffallender Gegensatz zwischen Josia, der mit betrübtem Herzen, erwachtem Gewissen und zerrissenen Kleidern sich unter die gewaltige Wirkung des Wortes Gottes niederbeugte, und unseren Zweiflern und Ungläubigen, welche mit erschreckender Kühnheit es wagen, über dasselbe Wort zu Gericht zu sitzen. O dass die Menschen doch bei Zeiten weise sein und ihre Herzen und Gewissen in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter das Wort des lebendigen Gottes bringen möchten, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt, an welchem sie unter „Weinen, Wehklagen und Zähneknirschen“ genötigt sein werden, sich unter das Wort Gottes zu beugen!
Das Wort Gottes wird immer stehen bleiben; und es wird ganz vergeblich für den Menschen sein, sich demselben zu wiedersetzen oder durch seine vernünftelnden und zweifelnden Spekulationen in denselben Irrtümer und Widersprüche ausfindig machen zu wollen. „Dein Wort steht für immer fest in den Himmeln.“ – „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ – „Das Wort des Herrn währt ewiglich.“ – Was kann es daher dem Menschen nützen, dem Wort Gottes zu wiederstehen? Er kann nichts gewinnen; aber ach! wie vieles kann er verlieren! Wenn ein Mensch die Unechtheit der Bibel beweisen könnte, was hätte er dabei gewonnen? Aber wenn sie nach allem wahr ist, was verliert er? Welch eine ernste Wahrheit! Möchte ihr Ernst doch von jedem gefühlt werden, dessen Herz unter dem Einfluss vernünftelnder oder ungläubiger Einwendungen ist!
Fahren wir jedoch in unserer Geschichte fort.
„Da ging Hiskia hin, samt den anderen vom König gesandt, zu der Prophetin Hulda, dem Weib Sallums, des Sohnes Takehats, des Sohnes Hasras, des Hüters der Kleider; und sie wohnte zu Jerusalem im anderen Teil; und sie redeten solches mit ihr“ (V 22). – Beim Beginn unserer Betrachtung nahmen wir Bezug auf die Tatsache, dass, als Kennzeichen der Lage der Dinge unter Volk Gottes, ein achtjähriges Kind auf dem Thron Davids war. Hier verweilen wir ebenfalls bei der Tatsache, dass der prophetische Dienst von einem Weib ausgeübt wird. Sicher soll damit etwas gesagt werden. Die Dinge standen auf einem niedrigen Punkte; aber die Gnade Gottes war unfehlbar und überströmend; und Josia war so völlig gebrochen, dass er bereit war, die Mitteilung des Herzens Gottes anzunehmen, durch welchen Kanal dieselbe auch zu ihm gelangen mochte. Dieses ist in der Tat beachtenswert. Nach Ansicht der Natur mag es für den König Judas sehr demütigend gewesen sein, zu den Ratschlägen eines Weibes seine Zuflucht nehmen zu müssen. Aber damals war dieses Weib die Bewahrerin der Geheimnisse des Herzens Gottes; und dieses war völlig genug für einen zerschlagenen und betrübten Geist. Er hatte bis dahin den Beweis abgelegt, dass sein hauptsächliches Verlangen darin bestand, den Willen Gottes zu kennen und zu tun; und daher bekümmerte es ihn nicht, durch welches Mittel dieser Wille zu seinem Ohr gelangte; er war bereit zu hören und zu gehorchen.
Hierin liegt zu allen Zeiten das wahre Geheimnis einer göttlichen Leitung. „Er leitet die Elenden im Recht, und lehrt den Elenden seinen Weg“ (Ps 25,9). Wäre diese gesegnete Gesinnung der Demut unter uns mehr vorhanden, so würde weniger Verwirrung und Widerspruch, weniger Streit und Hader um Wort sein, die keinen Nutzen schaffen. Wenn wir alle demütig wären, so würden wir alle göttlich geleitet und göttlich gelehrt werden. Eines Sinnes sein, ein und dasselbe reden und die Zersplitterungen und gegenseitigen Anfeindungen entschieden vermeiden. –
Und welch eine bestimmte Antwort empfängt der demütige und betrübte König aus dem Mund der Prophetin Hulda – eine Antwort sowohl für sein Volk, als auch für sich selbst. „Und sie sprach zu ihm: So spricht der Herr, der Gott Israels: Sagt dem Mann, der euch zu mir gesandt hat: Siehe, ich will Unglück bringen, über diesen Ort und seine Bewohner, alle die Flüche, die geschrieben stehen im Buch, dass man vor dem König Judas gelesen hat; darum, dass sie mich verlassen haben und anderen Göttern geräuchert, dass sie mich erzürnten mit allerlei Werken ihrer Hände. Und mein Grimm soll angezündet werden über diesen Ort und nicht ausgelöscht werden“ (V 23–25). All dieses war nur die feierliche Wiederholung und Feststellung dessen, was bereits das offene und aufmerksame Ohr des Königs erreicht hatte; aber es kam mit Gewalt, Nachdruck und Gewicht, frisch und als eine direkt und persönlich an ihn gerichtete Mitteilung; es kam verstärkt und gesteigert durch den ernsten Ausspruch: „Sagt dem Mann, der euch zu mir gesandt hat?“
Aber hier fand sich noch mehr. Auch noch eine Gnaden Botschaft, die Josia selbst betraf, war vorhanden. „Und zum König von Juda, der euch gesandt hat, den Herrn zu fragen, fallt ihr also sagen: So spricht der Herr, der Gott Israels von den Worten, die du gehört hast: Darum, dass dein Herz weich geworden ist, und hast dich gedemütigt vor Gott, da du seine Worte hörtest wider diesen Ort und wider die Bewohner, und hast dich vor mir gedemütigt und deine Kleider zerrissen und vor mir gemein et, so habe ich dich auch erhört, spricht der Herr. Siehe, ich will dich sammeln zu deinen Vätern, dass du in dein Grab mit Frieden gesammelt wirst, dass deine Augen nicht sehen all das Unglück, das ich über diesen Ort und die Bewohner bringen will. – Und sie sagten es dem König wieder“ (V 26–28).
All dieses ist voll Belehrung und Ermutigung für uns in diesen dunklen und bösen Tagen. Wir lernen hier den Wert einer tiefen, persönlichen Betrübnis des Herzens nach göttlicher Schätzung kennen. Josia hätte den Fall als hoffnungslos erachten und denken können, dass nichts den gewaltigen Strom des Zornes und Gerichts, der über die Stadt Jerusalem und das Land Israel sich herabzustürzen im Begriff war, abhalten könnte, dass jede Anstrengung, ihn zurückzuhalten, sich als äußerst nutzlos erweisen würde, dass es der Vorsatz Gottes sei, das Urteil aufzuführen, kurz, dass er nur dabei zu stehen und den Dingen ihren Lauf zu lassen habe. Allein Josia enteilte nicht also. Nein, er beugte sich vor dem göttlichen Zeugnis. Er demütigte sich, zerriss seine Kleider und weinte. Gott nahm Kenntnis davon. Josias Bußtränen waren köstlich vor Jehova; und obwohl das schreckliche Gericht seinen Lauf zu nehmen hatte, so entkam doch der Bußfertige. Und er entkam nicht nur selbst, sondern er ward auch zu einem gesegneten Werkzeug in der Hand des Herrn, um auch andere zu retten. Er überließ sich nicht dem Einfluss eines gefährlichen Verhängnis–Glaubens, sondern er warf sich mit gebrochenem Geist und zerknirschtem Herzen auf Gott, indem er seine eigene und des Volkes Sünde bekannte. Und als er von seiner eigenen persönlichen Rettung überzeugt war, suchte er auch die Rettung seiner Brüder zu bewirken. Das ist eine herrliche Belehrung für das Herz.
Es ist sehr anziehend und belehrend, die Handlungen Josias zu beobachten, als sein Herz und Gewissen unter den mächtigen Einfluss des Wortes Gottes gebracht waren. Er beugte sich nicht nur selbst unter dieses Wort, sondern auch andere suchte er dahin zu bringen. Dieses wird stets der Fall sein, wenn das Werk acht ist. Es ist unmöglich, dass jemand das Gewicht und die Würde der Wahrheit fühlen könnte, ohne sich Zugleich auch angeregt zu fühlen. Andere unter ihre Wirkung zu bringen. Allerdings kann ein Teil der Wahrheit vom Verstand, oberflächlich und in einer bloß spekulativen, eingebildeten Weise festgehalten werden; allein dieses wird keine praktische Wirkung haben; es sagt dem Herzen und Gewissen nichts nach einer göttlichen, lebenskräftigen Weise; es berührt nicht das Leben und den Charakter. Und insofern die Wahrheit nicht unsere eigenen Seelen berührt hat, wird unsere Darstellung derselben auf andere keinen Einfluss ausüben. Es ist wahr, Gott ist unumschränkt; und Er kann sein eigenes Wort gebrauchen, selbst wenn es von jemanden vorgetragen wird, der nie wirklich dessen Einfluss gefühlt hat, aber wir dürfen versichert sein, dass, um in anderen ein tiefes Gefühl für die Wahrheit hervorzubringen, wir selbst sie tief fühlen müssen.
Nehmen wir als Beleg des Gesagten irgendeine Wahrheit, nehmen wir z. B. die herrliche Wahrheit vom Kommen des Herrn. Wie wird jemand seine Zuhörer durch die Darstellung derselben einnehmen können? Ohne Zweifel doch nur dann, wenn er selbst davon tief eingenommen ist. Wenn das Herz unter der Gewalt des ernsten Wortes ist: „Der Herr ist nahe!“ – wenn diese Wahrheit in ihrem ganzen Ernst angesichts der Welt verwirklicht und von den einzelnen Gläubigen, wie von der Kirche insgesamt, in ihrer süßen Anziehungskraft gefühlt wird, dann wird sie sicher in einer Weise ins Licht gestellt werden, die berechnet ist, die Herzen der Zuhörer zu rühren. Es ist leicht zu erkennen, ob jemand fühlt, was er redet. Es mag eine sehr klare und geschmückte Darstellung der Lehre der zweiten Ankunft des Herrn und aller damit zusammenhängenden Wahrheiten sein; aber wenn sie kalt und herzlos ist, so wird sie ohne Eindruck bei den Zuhörern bleiben. Um zum Herzen des Horchenden zu reden, muss das Herz des Sprechenden fühlen.
Wir wollen indessen durchaus nicht sagen, dass die Weise der Darstellung der Wahrheit an und für sich vermögend sei, eine Seele zu bekehren. Selbst die Tränen eines Predigers können nicht lebendig machen. Sein tiefster Ernst kann keine Wiedergeburt bewirken. Es ist „nicht durch Macht, nicht durch Gewalt, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr.“ Es ist nur durch die mächtige Wirkung des Wortes und Geistes Gottes, dass irgendeine Seele wieder geboren werden kann. Das ist unumstößlich wahr. Aber ebenso völlig sind wir überzeugt, dass Gott eine ernste Predigt segnet, und dass Seelen durch sie in Bewegung gebracht werden. Wir bedürfen daher mehr Ernst, mehr Tiefe des Gefühls, mehr Innigkeit, mehr herzliches Erbarmen, um, im Blick auf den einen unbußfertigen Sünder treffenden Urteilsspruch Gottes, über die Seelen der Menschen zu weinen, und vor allem bedürfen wir eines mehr lebendigen Gefühls hinsichtlich des Wertes einer unsterblichen Seele in den Augen Gottes. Ja, wir sind überzeugt, dass ernstes, treues Predigen, eines der besonderen Bedürfnisse dieser unserer Zeit ist. Es gibt hier und da etliche, die, Gott sei Dank, zu fühlen scheinen, dass sie vor ihren Zuhörern als Kanäle zur Mitteilung zwischen Gott und ihren Mitmenschen stehen, und welche sich dem Werk des Herrn, der Errettung und Segnung der Seelen, mit Aufrichtigkeit widmen. Die große Arbeit des Evangelisten ist, die Seele mit Christus zusammenzubringen, die Arbeit des Lehrers und Hirten aber erstreckt sich dahin, dass die Seele mit Christus in Gemeinschaft bleibe. Es ist sehr gesegnet und wahr, dass durch die Entwicklung der Wahrheit – mögen die Menschen sie hören wollen oder nicht – Gott verherrlicht und Jesus Christus hoch erhoben wird. Aber wenn der Weiter des Herrn keine Erfolge sieht, wird er damit zufrieden sein? Nein, er wird ohne Resultate ebenso wellig voran zu gehen begehren, wie ein Weingärtner Jahr aus Jahr ein ohne eine Ernte arbeiten möchte. Unsere Sache ist es, im Gebet für die Seelen zu ringen, alle unsere Energie auf das Werk zu richten, und zu arbeiten, als ob die ganze Sache auf uns liege, wiewohl wir völlig wissen, dass wir durchaus nichts tun können, und dass unsere Worte sich wie eine Morgenwolke erweisen, wenn sie nicht von dem Herrn der Versammlungen gleich einem Nagel an einem bestimmten Orte befestigt werden. Wir sind überzeugt, dass in der göttlichen Ordnung der Dinge der ernste Arbeiter die Frucht seiner Arbeit haben muss, und dass er in seinem von Gott bezeichneten Wirkungskreise früher oder später diese Frucht ernten wird.
Wir sind in diese Gedanken hineingezogen worden, während nur die interessante Szene in dem Leben Josias betrachteten, die uns in 2. Chronika am Schluss des 34. Kapitels dargestellt wird. Es wird uns nützlich sein, dabei noch ein wenig zu verweilen. Josia war ein durchaus ernster Mann. Er fühlte die Macht der Wahrheit in seiner eigenen Seele; und er begnügte sich nicht eher, als bis er das Volk um sich versammelt hatte, auf dass das auf ihn strahlende Licht auch auf sie scheinen möchte. Er mochte und konnte nicht bei der Tatsache stehen bleiben, dass er im Frieden zu seinen Vätern gesammelt werden sollte, ohne jenes Übel zu schauen, welches im, Begriff stand, sich über Jerusalem und über das Land zu ergießen. Nein, er dachte an andere, er fühlte für das Volk, das um ihn war; und insoweit seine persönliche Errettung auf seine wahre Buße und Demütigung unter die gewaltige Hand Gottes gegründet war, suchte er durch die Wirksamkeit des Wortes, welches so mächtig in seinem eigenen Herzen gewirkt hatte, auch andere zu ähnlicher Buße und Demütigung zu leiten.
„Da sandte der König hin und ließ alle Ältesten in Juda und Jerusalem zusammenkommen. Und der König ging hinauf in das Haus des Herrn, und alle Männer Judas und Bewohner Jerusalems, die Priester, die Leviten, und alles Volk, beide Klein und Groß; und wurden vor ihren Ohren gelesen alle Worte im Buch des Bundes, das im Haus des Herrn gefunden war. Und der König trat an seinen Ort und machte einen Bund vor dem Herrn, dass man dem Herrn nachwandeln sollte, zu halten seine Gebote, Zeugnisse und Rechte von ganzem Herzen und von ganzer Seele, zu tun nach allen Worten des Bundes, die geschrieben standen in diesem Buch. Und standen da alle, die zu Jerusalem und in Benjamin vorhanden waren. Und die Bewohner von Jerusalem taten nach dem Bund Gottes, des Gottes ihrer Väter. Und Josia tat weg alle Gräuel in allen Landen, die der Kinder Israel waren, und schaffte, dass alle, die in Israel gefunden wurden, dem Herrn, ihrem Gott dienten. Solange Josia lebte, wichen sie nicht von dem Herrn, dem Gott ihrer Väter“ (V 31–33).
Welch eine herrliche Unterweisung finden wir hier für uns! Was uns aber vor allem bei dieser Betrachtung auffällt, ist die Tatsache, dass Josia seine Verantwortlichkeit für alle um ihn her fühlte. Erstellte sein Licht nicht unter einen Scheffel, sondern ließ es leuchten zu Nutz und Frommen für andere. Dieses alles ist umso mehr auffallend, als die große praktische Wahrheit der Einheit aller Gläubigen in einem Leib, als von Gott noch nicht offenbart, dem jungen Könige nicht bekannt war. Die Lehre: „Ein Leib und ein Geist!“ trat erst lange nach den Zeiten Josias ins Licht, und zwar, wie wir wissen, erst nachdem Christus, das auferstandene Haupt, seinen Sitz zur Rechten der Majestät in der Höhe eingenommen hatte. Aber obwohl diese Wahrheit noch „in Gott verborgen“ war, so zeigte sich doch hier die Einheit des Volkes Israel; und diese Einheit wurde stets von den Gläubigen jener Tage anerkannt, welches auch der äußere Zustand des Volkes sein mochte. Die zwölf Brote auf dem Tisch der Schaubrote im Heiligtum waren das göttliche Vorbild der vollkommenen Einheit, wenn auch Zugleich der vollkommenen Unterscheidung der zwölf Stämme (3. Mo 24). jeder Schriftforscher und jeder Freund der Wege Gottes sollte sich stets dessen bewusst sein. Während der düsteren und schweigsamen Nachtwachen strahlten die sieben Lampen des goldenen Leuchters ihr Licht auf die zwölf Brote, welche von der Hand des Hohepriesters nach dem Gebot auf den reinen Tisch gelegt wurden. Hier sehen wir also die unauflösliche Einheit der zwölf Stämme Israels in der lebendigsten Weise dargestellt, eine Wahrheit, welche Gott offenbart, aufgerichtet und aufrechterhalten, und welche der Glaube seines Volkes stets anerkannt hatte und darum auch demgemäß handelte.
Gestützt auf diese Wahrheit nahm Elias, der Tischbiter, seinen Standpunkt, als er auf dem Berg Karmel einen Altar aus zwölf Steinen nach der Zahl der zwölf Stämme der Söhne Jakobs baute, zu welchem das Wort des Herrn kam und sprach: „Israel soll dein Name sein!“ (1. Kön 18) Auf dieselbe Wahrheit hatte Hiskia Acht, als er befahl, dass das Brandopfer und Sündopfer für ganz Israel geschehen sollte (2. Chr 29,24). Paulus nahm zu seiner Zeit Bezug auf diese köstliche Wahrheit, als er vor dem König Agrippa stand und von „unseren zwölf Stämmen sprach, welche unaufhörlich Gott Tag und Nacht dienten“ (Apg 26,7).
Wenn nun einer dieser Glaubensmänner gefragt worden wäre: „Wo sind die zwölf Stämme?“ – hätte er eine Antwort geben, hätte er sie ausfindig machen können? Gewiss, aber nicht sichtbarlich, nicht für das Auge der Menschen; denn das Volk war getrennt, seine Einheit war gebrochen. In den Tagen Elias und Hiskias gab es zehn und zwei Stämme; und in den Tagen des Paulus waren die zehn Stämme umhergestreut und nur ein Überrest der zwei Stämme befand sich im Land. Was nun? Wurde die Wahrheit Gottes durch Israels äußere Lage wirkungslos gemacht? Weit entfernt davon! „Unsere zwölf Stämme“ dürfen nie aufgegeben werden. Die Einheit des Volkes ist für den Glauben eine große Wirklichkeit. Sie ist so wahr in diesem Augenblick, als damals, wo Josia die Wolf Steine zu Gilgal aufrichtete. Das Wort unseres Gottes wird immer bestehen. Nicht ein Strichlein von dem, was er geredet, wird je vergehen. Wechsel und Verfall mag die Geschichte menschlicher Angelegenheiten bezeichnen, Tod und Verwüstung mag gleich einem verwelkenden Windstoß über den schönsten Samen der Erde hinweghauchen; aber Jehova wird jedes seiner Worte wahrmachen, und Israels zwölf Stämme werden noch einmal des verheißenen Landes sich erfreuen in seiner ganzen Länge, Breite und Fülle. Keine Macht der Erde oder der Hölle wird diese gesegnete Erfüllung zu hindern vermögen. Warum? Weil der Mund des Herrn geredet hat.
Es ist von äußersten Wichtigkeit, über diese Wahrheit klar zu sein, nicht allein wegen ihrer besonderen Beziehung auf Israel und das Land Kanaan, sondern vor allem, weil Gott es ist, der Israel als ein Ganzes bezeichnet. Es gibt eine leichtfertige Weise, mit dem Wort Gottes umzugehen, die sowohl Ihn entehrt, als auch uns schadet. Stellen, welche besonders und ausschließlich Jerusalem und Israel angehen, werden auf die Verbreitung des Evangeliums und die Ausdehnung der christlichen Kirche angewandt. Das ist, gelinde gesagt, eine sehr unverantwortliche Freiheit gegenüber der heiligen Offenbarung. Unser Gott kann gewiss sagen, was Er meint, und ganz gewiss meint Er, was Er sagt. Wenn Er daher von Israel und Jerusalem spricht, so meint Er nicht die Kirche; und wenn Er von der Kirche spricht, so meint Er nicht Israel und Jerusalem. Wenn wir uns erlauben, leichtfertig und sorglos in Betreff eines Teiles der Schriften zu sein, so werden wir es auch in Betreff jedes anderen sein; und in dieser Weise wird unser Gefühl von der Autorität der Schrift mehr und mehr untergraben (Schluss folgt).